WIE TOLLWÜTIGE HUNDE - Mario Imperoli

Harte Kerle, grobe Keilereien, heiße Feger und unbarmherzige Gangster.
Antworten
Benutzeravatar
Richie Pistilli
Beiträge: 3555
Registriert: Sa., 31.10.2020 17:25
Wohnort: Provinzmetropole an Rhein und Mosel
Kontaktdaten:

WIE TOLLWÜTIGE HUNDE - Mario Imperoli

Beitrag von Richie Pistilli »

come_cani_arrabbiati.jpg



Wie tollwütige Hunde (D)
Come cani arrabbiati (IT)
Comme des chiens enragés (F)
Like Rabid Dogs


IT 1976

R: Mario Imperoli
D: Jean-Pierre Sabagh, Annarita Grapputo, Paola Senatore, Cesare Barro, Luis La Torre, Paolo Carlini u.a.



wie-tollwuetige-hunde.png


Score: Mario Molino #2 #3

Italo-Cinema.de

OFDb




01.png
06.png
03.png
04.png

05.png
02.png
07.png
08.png



Gewalt? Gewalt hat damit nichts zu tun. Das leben ist ein langer, gnadenloser Kampf. Gefühle sind bedeutungslos.
Oftmals ist es nötig, die Kadaver unserer Vorgänger niederzutrampeln oder die derer, die uns im Weg stehen. Ohne Gnade
”.



Nach einem brutalen Raubüberfall im Stadion von Lazio Rom, der während des Abstiegspiels gegen Sampdoria Genua vonstattenging und einen Wachmann das Leben kostete, können die beiden Täter unerkannt entkommen. Für Kommissar Muzi (Jean-Pierre Sabagh) steht aber bereits nach kürzester Zeit fest, dass Tony Ardenghi (Cesare Barro), ein Sohn aus sehr gutem Hause, für diese grausamen Taten verantwortlich sein könnte. Und tatsächlich liegt der Kommissar mit seiner Vermutung richtig, denn Tony beging gemeinsam mit seinen beiden Freunden Rico (Luis La Torre) und Silvia (Annarita Grapputo) bereits mehrfach Straftaten, die ihnen aber bis dato nicht nachgewiesen werden konnten. Als es kurz darauf zum nächsten Überfall kommt, bei dem die gewalttätigen Täter den Notar der Familie Ardenghi ausrauben, kommt es auf ihrer Flucht vor Polizei zu einer außerplanmäßigen Geiselnahme, wobei das Opfer in letzter Instanz aus Spaß an der Freud hingerichtet wird. Als Nächstes ist eine Prostituierte an der Reihe, der nach einem unbarmherzigen Übergriff eiskalt das Lebenslicht ausgeblasen wird. Doch leider fehlen Kommissar Muzi auch weiterhin handfeste Beweise, um die drei verzogenen Sprösslinge, die vom unspektakulären Leben im goldenen Käfig die Nase gestrichen voll haben und infolge ihrer missratenen Sozialisation eine todbringende Rebellion gegen Gott und die Welt vom Zaun brechen, zu überführen. Damit sich das ändert, verdonnert er seine Kollegin Germania (Paola Senatore), mit der auch tagtäglich das Bett teilt, auf beispiellose Art und Weise zum Undercoverdienst als Horizontalgewerblerin auf den Straßenstrich, um das mörderische Trio mit heruntergelassenen Hosen auf frischer Tat zu überführen. Ein riskantes Unterfangen, das letzten Endes auch gehörig nach hinten los geht...


Was folgt, sind weitere grausame Morde, wobei die Opfer allesamt aus dem nahen Umfeld des Großkapitalisten und Erzeugers Enrico Ardenghi (Paolo Carlini) stammen. Wird es dem leicht überfordert wirkenden Kommissar Muzi letztendlich gelingen, den menschenverachtenden Bestien in ihrem grausamen Handeln Einhalt gebieten?



"Das ultimative Ziel im Leben, wie auch im Spiel, ist der Sieg. Weißt Du, der ganze andere Unfug wie Moral, Kultur, soziales Bewusstsein oder Religion sind nützliche Werkzeuge die man bei denen einsetzen muss, die man kontrollieren will. Wenn Du gewinnst, stehst Du über jeglichen Prinzipien. Wenn Du verlierst, werden Dich dieselben Prinzipien fertig machen"



09.png
10.png
11.png
12.png

13.png
14.png
15.png
16.png

17.png
18.png
19.png
20.png



"Es geht nicht nur darum, die Regeln zu kennen. Man muss auch wissen, wie man sie in etwas Reelles und Effizientes umwandelt!"


Dieses in den 'Jahren des Bleis' entstandene Polizeifilmbrett nutzt nicht nur die Ängste und das allseits vorherrschende Unsicherheitsgefühl der italienischen Gesellschaft, sondern lässt darüberhinaus die brandheiße Thematik eines zur damaligen Zeit realen und allseits präsenten Vergewaltigungsfalls enthemmter Jugendlicher miteinfließen - das Circeo-Massaker aus dem Jahre 1975. Mario Imperoli zeigt in seiner Orgie der Gewalt ein grausames Portrait gelangweilter, überheblicher, empathieloser und rebellierender Jugendliche aus der reichen Bevölkerungsschicht, die aufgrund ihrer fehlgeleiteten Sozialisation, für die sich in erster Linie ihre ebenso verkommenen Eltern verantworten müssen, eine ganze Reihe an grausamen Raubmorden begeht. Der Motor dieser abgestumpften Tötungsmaschinerie ist der unendliche Hass des verwöhnten Sprosses Tony Ardenghi, der durch die menschenverachtenden Lebensweisheiten seines Vaters zu dem Tier gemacht wurde, das sich gerade an diesem als auch an dessen gesamten Lebensumfeld dafür rächen möchte.


Als Hauptdarsteller wurde ein Darsteller namens Jean-Pierre Sabagh auserkoren, bei dem sich nach langem hin und her herausstellte, dass es sich um ein Namenspseudonym des bereits als Theater- und Filmschauspieler bekannten Piero Santi (REMO E ROMOLO - STORIA DI DUE FIGLI DI UNA LUPA, VOTO DI CASTITA, BLUE EROTIC CLIMAX) handelt, der im vorliegenden Film den leicht phlegmatisch wirkenden Kommissar Paolo Muzi überzeugend verkörpert. Dabei entpuppt sich sein Rollencharakter Mauzi als ein obermieser Waschlappen, der nicht nur seine Geliebte Germania die Drecksarbeit machen lässt, indem er sie beispielsweise zu einem leibeswohlgefährdenden Undercoverjob auf den Strich schickt, sondern sie nebenbei auch nach Strich und Faden mit der erstbesten Verdächtigen betrügt. Sogar als Germania infolge seines blinden Egoismus fast ihr Leben lässt, flüchtet er sich in abstruseste Rechtfertigungsversuche, anstatt seinen fatalen Fehler einzusehen. Die Rolle der reizenden Germania wird von der italienischen Schauspielerin Paola Senatore (A.A.A. MASSAGGIATRICE BELLA PRESENZA OFFRESI, THE KILLER RESERVED NINE SEATS, LEBENDIG GEFRESSEN), wobei mich an ihrem Charakter ein wenig störte, dass sie tatenlos den Bim-Bam mit sich machen lässt - denn egal wie schuftig sich Muzi auch ihr gegenüber benimmt, hält sie uneingeschränkt an diesem fest. Annarita Grapputo (ROMA DROGATA: LA POLIZIA NON PUO INTERVENIRE, GEWALT ÜBER DER STADT, DIE ZUHÄLTERIN) spielt die Rolle der todbringenden Verführerin Silvia, die als 'Engel der Hölle' nicht nur ihre beiden Mitstreiter verführt, sondern auch ungehemmt mit Tonys Kapitalistenvater Enrico sowie dem sauberen Kommissar Mauzi rummacht. Dem italienischen Schauspieler Paolo Carlini kommt als Enrico Ardenghi eine ganz besondere Rolle zu, denn anhand seiner vermittelten Lebensweisheiten soll aufgezeigt werden, dass der Apfel genau deswegen nicht weit vom Stamm gefallen ist. Zudem trinkt er seinen J&B pur...



21.png
22.png
23.png
24.png

25.png
26.0.png
26.png
28.png



Somit beinhaltet dieser drastische Polizeifilm auch keinen einzig wahrhaften Sympathieträger, mit dem man sich guten Gewissens identifizieren könnte. Obendrein blitzt während des gesamten Handlungsverlaufs auch einige Male eine gewisse Kritik an den gesellschaftlichen Klassenunterschieden sowie an den korrupten Verzahnungen des Staatsapparats mit dem organisierten Verbrechen hervor, was wiederum ein äußerst düsteres Gesellschaftsbild hinterlässt. Weiterhin glänzt der Film mit einem denkwürdigen Finale, das nach einer heftigen Explosion der Gewalt mit einem absolut unerwarteten und zugleich auch etwas irritierenden Ende abschließt, bei dem sich der Volkszorn unbewusst an einem Vertreter der verhassten Kapitalisten entlädt. Ein roher Film, der keine Gefangenen macht. Am ehesten würde ich diesen Polizeifilm zur Ultra-Violence-Phase des Genres zählen, der sich in der Gesellschaft von CANNE MOZZE, FANGO BOLLENTE oder VIOLENCE FOR KICKS bester Laune erfreuen dürfte. Die Inszenierung dieser kostengünstigen Produktion ist Mario Imperoli überdies hervorragend gelungen, wobei die ersklassige Kameraarbeit des verdienstvollen Romano Albanis einen sehr großen Teil dazu beigetragen hat. Eine der denkwürdigsten Szenen stellt der Selbstmord der Witwe des getöteten Wachmanns dar, die sich in einer beeindruckenden Zeitlupensequenz aus Verzweifelung mit High-Heels an den Füßen kopfüber aus dem Fenster stürzt. Das Drehbuch stammt übrigens aus der Feder Piero Regnolis, wobei ihn Mario Imperoli ein wenig unterstützt zu haben scheint. Außerdem erinnerte mich das Auftreten der drei jungen Berserker oftmals an die Droogs aus UHRWERK ORANGE, zu dem von anderen Filmliebhabern auch noch weitere Parallelen festgestellt wurden.


Abschließend wurde diesem beeindruckenden Film auch noch eine äußerst hörenswerte Filmmusik zugesprochen, für die sich kein geringerer als Mario Molino verantwortlich zeigte. Zwar muten einzelne Kompositionen im Kontext der jeweiligen Szenen zunächst etwas merkwürdig an, verleihen dem Ganzen dann aber letztlich doch eine gewisse Prise an schwarzem Humor, was wiederum so manch grausame Szene erträglicher macht. Schade, dass der Soundtrack noch nie vollständig veröffentlicht wurde.



Fazit: „Wenn ein Mörder stirbt, ist keine Zeit für Tränen“ erweist sich als folgerichtig und äußerst passend"



29.png
30.png
31.png
32.png

33.png
34.png
35.png
36.0.png

37.png
38.png
39.png
40.png

41.png
42.0.png
43.png
44.png









Trailer (zensiert):




Trailer (unzensiert) - Anmeldepflichtig!



Score:







(Überarbeiteter Beitrag aus dem alten Forum: 19.12.2014)
Zuletzt geändert von Richie Pistilli am Mo., 05.04.2021 11:40, insgesamt 2-mal geändert.

Benutzeravatar
Richie Pistilli
Beiträge: 3555
Registriert: Sa., 31.10.2020 17:25
Wohnort: Provinzmetropole an Rhein und Mosel
Kontaktdaten:

Re: WIE TOLLWÜTIGE HUNDE - Mario Imperoli

Beitrag von Richie Pistilli »

Die legendäre Szene, in der die Geisel von den tollwütigen Hunden ins Fluchtauto geschubst wird und dabei mit dem Kopf ordentlich gegen den Türrahmen knallt, wurde laut Aussage von Claudio Bernabel (Interview im Bonusteil der CO-BD) nur ein einziges Mal gedreht und schließlich auch so belassen. Schaut man sich aber die Szene zum Vergleich im Trailer an, dann muss diese mindestens zweimal gedreht worden sein, denn im Vergleich zu der Filmszene knallt sie mit ihrem Kopf in der Trailerszene nicht an den Türrahmen. Ich gehe davon aus, dass es sich bei der Trailerszene um die erste Aufnahme und bei der Filmszene um die zweite Aufnahme handelt, die letztendlich auch übernommen wurde:



Filmszene vs. Trailerszene


Bild Bild



Bevor CAMERA OBSCURA im Jahr 2014 auf die glorreiche Idee kam, COME CANI ARRABIATI als BD zu veröffentlichen, existierte von dem Film lediglich eine griechische VHS-Auflage, für die Filmliebhaber im Jahre 2007 bis zu 1200€ hinblätterten. Doch dank CO ist es seit 2014 möglich, diesen überdurchschnittlichen Low-Budget-Film in erstklassiger Bildqualität zum erschwinglichen Preis sein Eigen zu nennen. Neben einem tierischen Booklett von Kai Naumann enthält die BD auch zwei sehr informativen Featurettes (Interviews mit dem legendären Kameramann Romano Albani, dem damaligen Regieassistenten Claudio Bernabel und dem Filmhistoriker Fabio Melelli) sowie -mein persönliches Highlight- ein sehr informativer als auch schwer unterhaltsamer Audiokommentar von den Herren Keßler und Stiglegger. Im AK wird nicht nur auf zeitgeschichtliche Hintergründe in der entsprechenden Zeitabfolge eingegangen (bspw. Bombenanschlag auf der Piazza Fontana, die Ermordung Pasolinis oder die Jahre des Bleis...), sondern auch das zur Entstehungszeit vorherrschende Klima der gesellschaftlichen Paranoia und Verunsicherung sehr gut verdeutlicht. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Analyse der Gründe für das abgestumpfte und sinnlose Morden sowie die gestörte Beziehung des Vater-Sohn Verhältnisses. In der zweiten Hälfte des AKs wird dann ausführlich die Schaffensphase Mario Imperolis und der Werdegang zahlreicher Darsteller aufgezeigt. Insgesamt ein sehr informativer Kommentar. Da auf der DVD-Auflage infolge von Platzgründen nur eins der beiden Featurettes vorhanden ist, wurde das fehlende Interview von FREAK-O-RAMA auf deren YT-Seite für die DVD-Käufer zur Verfügung gestellt. Insgesamt also eine Top-BD-Veröffentlichung, für die ich CO bis heute unendlich dankbar bin!





BD-Screenshots von Camera Obscura:

► Text zeigen




Pollanet Squad: Come Cani Arrabbiati (Tribute to Mario Imperoli & Mario Molino):


Antworten