MICHAEL STROGOFF - Jean-Pierre Decourt

Der Tummelplatz für alle Serienjunkies und Binge-Watcher!
Von DALLAS bis DENVER, vom TATORT in die LINDENSTRASSE über BREAKING BAD bis hin zu GAME OF THRONES.
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Maulwurf
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MICHAEL STROGOFF - Jean-Pierre Decourt

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Michael Strogoff (aka Der Kurier des Zaren)
Michael Strogoff
Deutschland/Frankreich/Schweiz/Österreich 1975
Regie: Jean-Pierre Decourt
Raimund Harmstorf, Lorenza Guerrieri, Valerio Popesco, Vernon Dobtcheff, Pierre Vernier, Rada Rassimov


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OFDB

In den 70er Jahren gab es im Fernsehen die wundervolle Einrichtung des sogenannten Adventsvierteilers. Heute würde man es als Mini-Serie bezeichnen, damals war es eine durchgehende Geschichte, verteilt auf 4 Folgen, und etwa zur Adventszeit gesendet. Erinnern kann ich mich an Jules Vernes 2 JAHRE FERIEN (eine Art HERR DER FLIEGEN-Vorgänger), an so etwas wie den LOCKRUF DES GOLDES (der mich damals ob seiner Bilder und der dargstellten Gewalt sehr beeindruckt hat), natürlich den SEEWOLF, der in Deutschland Harmstorf’ Ruf als Kartoffelquetscher begründet hat, sowie an DIE MERKWÜRDIGE LEBENSGESCHICHTE DES FRIEDRICH FREIHERRN VON DER TRENCK mit dem genialen Matthias Habich (von dem einige Bilder bis heute in Erinnerung geblieben sind). Und natürlich DER KURIER DES ZAREN. Damals, ich war etwa 9 Jahre alt, hat mich die schmissige Titelmusik schon mal extrem beeindruckt, dazu die wilde Landschaft, die tollen Abenteuer, das Leid und die Tragik der Hauptfigur …

Es hat noch mehr Adventsvierteiler gegeben haben, diese hier sind als persönliche Erinnerungen hängengeblieben, und somit ist die „Auswahl“ sehr subjektiv zu bewerten. So oder so verbergen sich hinter diesen jeweils rund 90-minütigen(!) Folgen große europäische Koproduktionen mit einigen Namen im Gepäck, bei denen der heutige Euro-Fan mit der Zunge schnalzt. Beim googlen sind mir bei den aufgeführten Serien Namen aufgefallen wie Werner Pochath, Nicoletta Machiavelli, Ferdy Mayne, Rada Rassimov, Arthur Brauss …

Fein, dass es mittlerweile bei den DVD-Labels Menschen meiner Generation gibt, die ihre frühen Fernsehabenteuer mit anderen Menschen ihres Alters teilen möchten, weswegen MICHAEL STROGOFF dieser Tage seinen Weg in meine Sammlung gefunden hat. Ich war im Vorfeld sehr gespannt, ob die Wucht und die Qualität nach fast 40 Jahren noch so wirken wie in meiner Kindheit, oder ob mir das alles vielleicht veraltet vorkommen mag.
Zugelegt habe ich mir die deutsche DVD von Concorde, bei der laut OFDB das Ende fehlt. Wahrscheinlich werden in dem recht umfangreichen Booklet noch einige Hintergrundinformationen auftauchen, die ich dann an nachgelagerter Stelle einpflegen werde. Da ich aber die Erfahrung machen musste, dass Booklets öfters spoilern, möchte ich mir die Spannung nicht nehmen, auch wenn die Richtung der Geschichte natürlich bekannt ist (zumal ich den Roman bereits mehrmals verschlungen habe).

Laut Wikipedia wurde DER KURIER DES ZAREN Ende Dezember 1976 erstmalig ausgestrahlt (was jetzt nicht wirklich Adventszeit wäre). Die Dreharbeiten fanden mit großem Material- und Menschenaufwand in Ungarn statt, ein Stuntman starb während der Dreharbeiten, und offensichtlich liess sich Raimund Harmstorf nie doublen, was wohl zu einigen Verletzungen führte.

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Maulwurf
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Folge 1


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In Sibirien proben die Tataren den Aufstand, in dem sie die Telegraphenleitung nach Irkutsk kappen. Im fernen Moskau ist der Zar beunruhigt, ist doch sein unerfahrener Bruder der dortige Gouverneur. Also wird der Rittmeister Michael Strogoff losgeschickt den Gouverneur vor dem Aufstand zu warnen und ihm geheime Instruktionen zu überbringen. Gleichzeitig flieht der Tatarenführer Ogareff aus einem russischen Gefängnis und versucht gemeinsam mit seiner Freundin, der Zigeunerin Sangarre, ebenfalls nach Sibirien zu gelangen, um die Aufständischen anzuführen.
Strogoff reist also undercover mit dem Zug, wird aber von einer Militärpatrouille ob seiner Waffe verhaftet. Er kann fliehen und trifft in Perm auf Nadja Fedor, die in Sibirien ihren verbannten Vater besuchen will. Gemeinsam wird die Reise per Schiff und Kutsche fortgesetzt, parallel erzählt zu einerseits der Reise Ogareffs und Sangarres, andererseits zu der ebenfalls ostwärts führenden Reise zweier europäischer Journalisten, die über den Tatarenaufstand berichten. Ein furchtbarer Gewittersturm, wilde Hunde, ein Bär – dies sind so die Gefahren die überwunden werden müssen.

Wie gesagt, ich war sehr gespannt auf die Alterung eines Kindheitstraums. Der erste Eindruck war eine Musik, die so auch von Martin Böttcher hätte sein können. Vladimir Cosma war da eine Überraschung, klingt aber trotzdem toll. Erster Test also bestanden …

Die Bilder von rebellierenden Tataren kamen dann erstmal etwas grau und ungelenk daher. Der Eindruck „Fernsehproduktion“ machte sich öfters mal breit – zwar wollten die Bilder oft episch sein, aber es schien als ob Regie und Schnitt keine Epik zulassen wollten. In Verbindung mit der oft Winnetou-mäßigen Musik kam auch im weiteren Verlauf häufiger ein klein wenig Enttäuschung auf, dass die Bilder und die Abenteuerhandlung nicht mehr waren, dass der große Breitwand-Winnetou-Effekt offensichtlich auf Teufel komm raus vermieden werden sollte. Hinzu kommt, das die Kämpfe oft etwas ungelenk wirken, allzu große Brutalitäten für das Fernsehpublikum natürlich vermieden werden müssen, und die Synchronisation nicht immer zu den Lippenbewegungen passt. Wenigstens spricht Harmstorf sich selbst …
Strogoff wird als James Bond der Zarenzeit eingeführt (nämlich über eine Sequenz seines Trainingsprogramms – Reiten, schwimmen, schießen, köpfen, turnen), und wird von Zar M mit einem offensichtlichen MacGuffin losgeschickt Abenteuer zu erleben und das Reich zu retten. Er kann alles, weiß vieles, verführt die hübsche Nadja mehr oder weniger im Handumdrehen, kann kleine Halunken verhauen, aufdringliche Säufer auf ihre Plätze verweisen, und ist mit seinem breiten Spitzbubenlächeln einfach „The Man“. Es ist der Ausstrahlung und der Schauspielkunst Raimund Harmstorfs zu verdanken, dass diese Charakteristik nicht in die Hose geht sondern zu weiten Teilen tatsächlich gut funktioniert. Auch wenn er in diesem ersten Teil noch gewaltig Supermann-mäßig rüberkommt (später verwächst sich das dann etwas), man kann sich mit ihm als Held auf jeden Fall gut identifizieren, und das ist schließlich was zählt.

Die Kulissen sind zum großen Teil mit viel Liebe zum Detail gemacht. Die hölzernen Städte und Ensembles mit Scheunen und Holzhüttchen schauen aus wie in einem Freilichtmuseum, was aber in keinster Weise negativ gemeint ist. Und auch wenn es in der Stadt Perm ausschaut wie auf einem Mittelaltermarkt, dann stimmt das Flair ganz einfach, scheiß auf jegliche Authentizität. Durch den Einsatz großer Mengen von Komparsen zieht das Erlebnis den erwachsenen Zuschauer in diesen Momenten immer noch genauso in seinen Bann wie das Kind vor 40 Jahren. Im Gegenzug werden dann Nachtszenen oft durch starke Unterbelichtung erzeugt, was (heute) größtenteils einfach nur billig wirkt. Auch die Actionszenen im Sturm sind deutlich im Studio gedreht worden, da wirkt die Tricktechnik für eine Produktion dieser Größenordnung merkwürdig unterbudgetiert. Die Action wird oft durch die gelungene Schnitttechnik generiert, und wenn beispielsweise Strogoffs Kampf mit den wilden Hunden gar nicht zu sehen ist, sondern vielmehr im Kopf des Zuschauers stattfindet, dann ist das Gesamtergebnis trotz aller Maulerei absolut überzeugend.

Fazit nach dem ersten Teil: Trotz des etwas dürftigen Bildes der DVD ein toller Ausflug in die Kindheit. Wer ein Herz für europäische Abenteuerproduktionen aus den 70ern dürfte hier mit Sicherheit auch zufrieden sein. Und die Schlussmusik, die als Nadjas Theme auch auf Single erschienen ist, spricht mich heute auch ein gutes Stück mehr an als damals …

7/10

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Maulwurf
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Beitrag von Maulwurf »

Folge 2

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Je weiter Strogoff und Nadja nach Osten kommen, desto schwieriger wird es die Reise zu organisieren. Es gibt kaum noch Pferde, Relaisstationen werden überfallen, und an der Fähre über einen Fluss ist dann endgültig Schluss: Tataren überfallen die Fähre, verwunden Strogoff schwer und entführen Nadja. Ein Fischer pflegt Strogoff gesund, und dann geht die Reise weiter in das gerade von den Tataren eingenommene Omsk, Strogoffs Heimatstadt. Prompt wird er von seiner Mutter erkannt, muss sie aber verleugnen. Ein Polizist, der die Szene beobachtet, verhaftet die Mutter, Strogoff selber kann aber mit Hilfe des örtlichen Widerstandes aus der schwer bewachten Stadt entkommen. Im Gefangenenlager freunden sich die Mutter und Nadja an, ohne zu ahnen, dass beide ihr Herz an den gleichen Mann gehängt haben.
Strogoff reitet weiter nach Osten, wird aber von den Tataren und einem mit ihnen kollaborierenden Nachbarsjungen verfolgt. In einem Dorf wird er von freundlichen Bäuerinnen durch einen Sumpf gelotst. Die Tataren bestrafen die Dörfler für diese Tat, indem sie die Frauen gefangen nehmen und das Dorf anzünden, derweil Strogoff im Sumpf um sein Leben kämpft. Bauern retten ihn und gemeinsam werden die Tataren dann getötet und die Frauen befreit. Nur der Kollaborateur kann unerkannt entkommen und bietet Strogoff seine Dienste beim Weiterkommen nach Osten an.

Und hier war auch der Effekt der damaligen Mehrteiler deutlich zu beobachten: Die Folge endet damit, dass Strogoff aus dem Bild reitet, von einem Trupp Tataren hart verfolgt. „Uuääh“ tönt es vor dem Fernseher, „dass darf doch nicht wahr sein, dass jetzt schon Ende ist!“. Die gleiche Reaktion wie vor 40 Jahren, nur dass man früher dann eine Woche warten musste …

Die Kämpfe werden weniger ungelenk, hier und da werden ein paar sehr vorsichtige Metzeleien eingestreut, und insgesamt wirkt alles etwas flüssiger als im ersten Teil. Auch die Spannungsschraube wird angezogen, und wo im ersten Teil noch die Charaktere eingeführt werden mussten darf hier jetzt geprügelt werden und Action stattfinden. Böse gesprochen hat mich der Handlungsablauf ein klein bisschen an ein Abenteuerspielbuch erinnert: Du kommst an eine Poststation. Es ist niemand zu sehen. Was tust Du? Gehst Du in die Scheune? Weiter bei 245. Reitest Du weiter? Weiter bei 19. Aber durch diese mehr oder weniger stringente Szenenabfolge ist garantiert dass immer etwas passiert, dass eine konstante Grundspannung eingehalten wird.
Der eine Höhepunkt ist hier auf jeden Fall das Kutschen-Wettrennen zwischen Strogoff und Ogareff, das sehr dynamisch in Szene gesetzt ist. Bei den Aufnahmen wurde wohl eine Handkamera eingesetzt, und selbst mit dem kleinen Letterboxed-Bild ist der Zuschauer mittendrin und wird ordentlich durchgeschüttelt. Der andere Höhepunkt ist dann natürlich die Verfolgungsjagd in den Sümpfen und die Fangopackung die Harmstorf hier verpasst bekommt. Hier gelingt es tatsächlich für kurze Zeit eine intensive Stimmung einzufangen, Zeitnot, Verfolgung, Lebensgefahr, hier blitzt alles durch und beschert dem Zuschauer einige sehr starke und geradezu quälende Momente.

Auf der anderen Seite dann der recht rudimentäre Kampf um Omsk, der mit ein paar Kanonen, wenigen toten Soldaten, einer sehr großzügigen Schnittfolge und vielen Worten stattfindet. Und was soll ich sagen, es funktioniert! Mit geringem logistischem Aufwand kann eine Schlacht „dargestellt“ werden, wobei die Szenen im von den Tataren besetzten Omsk dann wieder erheblich stärker sind und eine außerordentlich dichte und düstere Atmosphäre haben. Keiner traut dem anderen, überall korrupte Polizei die verhaftet wer ihr gerade nicht passt (wobei die Polizei hier generell nicht gut wegkommt – ob das bei Jules Verne auch schon so war oder dem Zeitgeist geschuldet ist kann ich nicht sagen, ich vermute aber letzteres. Und der Spannung dient es allemal). Und mittendrin der vom der Polizei gesuchte Michael Strogoff der einen Ausweg aus der Stadt sucht. Sternstunden der TV-Unterhaltung (Ernst gemeint)!

Schöne Landschaftsaufnahmen werden gezeigt, und Strogoff hat vor allem bei dem Abschnitt in den Sümpfen auch mal Probleme, was der Figur sehr zugute kommt. Gleichzeitig wird Ogareff, den ich als Kind immer als abgrundtief böse empfunden hatte, sehr menschlich, modern und weltoffen dargestellt. Nicht mehr der böse abtrünnige Offizier des ersten Teils, sondern eher ein Revolutionär mit republikanischen Anwandlungen, der auch kein Problem hat sich den Fragen der europäischen Journalisten zu stellen. Aus heutiger Sicht eine interessante Charakterisierung, und ich bin sehr gespannt wie die Figur sich weiterentwickeln wird. Am Ende des zweiten Teils ist Ogareff von den Hauptfiguren auf jeden Fall der vielschichtigste und am weitesten ausgearbeitete Charakter. Schade, dass der rumänische TV-Schauspieler Valerio Popesco sonst kaum zu sehen war. Rückblickend könnte ich ihn mir gut in dem ein oder anderen Giallo vorstellen.

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Valerio Popesco und Rada Rassimov - Duo Infernale

Fazit nach dem zweiten Teil: Während der erste Teil die Figuren eingeführt und die Grundzüge der Geschichte gelegt hat, kommen im zweiten Teil Spannung und Action zu ihrem Recht, und die Faszination der Kindheit kommt wieder. Und obwohl ich weiß welches Drama im dritten Teil auf mich wartet, bin ich doch sehr gespannt auf die Fortsetzung. Hier gilt einmal mehr, dass der Weg das Ziel ist …

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Maulwurf
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Re: MICHAEL STROGOFF - Jean-Pierre Decourt

Beitrag von Maulwurf »

Folge 3

Michael Strogoff kann den Aufständischen durch einen Trick knapp entkommen, die Verfolger denken sogar dass er nun tot ist. Ogareff bedauert dies, wollte er sich doch mit dem Siegel des Zaren in Irkutsk als Kurier einschleichen und die Verteidigungsstrategie im Sinne der Angreifer mitbestimmen. Bei der folgenden Schlacht um die Stadt Koliman allerdings wird Strogoff nun doch endgültig gefangen genommen, allerdings nicht erkannt. Aufmerksame Beobachter im Lager stellen allerdings bei Nadja und Strogoffs Mutter seltsame Reaktionen beim Anblick eines Mitgefangenen fest. Die darauf folgende brutale Aktion Ograreffs entlarvt Strogoff nun endgültig und gibt ihn in die Hände seines Widersachers.
Ogareff trifft sich mit dem Heerführer der Tataren, Feoman, einem alten Freund und Gegner. Er schenkt ihm Strogoff und erläutert ihm seinen Plan. Feoman will zeigen dass er auch ohne den geistig überlegenen Ogareff handeln kann und blendet Strogoff. Am nächsten Tag greifen die russischen Truppen Feomans Lager an, und in dem Wirrwarr der Kämpfe können Strogoff und Nadja fliehen. Strogoff ist jetzt blind und wird von Nadja geführt. Können sie wirklich noch rechtzeitig bis nach Irkutsk kommen und den Gouverneur warnen?

Nun hat es bei mir doch einige Zeit zwischen den Folgen 2 und 3 gedauert, trotz des starken Cliffhangers am Ende der 2. Folge. Ob es nun an der langen Wartezeit lag, oder an den Mengen der in der Zwischenzeit gesehenen Filme, aber irgendwie mochte die Episode 3 nicht so recht zünden. Etwas verworren ist das Hin und Her der Hauptpersonen – Strogoff wird gefangen, kann flüchten, wird wieder gefangen, und dazwischen wird endlos geritten. Der Tod der Mutter wird gleich gar nicht mehr gezeigt, und überhaupt werden die Guten immer farbloser und uninteressanter. Erst gegen Ende, mit dem blinden Strogoff, kommen wieder etwas Spannung und interessantere Figurenzeichnungen ins Spiel, aber durch den in den vorherigen Episoden erarbeiteten Superhelden-Nimbus Strogoffs hält sich das Interesse doch ein wenig in Grenzen.
Die Tataren hingegen, also Ogareff und Feoman, sind schillernde und spannend aufgebaute Charaktäre, die sich bei jeder passenden oder nicht passenden Gelegenheit angiften, obwohl sie doch für den großen Sieg eigentlich zusammenarbeiten müssten. Ogareff zeigt einmal mehr seine Intelligenz und seinen in Russland erworbenen Stil, während Feoman den einfachen Barbaren mit Hang zum Sadismus gibt – Ein Paar wie Itchy und Scratchy, und genauso farbig und abwechslungsreich geschildert.

Der Höhepunkt der Episode ist natürlich die Feier nach der gewonnen Schlacht gegen die Russen, wenn Säbeltänze stattfinden, alle mächtig Spaß haben, und als Highlight Michael Strogoff dann geblendet wird. Mit viel Liebe zum Detail inszeniert habe ich mich gefühlt wie auf einem Mittelaltermarkt, was absolut positiv gemeint ist. Auch der Kampf in der Telegrafenstation ist sehr gut gelungen, mit einem liebenswert-skurrilen Telegrafenwärter als Nebenfigur. Aber vor allem diese Episode ist viel zu schnell vorbei und wird dann von einem endlos erscheinenden Intermezzo in einem Gefangenenlager abgelöst, wo einfach nichts passiert. Als nächstes wird geritten und geritten und geritten, und dann wird Strogoff wieder eingefangen. Ist dem Drehbuchautoren da wirklich nichts anderes eingefallen als ausgerechnet bei Fidani-Filmen nach Füllmaterial zu suchen?

Auf der Habenseite also einige gut gemachte Einzelepisoden und starke Schurkenfiguren, im Soll dann die zunehmend uninteressant werdenden Helden und viel Leerlauf zwischen den einzelnen Stationen der Handlung. Bleibt zu hoffen, dass dies nur das Luftholen vor dem großen Showdown ist und kein Dauerzustand bleibt.

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Maulwurf
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Re: MICHAEL STROGOFF - Jean-Pierre Decourt

Beitrag von Maulwurf »

Folge 4

Der blinde Michael Strogoff und Nadja versuchen verzweifelt nach Irkutsk durchzukommen, um den Fall der Stadt zu verhindern. Feoman Khan bringt seine Truppen in Stellung für den großen Angriff auf die Hauptstadt Sibiriens. Gleichzeitig schleicht sich Iwan Ogareff als Kurier des Zaren in Irkutsk ein, um die Verteidigung der Stadt zu manipulieren wie er es benötigt. Und während der Gouverneur der Provinz Sibirien,d er gleichzeitig auch der Oberbefehlshaber der Stadt ist, sich als gelangweilter Aristokrat entpuppt, der beklagt dass er in der Provinz festsitzt während anderswo längst „die Saison“ begonnen hat, laufen die Bewegungen Strogoffs, Ogareffs und Feomans direkt aufeinander zu.

Nach dem verhaltenen dritten Teil nun das große Finale. Ich gebe ganz offen zu, dass ich nach dem zuletzt gesehenen Teil keine allzu große Lust hatte weiterzumachen, und der vierte Teil eher als „Bringen wir es hinter uns“-Teil angesehen wurde. Aber angenehmerweise werden hier wieder die Qualitäten der ersten beiden Episoden angeführt: Die Dramatik um den blinden Michael Strogoff ist packend und auch sehr gefühlvoll erzählt, und die parallel ablaufende Handlung um den bevorstehenden Angriff auf Irkutsk ist spannend ohne Ende. Trotz der vielen Erzählstränge wird es nie unübersichtlich, die Figuren sind klar geschildert, und als einziges Manko bleibt, dass viele der Schauplätze irgendwie bekannt vorkommen. Der Flussstrand, an dem Strogoff und Nadja die Dörfler mit ihrem Floß treffen, ist der gleiche Strand wie der, an dem Strogoffs Mutter ausgepeitscht wurde, und die Kulissen von Irkutsk erinnern fatal an Omsk und Jekaterinenburg.

Aber das ist Jammern auf hohem Niveau, denn spannend ist die Episode allemal. Wobei insgesamt wird die Folge ganz allgemein von viel Düsternis durchzogen, von Mutlosigkeit und von Verzweiflung. Strogoff verliert hier weiter seinen Superhelden-Status, ja er sinniert sogar über die vielen Toten die durch seinen Auftrag zurückbleiben, und fragt sich völlig verzweifelt was das alles soll, und auch andere Hauptfiguren sind früher oder später am Ende ihre Kraft. Sehr realistisch das alles, und die (ebenfalls sehr realistischen und beeindruckenden) Schlussbilder untermauern nur diesen Eindruck. Dabei verliert sich die Episode aber nicht in Depression, wie in Teil 3, sondern bleibt immer kraftvoll inszeniert und drängt nach vorne. Langweilig wird es hier bestimmt nicht!

Was bleibt sonst noch übrig nach 4 Folgen KURIER DES ZAREN? Raimund Harmstorf darf in Teil 4 Brust zeigen (völlig haarlos), Lorenza Guerrieri auch (ebenfalls haarlos), die beiden europäischen Journalisten verschwinden leider recht spurlos aus der Handlung, und Iwan Ogareff bleibt als eine Art Sozialrevolutionär im Gedächtnis. Eigentlich hätte ich mir sogar gewünscht, dass er Erfolg hat mit seinem Plan das korrupte Zarenregime abzulösen. Was aber auf jeden Fall übrig bleibt ist eine gute Abenteuerserie, die sich Zeit nimmt eine gute Geschichte spannend und abwechslungsreich zu erzählen, und allen beteiligten Charakteren dabei ausreichend Zeit einzuräumen. Tolle Settings, bunte Kostüme, hervorragende Schauspieler, gute Musik, … Abenteuerunterhaltung wie sie sein soll!

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