SANFTER SCHRECKEN - UNHEIMLICHE GESCHICHTEN AM KAMIN

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Percy Lister
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SANFTER SCHRECKEN - UNHEIMLICHE GESCHICHTEN AM KAMIN

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"Sanfter Schrecken - Unheimliche Geschichten am Kamin" (Deutschland 1977)
mit: O. E. Hasse, Klaus Schwarzkopf, Wolf Roth und Peer Schmidt | Drehbuch: Alfred Weidenmann nach Geschichten von Robert Bloch, Stanley Ellin, Jack Sharkey und Henry Slezar | Regie: Alfred Weidenmann

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Sherwood Castle wird von einem heftigen Gewitter heimgesucht. Wohl dem, der am wärmenden Kaminfeuer in einem der bequemen Ledersessel Platz nehmen und einen belebenden Weinbrand genießen kann. Während draußen die Blitze zucken und der Hausdiener Mühe hat, die sich aufplusternden Vorhänge in Zaum zu halten, wartet der Hausherr auf seine Gäste. Ein Herrenquartett zweifellos, so wie Tausende andere auch. Oder doch nicht? Nachdem sich endlich auch der Vierte im Bunde eingefunden hat, ergreift der Älteste das Wort und bestätigt das, was längst schon wie ein Hauch über der Runde liegt: Die distinguierten Herren der Gesellschaft sind tot. Sie liegen seit geraumer Zeit auf dem Friedhof und haben ihre Ruhestatt für die kurze Zeitspanne zwischen Abend und Morgen verlassen, um über die Umstände ihres Todes zu berichten. Melancholie liegt in bescheidenem Maße in der Luft, Bedauern und Wehmut versuchen sich ihren Weg zu bahnen, doch der resolute Schlossherr duldet weder Gefühlsduselei, noch Ablenkungen, welche die kostbare Zeit beschneiden könnten. Jeder der Anwesenden starb eines ungewöhnlichen Todes, das steht außer Zweifel und nun ist es an den Männern, ihr Schicksal mit Würde und Fassung zu tragen, während einer nach dem anderen erzählt.

Die edlen Tropfen rinnen durch die Kehlen und wärmen von innen, das behagliche Feuer flackert im Kamin und alle lauschen betroffen, amüsiert oder schockiert den gefassten Worten des jeweiligen Erzählers. Die Möglichkeit, sich zu rechtfertigen, sein Handeln zu entschuldigen oder eine Erklärung abzugeben, gibt es nicht. Das Geschehene kann nicht rückgängig gemacht werden; die abgeklärte Haltung des Hausherrn resultiert aus pragmatischer Selbstbeherrschung, schließlich sei der Weg von der Familiengruft zum weitläufigen Ansitz seiner Vorfahren nicht weit. Temperamentsausbrüche könne sich ein Toter nicht mehr erlauben, er muss sich mit den spärlichen Annehmlichkeiten einer standesgemäßen Grabstätte begnügen und sich in Bescheidenheit üben. Umso mehr erfreut es die Persönlichkeiten im Salon, für eine kurze Zeit der Reminiszenz ihren Namen, ihre Geschichte und ihr Leben zurückzubekommen und sei es auch nur, um die Anwesenden betroffen zu machen. Nacheinander sollen ihre Schicksale erzählt werden, die eines gemeinsam haben: das Element der Tragik und die Empfindung, dass das Ende vermieden werden hätte können, wenn die Betreffenden klüger, besonnener und weitsichtiger gehandelt hätten.

Percy Lister
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Re: SANFTER SCHRECKEN - UNHEIMLICHE GESCHICHTEN AM KAMIN

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"Der Tag der Hinrichtung"
mit: Wolf Roth, Rudolf Platte, Johanna von Koczian, Uwe Friedrichsen, Karl Lange u.a. | Drehbuch: Alfred Weidenmann nach einer Erzählung von Henry Slezar | Regie: Alfred Weidenmann

Staatsanwalt Curtelin kann zufrieden sein: Roger Calfan wurde wegen Mordes an seiner Frau zum Tode durch die Guillotine verurteilt. Curtelins flammendes Plädoyer ließ die Geschworenen die Höchststrafe akzeptieren. Die Gratulation des Generalstaatsanwalts nimmt der ehrgeizige Mann mit Genugtuung entgegen. Da meldet sich am Tag vor der Vollstreckung des Urteils ein alter Mann bei Curtelin: er sei der wahre Mörder und wolle nicht, dass ein Unschuldiger an seiner Stelle stürbe....

Das Dilemma des Staatsanwalts ist, dass er will, dass Calfan der Täter ist, weil er es bewiesen hat. Der Karrieremacher hält sein Hemd blütenweiß, seine Fassade tadellos und bringt seine stoisch unbeeindruckte innere Haltung zur Perfektion. Nur das Blitzen seiner Augen verrät seinen Genuss am Sieg über die Umstände, die öffentliche Meinung und die erbärmliche Kreatur im allgemeinen. Der strukturierte Ablauf einer Gerichtsverhandlung kommt seinem Bedürfnis nach Berechenbarkeit zugute; dem Gefühl, auf der richtigen Seite zu stehen und sich über das gemeine Volk zu erheben. Verfehlungen stören seine Ansicht von Disziplin und Zielstrebigkeit, sie sind lästige Flecken auf der Weste des Lebens und deuten auf einen schwachen, verachtenswerten Charakter hin. Der alte Mann stiehlt ihm seine Zeit, er stoppt Curtelins glorreiche Fahrt über die Chaussee des Erfolgs und zerrt Dinge ans Licht, die der Staatsanwalt als sinnfreies Geschwätz eines gesellschaftlich Gescheiterten abtut. Seinen Triumph will er sich unter keinen Umständen nehmen lassen, schon gar nicht von einem Mann, auf den er mit Abscheu und Unbehagen herabblickt. Wolf Roth, der der Arroganz stets seinen kühlen Blick zu leihen bereit ist und sich ungern auf andere einstellt, wirkt im Zusammenspiel mit dem fahrigen Rudolf Platte zunehmend nervöser und gereizter. Es scheint so, als habe der ungepflegte Mann mit dem flehenden Gesicht den Schlüssel zur Klärung der wahren Hintergründe des Mordfalls in der Hand und das passt dem Staatsanwalt ganz und gar nicht.

Nach und nach beschleichen ihn Zweifel und verfolgen ihn bis ins Private, wo er von seiner eleganten Frau darin bestärkt wird, dass sie allein für seinen beruflichen Aufstieg verantwortlich ist. Er weiß, wie schnell er in der Pariser Gesellschaft erledigt ist, sollte sein Leumund durch einen Skandal befleckt werden. Johanna von Koczian zeigt einmal mehr die Rolle der kühlen Vertreterin des Bildungsbürgertums, die diskret, aber nachdrücklich Anteil an den Interessen von Politik, Wirtschaft und öffentlicher Meinung, sowie deren Auswirkung auf ihr persönliches Leben nimmt. Sie spiegelt den Erfolg ihres Gatten, den sie gefördert hat und hält ein Druckmittel in der Hinterhand, das ihn zu Dank und Loyalität verpflichtet. Das Verlieren der Contenance ist für sie das erste Anzeichen, dass ihr Mann sich auf fragilem Boden bewegt; letztendlich wird sie bestätigt werden. Unüberlegtes Handeln, der Verlust der Nerven und ein Überstrapazieren von Gefühlsregungen negativer Art führen bei Curtelin zum Scheitern und berauben ihn seiner rationalen Distanz zum Verhandlungsobjekt. Die Saat des Zweifels geht auf: Nicht nur Staatsanwalt Curtelin, sondern auch der Zuschauer fragt sich, ob hier wirklich ein irreversibler Justizirrtum vorliegt. Rudolf Plattes Spiel kippt gen Ende leider, der schmale Grad zwischen Beharrlichkeit und Renitenz wird überschritten, eine Eigenart, die Platte mehrfach in seiner Karriere überstrapazierte. Wolf Roths Spiel ist so akkurat wie seine Garderobe und besticht erneut durch seine Präzision. Die doppelte Tragik wird so nüchtern serviert wie die Kommentare der Kollegen Lange und Friedrichsen.

Percy Lister
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"Spezialität des Hauses"
mit: Klaus Schwarzkopf, Detlev Eckstein, Ferdy Mayne u.a. | Drehbuch: Alfred Weidenmann nach einer Erzählung von Stanley Ellin | Regie: Alfred Weidenmann

Der Geschäftsmann Laffler ist Junggeselle und sein einziges Vergnügen besteht für ihn darin, gut zu speisen. Eines Abends bleibt er wie so oft länger in der Firma und trifft beim Verlassen seines Büros auf seinen Angestellten Costain, einen ehrgeizigen jungen Mann, der an diesem Abend ebenfalls noch nichts vor hat. Laffler schlägt ihm vor, ihn zu Sbirro zu begleiten, einem befreundeten Restaurantbesitzer, der in seinem Gourmet-Tempel wahre Köstlichkeiten auftischt. Zu besonderen Gelegenheiten wird Lamm Ämirstan serviert, das zarteste Fleisch, das ein Gaumen je gekostet hat. Bald schon wird es Costain zur Gewohnheit, jeden Abend mit seinem Chef bei Sbirro einzukehren. Doch Lafflers sehnlichster Wunsch, einmal die Küche des Hauses betreten zu dürfen, wird stets abgelehnt. Vorerst jedenfalls....

Die Besuche bei Sbirro sind wie das Eintauchen in eine Welt, in der die Zeit still steht. Das ausschließlich männliche Publikum bildet den Rahmen für die Genüsse, die in einer feierlichen Zeremonie von emsigen Dienern kredenzt werden. Für einige Stunden wird die Illusion einer friedlichen Oase aufrechterhalten, zu der die Beladenen und Sorgengeplagten ebenso pilgern wie die Einsamen der hektischen Welt draußen vor der Tür. Das geheimnisumwobene Restaurant ist ein Geheimtipp, den Laffler wie ein Vermächtnis an seinen Mitarbeiter weitergibt. Er teilt das Wissen um das versteckte Kleinod aus purem Eigensinn, weil er nach zehn Jahren, in denen er allabendlich allein am Tisch saß, einen Gesprächspartner sucht. In schwärmerischen Worten vermittelt er seinem jungen Gast die sublimen Momente, in denen Sbirros Gerichte seine Geschmacksknospen kitzeln und jede Art von Stimulanzien und Narkotika überflüssig machen. Der Vorgang des Essens wird zur Kunst erhoben und jeder Bissen mit dankbarer Bewunderung gewürdigt. Klaus Schwarzkopf ist freilich der richtige Mann für die Rolle des begeisterungsfähigen Einzelgängers, dessen feine Antennen jede Nuance eines kulturellen Genusses auskosten und der in der Lage ist, diesen in elegante Worte zu kleiden, die jedes Detail angemessen berücksichtigen. "DER SPIEGEL" schreibt am 21. März 1962: "Die zehn "ruchlosen Geschichten" des 45jährigen amerikanischen Kriminalschriftstellers gehören jenem angelsächsischen Typus der Mystery-Story an, der seit Edgar Allan Poe mit dem Entsetzen des Lesers subtilen Spott treibt. Der prominente Mystery-Autor Ellin verwendet geschickt schwarzen Humor, um seine Grusel-Fabeln zu würzen - so bei der Enthüllung, wie ein exklusives Restaurant die "Spezialität des Hauses" gewinnt.... Übersetzer Arno Schmidt traf trotz eigensinniger Sprach-Usancen den hinterhältigen Plauderton des Originals."

Detlev Eckstein, Schauspieler am Wiener Burgtheater, harmoniert aufs Angenehmste mit seinem älteren Kollegen und erweist sich als gelehriger Schüler in Sachen Essenskultur. Seine kultivierten Umgangsformen und die Offenheit für neue Erfahrungen weisen ihn als rechtmäßigen Nachfolger seines Vorgesetzten aus. Das Unbehagen, das den Zuseher schon sehr bald beschleicht, richtet sich gegen die heile Welt der Exklusion, die ihren Gästen keine Wahlmöglichkeit lässt und sie wie Marionetten an den unsichtbaren Fäden des geschmeidigen Sbirro baumeln lässt. Ferdy Mayne, der in Physiognomie und Auftreten einem Untoten aus Transsilvanien ähnelt und seine Gäste im Auge behält wie eine Spinne, die ein klebriges Netz webt, besticht durch eine Präsenz, die gleichzeitig einschüchternd und beruhigend wirkt. Die heiteren Momente am Tisch sind vergänglich wie das Leben selbst und im Seufzen des Gastgebers liegt Wehmut und die Erkenntnis, dass die Fassade der Schönheit jederzeit einstürzen kann und sich dahinter ein hässlicher, klaffender Spalt auftut, den das Schweigen und die Loyalität bisher kitten konnten. Kein Wunder, dass Alfred Hitchcock mit seinem Sinn für schwarzen Humor und das Makabre die 1948 veröffentlichte Kurzgeschichte von Ellin innerhalb seiner Fernsehreihe "Alfred Hitchcock presents" umsetzte. Sie entspricht seinem Credo, dass das Grauen im Kopf des Zuschauers stattfindet. Klaus Schwarzkopf entführt Detlev Eckstein und den Zuschauer in eine Welt von gestern, in der stilvolle lukullische Genüsse ein Bollwerk gegen die Vergänglichkeit des Lebens bilden und man in jedem Bissen die Sehnsucht nach Perfektion schmeckt. Während sich die Gewissheit einer unglaublichen Wahrheit nach und nach des Zusehers bemächtigt und ihn das Gefühl beschleicht, eine kalte Hand greife nach ihm, besticht das Fernsehspiel mit gelassener Anteilnahme an den Träumen eines Mannes, der nach der Höchstform der Zufriedenheit strebt.

Percy Lister
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"Der zweite Napoleon"
mit: Peer Schmidt, Wolfgang Wahl, Christiane Rücker, Rainer Basedow | Drehbuch: Alfred Weidenmann nach einer Erzählung von Robert Bloch | Regie: Alfred Weidenmann

Napoléon Bonaparte fährt in Berlin mit dem Bus. Seine Siege über Russland und Österreich stärken ihm den Rücken, als er sich zu Charles de Talleyrand begibt, seinem Feind, der liquidiert werden muss, wenn der Kaiser der Franzosen siegreich bleiben will. In Wahrheit spielen sich Triumph und Untergang nur vor dem geistigen Auge Herrn Braumüllers ab, der seit geraumer Zeit beim Facharzt für Psychiatrie Dr. Gordon in Behandlung ist. Überall lauern imaginäre Feinde und im Gespräch gesteht Braumüller, dass er seine Gattin ermordet hat....

Der Name Robert Bloch ist untrennbar mit seinem größten Erfolg verbunden: "Psycho". Seine gebrochenen Charaktere kommen auf Papier bei weitem nicht so geschmeidig daher wie ein Anthony Perkins auf der Leinwand und sicher gibt auch Peer Schmidt seiner Figur erhabenere Seiten als das literarische Vorbild bereithält. Wer im Publikum nicht ein ausgesprochenes Faible für den kleinen Korsen hegt, wird sich rasch langweilen, obwohl dies wirklich nicht am engagierten Spiel Schmidts liegt. Selbst Wolfgang Wahl sinkt müde in seinen Stuhl zurück und verzieht keine Miene, als sein Patient zum hundertsten Mal über die Intrigen spricht, die gegen ihn gesponnen werden und Austerlitz, St. Helena und Waterloo aufs Tapet bringt. Das graue Berlin vor dem Fenster liefert wenig Erbauliches und unterstützt die Routine, mit der Dr. Gordon seinem zahlenden Patienten zuhört, obwohl er ihn weder kurieren, noch irgendetwas tun kann, um ihm Linderung zu verschaffen. Die Zweifel über die Sinnhaftigkeit solcher Sitzungen wird einmal mehr bestätigt, weil der Patient nur die einseitige Möglichkeit erhält, sich erneut zu exponieren und im eigenen Wahn zu baden. Wieder und wieder wird er dadurch in seiner eigenen Einmaligkeit bestätigt und nutzt jede Minute, um andere für sein persönliches Scheitern verantwortlich zu machen.

Peer Schmidt überzeugt aufgrund seiner Körpergröße und Physiognomie und liefert einen Schwall von Worten, die wie Pistolenkugeln durch sein Gegenüber gehen. Die Selbstüberhöhung des Usurpators, der "von seinem Glücke geblendet ist und nur sich selbst und sein persönliches Interesse kennt", wie die preußische Königin Luise 1808 in einem Brief vermerkte, erfasst Schmidt ganz und gar und drängt Wolfgang Wahl zunehmend in die Ecke, wo er wort- und anscheinend auch anteilslos verharrt. Christiane Rücker hält einstweilen im Vorzimmer die Stellung am Telefon und letztendlich ist sie es, die diesem Spuk ein Ende bereitet, indem sie Hilfe holt, wo ihr Chef versagt. Die Passivität, mit der sich der Psychiater berieseln lässt, stehen für das Versagen seiner Zunft, die desinteressiert merkwürdige, verzweifelte und ungehörige Erzählungen aus dem Leben ihrer Klientel anhört und dabei zum Abladeplatz oder wahlweise der Müllhalde der Emotionen wird. Die Klimax entlarvt das Prozedere im Sprechzimmer des Arztes als Farce. Unwillkürlich fragt sich der Zuschauer, welche Lehren er nun aus der Geschichte ziehen soll und es bleibt ihm nur die Erkenntnis, dass der Zugriff des Gesetzes oft zu spät kommt und nur mehr die Scherben eines Lebens zusammengekehrt werden können. Schade, dass der geschilderte Mord nicht genutzt wurde, um Suspense aufzubauen.

Percy Lister
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"Tödliches Blau"
mit: O.E. Hasse, Willy Semmelrogge, Evelyn Opela, Friedrich Schoenfelder, Rainer Rudolph | Drehbuch: Alfred Weidenmann nach einer Geschichte von Jack Sharkey | Regie: Alfred Weidenmann

Lord Sherwood hat eine weitaus jüngere Frau geheiratet, deren Ausritte mit ihrem Freund er heimlich beobachtet. Aus gekränktem Stolz beschließt er, sie zu ermorden. Er weiß natürlich, dass bei einem Mordfall im kleinen Kreis der Ehemann als Hauptverdächtiger gilt. So überlegt er, wen er dazu bringen könnte, Lady Sherwood zu töten. Sein scharfer Blick fällt auf seinen treuen Diener, den er mit der Androhung, ihn zu entlassen, unter Druck setzt....

O.E. Hasse als Schlossherr trägt die Episode mit seinen präzisen Überlegungen, die seiner verletzten Männerehre und dem Hang nach Rache entspringen. Wohlwissend, dass Anita und er eine platonische Lebensgemeinschaft führen würden, hat er die gutaussehende Frau geheiratet, um seinem Anwesen neuen Glanz zu verleihen und sich mit ihrem Charisma und ihrer Vitalität zu schmücken. Während der greise Gatte den jungen Leuten nachstellt, entlarvt er seinen Egoismus und ein Misstrauen, das gleich mehreren Menschen zum Verhängnis werden wird. Als Patriarch der alten Schule nutzt er die Abhängigkeit aus, in der sein Umfeld zu ihm steht und berechnet eiskalt den Radius, in dem er sich bewegen darf, ohne Verdacht zu erregen. Das Vertrauen in seine Angestellten resultiert aus deren jahrzehntelanger Pflichterfüllung und dem Wissen, dass sie in ihrem Alter kaum eine adäquate Stellung finden würden. Erneut spielt Lord Sherwood die Karte der Loyalität aus, die er von seiner Umgebung erwartet, geht diesmal jedoch ein nicht zu kalkulierendes Risiko ein. Hasse, dessen Autorität sich mit den Jahren zu unerbittlicher Härte versteifte und dessen Worte keinen Widerspruch dulden, verleiht dem knorrigen Adeligen ein Flair der spleenigen Grausamkeit. Willy Semmelrogge flankiert den Wunsch seines Herrn mit gewohnter Treue und Beflissenheit und räumt dem seltsamen Ansinnen eine Priorität ein, die jede eigene Überlegung obsolet scheinen lässt.

Die Farbe Blau wird in der Literatur gern mit Unglück und Tod in Verbindung gebracht, man denke nur an bekannte Spukhäuser, in denen sich die Geistererscheinungen im blauen Salon bzw. Schlafzimmer in besonderer Intensität zeigen. Agatha Christie hat in ihrer Erzählung "Die blaue Geranie" unheimliche Spannung erzeugt, indem Blumen an der Tapete sich plötzlich blau verfärbten. Im Lebensmittelbereich hat Blau die Bedeutung von Gift, in der Charaktertypisierung von Menschen steht die Farbe für Perfektionismus, analytisches Denken und ein unzugängliches, überaus kritisches Wesen. Evelyn Opela bewegt sich in Haus und Natur mit einer ungezwungenen Heiterkeit, sie ahnt nichts von den destruktiven Plänen ihres Mannes. Ihre Fröhlichkeit und der angenehme Umgang mit ihren Partnern lassen die Verschwörung, die im Hintergrund abläuft, umso bösartiger erscheinen, weil sie das Klima vergiftet und Rückschritten das Wort redet, während Lady Sherwood für Erneuerung steht. Das Schloss bildet dabei den stilvollen Rahmen für die Handlung und erweist sich als großes Plus. Während Anita Sherwood an Kornblumen denkt, streift ihr Gatte durch braunes Herbstlaub und tritt mit seinen schweren Stiefeln auf Zeugen der Fäulnis. Das Ambiente unterstützt die Story nach Kräften und bügelt die eine oder andere Unglaubwürdigkeit aus. Das Mordkomplott hinter hohen Schlossmauern mit einem dominant aufspielenden O.E. Hasse, dem seine Rolle teuflischen Spaß bereitet, erfreut auch den Zuseher.

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