HINTER GITTERN - DER FRAUENKNAST

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Prisma
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HINTER GITTERN - DER FRAUENKNAST

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● HINTER GITTERN - DER FRAUENKNAST (D|1997-2007)
in den Hauptrollen | Katy Karrenbauer | Barbara Freier | Claudia Loerding | Cheryl Shepard | Karen Böhne | Sigrid Schnückel | Armin Dallapiccola | Franziska Matthus | u.a.
ein Serie von | Oren Schmuckler | Roger Wielgus | Rolf Wellingerhof | Bodo Schwarz | Axel Bock | Cornelia Dohrn | Dagmar von Chappuis | Jurij Neumann | u.a.
eine Produktion der Grundy UFA | im Auftrag von RTL Television






Die Weekly Soap "Hinter Gittern - Der Frauenknast" wurde rund 10 Jahre vom Privatsender RTL ausgestrahlt und entwickelte sich insbesondere in den ersten Jahren zu einem Quotenhit. In den besten Zeiten schalteten so Woche für Woche mehr als 5 Millionen Zuschauer ein. Hierfür verantwortlich war sicherlich die Kopplung diverser Soap-Elemente, welche die Zuschauer auf mehreren Ebenen anzusprechen sollten. Der fiktive und überwiegend überzeichnete Gefängnisalltag steht bei der 403 Folgen starken Serie dem Empfinden nach gegensätzlich zum weitgehend real wirkenden Ambiente der Haftanstalt Reutlitz, und es lässt sich auch in der Rückschau sagen, dass gerade in diesem Bereich oftmals recht aufwändig inszeniert wurde. Gedreht wurde auf dem ehemaligen Militärgelände der "Wavell Barracks" in Berlin-Spandau. Die Folgen liefen von Beginn an unter Verwendung einer sogenannten Zopfdramaturgie jeweils Montags zur Prime-Time, sieben Jahre lang sogar ohne Sommerpause, bis das Format in der Endphase wegen schwindender Zuschauerzahlen im Nachtprogramm platziert wurde, um die schwächelnde Serie schlussendlich abzusetzen. Neben dem Durchleuchten der Schicksale von Insassinnen und des Gefängnispersonals, erzählen die verschiedenen Handlungsstränge natürlich auch von weiteren kriminellen Verstrickungen, Liebesgeschichten und allem, was sich sonst in fortlaufenden Serienformaten finden lässt. Dass "Hinter Gittern" zu einem so immensen Erfolg avancieren konnte, liegt nicht zuletzt an der Auswahl der Protagonisten und der entsprechenden Darstellerinnen, die abgesehen von den Komparsenrollen über Schauspiel- und Bühnenerfahrung verfügten.

"Frauenknast" wurde seinerzeit für die bevorstehende Neuplatzierung im Abendprogramm von RTL lautstark und ausgiebig beworben, und die Erinnerung sagt, dass diese Strategie nicht nur bei mir persönlich sehr gut aufging. Die Serie war in ihrer Anfangsphase ein Happening über das gesprochen wurde, vor allem wegen des auffälligen Knast-Jargons, der teils drastischen Haudrauf-Methoden und einer für derartige Formate unüblich harten Vorgehensweise mit eindeutigen plastischen Veranschaulichungen. Außerdem wurden hier echte Typen in den Fokus gerückt, die auf ihre Art und Weise sehr überzeugend agieren. Bereits die Pilotfolge fährt schwere Geschütze auf und gipfelt in einem fulminanten Finale in Folge 2. Sofort ins Auge fallen selbstverständlich Katy Karrenbauer als Walter und Barbara Freier als Uschi König auf Seiten der Insassinnen, denn sie stehen sinnbildlich für bestehende Hierarchien und verzwickte Machtverhältnisse in Reutlitz, wenngleich ihr permanentes Tauziehen auch offenbart, dass es sich trotz völlig unterschiedlicher Ansätze und Charaktereigenschaften um eine Art Hassliebe zwischen den beiden handelt. "Hinter Gittern" steht seit dem Start der Serie für ein gut durchkalkuliertes Erfolgsrezept, welches Fans langfristig an sich binden konnte, von einer immer noch bestehenden Fangemeinde ganz zu schweigen. In 16 Staffeln konnte das Publikum schließlich viel Drama, Schicksal, Zusammenhalt, oftmals sozialkritische Prisen und selbstverständlich haufenweise konspirative Machenschaften beobachten, die nicht immer nur von Seiten der Inhaftierten angezettelt wurden. "Hinter Gittern - Der Frauenknast" wird auch heute noch häufig auf Spartensendern wiederholt und hat für Fans wenig von seinem Reiz verloren.

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● FOLGE 01 | NEUZUGÄNGE (D|1997)
in den Hauptrollen: Cheryl Shepard, Barbara Freier, Katy Karrenbauer, Dirk Mierau und Claudia Loerding
mit Ana Fonell, Annette Frier, Kristiane Kupfer, Tanya Neufeldt, Judith von Radetzky, Christiane Reiff, Wolfgang Finck, u.a.
eine Produktion der Grundy UFA | im Auftrag von RTL
Regie: Bodo Schwarz



Die Lehrerin Susanne Teubner wird zu lebenslanger Haft verurteilt, da sie ihren Ehemann getötet hat. Ihr Anwalt stellte ihr zwar eine wesentlich geringere Strafe in Aussicht, doch dieser fühlte sich eher Susannes Schwiegermutter verpflichtet, die die Mörderin ihres Sohnes für immer hinter Gittern sehen will. Susanne wird in die Justizvollzugsanstalt Reutlitz gebracht, wo sie sofort mit dem Knast-Alltag und den harten Gesetzen der Insassinnen konfrontiert und obendrein vor die Wahl gestellt wird, sich einer der Gruppen anzuschließen, da sie ansonsten keinerlei Schutz zu erwarten hätte. Während sie versucht, sich irgendwie zurecht zu finden, zetteln die tonangebenden Frauen eine Revolte an, um die Anstaltsleiterin dazu zu bewegen, die Haftbedingungen zu verbessern. Susanne gerät zwischen die Fronten...

»Beine auseinander. Bücken!« Nachdem Susanne Teubner kurz zuvor im Namen des Volkes zu lebenslänglicher Haft verurteilt wurde, da sie ihren Mann erstochen hatte, wird sie mit derartigen Aufforderungen vertraut gemacht, doch ihr ist noch nicht klar, dass es noch wesentlich schlimmer als eine rektale Untersuchung für sie kommt, da jeder Neuzugang eine Feuertaufe über sich ergehen lassen muss. Außerdem muss man sich für eine der Fraktionen auf Station B entscheiden: entweder Walters Truppe, oder die von Uschi König. Die gewaltbereite Knast-Lesbe Walter, die alle nur mit ihrem Nachnamen ansprechen, obwohl sie Christine heißt, hatte Susanne schon bei ihrer Ankunft abgecheckt, bevor es auf Susannes Zelle weitergeht. »Du stehst doch sowieso nicht auf Männer! Oder wieso sonst haste deinen Alten umgelegt?« Mit derartig offensiven Phrasen steckt Walter ihre Station ab, schnüffelt noch schnell an Susannes Schlüppi und verspricht ihr förmlich durch die Blume, dass man früher oder später schon noch intim werden wird. Die erste Folge der damals groß angekündigten Knastserie "Hinter Gittern - Der Frauenknast" liefert einen kleinen Vorgeschmack auf die provokante Marschroute des Formats, welches sich in Windeseile als feste Größe im Abendprogramm von RTL etablieren konnte. Insbesondere die Charaktere in der fiktiven JVA Reutlitz erweisen sich als regelrechte Zugpferde, auf deren Seite man sich schnell schlägt oder sich rapide von ihnen abwendet. Die einfache Parole lautet: Im Knast herrschen andere Regeln! Neben der Einführung Cheryl Shepards als Titelfigur dieser Episode und der Obrigkeiten auf Station und dem Chefsessel, kommt es zu etlichen weiteren Themen, die den Gefängnisalltag offenbar dominieren. Insbesondere bei einen anderen Neuzugang nimmt man bestehende Hierarchieverhältnisse in Reutlitz wahr, denn die Frau soll angeblich ihr Baby getötet haben. So wird Martina wird von allen Seiten fertig gemacht, gedemütigt und gequält, sodass ungewöhnlich plastische Szenen auftauchen, wie etwa die von Händen zwischen einer Heißmangel oder barbarischen Misshandlungen.

Der Koch der Anstalt ist andernorts der Meinung, dass es sich bei weggeworfenen Lebensmitteln um keine Abfälle handelt, es darüber hinaus keine Verfallsdaten gibt, und diese Reste den Frauen noch problemlos serviert werden können. Bei dieser Sparsamkeit handelt es sich allerdings um kein Ideal, sondern um das Wirtschaften in die eigene Tasche, denn das nicht ausgegebene Budget wandert in die Taschen des mutmaßlichen Kochs, der so ungepflegt aussieht, dass einem das Essen von vor drei Tagen wieder hochkommen könnte. Da die Häftlinge noch reihenweise mit Lebensmittelvergiftungen umkippen werden, ist ein Eklat in Form einer Meuterei vorprogrammiert. Dabei handelt es sich um den wohl größten Alptraum der kommissarischen Anstaltsleitung, Jutta Adler, die den Chefsessel liebt, als sei es ihr eigener, und das nicht nur vorübergehend. Hier gilt es, jeden Eklat um jeden Preis zu verhindern, sodass die Belange der Frauen kurzerhand ignoriert und ins Lächerliche gezogen werden. Die rasche Vorstellung der Haupt- und Nebencharaktere geschieht flüssig und nachdrücklich, sodass man sich jetzt schon über die weiteren Kapriolen von Walter & Co. freuen darf. Es ist wirklich erstaunlich, welch sicheres Händchen man bei den Besetzungen hatte, denn Darstellerinnen wie Katy Karrenbauer, Barbara Freier oder Claudia Loerding spielen nicht nur leidenschaftlich und exzellent, sondern kreieren ihre Charaktere, indem sie sich hemmungslos deftiger Klischees bedienen, sich allerdings auch zur Gegenseite hin emanzipieren und völlig dynamische und ungezwungene Interpretationen zum Besten geben. Wie es aussieht, hatte es sich RTL seinerzeit etwas kosten lassen, denn die Schauplätze und Kulissen wirken opulent und authentisch. Die angeschnittenen Themen wirken aktuell, packend und teils sogar gesellschaftskritisch, aber vor allem herrlich reißerisch und teils maßlos übertrieben, sodass die Spannung zum Selbstläufer wird. Folge 1 mündet und endet mit einem offenen Ende, das die Zuschauer-Rekrutierung insofern abschließen kann, weil man natürlich sehen möchte, wie es auf Station B weitergeht, die sich gerade inklusive Geiselnahme selbstständig gemacht hat.

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● FOLGE 02 | SIEG ODER UNTERGANG (D|1997)
in den Hauptrollen: Katy Karrenbauer, Claudia Loerding, Barbara Freier, Cheryl Shepard, Dirk Mierau und Franziska Matthus
mit Annette Frier, Wolfgang Finck, Judith von Radetzky, Christiane Reiff, Tanya Neufeldt, Kristiane Kupfer, Dieter Bach, u.a.
eine Produktion der Grundy UFA | im Auftrag von RTL
Regie: Bodo Schwarz



Als ob die Meuterei inklusive der Geiselnahme von zwei Vollzugsbeamten auf Station B nicht schon genug wäre, bricht in der Gefängnisküche ein Feuer aus. Die Brand- und Rauchentwicklung droht auf die Stationen überzugreifen, sodass die Zeit drängt. Jutta Adler, die kommissarische Anstaltsleiterin, hat bereits ein Rollkommando geordert und anstatt auf Deeskalation setzt sie auf Zugriff, da sie sich nicht erpressen lässt. Noch während einer Pressekonferenz bekommt sie mit sofortiger Wirkung Dr. Evelyn Kaltenbach vom Justizministerium als Leitung des Gefängnisses vor die Nase gesetzt, die nun für Reutlitz verantwortlich ist. Während sie die Lage sondiert, liegen die Nerven auf der verriegelten Station immer mehr blank und die Situation droht zu eskalieren...

»Der Geier versteht nur eine Sprache!« Wenig liebevoll aber umso passender wird Jutta Adler von den Frauen nur »Geier« genannt, was das Verhältnis der gegensätzlichen Fronten genaustens charakterisiert. Durch Drohgebärden, unmenschliche Zustände und restriktive Methoden bekam Jutta Adler ihren Ruf weg, dem sie immer wieder alle Ehre machen wird. Auf ihren Stuhl setzt die Justizverwaltung allerdings eine Neue, zu allem Überfluss noch Akademikerin und Liberale, sodass nie enden wollende Konflikte so sicher wie das Amen in der Kirche erscheinen. Die Frauen kippen reihenweise wegen Lebensmittelvergiftungen um, die in dieser Anstalt hausgemacht sind; kein Wunder also, dass sich die Frauen auflehnen. Gezeichnet wird hierbei nicht das letzte kriminelle Pack, zu dem man als Zuschauer keine Berührungspunkte finden und zulassen will, sondern man solidarisiert sich schnell mit den Insassinnen, da die andere Seite wesentlich mehr Verfehlungen anbietet. Dr. Kaltenbach spielt mit offenen Karten und setzt bei den aufgebrachten Frauen auf Dialog und Vertrauen, während Frau Adler im Hintergrund konspiriert. Während Adler den Oldschool-Vollzug repräsentiert, weht ab sofort ein neuer Wind in den Gefängnismauern, wenngleich es sich als keine leichte Aufgabe abzeichnet, das Vertrauen der viel zu lange geprellten Frauen zu gewinnen. Diese zweite Folge profitiert sehr stark vom schnellen Wechsel zwischen den verschiedenen Fronten und dem Aufzeigen der unterschiedlichen Sichtweisen. Während auf der einen Seite mit den Hufen gescharrt wird und man sich per Aktenlage darauf vorbereitet, mit wem man es eigentlich zu tun hat, wird der Aggressionsherd Station B immer prekärer ausgemalt. Die Luft scheint zu stehen, die Geduldsfäden drohen zu reißen und die Geiseln laufen offensichtlich Gefahr, ihre Abreibungen zu bekommen. Walter und Uschi versammeln ihre Gruppen hinter sich und bekämpfen sich aufgrund unterschiedlicher Ansichten sogar intern, sodass das Pulverfass in jeglicher Hinsicht explodieren könnte, vor allem weil die Adler weiterhin auf Zugriff des Einsatzkommandos setzt.

Zwar zehrt die ewig Zweite in der JVA von ihrer langjährigen Erfahrung, doch sie lässt sich hauptsächlich von persönlichen Gefühlen leiten. Jutta Adler wirkt verbittert und unnachgiebig, was sich vor allem in Reinform zeigen wird, wenn sie mit ihrer neuen Chefin konfrontiert wird. Claudia Loerding alias »Geier« formt ihre Figur von Anfang an präzise aus, sodass kleinere cholerischen Anflüge nur der Vorgeschmack auf das sind, was in den nächsten Jahren noch auf das treue Publikum zukommen wird. Katy Karrenbauer als Walter beherrscht die andere Seite der Mauern mit einer offensiven Dominanz, die die deutsche TV-Landschaft nur selten hervorbringen konnte. Trotz der zahlreichen Jahre, die die Serie mittlerweile auf dem Buckel hat, wirken die Performances und Entwürfe immer noch aktuell und überzeugend, sodass es nahezu unwahrscheinlich wird, ab dieser Stelle nicht mit der Serie weiterzumachen. Die zur damaligen Zeit teils ungewöhnlich harte Gangart bei der Inszenierung und ein Vokabular, das im Fernsehen nicht unbedingt Usus war, ließen das Format schnell zum wöchentlichen Quotenhit avancieren. In dieser Episode deutet schließlich alles auf einen großen Showdown hin, und in der Zwischenzeit wird einiges an Porzellan zerschlagen. Folge 2 stellt außerdem noch weitere Charaktere vor, die für den weiteren Verlauf an Wichtigkeit gewinnen werden, deutet bei dieser Gelegenheit auch die persönlichen Päckchen an, die jede Insassin sowie das Personal zu tragen hat. Mit viel Diskussion, Action und Tempo geht also auch diese Folge einem spektakulären Ende entgegen, das immerhin in einem Fiasko hätte enden können. Schlussendlich ist Jutta Adlers altes Revier neu abgesteckt worden, sie wird trotz ihrer Funktion als stellvertretende Anstaltsleitung zum Schließerdienst degradiert, bei dieser Gelegenheit selbstverständlich von den Frauen verhöhnt und verspottet, bis sie ihrer Chefin eine regelrechte Kampfansage macht, was jederzeit einen erbitterten Clash aufkommen lasen könnte. In Reutlitz darf man also gespannt auf den weiteren Verlauf und den betont renitenten Umgang miteinander sein.

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● FOLGE 03 | DIE KINDSMÖRDERIN (D|1997)
in den Hauptrollen: Dirk Mierau, Katy Karrenbauer, Barbara Freier, Claudia Loerding, Cheryl Shepard und Franziska Matthus
mit Katja Strobel, Annette Frier, Wolfgang Finck, Tanya Neufeldt, Judith von Radetzky, Isabella Schmid, Christiane Reiff, u.a.
eine Produktion der Grundy UFA | im Auftrag von RTL
Regie: Dagmar von Chappuis



Die als "Babykiller" verschriene Insassin Martina Thielmann wird von den Frauen auf Station B gedemütigt und gequält, da sie angeblich ihr eigenes Kind getötet haben soll. Der Schließer Gerhard Zöllner stellt ihr Schutz in Aussicht, verlangt im Gegenzug jedoch ganz besondere Zuwendungen. Als sich Martina weigert, mit Zöllner ins Bett zu gehen, kommt es zum Eklat, denn die mittlerweile verzweifelte Frau wird zusammengeschlagen aufgefunden. Wollte sich Zöllner rächen? Ab diesem Zeitpunkt entwickelt sich ein wenig Solidarität unter den Frauen und Martina wird nicht weiterhin von den anderen fertig gemacht. Die Anstaltsleitung, Frau Dr. Evelyn Kaltenbach, ist an Aufklärung interessiert, doch es kommt zu massiven Widerständen aus den eigenen Reihen...

In Folge 3 kommt es zu teils drastischen Veranschaulichungen, da sich eine komplette Station einem Gruppenzwang ergibt, der sich gegen eine einzelne Insassin richtet, weil ihre rechtskräftige Verurteilung ausnahmsweise für bare Münze genommen wird, wenngleich sie den Frauen sonst normalerweise am Arsch vorbeigehen. Martina wird des Kinsdmordes beschuldigt und ein derartiges Verbrechen bedeutet im Knast die keine Existenzberechtigung. Bestenfalls wird man nur ignoriert und ausgeschlossen, allerdings kommt es in diesem speziellen Fall zu einer offensiven Hexenjagd, die von Walters Freundin Vivi angeheizt wird, da sie selbst mit 15 Jahren ein Baby bekam, das sie nicht großziehen konnte, sich somit persönlich betroffen fühlt. Naturgemäß fehlt bei dieser abscheulichen Art des Verbrechens jegliches Verständnis und man kann die aufgebrachten Gemüter verstehen, doch Martina beteuert ihre Unschuld, immer und immer wieder und das obendrein noch glaubwürdig, doch Walter zeigt sich mal wieder von ihrer wenig subtilen Seite. So fordert sie den sogenannten "Babykiller" in einem vertraulichen Gespräch offen dazu auf, sich am besten so schnell wie möglich selbst das Licht auszuknipsen, da ihr die anderen sonst zuvor kommen würden. Ausstaffiert mit körperlicher Gewalt, wie beispielsweise dem Ausreißen der Ohrringe, ergibt sich die nächste Stufe der Eskalation, da der verhasste Schließer Zöllner es ebenfalls auf Martina abgesehen hat. »Du kannst mir doch nicht erzählen, dass du nicht scharf bist! Oder machstes dir dauernd selbst?« Zöllners schwachsinnige Argumentation stellt in einem seine persönliche Absolution dar, da Frauen seiner Ansicht nach nicht wählerisch sein dürfen, vor allem nicht im Knast und wenn entsprechende Vergünstigungen winken. Die heiße Liebesnacht endet völlig abrupt mit einer vollen Ladung... Haarspray in Zöllners Augen. Für dieses Vergehen landet die sichtlich angewiderte junge Frau im sogenannten Bunker, in Isolationshaft, bis sich die Tür erneut öffnet. Für das Publikum ist diese unmenschliche Prozedur rund um eine an den Pranger gestellte Inhaftierte aufwühlend und richtig strapaziös, da sie vor Ungerechtigkeit nur so trieft.

Auf der anderen Seite bahnt sich über diesen harten Weg eine willkommene Rehabilitation an, die nötig ist, um die Sympathien wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Die Verknüpfung verschiedener Plot-Fragmente ist hier wieder einmal sehr gelungen, vor allem, weil viele relevante Themen bereits für spätere Zeitpunkte angebahnt werden. Charaktere wie beispielsweise Jutta Adler, Evelyn Kaltenbach oder Gerhard Zöllner fordern sich langsam ihren Raum neben dem Knastalltag ein und lassen etwas tiefer blicken. Gerade Zöllner, der von Wolfgang Finck in exzellenter Art und Weise dargestellt wird, weil er den menschlichen Abschaum so frappant authentisch zeichnet und überaus abstoßend wirkt, demonstriert eine Verselbstständigung, die nichts mehr mit Strafvollzug zu tun hat, da er mittlerweile selbst auf der anderen Seite steht. Junkies bekommen einen Zwanni, damit sie in ihrer Not die Beine breit machen, manche bekommen sogar gar nichts oder als Belohnung noch Schläge obendrein. Zöllner wird kollosionsartig als Hassobjekt beim Publikum und den Frauen aufgebaut, sodass es nur noch eine Frage der Zeit sein dürfte, bis einem diese Konstruktion um die Ohren fliegt. Zwischen Dr. Kaltenbach und Jutta Adler zeigen sich permanente Revierkämpfe und es wirkt, als gebe es ein Tauziehen zwischen dem modernen und dem antiquierten Strafvollzug mit einem Schuss Selbstgerechtigkeit. In diesem frühen Stadium der Serie hat man bereits das Gefühl, dass sie sich um eine baldige Gewohnheit handeln könnte, die man nicht wieder so schnell ablegen möchte. Zu interessant und dynamisch wirken die angebotenen Geschichten und deren Schicksale, zu faszinierend oder widerwärtig die Charaktere, zu spannend die plötzlichen Handlungsmanöver. So ist es hochinteressant, dabei zuzusehen, wie sich die Rollen ganz natürlich justieren und einen beispiellosen Wiedererkennungswert aufbauen werden, der das Format in Windeseile groß macht. Folge 3 bietet viel Spektakel und deutet nebenbei genüsslich an, dass sich einige Personen auf Station B schon bald warm anziehen können. Bis es soweit kommt, haben Walter und Uschi ihre Mädels weiterhin, beziehungsweise weitgehend im Griff. Oder doch nicht?

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● FOLGE 04 | ALLES HAT SEINEN PREIS (D|1997)
in den Hauptrollen: Cheryl Shepard, Katy Karrenbauer, Barbara Freier, Claudia Loerding, Dirk Mierau und Franziska Matthus
mit Kristiane Kupfer, Imke Barnstedt, Marie-Ernestine Worch, Wolfgang Finck, Annette Frier, Günter Bothur, Uta Prelle, u.a.
eine Produktion der Grundy UFA | im Auftrag von RTL
Regie: Dagmar von Chappuis



Susanne Teubners Schwiegermutter Marlies setzt alles daran, das Revisionsverfahren ihrer Schwiegertochter zu unterwandern, zumal Susanne behauptet, ihr Sohn habe seine eigene Tochter sexuell missbraucht. so strebt sie das Sorgerecht für beide Kinder an, um Susanne komplett zu isolieren. Susanne ahnt noch nicht, dass ihr eigener Anwalt gemeinsame Sache mit ihrer rachsüchtigen Schwiegermutter macht. In der Zwischenzeit ist die Direktorin Evelyn Kaltenbach damit beschäftigt, den Drogenkonsum in Reutlitz einzudämmen. Bei einer Razzia werden die Beamten fündig, und man will der Dealerin eine Falle stellen. Die Falle schnappt auch wie erwartet zu, doch es kommt zu einer überaus überraschenden Wendung...

Die seinerzeit überaus erfolgreich angelaufene Serie "Hinter Gittern" konnte ihren breiten Zuspruch nicht zuletzt ihrem gelungenen Mischverhältnis verdanken, immerhin zeigt sich ein unterschiedliches Angebot von Charakteren, auf deren Seite man sich schlagen kann, genau wie es auf Station B üblich ist. Nur eines ist klar, denn man findet sich nicht auf Seiten der sogenannten "Schlusen" wieder, da sich dort einfach zu viel menschlicher Abschaum lokalisieren lässt und man den hoffnungslosen Idealisten der ersten Stunden noch nicht so recht trauen mag. Folge 4 stellt Susanne Teubner viel Raum zur Verfügung, um sich ein Stück weit selbst zu rehabilitieren, weil herausgearbeitet wird, dass es sich nicht um eine gewöhnliche Kriminelle handelt. Die Lehrerin und zweifache Mutter wirkt tatsächlich wie ein Fremdkörper zwischen so viel Aggression und Mauschelei, allerdings hat sie ein Menschenleben auf dem Gewissen. Die Geschichte rund um ihre Familie nimmt schnell dramatische Züge an, immerhin kommt heraus, dass sich Susannes Mann an der gemeinsamen Tochter vergangen hatte, sodass es zu einer Kurzschlussreaktion mit Todesfolge kommen konnte. Ihre Schwiegermutter sieht nur, dass sie ihren einzigen Sohn verloren hat und sie will auf keinen Fall mit einer abscheulichen Geschichte ins Gerede kommen. So rekrutiert sie kurzerhand Susannes eigenen Anwalt, der die besorgte Mutter nur noch mehr in die Untiefen des Knasts hineinreitet, da seine Strategie im Prinzip auf Haftverschärfung angelegt war. Susanne hatte ihre Tochter Nina nicht aussagen lassen, da sie ihr die Strapazen ersparen wollte, doch Susanne gerät immer massiver zwischen die Fronten des Gefängnisalltags und die ihrer Familie. Dem schädlichen Einfluss ihrer Schwiegermutter steht sie machtlos gegenüber. Die meisten ihrer Kolleginnen hinter Gittern zeigen wenig bis gar kein Verständnis für diese doch sehr ergreifende Situation, sodass Susanne auf die Hilfe der ambitionierten, neuen Anstaltsleitung angewiesen sein wird, die wiederum an anderen Fronten, vor allem aber gegen die eigenen Beamten zu kämpfen hat. Jutta Adler hat es immer noch nicht überwunden, dass sie in die zweite Reihe durchgereicht wurde.

Diese Konflikte zeigen eine Art der negativen Dynamik auf, die nur auf Konfrontation und Misstrauen ausgelegt ist. Jeder Vorschlag, den Evelyn Kaltenbach macht, wird vom "Geier", wie sie wenig wertschätzend von den Frauen genannt wird, in Zweifel gezogen oder gleich abgelehnt, sodass Dr. Kaltenbach gezwungen ist, die Weisungsbefugte und Chefin heraushängen zu lassen. Nur beim Thema Drogenhandel scheint man sich einig zu sein. Die Falle schnappt auch sehr schnell zu, doch die Dealerin scheltet ebenso schnell und stellt sich dumm. Dass sie zuvor bereits von dem korrupten Schließer Zöllner erwischt wurde, weiß niemand, da er die Verantwortliche nicht gemeldet, sondern sie kurzerhand zu seiner Komplizin gemacht hat. Beim Thema Drogen geht ohnehin das große Grübeln umher, da alle Frauen von der B clean waren, was einer gut organisierten Schiebung zu verdanken ist. Nur Susanne Teubner wurde positiv auf gewisse verbotene Substanzen getestet, da Proben vertauscht wurden. Das permanente Tauziehen in der JVA bekommt immer-interessante Anstriche verpasst, sodass die Zeit wie im Flug zu vergehen scheint. Drogen, ein Suizidversuch, gekaufte Leute auf beiden Seiten, Autoritäts- sowie Kompetenzprobleme, Liebeleien und eine stets umher wirbelnde Walter lassen die Atmosphäre immer weiter hochkochen, obwohl immer wieder kleinere Atempausen angeboten werden, die ihre relativierende Wirkung jedoch einbüßen, da ein Drama das nächste jagt und Schicksalsschläge nicht lange auf sich warten lassen. Regisseurin Dagmar von Chappuis legt im Rahmen der begrenzten zeitlichen Möglichkeiten einer Serien-Episode großen Wert auf präzise Zeichnungen der Hauptcharaktere, die längst echte Typen zeichnen und ganz eigene Markenzeichen etablieren können. So deutet sich an, dass Unheil in der Luft liegt und man sich auf gewaltige Entladungen gefasst machen darf, die den Knastalltag und die Schicksale beeinflussen werden. Zugute kam seinerzeit sicher, dass die Serie im Wochentakt ausgestrahlt wurde, somit ihre Spannung ganz natürlich aufrecht erhalten konnte, was aufgrund der verschiedenen Handlungsstränge aber ohnehin geboten ist.

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● FOLGE 05 | MUTTERLIEBE (D|1997)
in den Hauptrollen: Cheryl Shepard, Barbara Freier, Katy Karrenbauer, Dirk Mierau, Claudia Loerding und Franziska Matthus
mit Brigitte Renner, Silvia Rachor, Imke Barnstedt, Dieter Bach, Christiane Reiff, Kristiane Kupfer, Judith von Radetzky, u.a.
eine Produktion der Grundy UFA | im Auftrag von RTL
Regie: Axel Bock



Susanne Teubner den Kampf gegen ihre Schwiegermutter und das Sorgerecht für ihre zwei Kinder anscheinend verloren und sieht ab sofort keinen Sinn mehr in ihrer ausweglosen Situation und ihrem Leben. Die Frauen wollen ihr eine neue Perspektive geben und wählen sie zur Stationssprecherin, doch Susanne erleidet einen erneuten Rückschlag, da ihre Tochter sie nicht mehr sehen will, weil ihre Großmutter das Kind lange genug manipuliert hat. In der Zwischenzeit erfährt die wegen Sterbehilfe verurteilte Margarethe "Mutz" Korsch, dass sie einer vorzeitigen Entlassung entgegen sieht, doch die überforderte, ältere Frau war zuletzt zu DDR-Zeiten auf freiem Fuß...

Während Dr. Evelyn Kaltenbach damit beschäftigt ist, den Frauen ihre Visionen für einen modernen Strafvollzug näher zu bringen, bleiben die meisten von ihnen skeptisch und die Grabenkämpfe zwischen den beiden Fraktionen auf Station B spitzen sich erneut zu. Es geht darum, eine vertrauenswürdige Stationssprecherin zu finden, die nach Meinung der jeweiligen Lager allerdings nicht objektiv agieren kann. Schnell fällt die kompromissbereite Wahl auf die ehemalige Lehrerin Susanne Teubner, die anschließend einstimmig gewählt wird. Es ist interessant zu beobachten, dass die Dramaturgie bereits nach fünf Folgen mit Hochdruck daran arbeitet, unterschiedlichste Kapriolen und Nebenhandlungen anzudeuten, sodass der Verlauf und die unterschiedlichen Charaktere nicht nur interessant bleiben, sondern es immer mehr werden. Susanne erfährt von ihrer Schwiegermutter, dass sie ab sofort keine Kinder mehr habe, und das meinte sie wortwörtlich. Sie werde alles tun, um sie aus dem Gedächtnis ihrer Enkel zu löschen, nimmt man erstaunt und angewidert zur Kenntnis, immerhin wünscht man dem übelsten Abschaum nicht eine solche Situation an den Hals. Susanne verfällt in depressive Episoden und ist nicht mehr aus dem Bett zu bekommen: So gibt es keinen neuen Toaster, keine Vorbereitung für Schulabschlüsse hinter Gittern. Alle anvisierten Projekte drohen liegen zu bleiben. Folge 5 verfügt über eine schwermütige Atmosphäre, die im Verlauf nur wenig Licht am Ende des Tunnels preisgibt. Meistens handelt es sich bei aufblitzenden Hoffnungsschimmern sogar um entgegenkommende Züge, bis die angedeutete Katastrophe sich erfüllen kann. Der Titel dieser Folge befasst sich nicht nur mit dem Gemütszustand von Susanne Teubner, sondern auch der von Margarethe Korsch, die wegen aktiver Sterbehilfe in langjähriger Haft sitzt. Plötzlich wird ihr unterbreitet, dass sie sich auf ihre baldige frühzeitige Entlassung freuen darf, doch die mittlerweile in die Jahre gekommene Dame wirkt völlig überfordert. Zu ihrer Freude findet man ihre Tochter, mit der sie 15 Jahre keinen Kontakt mehr hatte, die glücklicherweise in der Nähe lebt.

Schwenk in einen Berliner Vorort. Gut situierte Verhältnisse. Familienidylle mit zwei Kindern. Gaby Kaiser hält den Brief ihrer noch inhaftierten Mutter in Händen und sieht gequält aus. Alles kommt wieder hoch, ihre Familie weiß nichts von ihrer Mutter, die für den Tod mehrerer Patienten verantwortlich ist. Der Zuschauer staunt nicht schlecht, als Gaby ihre Mutter wenig später in Reutlitz aufsucht, doch es wird schnell klar, dass sie von Anfang an die Kontrolle über die Situation behalten will, um nicht vor ihren Lieben bloßgestellt zu werden. So wird sie ihrem Mann und den Zwillingen kurzerhand eine Tante Margarethe auftischen, und dem Publikum tut diese Schmierenkomödie regelrecht weh, da es sich bei "Mutz" doch um die gute Seele von Reutlitz handelt. Viele unterschiedliche Schicksale rufen auch unterschiedlichste Probleme aufs Tableau. Hierbei handelt es sich um ein gutes Stichwort, da man Marlies Teubner im Gespräch mit Dr. Kaltenbach erleben kann. Ihre Schwiegertochter lüge, es sei unglaublich, dass Susanne sie mit diesem Märchen belästigt habe, und so weiter. Es ist irgendwie zu verstehen, dass eine Mutter, die ihr Kind auf diese Art und Weise verloren hat, vielleicht ein Herz aus Stein bekommt und alles ableugnet, allerdings sind die Anschuldigungen zu abstoßend, als dass man Mitleid empfinden könnte. Die Intrigen der Marlies Teubner und ihres Anwalts werden noch abenteuerliche Formen annehmen und Susanne in eine Affekthandlung treiben, die in klassischem Frauenknast-Drama gipfelt. Zuvor führt Dagmar noch ihre üblichen Verkaufsgespräche im Rahmen ihres Drogen-Portofilo: »Rechte? Wir haben hier keine Rechte. Wir sind das Letzte. Je schneller du das begreifst, desto besser.« Pessimistische und manipulative Reden, Schwarzmalerei und eine Gratis-Nase sollen Susanne anfixen, damit sie ihre Probleme angeblich aushalten oder vergessen könne. Regisseur Axel Bock stattet seine Folge mit dem trügerischen Titel "Mutterliebe" mit Brisanz und Dramatik aus, meistert dabei eine Mehrfachanforderung, indem er zahlreichen Charakteren eine Bühne einräumt und deren Bedürfnissen gerecht wird. Dasselbe gilt übrigens auch für den Zuschauer.

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Re: HINTER GITTERN - DER FRAUENKNAST

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● FOLGE 06 | DER PREIS DER FREIHEIT (D|1997)
in den Hauptrollen: Claudia Loerding, Katy Karrenbauer, Cheryl Shepard, Barbara Freier und Franziska Matthus
mit Hannelore Minkus, Wolfgang Finck, Brigitte Renner, Silvia Rachor, Kristiane Kupfer, Christine Schuberth, Annette Frier, u.a.
eine Produktion der Grundy UFA | im Auftrag von RTL
Regie: Axel Bock




Die Drogengeschäfte des Schließers Zöllner können ungehindert florieren, da er sich an Jutta Adler, die stellvertretende Anstaltsleitung herangemacht hat, die für die Dienstpläne und die Einteilung der stichprobenartigen Kontrollen verantwortlich ist. So hat Zöllner direkten Zugriff auf die Pläne und kann sauber um jede Leibesvisitation herum kommen. Da Jutta von ihm die große Liebe vorgegaukelt bekommt, legt sie sich mit ihrer Mutter an und droht, endgültig auszuziehen. In der Zwischenzeit bekommt Margarethe Korsch tageweise Ausgang. Als sie ihre Tochter Gaby besucht, wird ihr klar, dass ihre Existenz bislang vor der Familie verschwiegen wurde...

»Wenn alte Scheunen brennen...« Die Komplimente im Hause Adler reißen nicht ab, und es scheint sich um den üblichen Umgangston zwischen Jutta und Elisabeth Adler zu handeln, da die Schuld der Vergangenheit jeden Morgen zum Frühstück aufgetischt wird. Es ist interessant zu sehen, dass die Hauptcharaktere im Lauf der Serie mit Hintergründen ausgestattet werden, die man so nicht unbedingt erwartet hätte. Elisabeth Adler kann seit einem schweren Autounfall ihre Beine nicht mehr bewegen. Den Wagen fuhr ihre Tochter Jutta, die seitdem an ihre Mutter gefesselt ist, wie diese an den Rollstuhl. Unterschwellige Vorwürfe und fiese Wortspitzen dominieren das Zusammenleben, welches eher einer Alltagshölle gleicht. Jutta kennt daher nur ihre Arbeit, bei der sie Anerkennung bekommt. Ihre wenigen Männer sind ihr längst alle weggelaufen. »Wisch das ab!« Man traut seinen Ohren nicht zu trauen, die Kommandeurin ihre Tochter wie eine 12jährige maßregelt und verlangt, sich den Lippenstift abzuwischen, da es billig wirke. Ihrer Mutter erwidert sie nur, dass sie sie hasst und bald auszieht. Eine fatale Situation für eine Frau im besten Alter, die von ihrem neuen Liebhaber nur benutzt, belogen und betrogen wird. Eheprobleme, Scheidung, gemeinsame Wohnung... Gerhard Zöllner verspricht seinem im Privatleben völlig naiven Opfer das blaue vom Reutlitzer Himmel herunter, und das erfahrene Serien-Publikum weiß ganz genau, dass alle der Beteiligten auf eine Katastrophe zusteuern. Folge 6 verleiht der stellvertretenden Anstaltsleiterin eine menschliche Seite und entblößt die Figur mit der harten Schale gewissermaßen, da sich in ihrem Inneren eine zutiefst einsame Seele befindet, die viel zu häufig verletzt wurde. Es ringt dem Zuschauer Verständnis und Anteilnahme ab, allerdings hat man ihren harten Kurs gegen die Protagonistinnen längst noch nicht vergessen, sodass sogar ein gewisses Maß an Schadenfreude bezüglich ihrer Situation aufkommen könnte. Doch dafür ist die Situation zu prekär, zumal wirklich alles zusammen kommt. Verhasste Zielscheibe Nummer 1 ist und bleibt also Gerhard Zöllner, dessen doppeltes Spiel einfach nur widerwärtig ist.

Aber es passiert selbstverständlich noch wesentlich mehr in der JVA Reutlitz, da vorsorglich viele Schicksale angedeutet und unter ein Dach gestopft wurden. Die gute Seele der Station soll endlich frei kommen. "Mutz" hat ihre Strafe wegen Tötung auf Verlangen abgesessen und könnte mit dem Rest ihres Lebens noch einmal neu anfangen, falls Schicksal oder Tochter es zulassen. Ähnlich wie bei Jutta Adler ist auch Gaby eine Person, die man mit Sicherheitsabstand betrachten möchte, da sie nicht aufrichtig wirkt. Steckt Böswilligkeit dahinter oder auch eine zutiefst gekränkte Persönlichkeit. Gaby selbst wird noch Aufschluss darüber geben, allerdings ist man als Zuschauer schon ein wenig schockiert, wie sie mit ihrer hilflosen und ahnungslosen Mutter umgeht, nur damit die große Lüge ihres Lebens nicht auffliegt. Aber "nur" lässt sich in diesem komplexen Fall leicht sagen. In der Zwischenzeit bekommt man es immer wieder mit den üblichen Verdächtigen der Station B zu tun, und hier und da brauen sich deftige Gewitter zusammen, die bereits andeuten, dass es in den nächsten Folgen noch zu bedeutenden Entladungen kommen wird. Nicht unerwähnt bleiben sollen die Schauspieler und bei einer Frauenknast-Serie natürlich insbesondere die Schauspielerinnen, die innerhalb kürzester Zeit für Markenzeichen gesorgt haben. Ob Walter, Uschi, Susanne, Dagmar oder Vivi, es kommt zu einer Art artifiziellen Wirklichkeit und empfundenen Authentizität, die jederzeit mitreißend und spannend wirkt. Auch der ewige Clash zwischen den Top-Interpretinnen Hannelore Minkus, Claudia Loerding und Franziska Matthus sorgt für besonders intensive Szenen, was sich von Wolfgang Fincks abstoßender und daher brillanter Zeichnung ebenfalls sagen lässt. Axel Bocks zweiter Beitrag zur Serie kann sich erneut sehen lassen und legt viel Wert auf zahlreiche Nuancen zwischen leichter Tiefe und Klischees, sodass man nahezu entfesselte Stars sehen kann, vor allem weil ihnen nicht der Mund verboten wird, und sie teilweise auf politisch korrekte Umgangsformen scheißen dürfen. Ja, es brodelt in Reutlitz und eine oder mehrere Katastrophen scheinen unausweichlich zu sein. Spätestens jetzt ist man voll in der Serie drin.

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Re: HINTER GITTERN - DER FRAUENKNAST

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● FOLGE 07 | UNTER DRUCK (D|1997)
in den Hauptrollen: Katy Karrenbauer, Barbara Freier, Claudia Loerding, Cheryl Shepard und Franziska Matthus
mit Wolfgang Finck, Annette Frier, Tanya Neufeldt, Kristiane Kupfer, Isabella Schmid, Christiane Reiff, Ana Fonell, u.a.
eine Produktion der Grundy UFA | im Auftrag von RTL
Regie: Bodo Schwarz



Dem korrupten Schließer Zöllner gehen mehrere Tausend Mark in der Justizvollzugsanstalt verloren, die er von Dagmar Friese bekommen hat, um für Drogennachschub zu sorgen. Dies stellt ihn vor mehrere Probleme gleichzeitig: Sein Dealer verliert langsam aber sicher die Geduld, Dagmar will ihre hart verdiente Kohle wieder sehen, oder den versprochenen Stoff, und Dr. Kaltenbachs Personalkontrollen machen es immer unmöglicher, unbehelligt durch die Schleuse zu gelangen. Der Konflikt spitzt sich somit immer weiter zu, bis es zu einem Eklat kommt, der die Karten in Reutlitz völlig neu mischt...

In der siebten Folge der beliebten Knastsaga werden am Ende nicht nur die Emotionen hochkochen, sondern es kommt erstmals zu richtigen Entladungen, die weitreichende Folgen für die meisten Beteiligten haben werden. "Unter Druck" gehört beinahe vollkommen dem korrupten Schließer Gerhard Zöllner, der von Wolfgang Finck mit höchster Präzision dargestellt wird. Sein neuer Nebenverdienst entwickelt sich gleichzeitig zu seinem Hauptverdienst, doch es kommt zu Komplikationen, da man sich im Knast nicht so frei bewegen kann, wie zu Zeiten des Vorgängers von Dr. Evelyn Kaltenbach. Durch einen dummen Zufall kommt Dagmars Drogengeld abhanden, das den neuen Nachschub für Station B sichern sollte, sodass der Titel der Folge seine Sinnhaftigkeit entfalten kann. Zöllner beutet die Frauen in jeder Hinsicht aus, was zunächst Kathrin erfahren muss. Um an Geld für Stoff zu kommen, lässt sie sich von Zöllner rammeln, bekommt allerdings nur einen Zwanni, immerhin könne sie froh sein, dass sie überhaupt was kriegt, da er es auch ohne Geld haben könne, was sich im unmittelbaren Verlauf noch in ekelhafter Art und Weise bewahrheiten wird. Die Ereignisse überschlagen sich in bester Serienmanier, sodass Dramatik, Theatralik und Spannung eine geballte Ladung ergeben können. Es ist also völlig klar, dass kein Weg an einer waschechten Katastrophe vorbeiführen wird, doch Regisseur Bodo Schwarz agiert in diesem Zusammenhang sehr clever und lässt die Spannung beinahe bis ins Unermessliche steigen, ohne jedoch die erwartete Eruption zu schildern, die sich bis in die nächste Folge vertagt. So sieht man weiterhin die Machenschaften eines Gerhard Zöllner, der nicht nur seine Schutzbefohlenen quält, sondern auch Jutta Adler in einer widerwärtigen Tour finanziell und emotional ausbeutet. Da er Geld braucht - schließlich gab es erst vor Kurzem einen neuen Wagen - bringt er Jutta dazu, an ihre Reserven zu gehen. Hierbei agiert die stellvertretende Anstaltsleitung mit einer himmelschreienden Naivität, die vollkommen konträr zu ihrer Unerbittlichkeit im Dienst steht.

In der Zwischenzeit baggert Walter an Susanne herum, was Vivi natürlich gar nicht passt, aber die Anführerin der Station B vertritt selbstbewusst die Meinung, dass sie schlafen kann, mit wem sie will. Diese unbedachte Aussage, die schon über einen gewissen Wahrheitsgehalt verfügt, immerhin hat Walter noch jede für sich gewinnen oder gar umstricken können, treibt Vivi fatalerweise in die Krallen von Zöllner, der ihr behilflich ist, die Zelle zu wechseln. Dafür möchte er natürlich Geld sehen, da ihm sein Gläubiger im Nacken sitzt. Doch Geld ist leider nicht zu haben. »Gut, zahlste eben in Naturalien!«, bekommt man zu hören, und erst jetzt erfasst man den Ernst der Lage, denn es droht, einer der Sympathieträgerinnen an den Kragen zu gehen. Folge 7 nimmt wenig Rücksichten auf die Sentiments anderer Insassinnen, was sie auch gleichzeitig mit dem Publikum veranstaltet, sodass es zu einer ungewöhnlich gebündelten Brisanz kommen kann, die für derartige Formate nicht alltäglich war. Dies gilt vor allem für die hier geschilderte sexualisierte Gewalt und Willkür in diesem Gefängnis, in welchem offenbar jeder machen kann, was er will. Immer wieder sieht man Gerhard Zöllner, der sich windet, Vorteile verschafft, lügt und betrügt, wo er nur kann, obwohl sich die Schlinge um seinen Hals immer enger zuzieht, was einem zugegebenermaßen eine innere Freude bereitet. Dennoch wird einem hierbei auch klar, dass das Gefühl der Bedrängnis zu immer mehr Aggressivität führen wird. Insbesondere mit Dagmar Friese steuert er auf Kollisionskurs zu, da sie es sich nicht nehmen lässt, ihn in seiner Misere noch vorzuführen, verspotten und zu demütigen. So bekommt es die Serie mit ihrem ersten wirklichen Clash zu tun, der vehemente Züge annimmt und diverse Opfer in Stellung bringt. Wen es am Ende erwischen wird, vertagt sich wie gesagt zugunsten der Hochspannung, was ein erneutes Einschalten so gut wie garantiert. In "Unter Druck" geht es ordentlich zur Sache und die Folge wirkt beinahe wie ein Prototyp der vielen, großen Frauenknastmomente, die immer wieder erfreuen können.

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● FOLGE 08 | EINE LEICHE ZU VIEL (D|1997)
in den Hauptrollen: Katy Karrenbauer, Claudia Loerding, Barbara Freier, Cheryl Shepard, Dirk Mierau und Franziska Matthus
mit Kristiane Kupfer, Judith von Radetzky, Ana Fonell, Rainer Frank, Annette Frier, Wolfgang Finck, Isabella Schmid, u.a.
eine Produktion der Grundy UFA | im Auftrag von RTL
Regie: Matthias Tiefenbacher



Dagmar überrascht die von oben bis unten mit Blut verschmierte Walter im Bad. Neben ihr liegt der Schließer Zöllner mit durchschnittener Kehle. Walters Motiv liegt klar auf der Hand, immerhin hatte sich Zöllner zuvor an ihrer Freundin Vivi vergangen, allerdings wimmelt es auf Station B von Insassinnen, die noch eine Rechnung mit Zöllner offen hatten. Bevor man sich unter Uschis und Regines Führung an die Aufklärung des Mordes begibt, muss die Leiche zunächst von der Station verschwinden. Ein Spießroutenlauf beginnt, bei dem die Frauen jederzeit auffliegen könnten, zumal Jutta Adler alle Hebel in Bewegung setzt, ihren Kollegen und Liebhaber ausfindig zu machen, außerdem steht wenig später auch schon die Kripo vor der Tür...

Nach nicht einmal acht Folgen und einem sehr erfolgreichen Start bekommt die Knastsaga auch schon ihre erste Leiche zugespielt, was sich aufgrund von Zöllners absolut ätzendem Verhalten aber auch angekündigt hatte. Die Frauen auf der B denken hinter vorgehaltener Hand offensichtlich alle dasselbe, nämlich, dass der verhasste Schließer nichts weniger als den Tod verdient hätte. Die Dramaturgie arbeitete zuvor derartig auf Hochtouren daran, beim Zuschauer den Eindruck entstehen zu lassen, dass er zumindest einmal seiner gerechten Strafe zugeführt werden müsste, doch man befindet sich schließlich auf Seiten der Knackis und trägt die drastische Wendung im Fall Zöllner schließlich mit. Da Publikumsliebling Walter unter Verdacht gerät, ist das Interesse hoch, die wahre Killerin so schnell wie möglich zu überführen, zumal etliche Frauen die Integrität der Stationsführerin infrage stellen. Durch die Verdächtigungen macht Walter die Schotten dicht und reagiert renitent, sodass ein normales Gespräch mit ihr schwierig wird, oder gleich auszuschließen ist. Zuvor konnte das aufgebrachte Publikum noch einmal Gerhard Zöllner bei seinen unmenschlichen Machenschaften verfolgen und es ist bis hierher im kurzen Rückblick interessant zu sehen, dass die Serie es beinahe bis zum Äußersten getrieben hat. Dem Zuschauer wird es in dieser achten Folge zwar erspart, weitere Tiraden miterleben zu müssen, aber plötzlich steht ein Gespenst namens Ungerechtigkeit im Raum. Walter wird augenscheinlich gelinkt und müsste sich von dem schwerwiegenden Verdacht befreien, eine weitere Eskalationsstufe in ihrem Strafregister erlangt zu haben. Zwar wirkt es hin und wieder ein wenig belustigend, dass sich die Frauen offenbar frei bewegen können, wie sie gerade lustig sind, außerdem scheinen die Sicherheitssysteme in der Anstalt für den Arsch zu sein, aber genauso sehen die spannenden Knastmärchen der Privatsender eben aus, bei denen man Leichen bei Nacht und Nebel einfach so verschwinden lassen kann. Nach einer gewissen Laufzeit macht man sich plötzlich um das Fehlen von Zöllner Gedanken, und dass es zukünftig hoffentlich nicht langweilig wird.

Aber so viel sei schon einmal versprochen, dass der Abschaum in Reutlitz niemals aussterben wird. Die Kripo schnüffelt auf Station, den Zellen und Akten herum, sodass der immer größer werdende Kreis der mittlerweile Eingeweihten einer Zerreißprobe entgegen sieht. Wer wird die Nerven behalten, wer wird sie verlieren? Bei dieser Gelegenheit stellt Regisseur Tiefenbacher die Insassinnen und Angestellten noch etwas ausgiebiger vor und verleiht den Charakteren immer mehr Konturen, die für den weiteren Verlauf noch bedeutsam sein werden. Anklage: Mord. Da Uschi unfreiwillige Zeugin der Beseitigung der Leiche wird, besteht sie auf einer, naja, ordentlichen Gerichtsverhandlung, deren alleinige Angeklagte Walter sein wird. Es entstehen ganz originelle Momente, wenn das Gericht in einer stinknormalen Zelle tagt und sich die selbsternannten Würdenträgerinnen künstlich aufplustern, aber die Sympathien haben sich längst beim Zuschauer etablieren können, bis man schließlich alles verzeiht, vielleicht sogar einen Serien-Mord. Episode 8 ist geprägt von einer spürbaren Nervosität und immensem Druck, der sich in alle Richtungen entlädt. Die musikalische Untermalung unterstützt diese Eindrücke erstaunlich gut, bis sogar etwas Dramatik aufkommt, die allerdings wieder durch den Alltag zurecht gerückt wird. In der Zwischenzeit werden die geheimen (sexuellen) Wünsche einiger Frauen thematisiert, und in diesem Zusammenhang ist Jutta Adlers einziger Strohalm wohl gebrochen. Ausgenommen, betrogen und benutzt tun sich für die gehörnte kommissarische Anstaltsleiterin persönliche Abgründe auf, wegen denen man befürchten muss, dass sie sich nicht mehr so schnell erholen, ihren Frust außerdem an den Frauen auslassen wird. Plötzlich ist jeder verdächtig, und es ist schade, dass die Geschichte dem dennoch mitfiebernden Publikum die Täterin viel zu früh serviert hat, aber man befindet sich ja schließlich in keinem "Tatort", sondern im berüchtigtsten Fernsehknast der Privaten. Am Ende reguliert sich alles sehr mühsam aber effektiv, sodass "Eine Leiche zu viel" zu einem der konspirativen Happenings der frühen Phase geworden ist. Immer wieder sehenswert.

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● FOLGE 09 | LIEBESSCHWÜRE (D|1997)
in den Hauptrollen: Barbara Freier, Katy Karrenbauer, Claudia Loerding und Franziska Matthus
mit Isabella Schmid, Rainer Frank, Annette Frier, Kristiane Kupfer, Ana Fonell, Frederikke Hörbe, Judith von Radetzky, u.a.
eine Produktion der Grundy UFA | im Auftrag von RTL
Regie: Bodo Schwarz



Nach Zöllners mysteriösem Verschwinden aus Reutlitz untersucht Kommissar Fuchs diesen Fall auch weiterhin. Da sich Lollo unsterblich in den resoluten Polizisten verliebt hat, platziert sie eine falsche Fährte, nur um ihn wieder zu sehen. Da sie nicht in den Fall Zöllner eingeweiht ist, kann sie auch nicht ahnen, welch gefährliche Lawine sie in Gang gesetzt hat. Walter, Uschi und Dagmar versuchen somit alles, um den Kommissar wieder von der richtigen Spur abzubringen. Vor allem Dagmar fährt schwere Geschütze auf, bis die Anstaltsleiterin Dr. Kaltenbach den Ermittler als nicht mehr tragbar ansieht. Ist Lollos große Liebe damit geplatzt..?

Bereits nach den ersten Sekunden dieser neunten Folge stellt sich die Frage, ob man vielleicht einige Episoden verpasst hat, immerhin ist Lollo dabei zuzuschauen, wie sie von Kommissar Fuchs mit Erdbeeren, Champagner und Zunge verwöhnt wird. Wenig später wird die Situation durch mechanische Geräusche und den Dampf der Wäscherei gestört und aufgeklärt, bis klar ist, dass sich Lollo einen Tagtraum hingegeben hat. Wer glaubt, dass die Geschichte damit ein Ende hat, ist schief gewickelt, denn immerhin ist noch das Verschwinden des Schließers Zöllner aufzuklären, bei welchem man längst von einem Verbrechen ausgeht. Da Lollo - wie Dagmar bemerkt - nach wie vor »geil auf den Bullen« ist, bietet sie sich als Zeugin an, ohne auch nur irgend einen Hinweis in der Hand zu haben, aber schließlich ist die Sehnsucht so groß, dass sie es nicht mehr aushält. Die Frauen stellen sich in Alarmbereitschaft, denn sie wissen um die Gefahr, dass die Polizei herumschnüffelt, um womöglich Zufallstreffer zu landen. In der Zwischenzeit wird eine neue Insassin eingeliefert, deren Akte sie in die Richtung vermeintlicher Terroristen rückt, zumindest nach Jutta Adlers Einschätzung. Postwendend bekommt Caroline Wagner einen Besuch von der frustrierten kommissarischen Anstaltsleitung abgestattet und wird deutlich: »Hier lautet das erste Gebot: Die Beamten sagen, was gemacht wird. Und die anderen neun lauten genauso!« Des besseren Postens enthoben, muss sich Jutta eben mit Revierpisserei begnügen, während die Frauen alles versuchen, den neugierigen Polizisten wieder loszuwerden. Regisseur Bodo Schwarz versucht es erneut mit Dynamik und vielen Handlungssträngen, die ineinander übergreifen, sogar für ein wenig Nervenkitzel sorgen können, immerhin hat man sich längst mit den überwiegend sympathischen Knackis solidarisiert, zumal es mit Zöllner einen wirklichen Unmenschen erwischt hatte. Verschiedene Auffassungen vom Strafvollzug und das Durchpeitschen gewisser Interessen dominieren den Alltag im Knast. Dr. Kaltenbach versucht die Reutlitzer Welt mit ihrem unermüdlich-liberalen Stil zu verbessern, Jutta Adler probiert es mit Schikane.

Dagmar zaubert ihre wohl übelsten Tricks aus dem Hut und die Neue fällt aufgrund ihrer spröden und unsympathischen Art auf, was leider durch Frederikke Hörbes plump wirkendes Schauspiel negativ verstärkt wird. "Liebesschwüre" kann vielleicht auch als Folge der Neuausrichtungen und Andeutungen angesehen werden, denn es zeigen sich neue Allianzen, drohende Gefahren und brodelnde Temperamente, wenn auch oft nur vage. Für Frauenknast-Verhältnisse ist vielleicht ein wenig zu viel la la l'amour vorhanden, was die vorher gegangene Gewalt aber möglicherweise etwas entschärfen soll. Je nach Gusto, kann die Liebesgeschichte zwischen Lollo und Daniel schon nerven, zeigt aber exemplarisch auf, dass es sich nur um eine Komponente vieler noch auftauchenden Knastmärchen handelt, die es in Justizvollzugsanstalten natürlich so nicht geben wird. Allerdings braucht man sich ganz nach "Hinter Gittern"-Manier nicht zu sehr darauf zu verlassen, dass hier irgendwas glatt läuft. Die Nervosität der Vorgängerfolge überträgt sich im Verlauf erneut obwohl Maßnahmen zur Entschärfung ergriffen werden. Auch humorvolle Szenen kommen nicht zu kurz, immerhin besitzt Walter seit neustem eine persönliche Dienerin, die gedemütigt wird, wo es nur geht. Unter diesen Voraussetzungen neigt Walter natürlich dazu, es maßlos zu übertrieben, sodass wohl jeder Zuschauer ahnt, dass sich dort noch ein Clash anbahnen wird. Bis es soweit ist, hört man zwischendurch einfach nur Anweisungen wie beispielsweise »Kippe!«, und Dagmar muss widerwillig springen. Die Entwicklungen sind erfreulicherweise vielfältig, sodass man ganz automatisch an diese Serie gekettet wird, da es ab einem gewissen Zeitpunkt wie ausgeschlossen wirkt, nicht erfahren zu können, wie turbulent, übertrieben, und spannungsgeladen es weitergeht. Auch der stetige Wechsel auf dem Regiestuhl sorgt für einen guten Fluss und unterschiedliche Impulse innerhalb der nicht immer ganz plausiblen Geschichten, sodass auch eine entschleunigte Folge wie "Liebesschwüre" ihre Vorzüge entfalten kann. Vorprogrammiert ist jedenfalls, dass noch Turbulenzen auf die Knackis zukommen werden.

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● FOLGE 10 | DIE ENTSCHEIDUNG (D|1997)
in den Hauptrollen: Katy Karrenbauer, Dirk Mierau, Claudia Loerding, Barbara Freier, Cheryl Shepard und Franziska Matthus
mit Annette Frier, Kristiane Kupfer, Ana Fonell, Frederikke Hörbe, Tanya Neufeldt, Egon Hofmann, Dominik Bender, u.a.
eine Produktion der Grundy UFA | im Auftrag von RTL
Regie: Dagmar von Chappius



Um die Terroristin Regine Seifert zur Kronzeugenregelung in einem wichtigen Prozess zu überreden, soll die V-Frau Caro Wagner ihr Vertrauen gewinnen, um sie zum Einlenken zu bewegen. Allerdings kommt es bislang zu einer Abfuhr nach der anderen. Des Weiteren hat Vivi momentan ganz andere Probleme. Nach dem sexuellen Übergriff durch den mittlerweile verschwundenen Schließer Zöllner, ist sie schwanger. Sie fühlt sich außer Stande, das Kind auszutragen, da es sie permanent an ihren Peiniger erinnern würde, und beschließt, zu einer Engelmacherin zu gehen, die auf einer anderen Station inhaftiert ist...

Die Gemüter in Reutlitz kommen nach dem Verschwinden des verhassten Schließers Gerhard Zöllner einfach nicht zur Ruhe, da vor allem Lieferketten unterbrochen wurden, was gleichzeitig bedeutet, dass Dagmars Alptraum in Erfüllung gegangen ist: Erstens fürchtet sie, dass die nervösen Junkies sie auf Turkey hochgehen lassen, und zweitens kommt sie an keinen neuen Nachschub, für den Zöllner ja schließlich zuständig war. Während eines Telefonats mit ihrem externen Dealer kommt ihr allerdings die erlösende Idee, die allerdings für Würgen und gedankliches Erbrechen beim Zuschauer sorgt, aber die Geschäfte müssen schließlich weiter gehen. Da Dagmar wegen eines nächtlichen Mondschein-Spaziergangs von Walter beobachtet wird, ahnt sie noch nicht, dass es umgehend zu einem dritten und damit größten Problem für sie kommen dürfte. Probleme über Probleme gibt es aber auch zwischen Walter und Vivi, da diese mit Stimmungsschwankungen und Kotzerei zu kämpfen hat, was beim Publikum natürlich alle Alarmglocken läuten lässt, immerhin erinnert man sich nicht an den widerwärtigen Übergriff des verschwundenen Schließers Zöllner, der trotz Abwesenheit wie ein Fluch über Reutlitz zu liegen scheint. Walter bringt ihre Leibeigene Dagmar am nächsten Morgen zur Räson, indem sie ihr einhämmert, dass sie - und alles was sie besitzt - ihr gehöre, sodass sich ein unvermeidlicher Clash anbahnt - dies aber an gleich mehreren Fronten. Regisseurin Dagmar von Chappius zündet die Lunten gleich an mehreren Stellen, sodass man sich die bevorstehenden Eskalationen bereits im Vorfeld ausmalen kann. Auch die ehemalige Terroristin Regine bekommt in dieser zehnten Episode ihre Screentime eingeräumt und jeder weiß, dass die nächste Enttäuschung sie nur weiter in die Isolation treiben dürfte. Ihr Alltag scheint immer gleich zu sein: sie liest ihre Zeitungen, schneidet die politische Berichterstattung aus, und glänzt mit gedanklich isolierten Parolen wie beispielsweise »wenn man die Gesellschaft verändern will, muss man die Herrschaftsverhältnisse ändern!« Was gesellschaftlich nicht umsetzbar ist, geschieht vielleicht im Knast nimmermehr.

Was die Knackis längst wissen, ahnt selbst der Zuschauer, aber man ist in Alarmbereitschaft wegen ihrer neuen Kumpanin, die wie eine Katze um sie herumschleicht und um ihre Gunst und das wichtige Vertrauen buhlt. "Die Entscheidung" deutet alleine des Titels wegen Weichenstellungen an. Es kommt zu ungewöhnlich vielen Andeutungen und Erhebungen im privaten, beziehungsweise familiären Rahmen der Insassinnen, außerdem bahnen sich fatale, da unsentimental durchdachte Entscheidungen an. Das Publikum hat sich längst auf Seiten der Fraktionen geschlagen und es ist tatsächlich ein Leichtes, dieses dahingehend zu manipulieren, da man zwar Kriminelle und deren Handlungen gedanklich unterstützt, den wahren Abschaum aber auf einem anderen Silbertablett serviert bekommt. Dieses Stilmittel der Schwarzweiß-Zeichnung hatte sich nicht erst seit "Hinter Gittern" bewährt und wirkt auch hier erstaunlich gut. Wirkliche Unmenschen sind fairerweise auf beiden Seiten zu finden und dementsprechend kommt es zu teils hochklassigen Zeichnungen in Dialog und Tat. Diese Episode bemüht die Fantasie in besonderer Art und Weise, da Ekel- und Horror-Szenarien mehr oder weniger gezeigt werden, die einem den Magen umdrehen können. So spitzt sich die Situation auf der B immer weiter zu, wenngleich man hinter vorgehaltener Hand darüber grübelt, welche Freiheiten die Reutlitzer Damen im Gefängnis genießen. Es ist alles über irgend jemanden zu bekommen, lediglich der Schlüssel dreht sich am Ende des Tages herum, falls man keinen eigenen besitzt. Über dieses Elixier von Knastserien braucht man allerdings nicht zu streiten, da sich ein Füllhorn der Spannung daraus ergibt und man die stets neuen Geschichten mit großem Interesse, beziehungsweise Vergnügen annimmt. Der ultimative Showdown dieser Folge ist bedrückend und für den weiteren Verlauf tragisch zugleich, außerdem werden neue Fragen aufgewirbelt, die das Schreckgespenst Zöllner einfach nicht zur Ruhe kommen lassen. Folge 10 baut ihre besonderen Stärken auf multiplen Problemen und bislang wenig Lösungen auf, sodass die Spannung für den weiteren Weg nicht nur wahrscheinlich, sondern in jedem Fall vorprogrammiert ist.

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● FOLGE 11 | DER VERRAT (D|1997)
in den Hauptrollen: Cheryl Shepard, Katy Karrenbauer, Dirk Mierau, Claudia Loerding, Barbara Freier und Franziska Matthus
mit Ana Fonell, Christine Schuberth, Frederikke Hörbe, Christiane Reiff, Andreas Petri, Rüdiger Kuhlbrodt, Uta Prelle, u.a.
eine Produktion der Grundy UFA | im Auftrag von RTL
Regie: Dagmar von Chappius



Die durch Ministerialrat Fock eingeschleuste V-Frau Caro Wagner hat sich mit der ehemaligen Terroristin Regine Seifert anfreunden können, die von der Neuen unter Druck gesetzt wird. Sie versucht Regine zu überreden, ihren mittlerweile erwachsenen Sohn in Reutlitz zu empfangen, mit dem sie seit Jahren keinen Kontakt mehr hat. Zunächst wehrt sie sich, kommt aber ins Grübeln. Jeanette hingegen ist scharf auf einen Freigang und lässt sich von Jutta Adler zum Spitzeln animieren. Als die neugierige Spionin tatsächlich einen versteckten Sender in Caros Zelle findet, alarmiert Jutta Ministerialrat Fock, der zu ihrer Verwunderung sehr gelassen reagiert. Die Stimmung auf der Station droht endgültig zu kippen, da man die Verräterin ausfindig machen will...

In Reutlitz ist es am brodeln, wenngleich es sich hierbei nicht gerade um die neuste Erkenntnis handelt. Regisseurin Dagmar von Chappius versucht es in dieser elften Folge mit einer regelrechten Spitzel-Offensive, denn jeder überwacht den nächsten, sodass es einem schnell klar wird, dass es zu einem großen Knall kommen muss. In einer von Gottfried Benns Lyrik getragenen Folge wie dieser, bleibt zwar genügend Zeit für Walters Pöbeleien aus der Gosse, aber es kommt erstmals zu dem Eindruck von Tiefe und dezenter Gesellschaftskritik, auch wenn man am Ende auf dem Teppich des Formats bleiben sollte. Auf den Nebenschauplätzen der Inszenierung ist leider zu erwähnen, dass man ungewöhnlich schlampig vorging, da nicht nur einmal Schatten oder Teile des Ton-Equipments zu sehen sind. Das Publikum ist ebenso wie die Insassinnen in Aufruhr, da man eine unsympathische weil rücksichtslose V-Frau in die Katakomben von Reutlitz eingeschleust hat. Caro und ihr Initiator, Ministerialrat Fock, werden als direkte Gefahr erkannt, da sie kein Verständnis für die Kriminellen haben, die doch wenigstens sympathisch sind. Derartige Knast-Serien betreiben von Folge 1 an eine auffällige Umkehr, die den Zuschauer auf die Seite der Inhaftierten verweist und alle anderen Personen als Störenfriede identifiziert. Ministerialrat Fock wird wirklich exzellent dargestellt von Rüdiger Kuhlbrodt, der in einem Nebel der Blasiertheit und Überheblichkeit versinkt, sich aber immer wieder mit grenzwertigen und nötigenden Ansichten daraus hervor arbeitet. Da Dr. Kaltenbach dieses Komplott nicht unterstützen will, weil sie genau weiß, dass sich Regine Seiefert nur noch mehr in die soziale Isolation manövrieren wird, wird ihr Vorgesetzter nicht müde, die darauf hinzuweisen, dass sie jegliche Anweisung zu befolgen hat, und sei sie noch so unbequem. Dem Zuschauer kommt die Kotze bei so viel Selbstgefälligkeit hoch, und man solidarisiert sich mit der unverbesserlichen Linksradikalen, zumal man deutlich bemerken kann, dass wesentlich mehr hinter dieser zugemauerten Fassade steckt. Aber die Obrigkeit hat keine Spielräume für Sentimentalitäten und Anteilnahme.

Auf der anderen Seite wird Jeannette von Frau Adler zum Spionieren abgestellt, da die österreichische Fraktion des Frauenknast-Universums einen Freigang ergattern will, der ja schließlich nicht auf dem von ihr frisch geputzten Boden liegt. Unzählige Folgen später wird die kommissarische Anstaltsleitung noch von sich selbst sagen, dass man mit Jutta Adler keine Deals macht, und so wird es auch hier kommen. Jeannette findet einen Peilsender in Caros Zelle, wird von den Frauen aber selbst verdächtigt, auf der falschen Seite zu stehen, was in diesem Zusammenhang zwar nicht ganz korrekt ist, aber auch nicht abwegig, schließlich kennt man ja seine neugierigen Pappenheimer. Dr. Evelyn Kaltenbach konnte sich seit ihrem ersten Auftauchen in die Herzen der Fans spielen, doch ihre Autorität wird hier durch besonders staatsdienerische Kräfte unterwandert, außerdem packt Jutta wieder einmal die Säge aus, um sich an deren Stuhl zu schaffen zu machen. Regine wird weiter von Caro bearbeitet und plötzlich kommt ein Kind aufs Tableau, das mittlerweile schon erwachsen ist. Regines Sohn Michael war noch klein, als sie ins Gefängnis musste, und wird hier von Fock als eines der schwersten Geschütze aufgefahren, um die ehemalige Terroristin umzustimmen. Auf Dauer wirkt es ein wenig nervtötend, dass von ihr alles als bürgerlich und kleinkariert dargestellt wird, sobald es mit den normalen Mechanismen der Gesellschaft zu tun hat, aber auch der Letzte sollte merken, dass sie nicht so einfach aus ihrer Haut heraus kann. Michael kämpft gegen Windmühlen und diese Folge mit ihrem ernüchternden Fazit unterstreicht nur deren existente Parallelwelten. Spannung will in "Der Verrat" so gut wie keine aufkommen, da der Titel bereits zu viel verspricht und man nur darauf wartet, dass die dazu passende Verräterin endlich aus dem Gefängnis-Vakuum entfernt wird. Bis es soweit ist, wird auf allen Seiten einiges an Porzellan zerschlagen und viele Situationen und Emotionen werden keinen Weg mehr zurück anbieten. Was bleibt ist eine vordergründig abhandelnde, aber ebenso zahlreiche Weichen stellende Episode, die vor allem gute darstellerische Leistungen offenbaren kann.

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● FOLGE 12 | MÄNNER (D|1997)
in den Hauptrollen: Dirk Mierau, Cheryl Shepard, Barbara Freier, Katy Karrenbauer Claudia Loerding und Franziska Matthus
mit Christine Schuberth, Christiane Reiff, Marie-Ernestine Worch, Dieter Bach, Imke Barnstedt, Uta Prelle, Ana Fonell, u.a.
eine Produktion der Grundy UFA | im Auftrag von RTL
Regie: Dagmar von Chappius



Die Anstaltsleiterin Dr. Kaltenbach ist stets an einem liberalen Strafvollzug interessiert, und wirft daher die Idee von sogenannten Liebeszellen in den Raum, in denen sich die Insassinnen mit ihren Partnern treffen könnten, wenn die Justizverwaltung sie denn genehmigen würde. Plötzlich dreht sich in Reutlitz alles um Liebe und Libido und so gut wie alle Frauen sind kaum noch zu bremsen. Nur Susanne, die ein schweres Schicksal mit ihrem Ehemann hinter sich hat, zeigt sich wenig begeistert, zumal sie andere Probleme hat. Als der Anstaltsarzt Dr. Beck ihr in einer entscheidenden Frage helfen kann, bemerkt sie schließlich doch, dass sie ihrer Linie nicht konsequent treu bleiben kann...

»Wenn die Kaltenbach was will, dann schafft die das auch!« Eine sehr dynamische Gesprächsfront in der Gemeinschaftsdusche bring Pro und Kontra für Liebe, Sex und Zärtlichkeit zutage, und die Frauen schwärmen von Männern in ihrem unmittelbaren Radius, oder von solchen, die unerreichbar bleiben werden. Jeannette steht auf den attraktiven Anstaltsarzt und behauptet, dass sie bislang noch jeden Mann rumgekriegt habe, Walter baggert an Susanne herum, die nichts mehr von männlichen Problemen wissen will, Uschi ist im und aus dem Hafturlaub mit ihrem Mann gekommen, Ilse träumt von Fürst Rainier von Monaco und ansonsten schwirren einige Hirngespinste in der nebligen Atmosphäre des Bades herum. Nach Dr. Kaltenbach könne auf lange Sicht kein Mensch ohne körperliche Nähe auskommen. Doch sieht das die Justizverwaltung genauso? Vermutlich nicht, denn die Renitenz der Anstaltsleiterin ist dort nach dem letzten Eklat sicherlich in Erinnerung geblieben. Walter hingegen fragt sich, warum die Hetero-Frauen immer wieder auf die gleichen Typen reinfallen, denn die Männer könnten sich ja genauso gut einen runterholen. Susanne hilft diese Art der Expertise nicht weiter, denn sie macht sich große Sorgen um ihre von deren Mann missbrauchte Tochter, die sich immer mehr zurückzieht. Der Gefängnispsychologe Dr. Goran steht ihr mit seiner ungewöhnlichen Art der Analyse zur Seite: »Ich versteh Sie sehr gut! Nach meiner These lässt sich bei Mörderinnen eine bestimmte pathologische Persönlichkeitsstruktur feststellen. Ihr Fall wäre sicher interessantes empirisches Material für meine wissenschaftliche Abhandlung. Allerdings müssten wir uns dafür etwas Zeit nehmen und uns näher kennenlernen.« Susanne lehnt die Anzüglichkeiten angewidert, wird aber in ihrer Meinung bestärkt, dass sie niemand verstehen will. Viele der Frauen haben jedoch mit ihren eigenen Problemen zu kämpfen, und ganz nach Manier der Serie werden diese Nebenschauplätze unter der Regie von Dagmar von Chappius plastisch abgehandelt. Es liegt erstaunlich viel Sex in der Luft, sodass sich die Frage stellt, bei wem zuerst die Luft oder Lust raus ist, oder wer zum Zuge kommt.

Bei einer Serie wie dieser, die eben nicht jünger wird, ist der aufkommende Zeitgeist äußerst interessant. Immer wieder gibt es regelrechte Flashbacks in Form von beispielsweise Musik, hier das Lied "Vivo per lei" von Andrea Bocelli und Giorgia, zu welchem Susanne in ihrer Zelle zu schweben und sich in Gedanken zu verlieren scheint, da sie eine MC! von und mit Dr. Becks momentanen Lieblingsliedern geschenkt bekommen hat, damit sie sich nicht so alleine und unverstanden fühlt. Wer konnte aber auch ahnen, dass sich Susanne durch diese Geste dazu animiert fühlt, sich in den Mediziner zu verknallen? Er jedenfalls nicht, denn er flirtet und kokettiert ausgiebig mit seiner Chefin, Dr. Kaltenbach, was gleich mehrere giftige Blicke provoziert. Natürlich muss es in Serien hin und wieder oder sogar dauernd so zugehen, aber gerade im Fall von Dirk Mierau findet man ein handgefertigtes und wandelndes Klischee, dessen Beliebtheit wahrscheinlich nur für die Wenigsten schleierhaft bleibt. Viel muss in dieser Episode, die das Dutzend voll macht, unter einen Hut gebracht werden, und genauso viele Schicksale werden parallel abgehandelt. Diese Form der Abwechslung kommt dem Zuschauer sehr entgehen, da man sich auf Intervalle mit seinen Lieblingsfiguren verlassen kann, und die üblichen daher leicht wegstecken kann, wenn man die Leute nicht ganz so gerne um die Ohren hat. Spannend wird die Frage, ob Jeannette alias Christine Schuberth beim Doc landen kann, da ihre großposaunige Ankündigung, noch jeden bekommen zu haben, wie ein Echo über der Folge liegt. In Pelz gehüllt versucht sie unmissverständlich auf sich aufmerksam zu machen, doch es wird alles ganz anders kommen. Hier entstehen sehr witzige Szenen, die man der Bergdorfer in aufrichtiger Gehässigkeit auch wünscht. Folge 12 ist quasi eine Plaisir-Folge, in der kaum Signifikantes zu passieren scheint und die mit Erotik aufgeladen vor sich hinplätschert, um große Irrtümer an die Oberfläche zu manövrieren. Gespickt mit viel Humor und Situationskomik bleibt am Ende die Hoffnung und das Verlangen, dass schon bald wieder härter auf den Putz gehauen wird, denn immerhin sind dafür die richtigen Leute inhaftiert.

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Re: HINTER GITTERN - DER FRAUENKNAST

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● FOLGE 13 | DIE VERSUCHUNG (D|1997)
in den Hauptrollen: Cheryl Shepard, Claudia Loerding und Franziska Matthus
mit Kai Buth, Katja Strobel, Christiane Reiff, Brigitte Renner, Brit Gdanietz, Uta Prelle, Silvia Rachor, Heidi Weigelt, u.a.
eine Produktion der Grundy UFA | im Auftrag von RTL
Regie: Axel Bock



Martina, die seit ihrer Einlieferung auf ihrer Unschuld besteht, hat in Reutlitz ein unerwartetes Wiedersehen mit ihrem Mann Alexander, den sie seit ihrer Verurteilung nicht mehr gesehen hat. Ausgegeben als Monteur, macht er seiner Frau einen waghalsigen Vorschlag: Er möchte ihr zur Flucht verhelfen. Sie weiht ihre besten Freundin Gudrun ein, die ihr vehement von dem Vorhaben abrät. In der Zwischenzeit bittet Mutz die Anstaltsleitung, ein Ehrenamt in Reutlitz übernehmen zu können, da sie es zu Hause bei ihrer Tochter nicht mehr aushält, die sie vor ihrer Familie immer noch als Tante Margarethe ausgibt, da sie sich für deren Vergangenheit schämt. Jutta Adler schnüffelt überall routienemäßig herum, um sich das Gefühl zu verschaffen, dass sie die Fäden noch in der Hand hält, und tatsächlich kommt sie Alexanders Fluchtplänen auf die Spur...

Wenn sich in Folge 13 die Reutlitzer Schleuse öffnet, zieht dieses Mal die Vergangenheit ein, zumindest für die verurteilte Kindsmörderin Martina, die allerdings stets ihre Unschuld beteuert hat. Alle hatten sich von ihr abgewandt, auch ihr Ehemann Alexander, der anschließend wie vom Erdboden verschluckt schien. Doch plötzlich steht er als Monteur verkleidet vor Martina, die ihr vermeintliches Glück kaum fassen kann. Ob diese falsche Identität eine gute Idee für den Start in ein neues gemeinsames Leben darstellt, wird nicht nur vom Zuschauer hinterfragt, sondern auch von Martina, die ihrer Skepsis immer wieder Ausdruck verleiht. Wieso hat sich ihr Mann so lang versteckt, sie ins Gefängnis gehen lassen, oder das gemeinsame Kind nicht gesucht, und warum hält er sie für schuldig? Diese Fragen stellen sich nicht nur in dieser Episode, sondern auch in weiteren Folgen, bis es endlich zu einer Entscheidung kommen muss. Interessant ist, dass man Martina von Anfang an als unschuldig inhaftiert ansieht, somit eher diejenigen verurteilt, die sie bislang gequält und fertig gemacht haben, aber Hilfe hat sie nur von wenigen erhalten. Hier steht Mutz alleine auf weiter Flur, die sich bei Frau Dr. Kaltenbach um ein Ehrenamt im Knast bewirbt, da ihr das normale Leben auf den Kopf fällt, sie außerdem von ihrer Tochter immer noch als ihre Tante Margarethe ausgegeben wird. Ihre ehemalige Direktorin philosophiert über den Alltag im Gefängnis und dessen geschützten Rahmen, der vielen den Boden unter den Füßen wegzieht, wenn er denn plötzlich und oft nach Jahren wegfällt. Ein dritter Handlungsstrang wird über die stellvertretende Leitung aufgebaut, die überall nach Problemen, Verfehlungen und diversen Substanzen herumschnüffelt, sich dabei als ziemlich zielsicher erweist und Ilses illegale Schnapsbrennerei auffliegen lässt. Axel Bock inszeniert vielfältig und legt den Fokus abwechselnd auf Personen, die sich mit ebenso vielen Problemen herumzuquälen haben. Doch es sind leider keine Patentlösungen in Sicht, sodass es zu Entscheidungen kommen muss, die alles noch schlimmer machen werden.

Von derartigen Kurzschlusshandlungen lebt die Serie quasi seit Beginn an und es ist dabei gleich, welche Regie gerade am Werk ist. Wichtig ist der Knast interne Spannungsbogen, der sich hier nach einem zahmen Vorläufer wieder etwas straffer erweist, da Martina sich auf den Plan einlässt, aus dem Gefängnis fliehen zu wollen. Da Jutta Adler überall konspirative Machenschaften wittert, besteht die Gefahr, dass sie dem Ausbrecher-Pärchen entscheidend in die Quere kommt, nachdem sie ihre obligatorischen Drinks im dienst hatte. Zwischenzeitlich warnt Martinas Freundin Gudrun vor den Folgen eines Ausbruchs, doch man ist dieser Dame gegenüber überaus skeptisch, da sie trotz ihrer freundlichen erscheinenden Art doppelzüngig wirkt. Weist die Regie permanent auf eine bestehende Katastrophe angesichts einer bevorstehenden Flucht hin, kommt es noch zu einer viel größeren im späteren Verlauf, mit der keiner gerechnet hätte. Zwar wirkt diese Laune des Schicksals arg konstruiert, aber nicht minder tragisch, da ein neuer Anfang von der hässlichen Realität abrupt beendet wird. Es bleibt die Frage, ob sich der Titel der Episode schon jetzt erfüllen wird, oder erst später, und wenn man so will steht man als Zuschauer auch hier ganz deutlich auf der Seite der Gerechtigkeit - wenn auch mit kleinen Abstrichen. Die Mehrfachstory greift wichtige Themen auf, die in Manier der Serie angerissen werden, um auf Bevorstehendes hinzuweisen. Interessant ist das Fehlen von Katy Karrenbauer und Barbara Freier, die sich bislang zahlreiche Kämpfe liefern konnten, aber die Station wird wie man sieht auch ohne ihr Dazutun aufgemischt. Folge 13 weist auf dramatische Zuspitzungen in naher Zukunft hin und macht sich erst gar nicht die Mühe, sich in eine Anti-Spoiler-Gewand zu hüllen, denn immerhin spielt gerade diese Serie ganz offensichtlich mit der dynamischen Kraft des Miteinbeziehens des Zuschauers als Komplize der Inhaftierten. Wie es scheint, nimmt der Verlauf wieder etwas mehr an Drive und Dramatik auf, nicht zuletzt um die Spannung und Vorfreude auf die folgenden Episoden anzuheizen.

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● FOLGE 14 | DAS CHRISTKIND (D|1997)
in den Hauptrollen: Claudia Loerding, Katy Karrenbauer, Cheryl Shepard, Dirk Mierau, Brabara Freier und Franziska Matthus
mit Hannelore Minkus, Annette Frier, Katja Strobel, Kristiane Kupfer, Isabella Schmid, Thomas Engel, Christiane Reiff, Adnan Maral, u.a.
eine Produktion der Grundy UFA | im Auftrag von RTL
Regie: Matthias Tiefenbacher



»Eure Gefühlsduselei ist doch Lächerlich! Schon mal darüber nachgedacht, dass gerade zu Weihnachten Mord und Totschlag deutsche Wohnzimmer heimsuchen?« Die Planung der Reutlitzer Festspiele wird mit pessimistischen Aussagen über das bevorstehende Krippenspiel gestört, und für viele Insassinnen bedeutet das bisschen Feiertage eine willkommene Abwechslung im Knastalltag. Die Stimmung ist gereizt, da man sich bei der Rollenverteilung für das Stück nicht gleich einigen kann, denn Lollo - so merkt Jeanette scharfzüngig an - könne beispielsweise keine Jungfrau spielen, höchstens eine Sünderin wie Maria Magdalena. In der nächsten Szene wird es da schon spürbar ernster, da eine Leiche abtransportiert wird, die noch zur tragischen Figur werden soll. Weihnachten innerhalb der Gefängnismauern schließt in dieser 14. Episode keinen Blick über den Reutlitzer Tellerrand aus, denn der irritierte Zuschauer darf Jutta Adler in ihrem Wohnzimmer beiwohnen, wie sie die Weihnachtsvorbereitungen ganz im Sinne ihrer Mutter trifft, die ein traditionelles Weihnachtsfest verlangt. Die Weihnachtsgans will sie mit Rotkohl und Klößen, dazu Dekoration und klassische Musik, ihre Tochter hat jegliche Anweisung zu befolgen, doch Jutta macht ihrer Mutter Elisabeth schnell einen Strich durch ihre Rechnung, da sie sich zum Dienst hat eintragen lassen, beziehungsweise dies gleich selbst erledigt hat. Der private Rahmen der stellvertretenden Anstaltsleiterin gleicht auf eine gewisse Art und weise ebenfalls einem Gefängnis, und auch wenn die Tür dazu offen steht, scheint es irgendwie kein entrinnen mehr zu geben. Ihre Frustration lässt sie praktischerweise an den Inhaftierten aus, die Schikanen hinlänglich gewöhnt sind. In der Gärtnerei kommt es derweil zu einem Weihnachtswunder, da Martina ein Neugeborenes findet und das Baby mit auf Station nimmt. Zu sehr vermisst sie ihr eigenes Kind, wegen dessen angeblicher Tötung sie hinter Gittern sitzt. Es kommt alles wieder hoch, vor allem, als das Baby auf der Station ebenfalls verschwindet, wie seinerzeit ihr eigenes.

Es scheint einiges schiefzugehen im Hause Reutlitz, zumal die Obduktion der Toten tatsächlich ergeben hat, dass sie unmittelbar vorher entbunden hatte, die Schwangerschaft aufgrund ihrer Korpulenz jedoch nicht aufgefallen sei. Es gilt, ein Baby zu finden und bei Jutta liegen die Nerven schon wenig später völlig blank, da sie sich über die Inkompetenz von Dr. Beck beschwert und eigentlich insgesamt über Leben. »Die Damen sollen den humanen Strafvollzug genießen und wir machens ihnen schön gemütlich - ist doch das reinste Affentheater! Hast du mal das Programm von der Weihnachtsfeier gelesen? Kriminelle spielen die heilige Familie, das ist doch Blasphemie. Und ich kann mir die Scheiße noch angucken, weil ich Dienst hab!« Herrlich, was hier didaktisch wieder rausgehauen wird. Die fieberhafte Suche nach dem verschwundenen Baby wird durch die These angefeuert, dass die Mutter es möglicherweise getötet haben könnte, doch auch wenn man es kaum glauben mag ist das Neugeborene nirgendwo sicherer als auf Station B. Juttas Zwickmühle verschärft sich durch die Initiative ihrer Mutter noch einmal deutlich, da sie dafür sorgt, dass jemand anders ihren Dienst im Knast übernimmt. Die Bilder von Heiligabend verdeutlichen erschreckend genau, wieso es zu den Feiertagen zu Familientragödien kommen kann, aber Jutta ist es gewöhnt, alles auszuhalten. Im Grunde genommen macht ihre Mutter sie scharf für den Job, bei dem sie alles negativen Emotionen an den Frauen herauslassen kann. Als Zuschauer ist man vielleicht hin und her gerissen zwischen Antipathie und Anteilnahme, aber am Ende des Tages treibt sie es mit den ausgesprochenen Sympathieträgerinnen doch zu doll. Matthias Tiefenbachers Episode zeigt einige der vielen Gesichter, wie es zu Weihnachtschaos kommen kann und skizziert die dafür notwendigen Negativ-Emotionen, die auch hier wider das Salz in der Suppe darstellen. So kann dieser Einblick in private sowie staatlich finanzierte Horrorwelten überzeugen und macht Weihnachtsmuffel vielleicht ein wenig demütiger, wenn sie an die eigenen Festtage denken.

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● FOLGE 15 | PROST NEUJAHR (D|1998)
in den Hauptrollen: Brabara Freier, Katy Karrenbauer, Claudia Loerding, Cheryl Shepard und Franziska Matthus
mit Dieter Bach, Tanya Neufeldt, Kristiane Kupfer, Annette Frier, Chtistine Schuberth, Uta Prelle, Ana Fonell, u.a.
eine Produktion der Grundy UFA | im Auftrag von RTL
Regie: Matthias Tiefenbacher



Da Vivi unbedingt ihren leiblichen Sohn finden möchte, plant sie mit Walter einen Ausbruch aus Reutlitz. Dafür bietet sich die Silvesterfeier des Personals unter Abwesenheit der Anstaltsleiterin an, sodass die Pläne auf Hochtouren laufen. Währenddessen wird Kathrin der Geldhahn von ihrem reichen Vater zugedreht, sodass sie nicht mehr an Drogen herankommt. Da sie von dem Ausbruchsplan Wind bekommt, erpresst sie Vivi. Doch dieses fünfte Rad am Wagen stellt ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar. Während die Belegschaft ausgelassen feiert, öffnet sich das Schleusentor, und die Feierlaune wird durch einen Alarm unterbrochen...

Kaum sind die weihnachtlichen Turbulenzen vorbei, steht auch schon der nächste Härtetest in Reutlitz bevor, denn die Schließer sehen traditionell einer Silvesterfeier entgegen, auf der die Alkohol-Fontänen fröhlich sprudeln. Da die Gefängnisleitung außer Haus und in Ski-Urlaub ist, beschließt Jutta, dass Traditionen aufrechterhalten werden sollten, was bei den Kollegen sehr gut ankommt. So ist zu vernehmen, dass Jutta Adler von einem trockenen Rutsch ins neue Jahr noch nie etwas gehört habe, ignoriert somit das strikte Alkoholverbot von Dr. Kaltenbach. Zuvor herrschte merkliche Langeweile auf Station, und die Frauen wussten nicht viel mit sich anzufangen, bis die Insassinnen plötzlich von dem Alarm aufgeschreckt werden und eine fliehende Person anfeuern, die auf die Schleuse zurennt. Die Enttäuschung ist groß, als sich herausstellt, dass es sich nur um eine Übung des Gefängnispersonals gehandelt hat. Ansonsten ist alles wie immer: »Ich bin doch keine bescheuerte Sozialtante. Den Kredit kannste vergessen!« Dagmar räumt der um Drogen bettelnden Kathrin keine weiteren Ausnahmen mehr ein, die von ihrem Vater keinerlei finanzielle Zuwendungen mehr bekommt, Walter und Vivi planen ihren Ausbruch, und ansonsten organisiert man eine kleine Feier zum Jahreswechsel, die mit Ilses selbstgebranntem Fusel verspricht, feucht-fröhlich zu werden. Die allgemeine Inszenierung stellt sich in dieser 15. Folge gegen den unscheinbar klingenden Titel, sodass man förmlich riechen kann, dass etwas in der Luft liegt, das dazu gemacht ist, völlig schief zu gehen. Es stellt sich nur die Frage, wen es treffen wird. Als Uschi und Susanne bei Jutta Adler vorstellig werden, deren Hintern sich wieder schnell an den warmen Chefsessel gewöhnt hat, bitten sie um einen späteren Zelleneinschluss, damit die Frauen gemeinsam ins neue Jahr feuern können. Gemeint war ein Einschluss über Mitternacht hinaus, und Jutta lässt ich tatsächlich erweichen, sodass sie die neue Zeit zynischerweise auf 23:30 beziffert, immerhin brauchen die Kollegen Zeit für die eigenen Vorbereitungen ihrer Feierlichkeiten.

Kathrin macht sich derweil an den eitlen Anstaltspsychologen heran, dessen Injektionen ihr offensichtlich sehr gut bekommen. Aber es ist auch ungefähr das erste Mal, dass er in Reutlitz richtig aktiv werden musste. Im Grunde genommen werden zahlreiche Klischees ausgewalzt, die in ihrer Bündelung etwas dick aufgetragen sein mögen, doch am Ende hat man es mit dem ergiebigen Stoff zu tun, aus dem die Serien gemacht sind. Wie es so schön heißt, gibt es unter jedem Dach ein Ach, und in Frauenknast scheint sich dieses Sprichwort fleißig zu potenzieren, da sich gleich mehrere Gewitter zusammenbrauen. Der Zuschauer ahnt, dass es für gewisse Personen noch äußerst unangenehm werden wird, und dass diese Implosionen und Explosionen auch auf die nicht allzu weit entfernte Zukunft angelegt sind. Da der Jahreswechsel ansteht und die Frauen vor Torschluss zu Bett müssen, drängt sie Zeit, immerhin ist fast jede Dame von Station B von Ilses Selbstgebrannten völlig besoffen, sodass sich ein ausgelassener Widerstand regt. Als sich der letzte Schlüssel endlich herumgedreht hat, treffen sich die Schließer in Juttas, beziehungsweise Dr. Kaltenbachs Büro, um ordentlich loszulegen. Eigenartigerweise hat diese Art zu Feiern etwas von einer Provinz-Fastnachtsveranstaltung, sodass die Sektkorken reihenweise knallen können. Daher ist es auch klar, warum die Angestellten so scharf auf den Nachtdienst waren. Dass Walter und Vivi es bereits bis zur Schleuse gebracht, einen Schließer zusammengeschlagen und sich dessen Schlüssel ausgeliehen haben, ist der Weg so gut wie frei. Freiheit bedeutet dies jedoch noch lange nicht, da Vivi eine Mission erfüllen muss: Sie möchte ihren leiblichen Sohn finden. Am Ende ahnt nicht nur der Zuschauer, dass dieses Intermezzo mit der Freiheit noch schwerwiegende Konsequenzen haben wird - so oder so. "Prost Neujahr" ist sicherlich eine der unterhaltsamsten frühen Folgen geworden, die einfach Spaß macht, da die Turbulenzen nicht abreißen und die Fettnäpfchen zielstrebig angesteuert werden. Außerdem fungiert sie als Steilvorlage für die kommenden Folgen, in denen es noch heiß hergehen wird. In diesem Sinne: Auf die Freiheit!

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● FOLGE 16 | ÜBERRASCHENDER BESUCH (D|1998)
in den Hauptrollen: Katy Karrenbauer, Claudia Loerding, Barbara Freier, Dirk Mierau und Franziska Matthus
mit Annette Frier, Kristiane Kupfer, Judith von Radetzky, Christine Schuberth, Tanya Neufeldt sowie Hannelore Minkus
eine Produktion der Grundy UFA | im Auftrag von RTL
Regie: Bodo Schwarz



Walter und Vivi befinden sich auf der Flucht und möchten in das Adoptionsbüro einbrechen, um Vivis bei einer Pflegefamilie lebenden Sohn ausfindig zu machen. Wegen etlicher Widrigkeiten müssen sie jedoch zunächst umdisponieren, sodass sie sich in Jutta Adlers Wohnung einquartieren. Von deren Mutter werden sie als angeblich in Not geratene Kolleginnen ihrer Tochter herzlich aufgenommen. In Reutlitz bemüht sich Evelyn Kaltebach um die Aufklärung der Ereignisse aus der Fluchtnacht, bis sich zahlreiche Abgründe auftun. Bei den Frauen übernimmt Dagmar den durch Walters Verschwinden vakanten Platz der Anführerin auf Station B und beginnt wieder hemmungslos mit Drogen zu dealen...

»Frau Dr. Kaltenbach, ist das der gegenwärtige Sicherheitsstandard unserer Gefängnisse, dass man hier so einfach heraus spazieren kann?« Die Reporterin mit den bissigen Fragen verliert vor laufender Kamera keine Zeit, um das Gespräch in die für sie gewünschte Richtung zu lenken. Die Ausbruchsstory, bei der es sich ohnehin schon um eine gute Schlagzeile für die Titelseite handelt, soll möglichst reißerisch aufgezogen werden. Gesamt-Reitlitz und der Führungsebene wird dabei kein sehr gutes Zeugnis ausgestellt, aber die Fahndungslisten zwingen Vivi und Walter recht schnell dazu, sich eine andere Bleibe als den Fluchtwagen zu suchen, zumal es draußen klirrend kalt ist. Nachdem Jutta von ihrer Chefin zusammengefaltet und der Abschlussbericht der Nacht als Anhäufung von Ungereimtheiten entlarvt wurde, kommt sie vollkommen erschöpft zu Hause an. Als ob der Tag nicht schon strapaziös genug gewesen wäre, muss sie sich jetzt auch noch mit zwei Gästen herumplagen, die von ihrer Mutter freudig empfangen wurden, zumal die Wohnung der angeblichen Kolleginnen abgebrannt sei. Plötzlich verdunkelt sich Juttas Miene, als sie sieht, dass Walter und Vivi in ihrem Wohnzimmer sitzen, und dort auch übernachten wollen. In der JVA positionieren sich die Kräfteverhältnisse derweil völlig neu: »Heißer Stuhl auf dem du da sitzt!«, vernimmt man eine erste kritische Stimme. Doch Dagmar sitzt nicht nur auf Walters Stammplatz beim Frühstück, sondern sie lässt den Drogenhandel wieder ganz ungeniert florieren. So verwöhnt sie ihre Mädels mit lukullischen Delikatessen, während die anderen weiterhin ranzigen Schlangenfraß zu sich nehmen müssen. Parallel dazu läuft "Who do you think you are?" von den Spice Girls im Radio, was nicht nur eine zeitliche Einordnung der Episode, sondern auch eine Anspielung auf Dagmars Höhenflug darstellt. Im Hause Adler überschlagen sich die Ereignisse, da Elisabeth einen Blick in die Morgenzeitung werfen kann.

Der telefonische Hilferuf an die Polizei wird in letzter Sekunde vereitelt und die Entflohenen verlangen plötzlich 10 000 D-Mark, immerhin haben Vivi und Walter nicht nur ihre Flucht im Sinn, sondern auch noch einen Abstecher in das Adoptivbüro, um herauszufinden, wo sich Vivis Sohn Lukas aufhält, den man ihr nach der Geburt weggenommen hatte. In der Zwischenzeit läuft Elisabeth Adler zu Hochtouren auf und zeigt ihre eiskalte Dominanz: »Dann stellt sich als Nächstes die Frage, wie wir dieses Dreckspack hier loswerden. In meiner Wohnung bleiben die nicht!« Sie behält die Fäden in der Hand, schickt ihre Tochter ganz normal zur Arbeit, weist sie an, einen gewissen Betrag von ihrem Sparbuch abzuheben. In Reutlitz laufen die Erhebungen weiter, um die Fluchtnacht zu konstruieren, doch es herrscht ein breites Schweigen, bis Dr. Kaltenbach einen anonymen Anruf erhält, der von den Feierlichkeiten und Alkoholproblemen der stellvertretenden Anstaltsleitung berichtet. Jutta wird suspendiert und muss zurück in ihr häusliches Vakuum mit kriminellem Zuwachs. Es eskaliert: »Ich scheiß drauf was ihr gesagt habt. Ich scheiß auf alles!« Die mittlerweile verzweifelte Jutta scheint zu allem Bereit zu sein und die Entflohenen überlassen ihr das Feld. Jetzt ist alles vorbei, so denkt man zumindest, doch es fängt erst richtig an, da es Vorwürfe von der alten Adler hagelt, die ihre Tochter jedoch gleichzeitig dazu animiert, selbst aktiv zu werden, den Zeit hat sie ja immerhin jetzt. Regisseur Bodo Schwarz hebt sich die dramatischsten Szenen für den Schluss auf, fabriziert mit "Überraschender Besuch" aber zweifellos um eine der besten Folgen der ersten Staffel - wenn nicht der ganzen Serie - die jedes Mal aufs Neue amüsiert, mitreißt und überrascht. Ganz besonders sind hierbei die schauspielerischen Leistungen hervorzuheben und es werden entscheidende Weichen für den weiteren Verlauf gestellt, bei dem gar nicht mehr zur Debatte steht, ob man weiter am "Frauenknast"-Ball bleibt oder nicht. Eine epische Folge!

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● FOLGE 17 | DIE LETZTE HOFFNUNG (D|1998)
in den Hauptrollen: Claudia Loerding, Cheryl Shepard, Dirk Mierau und Franziska Matthus
mit Brigitte Renner, Christiane Reiff, Katja Strobel, Silvia Rachor, Heidi Weigelt, Judith von Radetzky und Hannelore Minkus
eine Produktion der Grundy UFA | im Auftrag von RTL
Regie: Axel Bock



Mutz muss ihre Tochter Gaby durch die wohl schwerste Zeit ihres Lebens begleiten, da diese soeben erfahren hat, dass ihr Mann Dieter für immer ein Pflegefall bleiben wird und es keine Hoffnung auf Besserung gibt. In ihrem schwächsten Moment fleht sie Mutz an, dem Leiden durch aktive Sterbehilfe ein Ende zu setzen; eine Tat, für die die mittlerweile in die Jahre gekommene Frau bereits lange im Gefängnis gesessen hat. Zwischen Jutta und ihrer Mutter kommt es zu ganz anderen zwischenmenschlichen Tönen, denn Frau Adler fordert ihre Tochter bis zur Selbstaufgabe. Jutta muss ausspannen, organisiert sich einen Urlaub und eine Hilfe für die Mutter, doch sie hat nicht mit deren Renitenz gerechnet. Wenige Tage später kann man die Todesnachricht von Mutz Schwiegersohn vernehmen...

Nach dem spektakulären aber immer noch unaufgeklärten Ausbruch aus Reutlitz haben sich die erhitzten Gemüter etwas beruhigen können, was vielleicht auch daran liegt, dass Katy Karrenbauer und Annette Frier in dieser Episode überhaupt nicht mitspielen. So sieht man die Geschichten turnusmäßig, die immer wieder für neue Schicksalsschläge, Intrigen und Geschehnisse sorgen. Da auch einige alte Vorkommnisse wieder aufgegriffen werden, spielt die längst entlassene Mutz hier wieder eine große Rolle, und der aufmerksame Zuschauer wittert die Gefahr ihrer Wiederkehr nach Reutlitz. Diese Vorahnung gibt ihre persönliche Vita her, da sie eine verurteilte Straftäterin wegen aktiver Sterbehilfe gewesen ist, die lediglich wegen guter Führung und des Zenits ihres Alters wieder auf freiem Fuß war. Ihr Schwiegersohn Dieter ist vom Kopf ab querschnittgelähmt und wünscht sich in seiner misslichen Lage den Tod. Mutz' Tochter fleht ihre Mutter an, der Qual erneut ein Ende zu setzen. Das so sensible und daher schwierige Thema wird durch die Dramatik der Serie ein wenig zu sensationslustig aufgeplustert, doch am Ende funktioniert die Geschichte natürlich sehr publikumswirksam. Axel Bocks Inszenierung droht in diesem Zusammenhang leicht zu kippen, da dem Zuschauer pauschal suggeriert wird, dass es sich um ein Leben handelt, das nicht mehr lebenswert ist, obwohl Frau und zwei Kinder (übrigens gespielt von Atrur Brauners Zwillingsneffen Roman und Raoul) mit im Spiel sind, und die Platzierung über das Gesetz quasi abgesegnet wird, aber er kriegt noch einmal elegant die Kurve, da er auf die freie Entscheidungsfindung des Betroffenen hinweist. Politische Korrektheit wurde in der Serie glücklicherweise immer kleingeschrieben, doch in der Regel lässt sich das nötige Fingerspitzengefühl ausfindig machen. Für einen Ausgleich sorgen andere Alltagsthemen, wie etwa das eines Gegengewichts zum routinierten Alltag. Jutta braucht dringend Urlaub - der letzte liegt bereits 1000 Jahre zurück - doch ihre Mutter legt ihr unüberwindbare Steine in den Weg.

Der Urlaub ist gebucht, aber nach Ansicht der im Rollstuhl sitzenden Mutter könne er ja schnell wieder storniert werden - und dabei handelt es sich um keine Empfehlung. Bei einem Besuch in Reutlitz hatte die schwer erkältete Mutz Methadon bei Dr. Beck gestohlen, um anschließend zu entscheiden, ob sie dem Leiden ihres Schwiegersohnes ein Ende setzten sollte. Am Ende ist Dieter Kaiser wirklich tot, sodass sämtliche Alarmglocken bei der stellvertretenden Anstaltsleitung läuten. Die Befragungen beim Anstaltsarzt ergeben tatsächlich, dass eine beträchtliche Menge des Substituts abhandengekommen ist, und schon bald steht die alarmierte Polizei vor Mutz', beziehungsweise Gabys Tür. Zuvor hatte Jutta versucht, ihre Kollegin Silke Jakoby als mögliche Hilfe schmackhaft zu machen, doch Elisabeth Adler stellt sich komplett quer und schaltet sofort: »Na gut, ich muss mich auch mal erholen, ich hab es bitter nötig. Wir fahren zusammen!« Im Gesicht der völlig frustrierten und daher urlaubsreifen Jutta ziehen schwarze Gewitterwolken aber auch Fassungslosigkeit auf, denn ihre Mutter schafft es immer wieder sie in die Zange zu nehmen und sie weiß genau, auf welchen Knopf sie drücken muss. Dies sind die Momente, in denen man ehrliches Mitgefühl mit Jutta empfinden kann, die ihr komplettes Leben für eine alte Schuld dranhängt. Man ist erst bei Folge 17 und wird von dem sicheren Gefühl begleitet, dass man schon so unendlich viel im Frauenknast gesehen und erlebt hat, was einfach für den kurzweiligen Charakter des Konzepts und der Geschichten spricht. "Die letzte Hoffnung" kündigt einschneidende Erlebnisse und verheißungsvolle Weichenstellungen an, und dazu kommt es auch unter der wieder einmal sehr kompetenten Regie von Axel Bock zu überzeugenden Sequenzen, die ausgewählte Charaktere ins Rampenlicht stellen, ohne sie allzu sehr bloßzustellen. Von daher fallen Fehlen oder Rückzugstendenzen gewisser Personen, die auch unter den Hauptrollen zu finden sind, nicht allzu schwer ins Gewicht, bis man in einem Finale landet, das an Paukenschlägen interessiert ist.

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● FOLGE 18 | BITTERE WAHRHEIT (D|1998)
in den Hauptrollen: Cheryl Shepard, Katy Karrenbauer, Barbara Freier und Claudia Loerding
mit Katja Strobel, Brit Gdanietz, Kai Buth, Christiane Reiff, Christine Schuberth, Tanya Neufeldt, Kristiane Kupfer, Judith von Radetzky, u.a.
eine Produktion der Grundy UFA | im Auftrag von RTL
Regie: Bodo Schwarz



Martina lässt nichts unversucht, ihr verschwundenes Kind zu finden, doch die meisten Frauen gehen nach wie vor davon aus, dass sie es getötet hat. In ihrer Freundin Gudrun sieht sie ihr letztes Verbindungsglied über die Gefängnismauern hinaus, doch die Hilfe hält sich in Grenzen, da sich Gudrun um ihr eigenes Baby kümmern muss. Als sich Martinas Ehemann einschaltet, scheint ihre Bereitschaft zur Hilfe schlagartig größer zu werden, aber aus völlig anderen Gründen. In der Zwischenzeit sollen Installateure einen Schaden in der Reutlitzer Gärtnerei beheben. Als die Männer graben müssen, kommen sie gefährlich nah an die Leiche des verschwundenen Schließers Zöllner. Die Nerven liegen blank...

»Unter Frauen gibts doch keine richtige Solidarität!« Was wie eine von Ilses Binsenweisheiten klingt, entwickelt ich in dieser Folge zum unübersehbaren Leitmotiv. Martina baut auf ihre beste Freundin Gudrun, die ihr helfen soll, ihren Sohn zu finden, der angeblich von ihr getötet worden sein soll. Gudrun macht ihrer Bekannten wenig Hoffnungen, nähert sich aber ihrem Mann an, da sie alleinerziehend ist. Für den Zuschauer entstehen Momente der Skepsis, zumal man auf Martinas Seite steht, die beiden anderen Personen in diesem Trio aber aufmerksam verfolgt, da man ahnt, dass eine von ihnen etwas im Schilde führt. Der erfahrene Serien-Fan riecht wohl ziemlich schnell Lunte und durchschaut die dramaturgischen Kapriolen mit Leichtigkeit, falls dies nicht schon einige Folgen vorher geschehen ist. Auf Station kommt es zu anderen Brüchen der Solidarität, da Walter wegen des jüngsten Ausbruches immer noch im Bunker sitzt. Dagmar wittert ihre einmalige Chance und kauft einige der Frauen mit Geschenken, die von ihrem Drogengeld finanziert wurden. Sie reklamiert Walters Platz und Status auf der Station für sich und hofft auf den Rückhalt der frisch eingekauften Damen, von denen einige sehr viel für eine Schachtel Zigaretten tun würden, deswegen wohl auch in Reutlitz sitzen. Als Walter wieder auf Station kommt, ihren Augen nicht traut und Dagmar am liebsten die Fresse polieren würde, dies aber nicht kann, da sie unter Beobachtung der Anstaltsleitung steht, kochen die Spannungen hoch, bis sich ein günstiger Moment bietet, Dagmar wieder in ihre Schranken zu weisen. Die Frauen stehen insgeheim auf Walters Seite, und tragen die Tuchfühlung unter vier Augen mit. Derweil werden Ilses Unkenrufe immer lauter, da sie in ihren Käseblättchen herausgefunden haben will, dass Martina auf ihren Mann aufpassen muss, da die Freundin sicherlich andere Absichten als Kaffee trinken habe. Wie üblich werden derartige Einwürfe als Hirngespinste einer unverbesserlichen Klatschtante abgetan, doch das Publikum ahnt, dass Martinas Rehabilitation und somit ihr designiertes Glück in großer Gefahr ist.

Die Intrigen reißen weder im Inneren des Gefängnisses noch außen ab, sodass man sich aussuchen kann, welcher der interessantere Handlungsstrang der Geschichte ist. Nebenbei wird erwähnt, dass es zu Arbeiten in der Gärtnerei kommen dürfte, bei denen gegraben werden muss, was einige der Frauen mit Unruhe aufnehmen, immerhin gibt es eine tatsächliche Leiche im Keller. Alexander sucht sein Kind mittlerweile auf eigene Faust, während Gudrun vor Martina behauptet, dass sich die beiden angenähert hätten. Die Bombe droht schließlich zu platzen, worauf diese Story von Anfang an angelegt war. Regisseur Bodo Schwarz inszeniert routiniert, indem er sich an die mittlerweile bestehenden Gesetze der Reihe hält, Strippen werden gezogen und Ungerechtigkeiten ausbuchstabiert, bis es hier und da eskalieren darf. Die Anstaltsleitung spielt in dieser Episode keine Rolle, die am Ende doch sehr kopflastig geraten ist, um das verschwundene Baby ausfindig machen zu können. Die Charakterzeichnungen sind dabei etwas spröde und merklich naiv ausgefallen, aber auch hier ist das Potenzial sehr hoch, einfach mitzufiebern, da es immerhin um ein Baby geht. Dass die Toten zurückkehren könnten, wirft einen dunklen aber hochbrisanten Schatten auf die nächsten Folgen, da ein alter Mordfall wieder aufgerollt werden dürfte. Die Episoden-Hauptrolle der Gäste spielt erneut Kai Buth, der leider wenige Jahre später bei einem Verkehrsunfall tödlich verunglückte. Sein Mischangebot aus Skepsis und Mut, die Situation deutlich zum Positiven zu verändern, wirkt sehr überzeugend, was man von den alteingesessenen Damen der Anstalt auch sagen kann. Ob Kristiane Kupfer, Katja Strobel, Brit Gdanietz oder Christiane Reiff, es zeigen sich langsam aber sicher bleibende Eindrücke, die mit jeder weiteren Folge verfeinert werden. "Bittere Wahrheit" nimmt sich zumindest am Ende wortwörtlich, während es im Mittelteil viele falsche Fährten gegeben hat, die für spannende Momente sorgen, wobei es der ankündigende Charakter bleiben wird, der für Brisanz sorgt, denn immerhin sind "Frauenknast"-Happy-Ends meistens dazu gemacht, um in Stücke zu zerfallen. Zumindest temporär.

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Prisma
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Re: HINTER GITTERN - DER FRAUENKNAST

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● FOLGE 19 | ALTLASTEN (D|1998)
in den Hauptrollen: Dirk Mierau, Claudia Loerding, Katy Karrenbauer, Cheryl Shepard, Barbara Freier und Franziska Matthus
mit Christine Schuberth, Kristiane Kupfer, Brigitte Renner, Kai Buth, Katja Strobel, Egon Hofmann, Thomas Engel, Rainer Frank, Isabella Schmid, u.a.
eine Produktion der Grundy UFA | im Auftrag von RTL
Regie: Dagmar von Chappuis



Eine DNA-Analyse beweist, dass Martina die leibliche Mutter des Babys ist, das ihre beste Freundin Gudrun als ihr eigenes ausgegeben hatte. Sie ist überglücklich, dass sie nun endlich mit ihrer kleinen Familie in Freiheit leben kann, doch es kommt plötzlich anders. Bei Sanitärarbeiten wird die vergrabene Leiche des ermordeten Schließers Gerhard Zöllner in der Gärtnerei entdeckt, sodass jeder unter Verdacht steht, solange die Ermittlungen am Laufen sind. Die Polizei nimmt insbesondere Martina ins Visier, da sie in der Gärtnerei tätig war. Die Frauen arbeiten mit Hochdruck daran, die Ermittlungen ins Leere laufen zu lassen...

»Ich bin so froh, dass dieser Alptraum vorbei ist!« Hört man einen derartigen Satz in einer Serie, des Weiteren in dieser hoffnungsvollen Deutlichkeit, dürfte von vorneherein klar sein, dass es noch zu erheblichen Komplikationen kommen dürfte. Martina ist endlich offiziell rehabilitiert, der Zuschauer freut sich für sie, da sie im Knast von vielen Frauen gedemütigt und misshandelt wurde, obwohl sie unschuldig war. Die neuen Ereignisse wenden das Blatt, und einige Schließer gehen die junge Frau in einer ebenso undifferenzierten Art und Weise an, wie seinerzeit die Mit-Inhaftierten. Kittler und Dahnke wollen den Tod eines Kollegen rächen, es kommt zu Drohungen und Rückendeckung von Jutta Adler, die ein Verhältnis mit dem Ermordeten hatte. Sie blenden die Tatsachen geschickt aus, dass es sich bei Zöllner um einen kriminellen Drogendealer, Vergewaltiger, Schänder und Zuhälter gehandelt hat, aber Dienst ist ja bekanntlich dicker als Wasser. Das Publikum wird schließlich erneut vor eine Zerreißprobe gestellt, da das sympathische Opfer juristischer Fehlentscheidungen endlich ihre Freiheit verdient hätte. Kommissar Fuchs beißt sich in allen Indizien fest, aus denen einschlägige Einbahnstraßen gemacht sind, aber eine muss es schließlich gewesen sein. Das Publikum kennt die Schuldige und wünscht ihr nichts weniger als das Allerschlechteste, aber die Frauen um Walter und Uschi decken die wahre Mörderin, da sie sonst alle mit dran wären. Eine ausweglose Situation zieht sich wie ein roter Faden durch dieses mit Hysterie und falschen Fährten aufgeladene Szenario; eine gütliche Lösung ist out of order. Dr. Kaltenbach versucht derweil, den Generalverdacht gegen Martina in irgend einer Weise zu beseitigen, doch der Widerstand ihrer Untergebenen ist mal wieder groß, der Kampf gegen Windmühlen unausweichlich. "Altlasten" macht ihrem Namen alle Ehre und hangelt sich nervös an der Vergangenheit entlang, ohne dabei wirkliche Zugeständnisse zur Gegenwart, geschweige denn Zukunft zu machen. So wirkt diese Episode eigenartig kopflastig, da wenig Raum für Nebenstränge frei gemacht wird, was der Spannung aber keinen Abbruch tut.

Die am Mord direkt oder indirekt beteiligten Frauen suchen verzweifelt nach einem Weg, die Angelegenheit weiter zu vertuschen, schließlich kann keine von ihnen noch ein paar Jahre mehr Knast gebrauchen. Es möchte aber auch niemand Martinas Zukunft verbauen, wobei es für jede von ihnen ein Fest wäre, Dagmar endgültig zur Hölle zu schicken. Aber es gilt eine alte Faustregel namens mitgefangen, mitgehangen. Jutta reanimiert derweil ihre Spitzeldienste, um an sachdienliche Informationen im Mordfall Zöllner zu kommen, wenngleich sie die Schuldige in Martina längst gefunden haben will. Diese Episode zeichnet sich durch herbe Kehrtwendungen und prekäre Situationen aus, bis das gütliche Ende dem Empfinden nach in weite Ferne rückt, aber es gibt schließlich noch Knast-Solidarität unter den Frauen. Jeder will, dass sie Akte Z. so schnell wie möglich geschlossen wird, doch es wird schon bald neue Überraschungen geben, die wohl niemand erwartet hätte. Die Regie gibt jeder der Hauptcharaktere genügend Raum und Zeit, sich exponiert in Erscheinung zu spielen, bei dieser Gelegenheit auf die jeweils guten und schlechten Kerne hinzuweisen, die noch für Tauziehen und Turbulenzen in Reutlitz sorgen werden. Eine halb verweste Leiche als unangenehmer Schleudersitz eignet sich hier nur allzu gut, um die volle Länge der Spielzeit auszufüllen, auch wenn dem Empfinden nach nicht allzu viel passiert, wobei sich dieser Eindruck vermutlich nur vergleichsweise aufdrängt. Kommissar Fuchs verrennt sich wie üblich in abwegigen Kombinationen und es stellt sich erneut heraus, dass seine Fähigkeiten möglicherweise begrenzt sind, aber schließlich ist er dramaturgisch gesehen ja auch eher die Liaison von Lollo. Die Schließer-Brigade übt einen blinden Schulterschluss und demonstriert erneut, dass sie es ihrer Ansicht nur mit kriminellem Abschaum zu tun hat, die Anstaltsleitung bildet angenehmer Weise eine rühmliche Ausnahme, da sie Sachverhalte differenziert analysiert. Wie dem auch sei, diese Folge kann als sicheres Parkett für die bevorstehende, faustdicke Überraschung angesehen werden, die noch auf die Frauen und das Publikum zukommen wird.

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