● KRISTA KELLER-DI CERAMI als VERENA MOLDAU in
DER ALTE - VERENA UND ANNABELLE (D|1977)
Eine Doppel- oder Zwillingsrolle als Epizentrum der Verwirrung hat schon so manche Geschichte vorhersehbar, überladen und unglaubwürdig aussehen lassen, konnte bei origineller Bearbeitung und guter narrativer Voraussetzungen aber auch zum Volltreffer werden. In dieser neunten Folge aus der Serie "Der Alte" kommt es vielleicht zunächst einmal sehr stark darauf an, wie man zu Krista Keller-Di Cerami in dieser doppelten Potenz steht, da sie wie kaum eine andere Serien-Darstellerin zu polarisieren pflegt. Überprüft man diesen nebulösen Fall, der von hysterischer Anspannung befallen ist, kann man dessen Strategie ein gutes Gelingen bescheinigen, da Regisseur Alfred Vohrer die Kätzchen nicht zu schnell aus dem Sack lässt und aktiv auf Täuschung und Verwirrung setzt. Dies geschieht praktischerweise im Auge derjenigen, die mit Verena Moldau und ihrer Schwester konfrontiert werden, die beide durch unüberbrückbare Unterschiede auffallen. Die ersten Szenen gehören Verena Moldau, einer offensichtlich gut situierten, alleinstehenden Literaturkritikerin, die - ohne sie überhaupt kennengelernt zu haben - durch ihre auffällige Nervosität auffällt. Die Zusammenhänge ergeben sich wenig später, doch zunächst erlebt man Schreckensmomente, da sie einem Giftanschlag zum Opfer fällt. Krista Keller-Di Cerami verausgabt sich in einer beinahe erschreckenden Art und Weise in diesen völlig bizarr wirkenden Einstellungen und beweist Mut zum restlosen Derangement, da ihr beispielsweise Erbrochenes aus dem Mund rinnt, sie sich vor Schmerz krümmt, aber noch genügend Zeit für eine sagenhafte Selbstinszenierung findet. Im Rahmen der zu diesem Zeitpunkt noch jungen Serie hat man bis dato bestimmt noch nichts Vergleichbares gesehen und danach sicherlich auch nicht alle Tage. Es stellt keine Indiskretion dar, zu verraten, dass Verena Moldau diesen ersten Mordanschlag überlebt und anschließend direkt von einem immer wieder ratlosen Kommissar Köster befragt wird.
Dann äußert sie einen ungeheuerlichen Verdacht, denn sie beschuldigt ihre zuletzt untergetauchte Zwillingsschwester Annabelle, für den Anschlag verantwortlich zu sein. Man will kaum glauben, was man von dem sichtlich gezeichneten und apathisch aussehenden Opfer zu hören bekommt, doch sie wirkt glaubwürdig, zumal ihre Anschuldigung wie aus der Pistole geschossen kommt und Zweifel im Keim erstickt. Der Zuschauer und die Polizei müssen dabei zunächst Vorlieb mit Verenas Version und deren Täterbeschreibung nehmen, sodass sich eine angeheizte Spannung aufbauen kann, die in einem zweiten Anschlag gipfelt. Dabei ist es eigenartig, dass man als Zuschauer überhaupt nicht davon ausgeht, die ominöse Schwester jemals kennenzulernen, da auch Befragungen von Zeugen ergeben, dass man es eher mit einem Phantom zu tun hat, bis ein simpler Mechanismus in Gang gesetzt wird, und man die nächste unsicher wirkende Instanz verdächtigt, beziehungsweise deren Aussagen bezweifelt: Verena Moldau. Es kristallisiert sich heraus, dass es um Rache gehen könnte, die den positiven Nebeneffekt einer üppigen Erbschaft des in die Jahre gekommenen Onkels mit sich bringen soll, doch die zahllosen Kehrtwendungen der Geschichte lassen keine eindeutigen Gewissheiten zu. Angst und Sorge machen sich breit in Alfred Vohrers unter psychologischer Hochspannung stehender Folge, die quasi in jeder Einstellung von den Titelrollen dominiert wird, und dies in absolut rücksichtsloser Art und Weise. Krista Keller-Di Cerami darf sich dem seltenen Luxus hingeben, sich innerhalb der bestehenden Vorgaben vollkommen zu verausgaben und sich nach ihrem Willen entfalten zu dürfen. So entsteht ein sicherlich nicht ungeplantes Vakuum, das diese Geschichte prägt, allerdings wirkt das Schauspiel der Serien-Hauptrolle derartig unberechenbar, dass man sich auf alles oder vielleicht nichts gefasst machen sollte, was auf Dauer spannend-strapaziös wirkt.
"Verena und Annabelle" gilt als umstrittener Drahtseilakt, den man mögen muss, um sich restlos überzeugend unterhalten zu fühlen. Krista Keller-Di Ceramis Ausdauer und Selbstbestimmung entwickeln sich hier zu den nicht gerade unumstrittenen Themen, mit denen die Episode steht oder fällt. Selbst der Kriminalfall rückt spürbar ins Hintertreffen und ist nicht die prominente Instanz, der er naturgemäß sein sollte, da die Exaltiertheit und Eruptionen einer Schauspielerin alles beherrschen werden, auch den oftmals sichtlich genervten und ratlosen Kommissar Köster, der ja immerhin noch einen potenziellen Mordfall zu klären oder zu vereiteln hat. Die Principessa setzt alle möglichen Hebel in Bewegung, um in die Serien-Geschichte einzugehen, und dabei erscheint es ihr völlig gleich zu sein, ob das Publikum einen positiven oder negativen Eindruck zurück behält. Es ist als großes Glück zu bezeichnen, dass deutsche Krimiserien der Interpretin immer wieder die große bis merkliche Bühne überließen, vorzugsweise um verschlüsselte Personen auszubuchstabieren. Das Handwerk der Krista Keller-Di Cerami greift dabei auf ein meistens ähnliches Repertoire zurück, denn ihre Personen legen es darauf an, andere abzuschrecken, zu schockieren, aber nie zu langweilen. Verena Moldau gerät über die Spielzeit der Episode verteilt nicht nur einmal in die Verlegenheit, dass man ihrer Version der Geschichte nicht Glauben schenken möchte, zumal es auch zu viele Ungereimtheiten zu geben scheint. Dennoch fiebert man spätestens nach Auftauchen der Wurzel des geschilderten Übels mit der verängstigten Dame mit, zumal sich die Anschläge häufen. Krista Keller-Di Ceramis Hysterie, Waghalsigkeit und Impulsivität formen diese Folge wie weichen Ton, der nur in ihre eigene Fasson gebracht werden kann, und am Ende bezweifelt sogar das Publikum, ob Köster diese Frau in irgend einer Weise gebändigt bekommt. Es bleibt eine hochklassige Expertise der quirligen und Unruhe stiftenden Interpretin.
VERENA UND ANNABELLE