DER KOMMISSAR

Der Tummelplatz für alle Serienjunkies und Binge-Watcher!
Von DALLAS bis DENVER, vom TATORT in die LINDENSTRASSE über BREAKING BAD bis hin zu GAME OF THRONES.
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Prisma
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DER KOMMISSAR

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● DER KOMMISSAR (D|1969-1976)
in den Hauptrollen | Erik Ode | Günther Schramm | Reinhard Glemnits | Fritz Wepper | Elmar Wepper | Helma Seitz | Emely Reuer | Rosemarie Fendel
Regie | Theodor Grädler | Wolfgang Becker | Wolfgang Staudte | Dietrich Haugk | Michael Braun | Zbyněk Brynych | Jürgen Goslar | Georg Tressler | u.a.
hergestellt durch die Neue Münchner Fernsehproduktion | im Auftrag des ZDF



Serien haben schon seit dem Kindesalter mein großes Interesse und Gefallen gefunden, und besonders in den letzten Jahren bin in diesem Zusammenhang doch sehr viel herum gekommen, weil einfach auch eine breite Verfügbarkeit besteht. Da die Edgar Wallace-Reihe im Grunde genommen das Fundament für meine allgemeine Filmbegeisterung darstellt, fühle ich mich mit dem Kriminalfilm und den passenden Serien nach wie vor sehr stark verbunden. Trotzdem ist es im Endeffekt eigentlich nicht primär das Genre, das mich zu Serien wie "Derrick", "Der Alte", "Der Fahnder" oder eben "Der Kommissar" gebracht hat, sondern es waren wie so oft die beteiligten Schauspieler. In diesen Serien wimmelt es ja nur so von hochkarätigen Haupt- und Gastdarstellern, die mir letztlich die Steilvorlagen für alternative Filme und unterschiedlichste Genres liefern. Um es bei der vorgestellten Serie mal an einem Beispiel zu erläutern. Beeindruckt mich eine gewisse Schauspielerin oder ein bestimmter Schauspieler, so suche ich in deren Filmografien nach verfügbaren Veröffentlichungen. Erweist sich dieser Eindruck als nachhaltig, geht es schließlich mit der Suche nach schwieriger aufzutreibendem Material weiter. Innerhalb dieser neuen Filme gibt es eigentlich immer weitere Darsteller, die es wert sind, mehr von ihnen zu sehen und die Suche geht abermals weiter. Dieses Konzept hat sich seit vielen Jahren bewährt und garantiert mir die anhaltende Begeisterung beim Film.

Lange Rede, kurzer Sinn, es soll ja eigentlich um die "Kommissar"-Reihe gehen, die eine der beliebtesten, fortlaufenden Serien dieser Art gewesen ist. Das gut aufgebaute Konzept garantierte einen hohen Zuschauerzuspruch, und den damit verbundenen Erfolg. Immer mal wieder wurden Darsteller in den Hauptrollen ausgetauscht oder gar nicht erst ersetzt, aber nicht zuletzt aufgrund der unterschiedlichen Regisseure, überholte sich der Grundinhalt nicht, und außerdem hatte sich wenig abschreckende Routine, oder selten einmal Langeweile eingeschlichen, so dass die Serie von 1969-1976, in beinahe hundert Folgen ausgestrahlt wurde. Ich mag Horst Tappert als "Derrick", noch besser finde ich Siegfried Lowitz als "Der Alte", aber Erik Ode als "Der Kommissar" hat mir eigentlich schon immer am meisten als Zuhörer imponiert, dessen Kombinationsgabe, glasklarer Verstand und seine Menschenkenntnis immer wieder deutliche Akzente setzen konnten, wobei seine motivierte Entourage allerdings immer im erfreulichen Maße Schützenhilfe leisten konnte. Hier soll eine Sammelstelle für alles rund um den "Kommissar" entstehen und ich würde mich über Diskussionen, Anekdoten, Kritik, oder eben auch weitere Kommentare sehr freuen. Es ist vielleicht noch anzumerken, dass ich selbst gewiss keine "Kommissar"-Brille trage, alles nur unkritisch betrachte und wunderbar finde, nein, bei manchen Folgen gingen einfach Schüsse nach hinten los und es fehlen Impulse, was ja auch normal ist, und mit einem ganz bestimmten Regisseur werde ich definitiv hart ins Gericht gehen. Aber zuerst freue ich mich darüber, Kommissar Kellers Fälle wieder sehen zu können.

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Prisma
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Re: DER KOMMISSAR

Beitrag von Prisma »



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● FOLGE 01 | TOTER HERR IM REGEN (D|1969)
mit Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Fritz Wepper, Emely Reuer, Helma Seitz, Rosemarie Fendel
Gäste: Alwy Becker, Dorothea Wieck, Charlotte Witthauer, Friedrich Karl Grund, Susanne Barth, Ralph Persson, Rainer Penkert, u.a.
hergestellt durch die Neue Münchner Fernsehproduktion | im Auftrag des ZDF
Regie: Wolfgang Becker



Der erfolgreiche Geschäftsmann Dr. Steiner wird ermordet auf einer Straße aufgefunden. Bei seinen Ermittlungen findet Kommissar Keller schnell heraus, dass der Tote zahlreiche Feinde hatte, die sich sogar im Familienkreis ausfindig machen lassen. Zu den Verdächtigen zählen beispielsweise seine Stiefkinder, die auf die Todesnachricht betont unempfindlich reagierenden, außerdem seine verunsicherte Verlobte, die trotz Gefahr mit ihm ausging, und die sich merkwürdig verhaltende Haushälterin. Doch zunächst lassen sich keine stichhaltigen Motive finden. Letztlich stellt sich heraus, dass Dr. Steiner bereits eine Morddrohung erhalten hatte...

Die 1969 neu in Leben gerufene Serie startet mit einer Folge, die ihre Stärken gleich klassisch auszuspielen weiß. "Toter Herr im Regen" behandelt unter der eingängigen Regie von Wolfgang Becker einen vielleicht herkömmlichen und eigentlich wenig außergewöhnlichen Kriminalfall, der jedoch schlüssig aufgerollt wird und sein Hauptaugenmerk auf die charakterlichen Zeichnungen und Irrungen und Wirrungen aller Beteiligten legt. Zunächst werden Kommissar Keller und sein Team dem Publikum vorgestellt und es stellt sich schnell heraus, dass man es mit einem Erfolgskonzept zu tun bekommt. Folge 1 hebt schließlich die Kompetenz der Titelfigur hervor, und Erik Ode ist ohne jeden Zweifel der richtige Mann für diese Rolle. Nie verliert er sein Ziel aus den Augen und scheint jeder Situation oder jeder Person gewachsen, wenn im Endeffekt auch nicht überlegen zu sein. Jedoch ist er im Umgang mit Menschen um das Prinzip der Augenhöhe bemüht. Seine Interaktionsleistungen sind flexibel und einfühlsam, der Situation stets angepasst und er wirkt keineswegs wie ein Überermittler. Keller weiß mit Damen umzugehen, genau so wie mit hoffnungslosen Zynikern, sowie unerfahrenen, schwachen oder ziellosen Charakteren. Seine Sachlichkeit schlägt gerne einmal in Vehemenz um, sein trockener Humor hält ihn manchmal selbst über Wasser, und es macht Spaß, ihm bei seiner akribischen Arbeit zu folgen. Die Gäste zeigen sich in dieser ersten Folge bemerkenswert engagiert. Die schöne Alwy Becker spielt als Verlobte des Ermordeten erstaunlich gut auf. Es scheint, dass sich diese Dame gleich in mehreren Zwickmühlen gleichzeitig befindet, ihr die Etikette es aber verbietet, sich aus eigener Kraft zu befreien. Sie wirkt nervös und gehemmt, trägt offensichtlich ein Geheimnis mit sich herum.

Ihre Mutter stellt Dorothea Wieck dar, die sich ebenfalls als eine hervorragende Wahl herausstellt. Wenn Wieck beispielsweise zum Kaffee bittet, teilt die Offizierswitwe genüsslich ihre Wertevorstellungen und Ansichten zu den Männern von heute mit, und es kommt zu einem sehr interessanten Gespräch, das die ohnehin hohe Qualität der Dialog-Arbeit widerspiegelt. Die Stiefkinder des Ermordeten bekommen von Karl Friedrich Grund und Susanne Barth recht unsympathische und verzogene Gesichter, was eine von Skepsis aufgeladene Atmosphäre begünstigt. Charlotte Witthauer hingegen ist schwer zu durchschauen und die Besetzung findet mit einem unverbrauchten Ralph Persson und wie üblich soliden Rainer Penkert eine interessante Abrundung. Kommissar Keller kann man derweil dabei beobachten, wie er seine Indizien heimlich zusammenträgt und lässt den Zuschauer relativ wenig daran Teil haben - seine Mitarbeiter übrigens auch nicht. Die Angelegenheit wird mit ein wenig Wachsamkeit und Fantasie relativ zu enträtseln sein, sodass das Finale in hoher Geschwindigkeit immer näher rückt. Glücklicherweise werden hier dennoch einige wichtige Akzente gesetzt, die in Erinnerung bleiben, da sich der Täter groteskerweise mit seiner Tat schmücken wird, welche dem Empfinden nach unausweichlich war. Der abschließende Satz dieser gelungenen Episode verschlägt allen Beteiligten buchstäblich die Sprache und lässt ein wenig nachdenklich zurück, da Mord und Moral miteinander vermischt werden. "Toter Herr im Regen" ist eine insgesamt unterhaltsame Folge, der die schöne Bildgestaltung, wie etwa bei der atmosphärischen Anfangssequenz im Regen, und die vielen unterschiedlichen Ortswechsel sehr zu Gute kommen, wenngleich ihr als Pilotfolge noch deutlichere Konturierungen sehr gut gestanden hätten.

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Prisma
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Re: DER KOMMISSAR

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● FOLGE 02 | DAS MESSER IM GELDSCHRANK (D|1969)
mit Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Fritz Wepper, Emely Reuer, Helma Seitz, Rosemarie Fendel
Gäste: Ann Smyrner, Lukas Ammann, Herbert Bötticher, Michael Maien, Wolfgang Völz, Sadi Metzger u.a.
hergestellt durch die Neue Münchner Fernsehproduktion | im Auftrag des ZDF
Regie: Wolfgang Becker



In einem Nachtlokal wird eines Morgens eine Ermordete von einer Putzfrau gefunden. Die attraktive junge Frau wurde erstochen und arbeitete im gleichen Club als Hostess, um die Gäste zu animieren. Den Kreis der Verdächtigen bilden schnell einige zwielichtige Herren, die in dem Lokal ein und aus gehen, beziehungsweise dort arbeiten. Kommissar Keller freundet sich mit Marion an, die eines der Animiermädchen ist, um an sachdienliche Informationen zu gelangen. Im Vertrauen erzählt sie dem Ermittler viele private Dinge, die den Kommissar auf die richtige Spur bringen...

Aus der Erinnerung heraus stellte "Das Messer im Geldschrank" eine der stärkeren Folgen der noch jungen Serie dar, doch dieser Eindruck basiert eher auf den erstaunlich guten Leistungen der beteiligten Schauspieler_innen, da sich die Kriminalgeschichte insgesamt als ziemlich herkömmlich entpuppt. Die klassische Inszenierung von Wolfgang Becker ist für weite Strecken tadellos, doch unterm Strich wird der ganz große Paukenschlag fehlen, denn auch die Auflösung ist beinahe ein wenig verwirrend, da diese - man möchte beinahe sagen - wenig zuschauerfreundlich ausgefallen ist. Sehr ansprechend in Episode 2 ist die Zeichnung von Kommissar Keller, der selbst auf dem Krankenbett nicht von seiner Arbeit ablassen kann und sich wie ein kleiner Junge an den gut gemeinten Anordnungen seiner Frau vorbei zu schleichen versucht. Auch seine Strategie, einen anfangs völlig im Dunkeln liegenden Fall anzugehen, demonstriert bereits hier sehr charakteristische Züge, die zu seinem Markenzeichen werden sollten. Zu sehen ist ein empathischer Zuhörer, der nie vergisst, dass er es mit Menschen zu tun hat und sich jeder Situation bemerkenswert anpassen kann. Seine Sequenzen, der Umgang und die Gespräche mit Marion sind die ganz großen Stärken dieser Folge, und in diesem Zusammenhang ist eine beinahe fremd wirkende Ann Smyrner zu erwähnen, die vielleicht selten mit einer derartig starken Leistung aufwarten konnte. Marion versucht in ihrem persönlichen Vakuum zwar weiterhin zu funktionieren, ist aber gleichzeitig auf der Suche nach einer Möglichkeit, aus ihrer erdrückenden privaten Situation zu entfliehen. Jeder Strohhalm an den sie sich klammern könnte, kommt somit gerade recht, was jedoch einhergehend mit unklugen oder drastischen Entscheidungen sein wird.

Kommissar Keller vertraut sie sich an, da sie ihn als Gast kennen lernt, der ausnahmsweise einmal nicht an der üblichen Animation interessiert zu sein scheint. Ihre Erzählungen wirken überaus träumerisch, oft sehnsüchtig und beinahe melancholisch, aber genau so ambivalent. Die Rolle der traurigen Marion ist in diesem Geschehen eindeutig die interessanteste charakterliche Studie, wobei die Entschlüsselung ihrer Person und das Aufzeigen der Umstände kaum eine Distanz zu ihr aufkommen lässt. Nach dieser für Smyrner ungewöhnlichen Darbietung ist es beinahe tragisch, dass ihre Kapazitäten in dieser Form kaum vom deutschen oder internationalen Film genutzt wurden und sie sich mit Schablonen begnügen musste. Die undurchsichtigen Herren fanden mit Lukas Ammann, Wolfgang Völz, Herbert Bötticher und Michael Maien eine sehr aussagekräftige und überzeugende Entourage, die permanent für innere und äußere Widerstände zu sorgen hat. Die gut gewählten und sicher in Szene gesetzten Schauplätze fallen in "Das Messer im Geldschrank" besonders positiv auf, vor allem mit solchen aus dem Nachtlokal oder den winterlichen Außenaufnahmen, die eine gewisse Schwerfälligkeit vermitteln. Auch die Anfangssequenz mit deren außergewöhnlichem Inszenieren der makellos wirkenden Ermordeten bleiben in Erinnerung. Viele Ortswechsel sorgen für eine gewisse Flexibilität, die dem Script im Endeffekt leider ein wenig fehlt. Insgesamt handelt es sich aber ohne jeden Zweifel um eine überdurchschnittliche Schauspieler-Episode. Obwohl die Auflösung vielleicht etwas zu glatt verläuft, da sie quasi in einer fünf vor 12 Demonstration Kommissar Kellers gipfelt und nur für späte Spannungsmomente sorgen kann, macht dies Wolfgang Beckers Beitrag nicht minder zu einer gelungenen Angelegenheit.

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Jokerfive
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Re: DER KOMMISSAR

Beitrag von Jokerfive »

Die Episode „Das Messer im Geldschrank“ war übrigens die erste Folge, die das Produktionsteam gedreht hat. Sie wurde dann aber erst als Nr. 2 ausgestrahlt. Die Nummer 1 der Austrahlungsreihenfolge „Toter Herr im Regen“ war die Nr. 3 in der Herstellung.

Ich finde, man kann es auch ein bischen merken. Während das Team im „Toten Herrn“ schon eingespielt wirkt, werden die einzelnen durchgehenden Handlungs-Figuren bei „Messer im Geldschrank“ erst nachander charakterisiert: Harry Klein (Fritz Wepper) ist noch jung und unsicher, er muß bei Kommissar Keller telefonisch um Rat nachfragen. Kriminalassistentin Helga ist eigentlich immer nur dabei und ermittelt aber nie selbst. Kommissar Keller liegt krank im Bett, kann aber von der Ermittlung nicht lassen und läßt sich ständig von seinen Leuten informieren. Frau Keller ist reine Hausfrau und bemuttert ihren Mann. Gerade genesen, kümmert er sich dann selbst um den Fall und zeigt ein psychologisches Einfühlungsvermögen, das seinen Mitarbeitern abgeht usw.

Beim „Toten Herrn“ ist der Charakter und sind die Beziehungen der Figuren untereinander schon deutlicher herausgestellt: Grabert ist der Geradlinige und Nette, der vom Kommissar aber immer in die richtige Richtung geschubst werden muß, weil er von selbst nicht darauf stößt; Heines ist der harte Hund, der aus einem Verdächtigen gerne die Wahrheit herausprügeln würde, es dann aber doch nicht tut; Harry Klein ist später schon etwas selbständiger, muß vom Kommissar aber auch immer wieder in die richtige Richtung gebracht werden, weil er die Zusammenhänge nicht erkennt; Helga ist immer nur dabei; Sekretärin Rehbein ist irgendwie die Seele vom Ganzen.
Jokerfive

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Prisma
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Re: DER KOMMISSAR

Beitrag von Prisma »

Das mit den Reihenfolgen der Episoden hatte ich auch schon häufiger gelesen, und Du hast ganz recht, dass es vor allem am Umgang und Miteinander des Ermittler-Teams deutlich wird. Ich muss allerdings gestehen, dass es mir bei der Erstansicht nicht aufgefallen wäre, weil ich vielleicht auch noch nicht speziell darauf geachtet hatte. Wenn man es weiß, springt es einem ins Auge. In einer noch jungen Serie mit bis dahin wenigen Folgen darf sich die Entourage aber auch ein bisschen ordnen, sowohl vor als auch hinter der Kamera. Bei mir ist es daher sogar oft so, dass ich Anfänge bei Serien mitunter nicht so gerne wieder anschaue, eben weil sich erst alles noch etablieren muss. Erste Staffeln, vor allem Pilotfolgen, lasse ich bei weiteren Sichtungen querbeet deswegen ganz gerne mal aus. :mrgreen:

Percy Lister
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Re: DER KOMMISSAR

Beitrag von Percy Lister »

Trotz aller Behaglichkeit, die der Konsum einer Erfolgsreihe wie "Der Kommissar" beim heutigen Publikum auslöst, darf nicht vergessen werden, dass die Serie damals Neuland beschritt. Action und Spannung kamen in den Sechziger Jahren aus Amerika oder England, eine durch und durch deutsche Kriminalreihe hatte es noch nicht gegeben. Umso bemerkenswerter, dass die Serie dem breiten Fernsehpublikum immer wieder Nüsse zu knacken gab, welche die bundesbürgerliche Normalität ad absurdum führten und spleenige Außenseiter zu den Sehnsuchtsgestalten der Episoden machten. In 97 Folgen begegnet man regelmäßig Charakteren, die kauzig, rebellisch, merkwürdig und faszinierend erscheinen und so gar nicht dem Durchschnitt entsprechen. War es ein Zeichen der Auflehnung gegen die Erwartungen des Publikums, die Herbert Reinecker veranlasste, solche Figuren in seine Drehbücher zu schreiben? Wollte er provozieren oder schockieren? Warum umgibt gerade diese Rollen ein besonderer Zauber, der auch heute noch wirkt und wie ein Traumbild im Alltagsgrau erscheint? Denkt man an die Serie "Der Kommissar", so fallen einem unwillkürlich immer auch die bizarren Typen ein, die dort auftauchen und ebenso plötzlich wieder verschwinden. Sei es nun der Hippie "Teekanne" (15/1969 "Der Papierblumenmörder"), der kein einziges Wort spricht, dessen anrührende Präsenz jedoch wie der Schuss am Ende lange nachhallt. Oder die schöne Ilo Kusche (31/1971 "Ende eines Tanzvergnügens"), die Unheil über alle Männer bringt und dabei scheinbar ungerührt bleibt. Ulrike Durich (33/1971 "Lagankes Verwandte") sieht mit großen Augen in die Kamera und gibt ebenso Rätsel auf wie Herta Panse (11/1969 "Die Schrecklichen"), die gleichfalls nach einem Ausweg aus der Enge des Elternhauses sucht. Natürlich gibt es vor allem in den von Zbynek Brynych inszenierten Episoden "sonderbare" Menschen, aber auch andere Regisseure zeigen ungewöhnliche Figuren "am Rande der Ereignisse".

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Prisma
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Re: DER KOMMISSAR

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● FOLGE 03 | RATTEN DER GROẞSTADT (D|1969)
mit Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Fritz Wepper, Emely Reuer, Helma Seitz
Gäste: Horst Frank, Werner Pochath, Gerd Baltus, Klaus Schwarzkopf, Fred Haltiner, Hilde Volk, Ilona Grübel, u.a.
hergestellt durch die Neue Münchner Fernsehproduktion | im Auftrag des ZDF
Regie: Theodor Grädler



Der Wirt einer verkommenen Kneipe wird von seiner Tochter ermordet aufgefunden. Der Ruf dieser Kneipe ist genau so übel, wie das Klientel, das dort ein und aus geht. Gelegenheitsarbeiter, Landstreicher, Kriminelle und Alkoholiker sind die Stammgäste und bilden den Kreis der Verdächtigen. Die Spur führt zu einem jungen Mann, dem minderbemittelten "Mozart", der sich mit einer zwielichtigen Gruppe von Nichtstuern abgibt. Ist der Täter unter ihnen zu finden? Grabert lässt sich inkognito in die Einrichtung einschleusen, in der die eingeschworene Clique ihre Nächte verbringt, und um an ihr Vertrauen zu gelangen, gibt er sich als jüngst entlassener Sträfling aus...

Gerade in Serien-Formaten kommt es häufig zu dem Phänomen, dass die Erinnerung an bestimmte Folgen trügt, denn manche Geschichten werden als stärker, nicht wenige als schwächer eingestuft. Bei Theodor Grädlers "Ratten der Großstadt" kam es in diesem Zusammenhang zu einer deutlichen Abstufung, war Episode 3 doch in stärkerer Erinnerung geblieben. Ob überzeugend oder nicht, dieser Kriminalfall wirkt thematisch und inszenatorisch gesehen nicht immer besonders außergewöhnlich und die Konzentration des Ganzen geht eher in die eindeutige Richtung einer Milieustudie, mit welcher in Ansätzen versucht wird, die unproduktiven Mitglieder der Gesellschaft zu durchleuchten. So haben die wenig schmeichelhaft benannten Titelfiguren mangels sinnvoller Aufgaben genügend Zeit, Federn in die Luft zu blasen und auf unterschiedlichste Flausen zu kommen. Rücksichten werden keine genommen, sodass es immer wieder zu sehr impulsiven Verhaltensweisen kommt. Schnell bäumt sich die interessante Frage auf, ob einer von ihnen aber auch fähig wäre, einen Mord zu begehen? Diese Frage wird höchstens in Andeutungen, wenn überhaupt nur mittelprächtig herausgearbeitet und der Fall verläuft leider über weite Strecken zu spannungsarm und schleppend, wenngleich so gut wie alles von Seiten der Regie versucht wird, die Hauptfiguren so unberechenbar wie möglich erscheinen zu lassen. Positive Eindrücke entstehen oft schon alleine aufgrund einer spektakulären Entourage im Schauspielerbereich, was sich hier bereits nach einen kurzen Blick herauskristallisiert, denn bei den Namen der Gäste handelt es sich um gute Bekannte, die für ihre Fähigkeiten berüchtigt sind, extravagante Charaktere zu kreieren..

Horst Frank kann beinahe schon als Garant für eine besondere Art der Unterhaltung angesehen werden. Innerhalb seiner Clique genießt er das zweifelhafte Privileg, die Führungsposition inne zu haben, könnte das schwächste Glied der Gruppe omöglich in soweit manipulieren, seine Befehle und Wünsche auch im drastischsten Sinn auszuführen. Natürlich könnte er auch selbst Hand angelegt und den Wirt erschlagen haben. An seinen Kollegen haften die gleichen Verdachtsmomente. Gerd Baltus, der lethargische Alkoholiker, der im Zweifelsfall für einen Schnaps bis zum Äußersten gehen könnte, Klaus Schwarzkopf, den seine, sich von den anderen abhebende Intelligenz gefährlich machen könnte, Fred Haltiner, der sich wie es scheint, bei jeder sich bietenden Gelegenheit profilieren möchte, und Werner Pochath, der Minderbemittelte mit dem Gemüt eines Kindes, dem jeder Befehl seines Vorbildes wie gerufen kommt. Ein illustrer Kreis von Verdächtigen steht einer eigentlich unmotivierten Tat gegenüber, und in diesem Zusammenhang hat man sicherlich schon bessere Lösungen gefunden. Alle Darstellungen, vielleicht mit Ausnahme von Ilona Grübel, zeigen Personen, die längst an ihre Grenzen angekommen sind, in welcher Form auch immer. Ein beeindruckendes und differenziertes Schauspiel bügelt diese Mängel letztlich in einem gesunden Maß aus, sodass es zum Eindruck kommt, es mit einer eher gelungenen Folge zu tun zu haben, die unterm Strich doch vordergründig unterhaltsam ausgefallen ist. Sehr positiv wirkt sich ebenfalls die unkonventionelle Ermittlungsarbeit von Grabert aus, und es zeigen sich noch einige spannende Sequenzen, was leider nicht für das Finale gilt, welches leider alles andere als ein Vulkanausbruch war. Auch der Versuch, eine tragische Prognose zu transportieren, wirkt beinahe weitgehend missglückt.

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Re: DER KOMMISSAR

Beitrag von Prisma »

Percy Lister hat geschrieben:
So., 06.12.2020 13:18
Trotz aller Behaglichkeit, die der Konsum einer Erfolgsreihe wie "Der Kommissar" beim heutigen Publikum auslöst, darf nicht vergessen werden, dass die Serie damals Neuland beschritt. Action und Spannung kamen in den Sechziger Jahren aus Amerika oder England, eine durch und durch deutsche Kriminalreihe hatte es noch nicht gegeben.

Das stimmt schon, und es ist umso erfreulicher, dass man sich überhaupt ernsthaft an ein solches Projekt heran gewagt hat, das darüber hinaus auch noch mit großem Erfolg gesegnet war und Modell-Charakter haben sollte. Sicherlich kamen die Vorbilder aus Amerika oder England, allerdings sehe ich hier keine speziellen Anleihen, höchstens auf das Konzept des Serienformats und die immer gleichen Ermittler-Figuren bezogen. Die Vorbilder lagen in der mit Krimis erprobten Bundesrepublik doch eigentlich auf der Straße, wie erfolgreich laufende Kriminalreihen fürs Kino oder die sogenannten Straßenfeger, deren Erfolg immens war. Hier kann man bestimmt ebenso viele Anleihen finden, wie bei den Übersee-Vorbildern, allerdings handelt es sich durchaus um keine Erfindung, die hierzulande entstanden war.

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Prisma
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Re: DER KOMMISSAR

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● FOLGE 04 | DIE TOTE IM DORNBUSCH (D|1969)
mit Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Fritz Wepper, Emely Reuer, Helma Seitz
Gäste: Paul Albert Krumm, Ellen Umlauf, Alice Treff, Jan Hendriks, Arthur Brauss, Thomas Astan, u.a.
hergestellt durch die Neue Münchner Fernsehproduktion | im Auftrag des ZDF
Regie: Georg Tressler




Am Rande der Autobahn wird eine tote Frau gefunden, die dort einfach abgelegt wurde. Bei der Ermordeten handelt es sich um die Wirtin einer Autobahnraststätte, zu welcher die ersten Spuren der Mordkommission führen. Die Ermittlungen ergeben, dass sich dort zweifelhafte Kundschaft herumtreibt und dass die Tote diverse Liebschaften pflegte. Verdächtige sind schließlich schnell gefunden, zu denen auch ihr gehörnter Ehemann gehört, der allerdings einen ihrer Liebhaber, einen Lastwagenfahrer, schwer belastet. Als auf der Ladefläche seines LKW auch noch ein Schuh der Toten gefunden wird, verdichten sich die Verdachtsmomente...

Die vierte Kommissar-Folge wurde von dem Wiener Regisseur Georg Tressler recht solide inszeniert und die Konzentration liegt beinahe ausschließlich auf der Ermittlungsarbeit, die dem Zuschauer Stück für Stück eingängig präsentiert wird. Im Mittelpunkt steht dieses Mal Grabert, welchem Kommissar Keller unterstützend zur Seite steht, ihn quasi mit beinahe rhetorischen Fragen in richtige Bahnen lenkt, falls es denn sein muss. Hierbei handelt es sich um eine durchaus überzeugende Variante, bei der im Endeffekt jedoch ein bisschen zu wenig Spannung vermittelt wird. Von den beteiligten Personen sind schnellstens brauchbare Psychogramme gezeichnet, sodass sich der Kreis der Verdächtigen schließt. Auffallend in dieser Folge sind die emotionalen Anflüge der Ermittlerfiguren: Grabert findet den LKW-Fahrer beispielsweise »zum Kotzen«, Kommissar Keller fragt sich, was die Ermordete nur an dem Verdächtigen gefunden habe und behandelt ihn, wie etwa Jan Hendriks, bei den Befragungen teils abschätzig, fungiert letztlich weniger als Zuhörer und erspart sich in manchen Situationen seine übliche Sachlichkeit. Diese Modifikation wirkt insgesamt sehr erfrischend, und der Zuschauer bekommt einen Einblick in die Arbeit, die auf Dauer sicherlich aushöhlt, weil man es immer wieder mit den gleichen Leuten und den selben Fällen zu tun hat. Außerdem ist noch zu bemerken, dass sich die beiden wirklich gut verstehen. Die Besetzung zeigt sich hier insgesamt in guter Spiellaune. So zum Beispiel Paul Albert Krumm, prädestiniert für Rollen rund ums psychologische Klischee, der dem Vernehmen nach zu den Männern gehöre, die weinen, wenn sie lieben.

Mit seiner Frau ist er emotional an seine Grenzen gestoßen und es wäre ihm durchaus zuzutrauen, dass er seiner Qual selbst ein Ende gemacht hat, ihr folglich in einer Ausnahmesituation einfach den Hals umgedreht hat. Jan Hendriks, der in der Raststätte kellnert, erwähnte in einem Nebensatz, dass sich die Ermordete komischerweise nur für ihn nicht interessiert habe, aber für alle anderen Männer, oder Arthur Brauss, dem die Damen seit jeher scharenweise nachgelaufen sein sollen. Trotz eindimensionaler Zeichnungen sind die Rollen überzeugend interpretiert. Ellen Umlauf, ein Multitalent für die Darstellung unterschiedlichster Rollen und jeder Milieustudie, als neugierige Bedienung, die von Keller permanent herumgeschickt wird, ist stets eine Bereicherung. Als der Vater der Toten den Kommissar schließlich bittet, seiner Frau keine Details zum Mord zu erklären, erwartet man eine am Boden zerstörte, eingeschüchterte und schwache Frau. Plötzlich taucht jene Frau Kettler in persona von Alice Treff auf und man ist verblüfft über deren Stärke und nüchterne Ansichten. Was in diese folge unterm Strich vielleicht so tragisch macht, ist, dass es im Verlauf keine einzige Träne für die Tote gibt, auch nicht von ihren eigenen Eltern, obwohl die Mutter wenigstens ein spätes und eindringliches Plädoyer für ihre Tochter hält. Alice Treff überrascht mit der besten schauspielerischen Leistung der Gastdarsteller. Zum Finale der Episode versammeln sich alle Verdächtigen, es gibt nochmals ein unerwartetes Hinzukommen einer Person, die den entscheidenden Hinweis liefert. Am Ende kommt es zu einer zufriedenstellenden Auflösung. "Die Tote im Dornbusch" stellt kein großes Highlight der Reihe dar, punktet aber mit solidem Niveau in allen Bereichen.

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Re: DER KOMMISSAR

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● FOLGE 05 | EIN MÄDCHEN MELDET SICH NICHT MEHR (D|1969)
mit Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Fritz Wepper, Emely Reuer, Helma Seitz
Gäste: Monika Peitsch, Til Erwig, Peter Schlaetel, Günther Ungeheuer, Josef Fröhlich, Rudolf Schündler, u.a.
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Regie: Theodor Grädler



Was ist los mit Gerda Stein? Diese Frage stellt sich insbesondere Gerdas Vater, der Schuldirektor ist, denn sie reagiert sein langer Zeit nicht mehr auf Anrufe und auch die gewohnten Briefe bleiben ungewöhnlicherweise aus. In ihrer Wohnung kommt es zu der entsetzlichen Gewissheit, dass sie ermordet wurde. Die Herren von der Polizei nehmen die Ermittlungen auf, aber erst eine rätselhafte Nachricht bringt Kommissar Keller auf eine heiße Spur. Ein anonymer Anrufer beschwört die Polizei förmlich, eine Person namens Tanieff zu suchen. Handelt es sich um einen sachdienlichen Hinweis oder wollte man nur eine falsche Fährte legen..?

Theodor Grädlers "Ein Mädchen meldet sich nicht mehr" verfügt zunächst schon einmal über eine sehr starke Anfangssequenz, die mit dem Präsentieren der Toten, aber vor allem der Reaktion des Vaters, sehr gelungen ist. Die Ermittlungen beginnen, das Publikum verspürt bereits in dieser frühen Phase der Serie eine überzeugende Routine, die allerlei herkömmliche Abhandlungen nach sich ziehen. Von seiner Tochter hat der Vater ein vollkommen verzerrtes Bild, denn sein kleines Mädchen führte offenbar ein Leben, welches ihm total fremd war und das er sich nicht hätte träumen lassen. Nach und nach kommt es zu unschönen Gewissheiten, die das Andenken der Toten negativ prägen werden, allerdings wird bei dieser Gelegenheit auch ein erstes Motiv geliefert. Schnell verfügt Episode 5 über eine aussagekräftige Zeichnung der Toten, auch ihr Umfeld ist praktischerweise schnell abgegrast, innerhalb dessen Radius man es mit jungen Leuten zu tun bekommt, die in ihren Darstellungen insgesamt leider ziemlich blass und vergleichsweise undifferenziert wirken. Im weiteren Verlauf festigt sich zudem der Eindruck, dass es Kommissar Keller nur mir einer seiner leichtesten Fingerübungen zu tun hat, was die immer deutlicher schwindende Geheimnis dieser Folge letztlich komplett unterwandert. Unter der Regie von Theodor Grädler bleiben wichtige Voraussetzungen wie Spannungsaufbau und ein thematischer Transfer beinahe vollkommen auf der Strecke, sodass sich das Szenario ungelenk bis zum Ende schleppt. Eine Geschichte über junge Leute, Drogen und Klischees - in diesem Zusammenhang gab es bestimmt schon überzeugendere Ausarbeitungen.

Monika Peitsch, die so gut wie immer gute Figur in unterschiedlichsten Einsatzgebieten macht, kann hier leider nicht wie üblich auftrumpfen. Ihre Darstellung einer jungen Frau, der es dem Empfinden nach gerade recht kam, dass sich ihre ehemalige Freundin in Nichts aufgelöst hat, wirkt in ihrer Vorgehensweise plump und dem Empfinden nach naiv. So handelt es sich um keine sehr dankbare Rolle für die begabte Interpretin, der anzusehen ist, dass sich keine adäquaten Mittel aufgetan haben, ihre Vera mit einem doppeltem Boden auszustatten. So bleibt ein unpräziser oder sogar diffuser Eindruck zurück. Til Erwig und Peter Schlaetel sollen angeblich das Gefallen der Ermordeten Gerda Stein gefunden haben, die der Zeichnung nach zweifellos ganz andere Kaliber für sich hätte interessieren können. Es entstehen schwache Bilder eines übernervösen, unsicheren Snobs, der nur Frauen gegenüber eine harte Hand zeigen kann, und einer den Drogen verfallenen, gescheiterten Existenz, die kaum überzeugend dargestellt wird. Selbst Günther Ungeheuers Rolle wirkt zu überfrachtet, sodass die potentiell hochkarätige Besetzung leider über weite Strecken enttäuscht. Die Arbeit der Ermittler wirkt hingegen grundsolide und vermittelt nach wenigen Folgen bereits eine überzeugende Konstante, vor allem bezüglich der Interaktion. "Ein Mädchen meldet sich nicht mehr" ist eine der schwächeren Kommissar-Folgen geworden, die trotz ambitionierter Passagen nichts Extravagantes und Neues zu bieten hat, darüber hinaus auch inszenatorisch einen Rückschritt darstellt. Es werden definitiv wieder fesselndere Fälle folgen und schnell über die Langatmigkeit dieser Grädler-Folge hinweg trösten.

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Re: DER KOMMISSAR

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● FOLGE 06 | DIE PISTOLE IM PARK (D|1969)
mit Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Fritz Wepper, Emely Reuer, Helma Seitz
Gäste: Marianne Koch, Peter van Eyck, Rose Renée Roth, Hermann Lenschau, Richard Rüdiger
hergestellt durch die Neue Münchner Fernsehproduktion | im Auftrag des ZDF
Regie: Wolfgang Becker



Georg Wegener sucht Kommissar Keller auf. Der reiche Geschäftsmann hat einen Erpresserbrief erhalten und soll einem Unbekannten die Summe von DM 100 000 zahlen, außerdem wurde auf seinem Anwesen bereits auf ihn geschossen. War es nur ein Warnschuss, weil er der Zahlungsforderung nicht nachgekommen ist, oder muss Wegener um sein Leben fürchten? Die Polizei nimmt den Fall eher skeptisch zur Kenntnis, doch schon am nächsten Tag wird die Mordkommission zu Herrn Wegener gerufen. Es ist tatsächlich ein Mord geschehen und es scheint, als habe man versehentlich den Gärtner erschossen. Was steckt tatsächlich hinter dieser tödlichen Verwechslung..?

Wolfgang Beckers "Die Pistole im Park" kann zweifellos zu den frühen Klassikern der noch jungen Serie gezählt werden und in Folge 6 entfaltet sich eine überraschend packende Kammerspiel-Atmosphäre, die von auffälligen Allüren der wenigen Personen dominiert wird. Nach dem Besuch Wegeners wird ein bevorstehender Mord in Kommissar Kellers Büro quasi angekündigt, der wenige Zeit später auch folgen soll. Das Publikum muss sich daher erst einmal neu orientieren, was letztlich auch ziemlich schnell vonstatten gehen kann, allerdings verläuft nicht alles so simpel und reibungslos, wie gedacht. Die beteiligten Personen leisten höchste Widerstände und verschleiern das Motiv in bemerkenswerter Art und Weise. Daher lautet die interessante Frage in dieser Geschichte nicht, wer den Mord letztlich begangen hat, sondern wie der Täter geschnappt werden kann. Heines bekommt diese schwierige und manchmal aussichtslos wirkende Aufgabe zugeteilt, der stets korrekt und sachlich vorgeht und daher wenig nach links und rechts schaut. Bei so viel Reibungsfläche ist es natürlich vorprogrammiert, dass er mit dem hochmütigen Wegener nicht auskommen und permanent mit ihm aneinander geraten wird. Die Schauplätze charakterisieren die Episode besonders gut. Eine feudale Villa inmitten einer weitläufigen Parkanlage, gekoppelt mit der erlesenen Ausstattung im Haus, zeigen die Vermögensverhältnisse des Kaufmanns. Im Kontrast dazu wirken die Räumlichkeiten der Mordkommission überaus spartanisch und beinahe schäbig. Trotz der nur übersichtlichen Anzahl von Personen, baut sich eine hoch brisante Atmosphäre auf. Eine der interessantesten Rollen innerhalb der kompletten Serie ist vielleicht die der Privatsekretärin Hannelore Krems geworden, die Marianne Koch überaus beeindruckend darstellt. Gezeichnet wird eine Frau, die sich ständig selbst im Schutzgriff hält, ihre Beherrschung dabei nie zu verlieren pflegt.

Da sie vom Drehbuch nicht mit sichtbaren emotionalen Ausbrüchen ausgestattet ist, obliegt es dem Zuschauer zu erahnen, was sich hinter dieser Fassade abspielen könnte. Gerade Marianne Kochs späte Rollen markieren mitunter die faszinierendsten ihrer Karriere, da sie sich buchstäblich von Rollen-Abos freispielen konnte. Peter van Eyck hat es seiner Ansicht nach lediglich mit Personal oder besser noch mit Untergebenen zu tun und sein Wunsch ist stets Befehl. Seine ersten Szenen bei Kommissar Keller zeigen umgehend, mit wem man es zu tun hat. Der Geschäftsmann reagiert ungeduldig und arrogant, es scheint ihn sogar zu brüskieren, dass er mit Heines, der ja nur Mitarbeiter des Kommissars ist, ermittlungstechnisch die zweite Wahl zur Verfügung gestellt bekommt. Gegenüber der Polizei äußert er direkt oder indirekt immer wieder seine Unzufriedenheit bezüglich des Gesamtverlaufs, außerdem seine Zweifel an den Kompetenzen insgesamt. Rose Renée Roth, die oft eher abschreckend als einladend wirkt, kann als eingeschüchterte Haushälterin positiv überraschen. Der komplette Fall wirkt trotz mancher vorhersehbaren Komponenten überzeugend und vor allem raffiniert erzählt und die Arbeit sowie das Zusammentragen von Indizien erweist sich als große Stärke dieser Folge, obwohl dies hin und wieder ein paar Längen fabriziert. Glücklicherweise tauchen plötzlich und immer wieder spannende Sequenzen auf, die es verstehen mitzureißen. Die Frage, wer von diesen Herrschaften zuerst umkippen wird, unterstützt den Fall hervorragend. Im mit Spannung erwarteten Finale kommt es zu einer von Kommissar Kellers eindrucksvollsten Demonstrationen und die Zeit rennt buchstäblich davon. Wolfgang Becker steuerte eine sehr starke Folge über unsichtbare Kämpfe und einseitige Interessen bei, die immer wieder Spaß macht, da man einer Person schließlich gegen noch eindrucksvoll dabei zusehen kann, wie sie mit einem gönnerhaften Lächeln aufs Schafott steigt.

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Prisma
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Re: DER KOMMISSAR

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● FOLGE 07 | KEINER HÖRTE DEN SCHUSS (D|1969)
mit Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Fritz Wepper, Helma Seitz
Gäste: Erika Pluhar, Marianne Hoppe, Ernst Fritz Fürbringer, Walter Rilla, Peter Fricke, Michael Hinz, u.a.
hergestellt durch die Neue Münchner Fernsehproduktion | im Auftrag des ZDF
Regie: Wolfgang Becker



Ewald Kersky, ein Mitarbeiter des renommierten Juweliergeschäfts De Croy, wird tot in seinem Wagen aufgefunden. Er wurde erschossen. Kersky führte Rohdiamanten im Wert von 450.000 D-Mark mit sich, die nun spurlos verschwunden sind. Alles deutet auf einen Raubmord hin, doch niemand kann sich daran erinnern, den tödlichen Schuss gehört zu haben, da sich in der Nähe eine Baustelle befindet und die Baumaschinen diesen offensichtlich übertönt haben. Bei den Ermittlungen bekommt es Kommissar Keller mit teils eigenartigen Personen aus dem Umfeld des Opfers zu tun. Wird das Tatmotiv in dieser skurrilen Gesellschaft auftauchen und steckt mehr dahinter als das Motiv Raub..?

Bei "Keiner hörte den Schuss"handelt es sich um eine relativ schnörkellose, beziehungsweise ganz klassische Krimi-Unterhaltung, die im frühen Stadium der Serie zu den Hinguckern zählt. Zunächst bekommt es der Zuschauer es mit einem rätselhaften Mord zu tun und anschließend werden die Personen empfindlich durchleuchtet, sodass sich schnell einige Abgründe auftun können. Die Ermittlungen fallen erneut durch Transparenz auf und am Ende sollte erwartungsgemäß eine raffinierte Falle zuschnappen, aus welcher der Täter nicht mehr entkommen sollte. Im Gesamtverlauf bekommt man es nicht einmal mit absoluter Hochspannung, sondern eher mit einer soliden, gut nachvollziehbaren Konstruktion zu tun, die sogar das Potenzial birgt, den Zuschauer nachdenklich zurück zu lassen, da sich Vieles auf psychologischer ebene abzuspielen scheint. Im Zentrum des Geschehens steht die Frau des Ermordeten und verweist das Raubmotiv schnell in die zweite Reihe. Insgesamt hat man es unter der Regie von Wolfgang Becker mit einer rundum gelungenen Atmosphäre zu tun, die künstliche Atmosphäre der Modewelt mit all ihren Schaufensterpuppen oder den vielen auflockernden Außenaufnahmen sorgen für willkommene Abwechslung innerhalb eines thematischen Vakuums. Vor allem die Darstellungen der Personen sind in dieser Episode sehr überzeugend ausgefallen. Erika Pluhar, die leider viel zu sporadisch im Fernsehen und Kino dieser Zeit zu sehen war, spielt die oberflächliche und unempfindlich wirkende Witwe des Ermordeten mit höchster Präzision. Eva Kersky, dass attraktive Mannequin, stellt das anziehende Licht dieser Folge dar, um welches die Männer aus unterschiedlichsten Gründen schwirren. Dass es sich bei ihr nur um eine schöne, aber völlig leere Hülle handelt, scheint ihre Interessenten nicht sonderlich abzuschrecken, sodass Eva immer eines männlichen Rückhalts sicher sein kann, den sie eigentlich gar nicht nötig hätte.

Besonders eindringlich gestalten sich die Befragungen durch Kommissar Keller, in denen sich Abweichungen in der sonst so perfekten Choreografie der Witwe Kersky zeigen. So kommt es zusehends zu ungeduldigen Tendenzen, die nicht selten mit patzigen Antworten bis hin zu sarkastischen Kommentaren innerhalb der nicht vorhandenen Trauer garniert werden. »Alles in mir ist wie gelähmt«, berichtet das Fotomodell teilnahmslos, und es ist, als könne man ein spöttisches Lächeln in ihrem Gesicht wahrnehmen. Sie ist die Frau, die sich immer mit dem besten Angebot arrangieren wird, und diese Frage wird hier anschaulich erörtert. Eine kämpferisch wirkende Marianne Hoppe bietet eine sehr gute und bodenständige Leistung an, die man nicht anders von ihr gewöhnt ist, Ernst Fritz Fürbringer als verzweifelter Vater des Toten schwingt sehr eindrucksvoll Hasstiraden gegen seine Schwiegertochter und beschimpft sie als »Luder« und »Mörderin«. Diese Rolle steht ihm sehr gut, doch man hätte ihm ruhig deftigere Umschreibungen in den Mund legen dürfen, um seiner ohnehin temperamentvollen Leistung den letzten Schliff zu geben. Des Weiteren ist Walter Rilla in einer seiner Paraderollen als Juwelier de Croy zu sehen, genau wie der Helmut Berger des deutschen TV, Peter Fricke, als sein unselbstständiger und völlig nervöser Sohn. Das starke Schauspiel-Ensemble verhilft Wolfgang Beckers Episode zur halben Miete, was durch die sichere Hand des Regisseurs vervollständigt wird. Das Finale ist hier überaus beeindruckend ausgefallen und lässt alle anderen Beteiligten der Geschichte etwas nachdenklich hinter einer bestimmten Person herblicken - dem Publikum dürfte es nicht anders gehen. "Keiner hörte den Schuss" empfiehlt sich als tolles Gesamtpaket, das mit überraschenden Kontrasten und dem Unvorhersehbaren auftrumpfen kann, wenngleich sich dies nicht unbedingt auf den Kriminalfall bezieht. Dennoch genießt Folge 7 traditionell einen hohen Stellenwert und ist überaus gerne gesehen.

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Jokerfive
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Re: DER KOMMISSAR

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Die Modenschau-Szene in „Keiner hörte den Schuß“ ist mit illustren Figuren besetzt: man sieht Amanda Lear, Patti Boyd (war 1969 mit Beatle George Harrison liiert), Kari-Ann Muller (verheiratet mit Chris Jagger, Mick Jaggers Bruder) und eine Dame namens Gil Gerroway (weniger prominent).
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(Patti Boyd und Kari-Ann Muller)

Als Soundtrack in der Modenschau und als Leitmotiv in der ganzen Folge hört man „On the Road Again“ von Canned Heat:

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Prisma
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Re: DER KOMMISSAR

Beitrag von Prisma »

Danke für die zusätzlichen Anmerkungen, die Models waren für mich so gut wie in allen Fällen kein Begriff. Die Bilder unterstreichen aber die auffällig künstliche Atmosphäre, die unbestimmt darauf hinweist, dass hier etwas nicht in Ordnung ist, was Erika Pluhar ganz besonders stark befeuern kann. Interessant auch, dass sich in diesem frühen Stadium der Serie schon etwas Extravaganz ausmachen lässt. So bleiben die Folgen dynamisch, auf ihre besondere Weise spannend und in Einzelfällen sogar etwas skurril.

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Re: DER KOMMISSAR

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● FOLGE 08 | DER TOD FÄHRT 1. KLASSE (D|1969)
mit Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Fritz Wepper, Emely Reuer, Helma Seitz und Rosemarie Fendel
Gäste: Franz Schafheitlin, Martin Lüttge, Hans Jaray, Nikolaus Paryla, Wolfried Lier, Harry Engel, Leo Bardischewski, u.a.
hergestellt durch die Neue Münchner Fernsehproduktion | im Auftrag des ZDF
Regie: Wolfgang Becker



Ein Nachtschnellzug kommt in München an. Eine junge Frau, deren Gesicht hinter ihrem Mantel verborgen ist, wird vom Schaffner zum Verlassen des Zuges aufgefordert, doch sie reagiert nicht. Beim genauerem Hinschauen stellt sich heraus, dass die Frau tot und offensichtlich ermordet worden ist. Wenig später wird ein junger Mann auf dem Bahnhofsgelände gefasst und die Überraschung ist allseits groß, da er umgehend gesteht, der Mörder der jungen Frau zu sein. Bei den Erhebungen bringt der vermeintlich eindeutige Fall schnell einige Ungereimtheiten zu Tage, denn im selben Zug soll es schon zu mehreren Mordanschlägen gekommen sein. Hat man es tatsächlich mit einem Serientäter zu tun..?

Das unverwechselbare Ambiente Zug. Ereignisse rund um den Dreh-und Angelpunkt Bahnhof oder Verfolgungsjagden über Abstellgleise. Vorbeirauschende Züge. Hektik. Regisseur Wolfgang Becker bietet in dieser achten Folge ein Panorama an, das seine Anhänger thematisch und optisch seit jeher fesseln konnte. Bei einer Mord-Geschichte sind es gerade die Zugabteile, die ein gefährliches Vakuum repräsentieren, aus dem es oft kein Entkommen für gewisse Personen und Emotionen gibt, vorausgesetzt die Dramaturgie meint es nicht besonders gut mit ihnen. Ein Bündeln der Spannung sorgt auch hier für einige Initialzündungen, da die Gefahr in jedem Abteil lauern könnte, sodass der Mörder ein betont diffuses Profil besitzt und auch lange beibehalten kann. Inszenatorisch bestehen einige gute Grundvoraussetzungen für Krimi-Unterhaltung nach Maß und unter der routinierten Regie von Wolfgang Becker ist eine streckenweise richtig packende Episode mit vielen Eigenmerkmalen entstanden, die sehr viel aus ihrer örtlichen Limitierung herausschlagen kann. Wie in einigen Vorgängern auch, sind hier ebenfalls neue Kniffe und Variationen zu entdecken, wie beispielsweise gewisse Eigenmächtigkeiten der Mitarbeiter von Kommissar Keller, oder dass sich ein zunächst lediglich Verdächtiger im Handumdrehen als Mörder präsentiert und regelrecht anbiedert, was nicht nur die Polizei, sondern auch das Publikum irritiert und überaus misstrauisch werden lässt. Bezüglich mancher Personen kommt noch ein Hauch mehr glaubhafte Tragik hinzu, damit die zu diesem Zeitpunkt noch junge Serie aktuell, frisch und interessant bleibt. Besetzungstechnisch mag "Der Tod fährt 1. Klasse" vielleicht auf den ersten Blick nicht so viel wie manche interne Konkurrenten hergeben, allerdings entfaltet sich eine ganz besondere Dynamik unter den Interpreten, die für Überzeugung und Nachhaltigkeit sorgt, daher auch in auffälligem Maß in Erinnerung bleiben kann.

Früheren Folgen hat es immer sehr gut gestanden, wenn Crew-Mitglied Emely Reuer nicht nur für das Diktat zuständig war, dementsprechend etwas mehr in den Fokus gerückt wurde und Gedankengänge anzubieten hatte, die mehr von Intuition als Pragmatismus geprägt waren. So kann sie ihr Talent in als hilfreiche Mitarbeiterin und gute Darstellerin dieser Folge unter Beweis stellen und ist in einem sehr interessanten und für die Story nicht unwichtigen Part sehen, der die Spannung gegen Ende hin auf die Spitze zu treiben vermag. Franz Schafheitlin als Kriminalrat hebt indirekt die Kompetenzen und Tugenden von Kommissar Keller hervor, wirbt bei dieser Gelegenheit quasi für seine eigenen undifferenzierten Ansichten und ist der Meinung, dass es sich bei jemandem der schon freiwillig gesteht ein Mörder zu sein, auch tatsächlich um einen solchen handeln muss. Schafheitlin hätte ruhig häufiger als unbequemer Gegenpol in manche Fälle mit eingebaut werden können. Martin Lüttge als Kellner der Zugabteile wirkt sehr überzeugend, da er auch nicht richtig einzuschätzen ist, was aber für das komplette Zugpersonal zutrifft. Hans Jaray und Nikolaus Paryla als Vater-Sohn-Gespann agieren in schauspielerischer Hinsicht sehr glaubhaft, jedoch wirkt der Hintergrund, der das Handeln erklären soll, weniger überzeugend. Die vielleicht größte Stärke von "Der Tod fährt 1. Klasse" ist schließlich in der hervorragenden Architektur der Inszenierung zu finden. Tempo entsteht durch von Innen und Außen gefilmte Zugfahrten, Spannung durch Verfolgungen mit atmosphärischen winterlichen Außenaufnahmen, die teils gespenstisch wirken, und eine Falle sowie ein fataler Denkfehler gegen Ende bilden den nötigen Twist, welcher Lebensgefahr mit sich bringt. Eine waghalsige Aktion in Eigenregie, bei der man fast einen Sekundenzeiger ticken hören kann, empfiehlt sich letztlich wie ein Resümee dieser Folge. Nicht nur der Tod, sondern auch der Zuschauer, fährt mit Wolfgang Beckers Gespür hier erste Klasse.

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Re: DER KOMMISSAR

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● FOLGE 09 | GELD VON TOTEN KASSIEREN (D|1969)
mit Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Emely Reuer, Helma Seitz, Rosemarie Fendel
Gäste: Siegfried Lowitz, Eva Brumby, Götz Burger, Monika Zinnenberg, Hartmut Reck, Kurt Jaggberg, u.a.
hergestellt durch die Neue Münchner Fernsehproduktion | im Auftrag des ZDF
Regie: Georg Tressler




Eine Einbruchserie gibt viele Rätsel auf. Einem maskierten Dieb gelingt es immer wieder, kleinere Bankfilialen zu überfallen und auszurauben. Dabei wird immer nach dem gleichen Strickmuster vorgegangen. Auffällig ist auch, dass der maskierte Einbrecher, der seine Opfer mit vorgehaltener Pistole bedroht, stets genauere Kenntnisse über die dortigen Gegebenheiten haben musste. Schnell wird ein Verdächtiger namens Kranz ausgemacht, der vor kurzem aus der Haftanstalt entlassen wurde. Alles passt zusammen, doch dann geschieht ein Mord bei einem der Überfälle, was keineswegs zum Profil des Ex-Sträflings passt. Hat er sich hinter Gefängnismauern etwa umorientiert..?

Episode 9 behandelt einen überaus klassischen Kriminalfall und ist darüber hinaus am leichten Anreißen einer Milieustudie interessiert. So möchte sich zumindest der allererste Eindruck aufdrängen. Im Verlauf wird allerdings klar, dass der jüngst geschehene Mord gar nicht einmal so sehr im Vordergrund stehen wird, sondern die Verwicklungen der Personen untereinander. Außerdem soll die Frage geklärt werden, ob ein Vorbestrafter rehabilitiert werden kann. Dieses Konzept funktioniert unter der Regie von Georg Tressler recht gut, denn man hat es mit einem straffen Erzähltempo zu tun. Vor allem bekommt man es aber mit einem hervorragenden Siegfried Lowitz zu tun, der diese Folge mit seinem Charisma regelrecht aufmöbeln kann. Die aussagekräftigen und atmosphärischen Schauplätze charakterisieren das Umfeld, in welchem angeblich Verbrecher und gescheiterte Existenzen fabriziert werden, sehr ordentlich. "Geld von toten kassieren" veranschaulicht ein überaus interessantes Vakuum in einer Familie, die es über den harten Weg lernen musste, sich komplett alleine durchzuschlagen, und plötzlich vor einem neuen Problem steht, das gleichzeitig das alte ist. Alte Schwierigkeiten tauchen wieder auf und es kommt zu einer Umkehrreaktion, die Kranz kaum bewältigen kann. So stellt es mittlerweile tatsächlich ein Problem dar, dass Kranz wieder da ist. Seine Frau pflegt mit dieser Situation umzugehen, wie sie es mit dem ganzen Leben tut: sie nimmt hin, hält aus, lässt sich von Resignation lähmen, was sehr überzeugend von Eva Brumby dargestellt wird. Die gemeinsamen Kinder müssen ab sofort mit einem völlig Fremden unter einem Dach leben, sodass Spannungen vorprogrammiert und Konfrontationen unausweichlich sind, vor allem weil Herr Kranz sich immer noch in der Rolle des Hausherrn sieht.

Die passende Interpretation hierzu liefert ein wie üblich hervorragend agierender Siegfried Lowitz, der anscheinend in jedem erdenklichen Metier zu Hause sein konnte. Auch hier demonstriert er eine perfekt abgestimmte Anpassungsfähigkeit an widrigste Bedingungen. Betrachtet man den unruhigen, nervösen und in vielen Phasen impulsiv wirkenden Mann, traut man ihm vielleicht nicht unbedingt einen Mord zu, aber vor dem durchleuchteten Familienhintergrund ist eine wahrscheinliche und diesbezügliche Verwicklung deutlich vor Augen zu sehen. Er möchte wieder gutmachen, er will der Frau und den Kindern etwas bieten können, doch kann er bis zur letzten Konsequenz auch das Vorbild sein, das er gerne wäre? Diese Fragestellungen werden hier sehr anschaulich aufgerollt und erörtert. Einige weitere Personen wie beispielsweise Hartmut Reck oder Kurt Jaggberg symbolisieren die dunkle Vergangenheit des Herrn Kranz und halten sie über den kompletten Verlauf auch brandaktuell, sorgen außerdem für eine spürbare Verwirrung beim Zuschauer. So kann sich ein Puzzle nach und nach zusammenfügen, bei dem es ganz in "Kommissar"-Manier zu einigen interessanten Überraschungen kommen wird. Auch wenn man auf ein recht originell gebahntes Finale blicken kann und der Weg dort hin immer wieder mit einigen Kehrtwendungen ausgestattet worden ist, lässt sich eine gewisse Vorhersehbarkeit nicht immer leugnen. Unterm Strich stellt "Geld von toten kassieren" eine solide Folge der noch jungen Serie dar, die unter der Regie von Georg Tressler einen überzeugenden Schliff bekommen und sehr dichte charakterliche Zeichnungen zu bieten hat. Die Schauspieler tun ihr Übriges dazu und man kann von sehenswerter Unterhaltung sprechen, die vor allem durch ihren klaren Aufbau überzeugen kann.

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Re: DER KOMMISSAR

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● FOLGE 10 | SCHREI VOR DEM FENSTER (D|1969)
mit Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Fritz Wepper
Gäste: Maria Schell, Eva Ingeborg Scholz, Veit Relin, Doris Kiesow, Gunther Beth, Stella Mooney, u.a.
hergestellt durch die Neue Münchner Fernsehproduktion | im Auftrag des ZDF
Regie: Dietrich Haugk




In der Wohnung der bekannten Schauspielerin Irene Pauli spielen sich verdächtige Dinge ab. Der Hausmeister geht der Sache nach, denn er will einen Schuss gehört haben, und tatsächlich ertappt er einen jungen Mann auf frischer Tat, der die Mordwaffe noch in der Hand zu halten scheint. Bei dieser Person handelt es sich um den Sohn der Schauspielerin, der sich Hals über Kopf auf die Flucht begibt. In böser Vorahnung entdeckt der Hausmeister den Ehemann der Pauli - er wurde erschossen. Eine Großfahndung nach dem mutmaßlichen Mörder beginnt und der Fall scheint völlig klar zu sein. Braucht Kommissar Keller nur noch zuzuschnappen oder handelt es sich um ein Komplott..?

Maria Stuart verlässt die Bühne und somit das Schafott. Die Garderobiere ist ihr behilflich, das Kostüm und die Accessoires abzulegen, und hinter dieser Fassade erscheint Weltstar Maria Schell, die diese zehnte Folge eindrucksvoll dominieren wird. Diese denkwürdige Anfangssequenz steckt bereits voller Symbolik, die diese zehnte Folge insgesamt charakterisieren wird. Das Konzept Schauspieler spielt Schauspieler kann meistens eine besondere Wirkung entfalten, da es die Aufmerksamkeit anregt und wie hier die Interpretationsgabe der jeweiligen Akteure nochmals hervorhebt. Spielt sich Maria Schell hier also selbst? Eher kann gesagt werden, dass sie eine hervorragende Schauspielerin spielt. Der "Schrei vor dem Fenster" ertönt und lässt den Zuschauer für einen Moment lang den Atem anhalten. Verzweifelt und hilflos ruft der Sohn der Pauli kurz aber ergreifend: »Mutter, Mutter!«. Ist es der Hilferuf eines Mörders oder eines Gejagten? Der Beschützerinstinkt einer sorgenden und dominanten Mutter erwacht, und sie wird alle sich bietenden Mittel ergreifen, um ihren Sohn, den angeblichen Mörder seines Stiefvaters, zu entlasten. Sie manipuliert, diskreditiert, befiehlt, befragt und vielleicht lügt sie sogar. Somit wird es zur interessantesten Frage dieser Episode, ob Frau Pauli eine Rolle spielt oder nicht. Das Mordmotiv an sich liegt beim Durchleuchten des Ermordeten schnell auf der Hand. Es hat einen Tyrannen und moralisch Verkommenen erwischt, der sich obendrein in zweifelhaften Kreisen bewegt haben soll, und um den es nicht gerade sehr schade sei, wie etliche Personen des Szenarios bestätigen. Wie Kommissar Keller richtig anmerkt, ist von dem Toten nach kürzester Zeit überhaupt keine Rede mehr, was die Zweifel des Zuschauers schürt. So ist bei diesem recht simplen Kriminalfall diese permanente Misstrauensfrage an die involvierten Personen ganz originell und belebend, denn man fühlt sich so, als sei man selbst an den Ermittlungen beteiligt. Die Geschehnisse und die Vorgänge sind im Grunde genommen leicht herzuleiten und beflügeln die eigene Kombinationsgabe, sodass es sich zumindest in dieser Beziehung um eine Schmeichelfolge handelt.

Maria Schell spielt ihr ganzes Repertoire beeindruckend aus und punktet vor allem in einem unberechenbaren Spektrum zwischen Unempfindlichkeit und Hysterie. Ihr Mann ist tot, so ist es halt. Ihr Kind wird verfolgt, sie wird zur Furie. Ihre extremen Gefühlsschwankungen kommen nicht nur Kommissar Keller und seinen Kollegen spanisch vor, sondern auch dem verblüfften Publikum. Nicht nur, dass sie zu Beginn Befragungen wie beispielsweise beim Hausmeister durchführt und damit eindeutig ihre Kompetenzen mehrmals überschreitet, sie bietet auch permanent spekulative Tathergänge an, die Keller sichtlich Nerven kosten. Eva Ingeborg Scholz spielt ihre Schwester, und der Eindruck, dass sie darstellerisch total neben Maria Schell untergeht, überträgt sich 1:1 auf das Verhältnis der Schwestern zueinander. Veit Relin würzt die Folge mit herbem Zynismus und schmerzhaftem Realismus. Fast alle Personen fallen letztlich sehr unangenehm auf und könnten mit dem Mord einen Schlussstrich unter die Misere gezogen haben. Die Treibjagd durch die Polizei ist sehr eingängig in Szene gesetzt und es kommt zu einigen sehr spannenden Sequenzen, die jedoch immer wieder durch die Selbstinszenierungen einer Irene Pauli unterbrochen werden. Eine lustige Szene zur Auflockerung sieht man, als der gehetzte Berthold, der übrigens sehr gut von Gunther Beth gespielt wird, in ein getarntes Bordell flüchtet und eine Reihe von gerade arbeitenden Prostituierten aufschreckt. Immer wieder kommt es zur Veranschaulichung der Vorverurteilung durch die Massen, was sich insbesondere zum Finale hin zuspitzen wird, auch die charismatischen Schauplätze passen hervorragend in das verzwickte Gesamtbild. Am Ende ist Kommissar Kellers Resümee ebenso einfach wie beeindruckend, sodass die Folge "Schrei vor dem Fenster" insgesamt nur zu einer verhaltenen Wertung kommen wird. Es hätte tatsächlich ein perfekter Mord sein können, wenn da nicht erneut eine fatale Verkettung von Zufällen gewesen wäre. Dietrich Haugks rasant inszenierter Drahtseilakt greift auf eine ungewöhnlich offensive Theatralik zurück, die hier allerdings wie ein Elixier wirkt, bis der Vorhang endlich fällt.

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Prisma
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Re: DER KOMMISSAR

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● FOLGE 11 | DIE SCHRECKLICHEN (D|1969)
mit Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Fritz Wepper, Emely Reuer
Gäste: Helga Anders, Anita Höfer, Hans Schweikart, Karl Walter Diess, Dirk Dautzenberg, u.a.
hergestellt durch die Neue Münchner Fernsehproduktion | im Auftrag des ZDF
Regie: Zbyněk Brynych



Im Englischen Garten wird eine Leiche gefunden. Es scheint, als sei der Mann, der völlig betrunken gewesen war, in den Bach gestürzt und anschließend ertrunken ist. Bei der Suche nach der Kneipe, in der sich der Mann volllaufen ließ, stößt Kommissar Keller auf merkwürdige Personen die sich durch fadenscheinige und gegensätzliche Aussagen verdächtig machen. Zu ihnen gehören auch einige Rentner, die sich ihm gegenüber auffällig verhalten. Für den Kommissar wird nach dem Sammeln von Indizien schnell klar, dass es sich bei diesem Todesfall um keinen Unfall handeln kann. Er ist überzeugt, dass der Mann ertränkt und anschließend beraubt wurde. Beim Überwachen der Verdächtigen kommt es schließlich zu erstaunlichen Erkenntnissen...

Nach zehn mehr oder weniger charakteristischen, aber wenigstens überwiegend zufriedenstellenden Kriminalfällen innerhalb der Reihe, versuchte es Regisseur Zbyněk Brynych mit einer Art Kulturrevolution, die je nach Geschmack zu einem Kulturschock werden kann. Ein Debüt lässt Neuerungen und etliche brauchbare Qualitätsmerkmale vermuten, doch der Versuch, alles und vor allem das Rad neu zu erfinden, ist eine heikle Angelegenheit. Dass es der Zuschauer mit einer der launischsten und im Endeffekt misslungensten Folgen der fast hundertteiligen Serie zu tun bekommt, kristallisiert sich hier im Eiltempo heraus. "Die Schrecklichen" klingt wie eine außergewöhnliche und vielversprechende Ankündigung, entpuppt sich jedoch als Anfang einer ungemütlichen und unglaubwürdigen Strapaze. Die elfte Folge erweist sich als grundlegend diffus und lässt auch den Letzten das Vertrauen in das Zufallsprinzip verlieren, das ja häufiger Verwendung fand. Vollgestopft mit unwirscher Theatralik, fadenscheiniger und womöglich noch gesellschaftskritisch angelegter Untertöne und abverlangender Hysterie, versuchte man diese gar nicht einmal so schlecht im Bild eingefangene Episode als extravagant oder originell zu servieren. Sicher mögen das viele Anhänger auch so auffassen, denn diese Experimente des berüchtigten Regisseurs werden nicht selten als richtige Farbtupfer innerhalb einer oft festgefahren wirkenden TV-Landschaft wahrgenommen, doch nach persönlichem Ermessen ist dies leider nicht der Fall und es passierte genau das, was es bei TV und Film bestenfalls nicht geben sollte und viel fataler als Langeweile ist: Ausdauer und Geduld schwinden rapide und werden hart auf die Probe gestellt. In dieser Episode kann man wohl teilweise davon sprechen, dass die Besetzung lockt, bevor sie schockt. Das beste Beispiel ist die sonst immer so gerne gesehene Helga Anders, der man hier leider so gut wie in jeder Einstellung anmerkt, dass sie oftmals nur ziellos durch die abstruse Konstruktion, beziehungsweise ins offene Messer stolpert, oder eben wahlweise tanzt.

Es scheint, als könne sie nicht das Geringste aus diesem sinnlosen Theater herausholen. Im Fall Anders kann man es sich allerdings aussuchen, ob sie der Anforderung entsprechend passgenau spielt oder einer Unterforderung zum Opfer fällt, die sie bis dahin nicht gewöhnt war. Ihre eingeschüchterte Figur (die man vielerorts besser gesehen hat) wirkt im Geschehen deplatziert, da die Geschichte insgesamt nicht gut auf ihre Charaktere abgestimmt ist - oder auch umgekehrt. Die paraphrasierenden Dialoge wirken insgesamt erschwerend und es ist daher erstaunlich, dass Kommissar Keller diesen Fall schließlich lösen kann: notabene als Zuhörer. Sehr positiv fällt sein Zusammenspiel mit Anita Höfer auf, die eine der wenigen Personen im Geschehen ist, die eine gelungene Dosierung glaubhaft transportieren kann. Dirk Dautzenberg und Karl Walter Diess schließen sich zumindest im Bereich der glaubhaften Interpretation an. Dann wäre da noch die Clique der alten Herren, deren Darstellung in Richtung Karikaturen abdriftet. Ihr Gehabe ist nicht nur albern, sondern auch unmotiviert und ärgerlich zugleich. So geht der Folge die Spannung hauptsächlich verloren und entsteht leider nur, weil die Protagonisten dazu gezwungen sind, die Luft länger als nötig anzuhalten. Erstaunlicherweise kommt es - wenn man von der misslungenen Rahmenhandlung und der nervtötenden Musik einmal absehen kann - zu einem atmosphärischen und daher überzeugenden Finale, das sogar für einen kurzen Moment nachdenklich stimmt. Doch schnell merkt man wieder, in welcher Farce man sich eigentlich befindet, und freut sich über den Abspann, der ein baldiges Ende garantiert. Grabert gibt im Verlauf etwas zu Protokoll, das zu denken gibt: Irgend jemand soll »Lalle« gewesen sein und die Frage ist schlussendlich wer. Es ist erstaunlich, dass es in dieser Episode so schwerfällt, wie üblich eher die positiven Seiten der Medaille zu beleuchten. "Die Schrecklichen" versagt diesbezüglich auf ganzer Linie, und die Gesamteinschätzung für die Folge 11 kommt daher dem Titel verdächtig nahe, obwohl »schrecklich« hier schon wieder eine Auszeichnung wäre.

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Re: DER KOMMISSAR

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● HELGA ANDERS als HERTA PANSE in
DER KOMMISSAR - DIE SCHRECKLICHEN (D|1969)



In "Die Schrecklichen" sieht man nicht nur den den ersten Auftritt von Helga Anders bei "Der Kommissar", sondern auch den ersten von vier Beiträgen des insbesondere für diese Serie berüchtigten tschechischen Regisseurs Zbyněk Brynych. Berüchtigt deswegen, weil er hier und dort zweifellos für unkonventionelle, unorthodoxe und - böse Zungen behaupten sogar - unerträgliche Ausreißmanöver innerhalb klassischer Strukturen sorgte, außerdem wegen seiner speziellen Art der Schauspieler-Führung stets auffallen konnte. Am Beispiel Helga Anders wird diese Strategie mehr als deutlich, beugt sie sich dem Willen der Regie doch wo sie nur kann. Zunächst macht sich die Episode das bestehende Schulmädchen- und Lolita-Image der zierlichen Interpretin dienstbar und so spielt Helga Anders die Rolle eines Mädchens, welches erneut wesentlich jünger als Helga Anders sein sollte. »Wie mach' ich das eigentlich mit 'ner 17jährigen?«, hört man Fritz Wepper seine Kollegin fragen, die ihm pauschal berichtet, dass man nur originell sein muss, was immer das auch heißen mag. Aber zunächst zum ersten Auftreten der jungen Darstellerin, die seinerzeit ja bereits eine feste Größe in der deutschen Schauspiel-Landschaft gewesen ist. Herta Panse wird hier in eindeutiger Manier durch ihren Vater vorgestellt, gespielt von einem wie üblich aufbrausenden Dirk Dautzenberg, und dessen Tochter befindet sich allem Anschein nach im Würgegriff dieses einfältigen Cholerikers. Er denkt nicht nur für sie, sondern spricht auch für sie, was sich beim eigentlich nicht zustande gekommenen Verhör mit Sätzen wie »meine Tochter kennt den Mann nicht!« bemerkbar macht. Helga Anders schleicht der Situation entsprechend völlig verängstigt und angespannt im Szenario umher, und unterlegt ihre stets so bemerkenswerte Ausstrahlung mit Resignation und Traurigkeit, was allerdings später von der Regie aufgesprengt wird.

Um es direkt zu sagen: in "Die Schrecklichen" ist einer von Anders' schwächeren Auftritten wahrzunehmen, was allerdings nicht an ihrer Interpretation liegt, sondern am Diktat der Regie. So kann man Brynych erneut vorwerfen, dass er auch hier seinen liebsten Fehler beging, den Zuschauer und seine Darsteller zu unterschätzen. Aus welchem Grund sonst würde er immer wieder Emotionen und Stimmungen auf einem nicht zu übersehenden Silbertablett servieren? Helga Anders jedenfalls beugt sich den offensichtlichen Anweisungen souverän und ihr kann wenigstens einmal attestiert werden, dass sie eher solide funktioniert. Im späteren Verlauf, wenn Harry Klein am herausfinden ist, wie man 17jährige anpackt, geht Herta Panse aus sich heraus und legt ihre Anspannung zugunsten eines typisch Brynych'schen Gefühlsausbruchs ab, fängt also aus heiterem Himmel an zu tanzen und zu lachen, was zugegebenermaßen sehr nett anzusehen ist, wenngleich es auch völlig deplatziert wirkt. Im Rahmen von Gestik und Mimik berichtet sie unter dem typischen Repertoire der Helga Anders, dass sie endlich aus ihrem elterlichen Gefängnis fliehen möchte, indem sie den Polizisten mit der erfrischenden Direktheit eines Kindes fragt, ob er eine Wohnung habe, möglicherweise um zusätzlich zu demonstrieren, dass es sich bei ihr keineswegs mehr um ein kleines Mädchen handelt. Sowohl der genaue, als auch oberflächliche Blick auf die Dramaturgie dieser dreizehnten "Kommissar"-Geschichte zeigt, dass man im Zusammenhang mit Anders nur Eindrücke aus der Konserve und obendrein eine Rolle aufgetischt bekommt, die für das Geschehen eigentlich weitgehend überflüssig ist. Nichtsdestotrotz handelt es sich natürlich um ein insgesamt angenehmes Wiedersehen mit der sympathischen Schauspielerin, die unter Brynych aber leider vollkommen isoliert und nicht optimal eingesetzt wirkt, bei einer Gratwanderung zwischen Krampf und Tanz durch dieses unangenehme Fiasko.



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Prisma
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Re: DER KOMMISSAR

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● FOLGE 12 | DIE WAGGONSPRINGER (D|1969)
mit Erik Ode, Reinhard Glemnitz, Fritz Wepper, Emely Reuer, Helma Seitz, Rosemarie Fendel
Gäste: Peter Neusser, Erik Schumann, Ulli Kinalzik, Andreas Seyferth, Ralf Schermuly, Thomas Astan, u.a.
hergestellt durch die Neue Münchner Fernsehproduktion | im Auftrag des ZDF
Regie: Theodor Grädler



Ein Güterwaggon wird von einer Bande von Dieben geplündert. Sie verfolgen immer die gleiche Strategie, indem sie in einen fahrenden Zug einsteigen und die wertvolle Fracht hinauswerfen, die dann von ihren Komplizen eingesammelt wird. Beim ihrem jüngsten Coup wird einer der Männer jedoch tödlich verletzt. Als man den Toten in dem ausgeraubten Waggon findet, ist dieser wenig später jedoch verschwunden, noch bevor die Polizei eintrifft. Es vergeht einige Zeit, bis die Leiche auf einer Müllhalde gefunden wird. Kommissar Keller und seine Assistenten wollen die sogenannten Waggonspringer zur Strecke bringen, um weiteres Unheil zu verhindern...

Der Einstieg in diese von Theodor Grädler inszenierte Folge ist sehr rasant, denn die sogenannten Waggonspringer erobern einen der Güterwagen unter Einsatz ihres Lebens. Ein bedarf nur eines falschen Griffes und alles kann vorbei sein. Die gezeigten Bilder vermitteln eine nervöse Spannung, die durch die Akustik verstärkt wird. Interessanterweise kommt es bei so viel Gefahr soweit, dass man als Zuschauer mit den Dieben mitfiebert. Plötzlich kommt es zum besagten tödlichen Missgeschick, bei dem man zusammenzuckt, bevor man sich im Verlauf über die Kaltblütigkeit der Hintermänner wundern wird. Theodor Grädler zeigt hier ein sehr gutes Gespür bei seiner minutiös angelegten Arbeit, und der Fall ist von vorne herein transparent angelegt, macht den Zuschauer sozusagen zum Komplizen der Bande. Dabei handelt es sich um eine abwechslungsreiche Variante, die wegen eines beinahe durchgehend hohen Tempos überzeugen kann. Die Gruppe der Ganoven bekommt eine unterschiedliche Färbung und beschäftigt sich eingehend mit dem Thema des schwächsten Gliedes in der Kette, was gleichbedeutend mit einer erhöhten Gefahr für die Bosse und Beseitigung durch außerordentliche Maßnahmen bezüglich der Schwachstelle ist. Es werden junge Männer gezeigt, die als Handlanger fungieren und vom Chef ihre 500 DM für den jeweiligen Coup kassieren. Dies bringt sie in die Lage, im kleineren Rahmen nach den Sternen greifen zu können. Man kann sich einen Sportwagen leisten, seinem Mädchen etwas Besonderes außer der Reihe bieten und eben einfacher, um nicht zu sagen sorgenfreier leben. Dieses Konzept ist allerdings nicht gerade resistent gegen unkalkulierbare Komplikationen, sodass die Frage nach Geld oder Gewissen plötzlich im Raum steht. So wird einer nach dem anderen der Bande merken müssen, dass die empfundene Unabhängigkeit nur eine Basis hat: Man ist in ein eng gekettetes Abhängigkeitsverhältnis eingeschnürt worden, aus dem es kaum ein Entrinnen gibt.

Als Drahtzieher ist Erik Schumann zu sehen, der für diese Art von Rollen der richtige Mann ist. Seine perfide Art versetzt ihn in die Lage, dessen Männer im Griff zu haben und vor allem zu halten. Er kann Zweifel schüren und appelliert häufiger an eine Art Gruppenzwang, so führt er den jungen Männern auch immer wieder gerne ihre neuen finanziellen Möglichkeiten vor Augen und bringt sie indirekt wieder zur Räson. Er wirkt besonders gewissenlos und sein Prinzip, dass jeder im Endeffekt austauschbar ist, macht ihn sehr gefährlich, besonders wenn der eigene Kopf auf dem Spiel steht. Die Gruppe der Waggonspringer findet insbesondere durch Ulli Kinalzik und Ralf Schermuly eine sehr überzeugende Besetzung, und man sieht ihnen förmlich an, dass sie nach dem Tod ihres Kollegen eigentlich lieber aussteigen würden. Andreas Seyferth als Schwachstelle der Bande, ist für diese schwachen, oftmals ziellosen und verträumten Charaktere abonniert gewesen. Hier ist er der junge Mann, der mit der verschärften Situation nicht mehr klar kommt und schließlich um seinen toten Kollegen weinen wird. Die Szenen auf der hervorragend in Szene gesetzten Müllkippe sind ganz starke Momente dieser zwölften Episode. Peter Neusser als Kubiak, gibt einen der gewissenlosen Hintermänner ebenfalls sehr akkurat, besonders im Zusammenspiel mit Erik Schumann wirken beide nicht nur potentiell gefährlich, sondern wie die Macher von anderen Schicksalen und Existenzen. Auch der Kommissar wirkt im Verlauf nachdenklich es ist, als könne er selbst nach dreißig Dienstjahren mit Mord, Totschlag und Gewalt immer noch nicht begreifen, wie Menschen zu solchen Taten fähig sein können. So gibt er zu Protokoll, dass man doch ihre Denkweise unwillkürlich annehme. Das Finale dieser Folge ist packend und darüber hinaus hochspannend ausgefallen und der Zuschauer hört neben der beeindruckenden Musik von Peter Thomas förmlich einen Sekundenzeiger ticken. "Die Waggonspringer" ist als abwechslungsreiche Folge der Hochspannung sehr gelungen.

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