DER KOMMISSAR

Der Tummelplatz für alle Serienjunkies und Binge-Watcher!
Von DALLAS bis DENVER, vom TATORT in die LINDENSTRASSE über BREAKING BAD bis hin zu GAME OF THRONES.
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Prisma
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Re: DER KOMMISSAR

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● FOLGE 13 | AUF DEM STUNDENPLAN: MORD (D|1969)
mit mit Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Fritz Wepper, Emely Reuer, Helma Seitz
Gäste: Thomas Holtzmann, Renate Grosser, Vadim Glowna, Eva Kinsky, Hans Quest, Sigfrit Steiner, u.a.
hergestellt durch die Neue Münchner Fernsehproduktion | im Auftrag des ZDF
Regie: Theodor Grädler



Der Berufsschullehrer Dr. Dommel findet nach Beendigung seines Unterrichts eine seiner Schülerinnen in dessen Arbeitszimmer. Sie wurde offenbar ermordet. Einige seiner Schüler, die gemeinsam mir ihm die grausige Entdeckung machten, alarmieren die Kriminalpolizei. Sie sind es auch, die den unbeliebten Lehrer sofort als Hauptverdächtigen anprangern, da er offenbar ein Verhältnis mit der jungen Inge hatte. Anschuldigungen und Verdachtsmomente verhärten sich, bis ihn auch noch einige seiner Kollegen für nicht mehr unschuldig halten. Für Doktor Dommel beginnt ein Psycho-Duell, welches in einem Spießrutenlauf gipfelt, dem er auf Dauer nicht gewachsen ist. Wird er als mögliches Opfer eines Komplotts seine Unschuld beweisen können, oder haben die aufgebrachten Schüler tatsächlich richtig kombiniert..?

Folge 13 ist geprägt von einer eigenartig beklemmenden, oftmals sehr kalten Atmosphäre, und sie zählt wegen ihrer raffinierten Architektur zu den stärkeren Kommissar-Fällen der Frühphase. Eine Tote wird gefunden und der Mörder ist in Windeseile ausgemacht. Die Schüler fallen vor allem durch erdrückende Schuldzuweisungen auf, ihre Aussagen wirken wie eine bis ins Detail abgestimmte Choreografie, selbst das Kollegium kippt nach kürzester Zeit um und steht nicht mehr hinter dem nun untragbar gewordenen Lehrer. Die Masse verurteilt und bezieht selbst die Neutralen unter ihnen mit ein, vereinnahmt die Unschlüssigen und nötigt sie zu einer eindeutigen Position. Hier werden die Szenen in der Schule äußerst überzeugend dargestellt. Dr. Dommel betritt den Gang, er wird von vorwurfsvollen und verhassten Blicken fixiert und gedemütigt, es ist plötzlich so still, dass man eine Stecknadel fallen hören könnte. Auch die später eintretenden Sprechchöre und die schweren Anschuldigungen Einzelner erwecken ein unangenehmes Gefühl, aber womöglich eindeutiges Profil. Wie, so fragt man sich, hält dieser Mann das alles aus, und noch interessanter wird die Frage, wie er es erträgt, falls er nicht der Mörder ist? Es ist eine recht schwierige Angelegenheit einen klaren Blick in diesem vakuumartigen Chaos zu wahren, nicht nur für Kommissar Keller. So ist die erstaunliche Raffinesse dieser gut konstruierten Geschichte, dass tatsächlich alle geschilderten Möglichkeiten der Wahrheit entsprechen könnten. Das Herausfiltern von sachlichen Informationen stellt sich allerdings als sehr schwer heraus, da das Szenario geprägt ist von unsympathischen Erscheinungen, von Hetztiraden, Schuldzuweisungen und Destruktivität. Ein junges Mädchen, eine Mitschülerin, eine Freundin, wurde ermordet, doch die befremdlichen Emotionen aller Beteiligten führen zu Unverständnis. Als man nach einer halben Stunde Laufzeit schließlich zu sehen bekommt, dass eben auch eine Tochter ermordet worden ist, öffnet sich erstmals ein quasi herbeigesehntes Ventil, und es gibt Tränen von der Mutter der Toten zu sehen.

Thomas Holtzmann als verdächtiger Dr. Dommel kann schon als eine Art Prototyp für diese Rolle angesehen werden. Man weiß nicht, was in ihm vorgehen mag, und so richtig kann auch nicht entschlüsselt werden, was man eigentlich selbst von ihm denken soll, aber das Verhalten seiner Schüler und die mangelnden Sympathien ihm gegenüber kann man als Zuschauer irgendwie nachvollziehen. Eine sehr intensive Darbietung eines Mannes, der gehemmt wirkt und voller Komplexe zu sein scheint. Für diese Tatsache scheint seine Schwester, mit der er zusammen lebt, in großem Ausmaß mitverantwortlich zu sein. Gespielt und intensiv ausgestaltet wird sie von Renate Grosser, die offenbar ein Abonnement für Rollen von eisernen Jungfern hatte. Ihre Überzeugungskraft schlägt mehrmals voll durch, indem sie ihren Bruder charakterisiert und gleichzeitig als Schwächling degradiert. So wird ihre demonstrative Stärke zu seiner Schwäche. Vadim Glowna als Schüler Palacha liefert sich mit Thomas Holtzmann ein packendes und glaubhaftes Duell, das dem Zuschauer allerdings nicht gerade auf Augenhöhe vorkommt. Hans Quest überzeugt als einer der Lehrer, der mit seiner Meinung wie ein Fähnchen im Wind wirkt. Insgesamt hat man innerhalb bei Theodor Grädlers Arbeit mit hochklassigen darstellerischen Leistungen zu tun. Folge 13 greift aus dem Hinterhalt einen Generationenkonflikt auf, der sich aber nicht aufdringlich in den Vordergrund rückt. Ansichten wie beispielsweise jene, dass die Mädchen ja selbst schuld seien, weil sie sich zu aufreizend kleiden, wird man noch häufiger in der Reihe finden. Die Inszenierung erfreut mit aussagekräftigen Schauplätzen und die komplette Angelegenheit mit ihrer weniger überraschenden, aber beeindruckenden Auflösung, die vom Aufbau her wirklich als klug zu bezeichnen ist, da eine in Gang gekommene Kettenreaktion eine denkwürdige Vollstreckung findet. Vielleicht hätten "Auf dem Stundenplan: Mord" sogar noch ein paar Rückblenden ganz gut zu Gesicht gestanden. Es bleibt eine der starken Kommissar-Folgen, die das Potenzial besitzt, den Zuschauer nachdenklich zu stimmen.

Percy Lister
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Re: DER KOMMISSAR

Beitrag von Percy Lister »

Die Serie "Der Kommissar" bietet neben spannenden und kontroversen Kriminalfällen auch interessante Porträts geheimnisvoller, introvertierter oder exaltierter Menschen, vor allem von Frauen. Neben etablierten Kinostars bekommt der Zuseher auch neue Talente zu sehen, die sich in unkonventionellen Rollen erstmals einem großen Publikum präsentieren können und deren Image nachhaltig von ihrem Serienauftritt geprägt wird. Bei einigen Darstellerinnen bleibt "Der Kommissar" gar die wichtigste Station innerhalb ihrer Film-Biografie. Zu den klassischen Komponenten eines Kriminalfilms zählen ein aufsehenerregender Mord, ein schlauer Ermittler und natürlich zwielichtige Tatverdächtige. Zur Geheimnisträgerin avanciert nicht selten die Frau, hinter deren aparter (und meist unbewegter) Fassade man Abgründe, aber mindestens die Ursache für das Verbrechen vermutet. Sie wird zur Projektionsfläche von Wünschen, Phantasien und Mutmaßungen, was in manchen Fällen dazu führt, dass die Schauspielerin mit wenig Dialog auskommt und nur durch ihre (zugegebenermaßen) angenehme Optik besticht. In diese Kategorie fallen Alexandra Marischka ("Ende eines Tanzvergnügens") und Ini Assmann ("Schwester Ignatia"). Doch auch erfahrene Stars wie Marianne Koch oder Lili Palmer können Akzente setzen und sorgen für gespannte Aufmerksamkeit. Das vordergründige Ziel des Kommissars (und im erweiterten Sinn das des Drehbuchautors) ist, die Intention des weiblichen Handelns aufzudecken; bei besonders kühlen Damen verliert Keller schon einmal die Beherrschung.

So fährt er Marianne Koch in "Die Pistole im Park" an: "Rührt sich denn gar nichts in Ihnen?" Gefühlskalte Frauen bilden nicht selten den Auslöser für einen Mord; Narzissmus, unbeteiligtes Verhalten und eine gewisse Langeweile aufgrund mangelnder Beschäftigung und gleichzeitigem sorgenfreien Dasein prägen die Ausstrahlung der Frauen, sie provozieren ihre Umgebung und damit auch den Zuseher. Das primäre Ziel vieler "Kommissar"-Figuren ist, anzuecken und aufzufallen. In diesem Zusammenhang sei an erster Stelle Christiane Schröder genannt, deren Auftritt in "Der Papierblumenmörder" energiegeladen und unkonventionell für Begeisterung oder Abneigung sorgt. Kaum eine Darstellerin polarisiert innerhalb der Reihe so wie Schröder. Das genaue Gegenteil stellt eine Dame wie Nadja Tiller dar, deren Auftritt die Kamera liebevoll unterstreicht und deren Würde, Schönheit und Stil zur gehobenen Atmosphäre von "Überlegungen eines Mörders" passt. Abwechselnd pendelt die ZDF-Serie zwischen noblen Villen und heruntergekommenen Mietshäusern; wir begegnen einer kaputten Mady Rahl ebenso wie einer wohlhabenden Agnes Fink, wir beobachten Dorothea Wiecks Festhalten an Traditionen und leiden mit der ausgebrannten Ann Smyrner, wir bedauern Sylvia Lukan und fürchten Maria Becker. Agnes Dünneisen ist uns unheimlich, Lis Verhoeven wegen ihrer Willensstärke sympathisch und die liebenden Frauen Kubitschek und Iplicjian sind uns suspekt - so viele Frauen, so verschiedene Charaktere. Stillstand, Monotonie und Langeweile kommen bestimmt nicht auf und die Mitwirkenden vor der Kamera werten auch so manches schwache Drehbuch auf.

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Prisma
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● FOLGE 14 | DAS UNGEHEUER (D|1969)
mit Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Fritz Wepper, Emely Reuer
Gäste: Signe Seidel, Paul Edwin Roth, Hannelore Elsner, Klaus Höhne, Inge Langen, Manfred Spies, Rainer Basedow, Camilla Spira, u.a.
hergestellt durch die Neue Münchner Fernsehproduktion | im Auftrag des ZDF
Regie: Dietrich Haugk



Ein Liebespaar macht eine grauenhafte Entdeckung. In einem Waldstück, das nicht weit entfernt von einer Siedlung liegt, finden sie eine ermordete junge Frau. Die Tat muss offensichtlich erst eben geschehen sein, denn sie sehen einen Mann in die angrenzende Wohnsiedlung flüchten. Für die Kriminalpolizei ist klar, dass der Täter dort zu suchen ist und die Verhöre beginnen. Die Ermittlungen laufen allerdings weniger glatt ab, da man von den eigenartig verschlossen wirkenden Leuten nur wenig Brauchbares erfahren kann. So gipfeln die Verhöre hauptsächlich in gegenseitigen Schuldzuweisungen, Spekulationen und Gerüchten. Einige Indizien verhärten allerdings den Verdacht, dass man in dieser Nachbarschaft auf der richtigen Spur ist...

Folge 14, die ohne jeden Zweifel eines der persönlichen Highlights darstellt, wird durch den Titel "Das Ungeheuer" in eine zunächst ungünstige Richtung gerückt, da er der Episode nicht gerecht wird, weitgehend in die Irre leitet und sogar falsche Erwartungen wecken könnte. So erwartet das Publikum etwa einen Sadisten, Wahnsinnigen oder vielleicht Serientäter, was sich nach diesem Spektakel allerdings nicht bewahrheiten wird. Dietrich Haugk hebt die Arbeit von Kommissar Keller und seinem Team sehr eingängig in den Vordergrund und kreiert eine gelungene Atmosphäre in einer Siedlung, welche nach kurzer Zeit einem Vakuum gleicht. Die recht isolierte Handlung steht dieser Episode sehr gut, und die beteiligten Personen werden nach und nach transparenter gemacht. Zwar rückt der eigentliche Mordfall oftmals in die zweite Reihe und es kommt zu einem Rundumschlag durch die Privatsphären, aber man sieht Spießbürgertum, Heimlichkeiten, Gleichgültigkeit oder auch Zusammenhalt, im Zweifelsfall aber keine Solidarität unter den Nachbarn, da nach diesen Vorstellungen beinahe jeder die Titelfigur sein könnte. Einige nutzen die Gunst der Stunde und mobilisieren sich für das Austragen von Privatfehden, manche stehen teilnahmslos neben dem Geschehen, aber jeder hofft eigentlich, dass es der andere war, beziehungsweise dass es den anderen erwischt - egal ob schuldig oder unschuldig. Kommissar Keller muss sich durch einen Dschungel von Gerüchten, Lügen, Spekulationen und offensichtlichen Unwahrheiten kämpfen und man glaubt zu sehen, dass es ihn strapaziert und Nerven kostet. Die versammelte Besetzung läuft dabei auf Hochtouren. Dietrich Haugks damalige Ehefrau Signe Seidel, die er hin und wieder in seinen Episoden besetzte, zeigt eine der überzeugendsten Studien in diesem luftleeren Raum. Alleine wegen der Seltenheit ihrer Auftritte ist die Rolle der Frau Vollmer schon etwas Besonderes. Sie ist in langweiliger Ehe verheiratet und es scheint, als komme ihr diese Ausnahmesituation wie gerufen. Dabei belastet sie ihren Mann schamlos und schürt immer wieder nachdrücklich den Verdacht, dass er der Mörder sein könnte.

Da sie einen jungen Liebhaber aus der Nachbarschaft hat, was die Spatzen bereits von den Dächern pfeifen, hat ihr Mann klassisch ausgedient. Seidel spielt die kalte und emotionslose Frau, die eigentlich lieber heute als morgen Witwe wäre, sehr beeindruckend. Nicht weniger überzeugend agiert Paul Edwin Roth als eben dieser Mann, der von der Affäre seiner Frau weiß, die Situation jedoch kommentarlos hinnimmt. Paul Edwin Roths Gabe, sich dem Zuschauer als Verdächtiger anzubieten, ist schon bemerkenswert. Die sympathische Hannelore Elsner bringt etwas Ruhe und Aufrichtigkeit in die Szenerie. Als man jedoch ihren minderbemittelten Bruder Ernie über die Klinge springen lassen will, wird sie bissiger. Eine derartige Präsentation eines offensichtlich unschuldigen Bauernopfers ist vielleicht kein guter dramaturgischer Ton, trifft aber genau ins Schwarze, da er die wahren Gesichter der beteiligten Charaktere entlarvt. Die Darstellung dieses jungen Mannes ist durch Heiner Zogg allerdings recht gelungen. Inge Langen ist die zurückgezogene Frau, die mit ihrem Sohn alleine lebt, der an einer nicht näher erläuterten neurologischen Erkrankung leidet, und daher kaum gehen kann. Mit den übrigen Bewohnern haben sie kaum Kontakt. Langen wirkt als wandelnder Vorwurf exzellent und trägt ihre Verachtung anderen gegenüber offen zur Schau. Mit den übrigen Darstellern hat man in Folge 14 ein wunderbares Ensemble zur Verfügung, sodass es von potenziellen Verdächtigen nur so wimmelt. Der Mordfall an sich ist herkömmlich, doch die Rahmenbedingungen machen hier definitiv den großen Reiz aus: Hoffen dass es den ungeliebten Nachbarn erwischt, ein gegenseitiges Hochschaukeln der Emotionen, Verdächtige die sich als Ermittler aufspielen, Neid und Verachtung - es handelt sich um eine trostlose Gegend. Als der Mörder in einer wenig spektakulären Auflösung schließlich überführt wird, bleibt das Motiv leider etwas schwammig zurück, aber man sieht als hoffnungsvolle Prognose doch noch etwas Solidarität unter Leuten, die sich besser meiden würden. Die nachdenkliche Atmosphäre und die dichten Charakterzeichnungen machen "Das Ungeheuer" zu einem richtigen Volltreffer.

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Prisma
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● SIGNE SEIDEL als HELGA VOLLMER in
DER KOMMISSAR - DAS UNGEHEUER (D|1969)



Kriminalserien oder laufende Formate, die immer wieder auf variierende Gastdarsteller zurückgreifen konnten, bringen es mitunter zu Auftritten, die schon alleine wegen ihrer Seltenheit hochinteressant sind. Die Serie "Der Kommissar" kann sicherlich von sich behaupten, dass sie eine Art Vorreiterrolle inne hatte, rekrutierte sie doch immerhin Mitwirkende aller möglichen Bekannheitsgrade. In der 14. Folge kommen Kenner in den Genuss eines der seltenen Auftritte der österreichischen Schauspielerin Signe Seidel, die seinerzeit mit dem verantwortlichen Regisseur Dietrich Haugk verheiratet war. Seidel, die am 18. April 1940 in Innsbruck geboren wurde, erhielt eine klassische Ausbildung am bekannten Max Reinhardt Seminar und war anschließend am Theater tätig. Als freischaffende Interpretin war sie ab Mitte der 60er Jahre vereinzelt in Film und Fernsehen zu sehen, in der Reihe "Der Kommissar" sogar zweimal. In "Das Ungeheuer" hinterlässt sie einen absolut bleibenden Eindruck, da sie sich weder als Sympathieträgerin noch als Verdächtige anbietet, sondern sozusagen in ihrer Komfortzone bleibt, die eher zu einer Grauzone wird. Als Frau Vollmer die Szenerie zum ersten Mal betritt, weiß man relativ schnell, was die Stunde geschlagen hat, beziehungsweise mit wem man es zu tun hat. Zumindest glaubt man es zu wissen, da sie sich in unmissverständlicher Art und Weise als Anklägerin präsentiert. Bei dem Angeklagten handelt es sich um keinen Geringeren als ihren eigenen Ehemann, den sie verantwortlich für eine Ehe zwischen Langeweile und Farce macht. Dass sie einen Liebhaber aus ihrer Siedlung hat, ist ein offenes Geheimnis, als ihr Mann ihr das Stichwort gibt, ihm doch ein wasserdichtes Alibi zu verschaffen, stellt sie sich demonstrativ dagegen.

»Meine Frau hat mich gesehen. Warum sagst du nicht, dass du mich gesehen hast? Ja du hast mich doch gesehen, vom Küchenfenster aus!« Schulterzucken. Es ist davon auszugehen, dass Herr Vollmer sogar die Wahrheit sagen könnte, sie daher von seiner Frau verlangt, doch diese wittert ihre Chance, beziehungsweise einen Freifahrtschein für ihn direkt in den Knast, falls sie es nur geschickt genug anstellte. Möglicherweise möchte sie den ausgedienten Gatten auch nur quälen und ihm all das heimzahlen, was sie in den Jahren aushalten musste. Signe Seidel lässt ihre Figur vor allem verbal schwere Geschütze auffahren, was sie allerdings auch darstellerisch tut: Eine Frau mit eiskalter Körpersprache, die ihren Mann respektive Fehler aufs Schafott schicken will. Signe Seidel überrascht mit ungefilterter Direktheit und Hilfsangeboten in Richtung der Polizei, die wie geplante Torpedos wirken. Gehüllt in eine Silhouette, die nichts anderes demonstriert, als dass sie ihre Hände in Unschuld wäscht, sieht sie genüsslich dabei zu, wie sich die Schlinge um den Hals ihres Mannes immer enger zuzieht. Als es die ersten Schläge setzt, die davon abgesehen keine Premieren darstellen dürften, kommen offene Drohungen retour, und man sieht nur noch eine zu allem entschlossene Frau, die nicht länger dazu bereit ist, Kompromisse einzugehen und sich demütigen zu lassen, womit sie sich eindeutig und vollkommen offensiv gegen das grassierende Kleinbürgertum stellt, welches die Siedlung charakterisiert. So sieht man in ausgewählten Momenten ein Funkeln in ihren Augen sowie eine wilde Angriffslust und abgrundtiefe Verachtung, die viel zu lange eingekapselt war und jetzt für drastische Verhaltensweisen sorgt. Die ohnehin hervorragend besetzte 14. Folge bietet letztlich viele Präzisionsauftritte, unter denen Signe Seidels Leistung vielleicht am überraschendsten wirkt.

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Re: DER KOMMISSAR

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● FOLGE 15 | DER PAPIERBLUMENMÖRDER (D|1970)
mit Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Fritz Wepper, Helma Seitz, Rosemarie Fendel
Gäste: Christiane Schröder, Herbert Tiede, Gisela Fischer, Hilde Weissner, Thomas Fritsch, Eva Mattes, u.a.
hergestellt durch die Neue Münchner Fernsehproduktion | im Auftrag des ZDF
Regie: Zbyněk Brynych



Auf einem Autofriedhof wird ein junges Mädchen gefunden. Sie wurde erschossen. Die Tote mit dem Lächeln im Gesicht gibt Kommissar Keller Rätsel auf. Unmittelbar nach der Tat verfolgten Arbeiter den Mörder über das ganze Gelände, der jedoch entkommen kann. Unglücklicherweise wurden so fast alle wichtigen Spuren verwischt, auch die sich Tag für Tag dort herumtreibenden jungen Leute behindern die Ermittlungen erheblich. Zunächst führt die Spur in ein Erziehungsheim, in dem die Ermordete zuletzt untergebracht, und anschließend in die einschlägig bekannte Hippie-Szene...

Bei "Der Papierblumenmörder" handelt es sich um eine Folge, die wie wenige andere Episoden der erfolgreichen Serie mit dem Ersteindruck steht oder fällt. Im Grunde genommen wird eine mittelmäßig arrangierte Studie mit inkonsequentem Krimi-Einschlag angeboten, die mit der typischen Handschrift von Zbyněk Brynych versehen ist. Der mit mysteriöser Note versehene Titel klingt zunächst sehr vielversprechend, kann sein Momentum jedoch nicht aufrecht erhalten. Dabei beginnt Folge 15 überaus beeindruckend: Das junge Mädchen bittet ihren Mörder, sie zu erschießen; eine Tatsache, die äußerst rätselhaft und verwirrend wirkt, und im kompletten Verlauf im Hinterkopf bleiben wird. Brynych kommt es neben dem Ausschlachten eines bestimmten Milieus vor allem auf die Charakterzeichnungen der Hauptpersonen an, bei denen oft keine klare Linie zu erkennen ist, sodass sie durch Unberechenbarkeit und erneut unmotiviertes Handeln auffallen. Ob die Studien schlussendlich gelungen sind, liegt ausschließlich im Auge des Betrachters, weil die üblichen Stilmittel der Überzeichnung und der Hysterie schwierig zu dosieren sind und deswegen unbeabsichtigt an Glaubwürdigkeit einbüßen. In diesem Fall ist anzunehmen, dass es die volle Absicht der Regie gewesen sein muss. Junge Leute sollen die Lethargie einer kompletten Generation stellvertretend darstellen, und die Psychologie von der Geschicht' wird in dieser Episode von Regie und Drehbuch regelrecht vorgeführt und schießt in verzerrter Weise mehrmals über das Ziel hinaus. Jongliert wird mit Klischees, die weder gut miteinander verknüpft noch verständlich aufgeschlüsselt erscheinen. Eigentlich wird insgesamt nur wieder mit aller Gewalt ein Hype veranstaltet, der hier glücklicherweise weniger aufdringlich im Gegensatz zu dem wirkt, was Brynych bereits angeboten hat oder noch abliefern wird. Die Besetzung passt sich erstaunlich gut an die teils kruden Voraussetzungen an. Das Epizentrum der oft nicht nachzuvollziehenden Hysterie und überdrehter Verhaltensweisen stellt Christiane Schröder dar - unlängst Expertin für derartige Interpretationen.

Mit Bonny, einer Freundin der Toten und ebenfalls Bewohnerin des Mädchenheims, sollte man sich für eine Achterbahnfahrt anschnallen. Christiane Schröder versucht mit allen verfügbaren Kräften, eine Person zu formen, die polarisiert, provoziert und ihr Umfeld bis aufs Blut reizt. Sie wirkt rebellisch, oppositionell, überaus launisch in ihren Emotionen und getrieben von Illusionen, aber auch träumerisch und nachdenklich. Warum ist sie so; handelt es sich um Gewissenlosigkeit oder sogar Erfahrung? Da diesbezüglich kaum Antworten geliefert werden, wird die Leistung der hoch interessanten Schauspielerin meistens kritisch betrachtet. Gisela Fischer als Diplom-Psychologin wirkt schauspielerisch gesehen zunächst einwandfrei. Allerdings fährt sie in Windeseile alle verfügbaren Geschütze auf, die das unliebsame Klischee hergibt: Ein komplettes berufliches Handwerk wird brüskiert und vorgeführt. Freundin sein, Komplizin werden - der Rest ist Unglaubwürdigkeit. Hilde Weissners bemerkenswertes Talent bleibt hier leider ungenutzt, genau wie es bei Thomas Fritsch der Fall ist, der aussieht, als sei er einer Steinzeithöhle entsprungen. Diese hervorragenden Schauspieler waren vielerorts besser zu sehen. Schließlich überzeugt Herbert Tiede noch als Herr mit Appetit auf jüngere Dame, und seine besten Momente ergeben sich im Zusammenspiel, beziehungsweise im Duell mit Christiane Schröder, die ihn mehr und mehr die Contenance verlieren lässt. Insgesamt ist "Der Papierblumenmörder" mysteriös in der Wirkung, obwohl er von allen beteiligten Personen arg konstruiert wirkt. Solidarität und Zusammenhalt wirken wie eine gut einstudierte Choreografie, sodass sich als offenbar höchstes Ziel der Regie Verwirrung breit macht. Die Auflösung des Falls ist zufriedenstellend und die Regie zeigt ein gutes Gespür für Atmosphäre. Das Finale hallt im wahrsten Sinne des Wortes nach, da die Theatralik durchaus angemessen wirkt. Auch die Musikstücke wirken trotz ihrer Endlos-Wiederholung dieses Mal überzeugend. So bleibt eine vielleicht durchschnittliche K-Folge, die als Brynych-Inszenierung wesentlich mehr auffallen und überzeugen kann, da sie erträglich ausgefallen ist.

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● CHRISTIANE SCHRÖDER als BONNY in
DER KOMMISSAR - DER PAPIERBLUMENMÖRDER (D|1970)



Der nahezu bizarr klingende Titel "Der Papierblumenmörder" ist nicht nur Indiz dafür, wer hier auf dem Regiestuhl platz genommen hatte, sondern auch Ankündigung und Versprechen zugleich, dass man höchstwahrscheinlich mit Charakteren konfrontiert wird, bei denen es sich um keine Erfindungen des Alltags, geschweige denn Zuschnitte der Gesellschaft handelt. Nach dem ersten Mord, der aufgrund des Flehens nach dem Tod kaum zu verkraften ist, führt der Weg in ein Heim für erziehungsresistente Mädchen, deren Epizentrum der Renitenz und Undurchschaubarkeit die Berlinerin Christiane Schröder werden wird. Brynychs hysterisch angehauchte Regie und Schröders unberechenbare Verhaltensweisen, die über dramaturgische Anforderungen hinaus zu gehen scheinen, potenzieren eine bis dato nicht dagewesene Unruhe in der Serie und Szenerie, sodass man sich auf einen nicht herkömmlichen Weg einstellt. Bonny wird routinemäßig zum Verhör gebeten, denn es ist klar, dass es sich bei ihr um die höchst eigenwillige Schlüsselfigur in einem Fall handelt, der völlig im Dunkeln liegt. Im selben Moment gibt sie Kommissar Keller mit den Worten, dass die Luft am Ort des Verhörs zu trocken sei, zu verstehen, dass es schon eine Gegenleistung erfordert, damit sie etwas vom Hölzchen und Stöckchen erzählen würde. Gezielt sucht sie nach Privilegien, die für andere vielleicht Selbstverständlichkeiten darstellen. Bonnys Gedanken erscheinen ungeordnet, sprunghaft und von der Realität - aber noch mehr von der Fantasie - blockiert zu sein. Ihre Gebärden strapazieren, ihre Berichterstattung gleicht einem Labyrinth der abstrusen Gedanken und einem aller Wahrscheinlichkeit nach unvollständigen Puzzle, das von der Polizei geordnet werden soll. Als die junge Frau einen ersten Namen nennt, kristallisiert sich heraus, dass es ihr vor allem darum geht, ein Katz-und-Maus-Spiel zu veranstalten, bei dem sie unmissverständlich zu verstehen gibt, dass sie die Katze ist, nur Vergeltung im Sinn hat.

Christiane Schröder agiert in dieser 15. Folge auf gewohntem Terrain, welches von Regisseur Zbyněk Brynych genüsslich geebnet wird. Die Sprunghaftigkeit der Verhaltensweisen und Eruptionen der Emotionen stellen auch hier ein besonders auffälliges und eigenartig griffiges Stilmittel dar, welches Schröder stets zu benutzen wusste. Dem Publikum ist vermutlich oftmals schleierhaft, was diese zutiefst unglückliche Person eigentlich antreibt, allerdings solidarisiert man sich irgendwie mit ihr, wenngleich sie einem kaum Anschluss gewährt und den Zuschauer offensiv abweist. Bonny zettelt einen Kreuzzug gegen denjenigen an, den sie für schuldig hält. Schuldig für alles. Ihre Verachtung synchronisiert sich mit einer unbändigen Angriffslust, ihre Wünsche und Träume schickt sie in Seifenblasen los. Dass sie nicht mehr zurück ins Heim will, erweist sich als einer der wenigen klar formulierten Sätze und stellt ihren diffusen Antrieb und Angriff dar. Im Grunde genommen hat man es mit einer jungen Frau zu tun, deren Verhalten eine Mischung aus der Provokation eines Kindes und der Zerstörungswut einer Anarchistin bleibt. Ihre Verletzlichkeit wird dabei durch permanente Kehrtwendungen und Fantasiegeschichten kaschiert. Christiane Schröder bewegt sich ziel- und vollkommen stilsicher auf einem Parkett, das wie für sie geschaffen scheint. Letztlich meistert sie eine naturgemäß schwierige Anforderung mit einer verzweifelten Unbekümmertheit, die sich in manchen Momenten als Ignoranz entpuppt. Dieses ständige Hin und Her wirkt entmachtend, strapaziös, regt aber ebenso zum Hinterfragen an, da man sich einfach nicht gleichgültig abwenden möchte, wenn es gerade wieder einmal zu viel des Guten wird. So wird Schröders Leistung zum Motor dieses unorthodoxen Kriminalfalls, der ohne seine Wechselspiele wohl kaum so gut funktioniert hätte. Am Ende handelt es sich vielleicht um eine von Christiane Schröders aussagekräftigsten Leistungen, die sich blendend zum Kennenlernen dieser faszinierenden Person eignet.



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● FOLGE 16 | TOD EINER ZEUGIN (D|1970)
mit Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Fritz Wepper, Emely Reuer, Helma Seitz
Gäste: Götz George, Werner Bruhns, Joseph Vinklář, Wolfgang Spier, Renate Roland, Klaus Dahlen, u.a.
hergestellt durch die Neue Münchner Fernsehproduktion | im Auftrag des ZDF
Regie: Zbyněk Brynych



In einem Mietshaus ist ein Mord an einer jungen Frau verübt worden. Karass, ein Freund der Toten, und der Hausmeister haben die zwei Schüsse aus ihrer Wohnung gehört und alarmieren die Mordkommission. Schnell stellt sich heraus, dass die junge Dame einen breiten Kundenstamm bediente, was den Kreis der Verdächtigen ziemlich ausweitet, und auch auf ihrem Konto befindet sich bereits eine beträchtliche Summe. Liegt hier das Motiv? Anhand des Notizbuches der Ermordeten lassen die ersten Ermittlungen auf Erpressung schließen, doch es tauchen immer neue Erkenntnisse auf...

Diese bereits dritte Kommissar-Arbeit von Regisseur Zbyněk Brynych stellt leider den unwirschen Tiefpunkt einer kompletten Serie dar, bei dem wirklich so gut wie alle Schüsse nach hinten losgehen werden. Die Geschichte einer vollkommen impulsiven, unmotivierten und von Maßstäben losgelösten Regie wirkt somit bis ins kleinste Detail verworren und völlig abstrus, auf ihre spezielle Art und Weise sogar rücksichtslos - vorausgesetzt, man kann mit diesem fast vollkommen von einem erkennbaren Sinn befreiten Material nichts anfangen. Brynychs Experimente können natürlich so oder so gesehen werden: Man kann extravagante und in weiten Teilen originelle Versuche sehen, den konservativen deutschen Krimi aufzuweichen, vielleicht herauszufordern, oder ein breit angelegtes Verschleierungsprinzip, das die inszenatorischen Unsicherheiten einer diffusen Regie nicht so gravierend aussehen lassen will. Die hier beinahe manisch transportierten Gedankensprünge wirken jedenfalls nach kürzester Zeit ermüdend und werten Episode 16 immer weiter ab. Eine serielle Selbstinszenierung überschattet somit das komplette Alternativ-Angebot, vor allem aber leider den eigentlichen Kriminalfall. Wieder einmal ist eine Episode unter Brynych gerammelt voll mit übertriebenem Verhalten, überspitzten Reaktionen, nervenaufreibenden Stilmitteln und grotesken Inhalten. So fällt Günther Schramm beispielsweise mit seinem neuerdings völlig unsachlichen Ermittlungsstil auf, und im Duell mit Götz George würde nur noch das Ziehen seines Colts fehlen, um das lächerliche Django-Gehabe perfekt zu machen. Werner Bruhns ist als bescheidenes "Fenster zum Hof"-Plagiat zu sehen, und eine Hure, die permanent diesen nervtötenden Schlager im Lotterbett laufen ließe, würde schnellstens am Bettelstab gehen müssen, da die Kundschaft fern bliebe. Eine sinnlose, und daher über die Maßen verärgernde Posse. Götz George spielt hier wahlweise Götz George, und nebenbei noch den Lebemann Manfred Karass, sodass er zu einem erwartungsgemäß überzeugenden Ergebnis kommt, da ihm dieses Rollenprofil einfach steht, wenn er es nicht sogar selbst erfunden hatte.

Im Rahmen des Geforderten wirkt er sicher, angesichts einer im üblichen Sinn überzeugenden Darbietung allerdings weniger. Vielleicht sollte betont werden, dass er sich dem Konzept der Regie gut anpasst, und diese Seite vermutlich vollends zufrieden gestellt hat, wie auch der Rest der Crew. Insgesamt ist vielleicht nur bei Werner Bruhns eine einigermaßen zufriedenstellende Interpretation zu sehen, falls man es denn schafft, die Frage nach der Bedeutung gewisser Charaktere einfach bei Seite zu schieben, doch der Rest bleibt hier tatsächlich Schweigen. Überflüssig wirkt beispielsweise eine blutleer wirkende Renate Roland, Klaus Dahlen strapaziert über die Maßen und Joseph Vinklářs Partizipation ist dem Vernehmen nach der Vetternwirtschaft zu verdanken. Diese Folge hat schlussendlich und in fataler Weise mit einer mageren, durch die Regie zum unteren Durchschnitt verurteilten Besetzung zu kämpfen, da die Charakterzeichnungen nicht überzeugen und deren Wirkung auch nicht ausgeblendet werden kann. "Tod einer Zeugin" wirkt über die gesamte Spieldauer schrecklich unruhig und ziellos. Eine unangebrachte Hysterie raubt dem Ganzen schließlich den letzten Funken Ernsthaftigkeit, und alles ist wirklich nicht mit Originalität oder gar Progressivität zu verwechseln. Der Serie einen neuen Schub zu geben, wäre generell eine lohnende Aufgabe gewesen, jedoch nicht mit aller Gewalt und im Prinzip eines globalen Rundumschlages sowie einer unbeholfenen Reizüberflutungsstrategie. So ist es letztlich der Schlager, der diese Episode und vor allem die Arbeit der Regie en deteil charakterisiert: Es handelt sich um eine Platte mit Sprung. Um dieses ermüdende Musikstück in Endlosschleife am Ende zu rechtfertigen, ist noch eine maßgeblich zur Auflösung beitragende Idee mit eingebastelt worden, die aber genau wie die meisten Fragmente keinen wirklichen Sinn ergeben. Ein positiver Nebeneffekt dieser nach persönlichem Gusto unerträglichen Folge sei noch angemerkt, denn sie wertet Brynychs übrige Folgen auf. Das eindeutige Fazit lautet daher, dass das Dargebotene keinen Mehrwert bietet, und die Reihe derartigen Beinahe-Vandalismus einfach (noch) nicht vertragen konnte.

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● FOLGE 17 | PARKPLATZ-HYÄNEN (D|1970)
mit Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Fritz Wepper, Helma Seitz
Gäste: Marianne Hoppe, Werner Pochath, Ida Krottendorf, Johannes Heesters, Fred Haltiner, Günther Neutze, Eva Mattes, u.a
hergestellt durch die Neue Münchner Fernsehproduktion | im Auftrag des ZDF
Regie: Zbyněk Brynych



Auf einem abgelegenen Autobahn-Parkplatz wird ein Mann von maskierten Ganoven beraubt und plötzlich niedergeschossen. Als die Kriminalpolizei am Tatort eintrifft, kann der schwer verletzte Mann vor seinem Tod noch Auskünfte über den Wagen und über das Kennzeichen des Fahrzeuges geben, mit dem die Täter geflüchtet sind. So führt die Spur in eine allgemein bekannte Wohngegend und direkt zu einer Familie namens Boszilke. Kommissar Keller staunt nicht schlecht, als alle seine Verhörtaktiken an der renitenten Sippe abprallen, bis reihenweise zweifelhafte Alibis auftauchen...

Wie sollte man die einschlägigen Beiträge von Regisseur Zbyněk Brynych mit all ihren kruden Ideen am besten betrachten, um positive Schlüsse daraus ziehen zu können? Breit angelegte Affronts gegen die Plausibilität machen es dem Otto-Normal-Zuschauer nicht leicht, einfach so auf ihre bekannten Basis-Elemente zu verzichten, die die Serie bekannt und beliebt gemacht hat. Das Gefühl, dass da noch irgend etwas im Verborgenen sein muss, da diese Inszenierungen andernfalls sinnlos wären, bleibt also bestehen. Handelt es sich um versteckte Hinweise, um Ablenkungsmanöver, um Twists anzubahnen? Zunächst sieht der skeptische Fan nur eine trübe Angelegenheit. "Parkplatz-Hyänen" startet ungewöhnlicherweise als sehr greifbarer Fall, der mit seinen ungeschönten Schauplätzen und der teils düsteren Atmosphäre überzeugen will. Die Regie übt sich in trügerischer Zurückhaltung, was im Klartext bedeutet, dass sie nur halb so dick wie üblich aufträgt. Diese Hälfte bedeutet hier faktisch gesehen jedoch durchaus eine doppelte Potenz gegenüber anderen Regisseuren der Reihe. Die Hypothese, ob eigentlich etwas übrig bliebe, wenn man den Inszenierungen die ganzen Spielereien einmal abziehen würde, erscheint daher recht spannend. Bliebe eine solide oder eine durchschnittliche Kriminalgeschichte, oder nichts dergleichen? Die schwer überladenen Inszenierungen deuten auf die verdächtige Methode hin, dass man sich mit allen verfügbaren Mitteln abgrenzen wollte, koste es was es wolle. Doch bedeutet diese Strategie nur eine mangelhafte Flexibilität und einen einseitigen, sehr stark begrenzten (in diesem Fall tatsächlich) und schnellstens ausgeschöpften Ideenreichtum? Brynychs Trickkiste ist im Zweifelsfall allerhöchstens auf den ersten Blick interessant, wobei sich umgehend herausstellt, dass diese Empfindungen nicht lange aufrecht erhalten werden können. Dafür fehlt leider gänzlich die Fähigkeit, eine inszenatorische Mehrfachanforderung in allen Bereichen auf gleich hohem Niveau glaubhaft zu gestalten, beziehungsweise aufrecht zu erhalten. Der Verlauf der "Parkplatz-Hyänen" kippt irgendwann um, und man bekommt schnipselartig zusammengefügte Inhalte aufgetischt, die auf Dauer nur beweisen, dass der Geduldsfaden wirklich kein Drahtseil ist.

Im Zentrum der Story steht wieder einmal nicht der Kriminalfall, sondern eine bestimmte Person, hier in Form von Marianne Hoppe, als Übermutter der kompletten Bagage. Frau Boszilke fährt immer schwerere Geschütze auf und ihr Verteidigungsprinzip bleibt der diffuse Angriff, der sich gegen alle externen Beteiligten richtet. Gerade bei diesem Charakter erkennt man frappante Parallelen zur Regie. So haben ihre teils grellen Ablenkungsmanöver sogar noch Erfolg, was man besonders im Zusammenspiel mit einer genervten und später gekränkten Fräulein Rehbein deutlich erkennen kann. Marianne Hoppe interpretiert die durch und durch gewöhnliche, oder sogar einfältige Frau, die im Endeffekt ein von Grund auf gutmütiger Mensch zu sein scheint, recht überzeugend, wenn man von der entsprechenden Anforderung ausgeht. Ansonsten ist ihre Masche oft weniger nachvollziehbar und ihr Handeln und das Hau-drauf-Gehabe wird für den Zuschauer anstrengend. Johannes Heesters spielt überraschenderweise nur eine unauffällige Nebenrolle. Es ist erstaunlich, wie durch die universelle Konzentration auf nur einen Charakter immer wieder Potenzial liegen gelassen wird, was am Ende sehr schade ist, hätte man doch gerade hier einen versöhnlichen Brynych-Beitrag anbieten können. Werner Pochath und Fred Haltiner runden die Sippschaft mit ihren einheitlichen Charakteren zufriedenstellend ab, und der Rest der Crew muss sich offenbar auch dem Willen der Regie beugen. Glücklicherweise hat die ganze Geschichte noch ein paar annehmbare Wendungen zu bieten, wenngleich sie nicht vollends zufrieden stellt, aber auch nicht so viel Geduld abverlangt wie der Vorgänger. Im Dschungel der Störfaktoren sollte man vielleicht versuchen, das Wesentliche herauszufiltern. Doch was ist eigentlich das Wesentliche bei den inszenatorischen Labyrinthen des Zbyněk Brynych? Aufmerksamkeit könnte man professioneller, leichter und vor allem nachhaltiger bahnen und auf sich ziehen. "Parkplatz-Hyänen" wird insgesamt, wenn auch nur bedingt, durch seine Darsteller aufgewertet. Der eigentlich herkömmliche Kriminalfall wird eher zur Milieustudie getrimmt, sodass sich die Unterhaltung schlussendlich wieder einmal deutlich in Grenzen hält, man aber entspannt auf die nächsten Fälle schaut, in denen Brynych keine Rolle mehr spielen wird.

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● FOLGE 18 | DR. MEINHARDTS TRAURIGES ENDE (D|1970)
mit Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Helma Seitz, Rosemarie Fendel
Gäste: Michael Verhoeven, Luise Ullrich, Richard Münch, Ilona Grübel, Karl John, Monika Lundi, u.a.
hergestellt durch die Neue Münchner Fernsehproduktion | im Auftrag des ZDF
Regie: Michael Verhoeven



Dr. Meinhardt wird auf der Terrasse seiner Villa von dessen langjähriger Hausangestellten Frau Wienand und dem Postboten gefunden. Er ist anscheinend aus dem Fenster gestürzt und kam dabei zu Tode. Bei Kommissar Kellers Ermittlungen kommen allerdings Indizien zu Tage, die darauf schließen lassen, dass der Doktor aus dem Fenster gestoßen wurde. War es tatsächlich Mord? Wie Frau Wienand berichtet, sollen am Abend zuvor Gäste im Haus gewesen sein, die nun genauer unter die Lupe genommen werden. Für Keller besteht schon bald kein Zweifel mehr daran, dass der Täter nur in dieser kleinen Gruppe Leute zu finden sein muss...

Trotz des gar nicht einmal so atemberaubend wirkenden Themas, handelt es sich bei Folge 18 um eine der interessantesten Arbeiten innerhalb der Reihe, da man hier dank der Regie von Michael Verhoeven einen erfrischenden Schub bemerken kann. Verhoeven konnte sich nicht nur als wandlungsfähiger Interpret etablieren, sondern vor allem auch als ernstzunehmender Regisseur, wobei es sich allerdings um seine einzige Kommissar-Inszenierung handelt. Hier ist förmlich zu bemerken, dass inszenatorisch gesehen ein anderer Wind weht und schon alleine deswegen ist die Episode "Dr. Meinhardts trauriges Ende" beachtenswert. Der Kriminalfall an sich besitzt im Orbit von Herbert Reinecker einen relativ hohen Wie­der­er­ken­nungs­wert. Man bekommt reifere Herren serviert, die sich mit jungen Damen vergnügen, die de facto ihre Töchter sein könnten. Auch wenn es sich hierbei gewiss um keine neue Erfindung handelt, so bleibt es doch ein ergiebiges Thema, das sich nah an der kriminalistischen Realität bewegt. Dass die jüngere Generation hierbei die Füße still und sich mit zerstörerischer Kritik an altbackenen Strukturen so lange zurück hält, weil sie dafür ausreichend finanziell entschädigt wird, wird hier zu einem sehr interessanten Aspekt hochstilisiert. Obwohl ein offenbar heimtückischer Mord geschehen ist und es von Gleichgültigkeit mangelhafter Kooperationsbereitschaft geradezu wimmelt, führen diese im kriminalistischen Sinn verdächtigen Verhaltensweisen nicht unmittelbar zum Täter. Auffällig bleiben nur die wässrigen Tatmotive aller Beteiligten, was ein sehr interessanter Aspekt ist, da sich über diese Schiene vor allem gegen Ende hin die volle Raffinesse der kompletten Angelegenheit aufrollen lässt. So lässt sich sagen, dass hier einfach das Optimum aus einer vielleicht eher durchschnittlichen Geschichte heraus geholt wurde. Die Besetzung dieser Episode ist als sehr ausgewogen zu bezeichnen. Wenn Luise Ullrich bereits nach kürzester Zeit zu sehen ist, wird die Aufmerksamkeit alleine durch ihre bloße Präsenz massiv gesteigert, und man philosophiert vielleicht ein wenig darüber, ob die Zusammenarbeit eines Altstars mit einem Jungregisseur gut funktioniert hat.

Es bleibt ein Rätsel, warum gerade dieser Gedanke auftaucht, aber vielleicht liegt es mit daran, eine eigenartige Anspannung bei Ullrich wahrgenommen zu haben. Den Anforderungen entsprechend soll die Figur natürlich ein Stück weit angespannt, nervös und distanziert wirken, aber vielleicht liegt der nachhaltige Eindruck daran, dass ihr nicht die ganz große Bühne überlassen wird. Beeindruckend agiert Richard Münch als unsympathischer Bekannter des Toten. Er stellt sich den Ermittlungen zielsicher entgegen und fällt durch seine Arroganz und gewissenlose Selbstüberzeugung auf. Im herben Kontrast dazu steht Karl John, der eher ungefestigt und hektisch wirkt. Anscheinend ist er es, dem das eigene Gewissen zu schaffen macht. Ilona Grübel als käuflicher Gast dieses Trios sieht nicht nur atemberaubend schön aus, sie besticht auch durch ihre ungeheuer unterkühlte Art. Dabei ist es verwirrend, dass ihre Person nicht das kleinste Fünkchen Anteilnahme aufbringen kann, aber mit Verwirrung und Täuschung scheint diese achtzehnte Folge der Reihe auch einen Deal zu haben. Michael Verhoeven spielt hier ebenso gut, wie er inszeniert hat. "Dr. Meinhardts trauriges Ende" kommt mit einer übersichtlichen Anzahl Verdächtiger aus, aber gleichzeitig auch mit wenigen Motiven. Eigentlich ist es von vorne herein klar, dass es zu keiner herkömmlichen Auflösung kommen darf, die gegen Ende schließlich an das Mitgefühl des Zuschauers appelliert, aber gleichzeitig den gesunden Menschenverstand provoziert. Trotz einiger Unwahrscheinlichkeiten insbesondere des geschilderten des Tathergangs vermittelt das Finale einen merklichen Überzeugungsschub. Was diese Inszenierung schließlich noch doppelt aufwertet und abrundet, ist die herausragende Musik von Improved Sound Limited, die von Anfang bis Abspann eine eigenartig andächtige Atmosphäre begünstigt. Beim Abspann kolportiert sie die plötzlich auftauchende Tragik, im Verlauf erschafft sie gedrückte und beinahe destruktive Tendenzen, sodass sie im kompletten Kommissar-Orbit in Erinnerung bleibt. "Dr. Meinhardts trauriges Ende" ist eine unscheinbar faszinierende Folge, die Modernes und Dynamisches nahtlos mit Klassischem verbindet.

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● FOLGE 19 | IN LETZTER MINUTE (D|1970)
mit Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Fritz Wepper, Emely Reuer, Helma Seitz
Gäste: Heinz Reincke, Gisela Uhlen, Maria Sebaldt, Peter Eschberg, Eva Kinsky, Eric Pohlmann, u.a.
hergestellt durch die Neue Münchner Fernsehproduktion | im Auftrag des ZDF
Regie: Wolfgang Becker



Der Totschläger Kossitz kommt raus! Diese Ankündigung versetzt dessen Frau und einige weitere Personen in Angst und Schrecken, zumal diese im damaligen Prozess als Haupt-Belastungszeugen auftraten. Auch für Kommissar Keller ist diese Nachricht aus dem Zuchthaus ebenfalls sehr beunruhigend, da der unberechenbare Straftäter bei seiner Verurteilung Rache an allen Zeugen geschworen hatte, die es nun vermutlich zu beschützen gilt. Für den Polizeiapparat beginnt nun ein Wettlauf gegen die Zeit und die potentiellen Opfer der Rache verleben unerträgliche Tage der Angst und sie drohen die Nerven zu verlieren. Wird Kossitz in die Lage kommen, seine Drohung wahr zu machen..?

Die Abwechslung bei dieser Kommissar-Folge von Regisseur Wolfgang Becker besteht zunächst einmal darin, dass die Spannung hauptsächlich deswegen aufkommt, weil das Publikum man förmlich auf einen Mord wartet. »Kossitz kommt raus - na dann ist was los!« Dieser Satz bleibt allgegenwärtig in der Erinnerung hängen und schwebt wie ein schwarzer Schatten über dieser Episode und wirkt wie eine böse Ahnung und eine gefährliche Prophezeiung. Die Hauptpersonen der Geschichte unterstützen diese Spannung sehr gut, der Zuschauer wird aufgrund der straffen Regie gleich von Beginn an sehr eng in diesen Fall mit einbezogen. Leider ist der Titel von Folge 19 am Ende doch etwas zu wortwörtlich ausgefallen, und man hätte sich in Anlehnung an eine Bemerkung von Kossitz wohl eher den bizarr klingenden Titel »Vogel im Hals« gewünscht. Alles in allem ist es wirklich einmal etwas anderes, nicht direkt mit einem Mord und dazugehöriger Leiche konfrontiert zu werden, was zu dem Eindruck führt, dass "In letzter Minute" mit einem äußerst klaren und logischen Aufbau überzeugen kann, da der Fall im Verlauf auch nochmals aufgerollt wird und für den Zuschauer transparent ausgebreitet wird. Einige Schauplätze, wie eine beispielsweise immer wieder gerne servierte Nachtbar als Dreh- und Angelpunkt diverser krimineller Geschehnisse und subversiver Elemente, enge Hinterzimmer und unübersichtliche Plätze, sorgen neben der immer wieder gerne gesehenen winterlichen Kulisse für eine aussagekräftige und auch nachhaltig in Erinnerung bleibende Aura der neunzehnten Folge. Die Hauptfiguren hingegen sorgen für allerlei Skepsis, Misstrauen und nicht wegzudiskutierende Widersprüche. Heinz Reincke in der Episoden-Hauptrolle bekommt trotz der hier bestehenden Vorbelastung gleich eine gute Portion Sympathie-Bonus und man überlegt erstens hin und her zwischen der Frage der Unschuld und eines Komplotts, und zweitens stellt sich die Frage, ob ihn die Umstände möglicherweise erst- oder nochmals zum Mörder machen könnten, oder ob es ihn sogar selbst erwischen wird.

Kossitz wird ausreichend von allen Beteiligten charakterisiert und dank Heinz Reincke sieht man eine verlässliche und treffsichere Interpretation eines Mannes, dessen Gefühle nachvollziehbar sind, da er alles verloren hat und mit seiner Entlassung aus dem Gefängnis vor weit größeren Problemen steht, nämlich wie er diesen Scherbenhaufen - einst Leben genannt - wieder in den Griff bekommen soll. Seine Gegenspieler stellen in Gestalt von Gisela Uhlen, Maria Sebaldt und Peter Eschberg jeweils eine ausgezeichnete Wahl dar. Hilde Lenk, deren Mann damals zu Tode kam, wird von Gisela Uhlen bemerkenswert und vollkommen überzeugend geformt. Die Stärke der Interpretation liegt in der Unsicherheit und der fürchterlichen Angst dieser Person. Ihre nervöse Anspannung ist für den Zuschauer sozusagen spürbar, ihre Augen dokumentieren ein beinahe hysterisches Suchen nach Strohhalmen, ihr Kampf, nicht die Nerven zu verlieren, erscheint daher sehr glaubhaft. Maria Sebaldt als Frau von Kossitz ertränkt ihre panische Angst mit unzähligen Drinks, was sie beinahe unempfindlich und teilnahmslos wirken lässt. Peter Eschberg überzeugt in dieser Runde ebenso restlos als Mann ohne Skrupel. Mit allen Mitteln hält dieses Trio zusammen wie Pech und Schwefel, welches sich hinter vorgehaltener Hand vermutlich hasst wie die Pest, die Angst höhlt diese Herrschaften jedoch komplett aus, bis das eingefrorene Gewissen langsam aber sicher auftaut. Besonders positiv fällt noch Eva Kinsky auf, die demonstriert, wie wichtig es ist, eigene Gedanken zuzulassen. Daher ist sie eine der wenigen gefestigten Charaktere in dieser Geschichte. Wenn man die Vorhersehbarkeit des Falles außer Acht lässt und sich auf die hochwertige Inszenierung mit ihren vielen Spannungsmomenten und Wendungen konzentriert, hat man es schlussendlich mit einer sehr guten Kommissar-Folge zu tun, vor allem, weil das Finale so eingeleitet wird, dass ein Gefühl des im Titel versprochenen Zeitdruckes eindeutig wahrzunehmen ist. Nach der Folge bleibt unterm Strich eine wenig erbauliche Prognose zurück, die wieder einmal nachdenklich stimmt.

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● FOLGE 20 | MESSER IM RÜCKEN (D|1970)
mit Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Fritz Wepper, Emely Reuer, Helma Seitz
Gäste: Helmut Käutner, Christiane Krüger, Herbert Bötticher, Ursula Lingen, Werner Kreindl, Jörg Pleva, u.a.
hergestellt durch die Neue Münchner Fernsehproduktion | im Auftrag des ZDF
Regie: Wolfgang Staudte



Ein Taxifahrer wird vor einer Kneipe von einem dem Anschein nach betrunkenen Mann angehalten. Als der Fahrgast eingestiegen ist und nicht auf die Fragen des Fahrers reagiert, stellt dieser Schreckliches fest. Der Mann ist tot, denn es steckt ein Messer in seinem Rücken. Die Ermittlungen verlaufen zäh und ergebnislos, Kommissar Keller und seine Kollegen gelangen zunächst in die verkommene Kneipe, aus der der Ermordete kam, und dann in die besseren Kreise, bis man schließlich entscheidende Hinweise auf den Aufnahmen eines Pressefotografen findet, der Bilder am Tatort machte. Zu sehen ist ein Detail, welches eine heiße Spur zum Mörder liefert...

Diese bereits zwanzigste "Kommissar"-Folge behandelt ein klassisches Kriminal-Thema und wurde von Regisseur Wolfgang Staudte sehr reibungslos inszeniert. Der Verlauf der Ermittlungen zeigt sich dementsprechend sehr nachvollziehbar, außerdem werden einige originelle, wenn nicht sogar raffinierte Wendungen geboten, die für ein angemessenes Flair sorgen. Was man dem Verlauf allerdings vorwerfen kann, ist sein gedrosseltes Tempo, was sich nicht zuletzt im ruhigen Agieren der Hauptpersonen widerspiegelt. Die Schauplätze bieten erneut gewohnte eindrücke. Zunächst wäre dort die obligatorische Kneipe, in der es von Verdächtige nur so zu wimmeln scheint, und im Kontrast dazu steht die feudale Villa des Ermordeten. Die Kollision zweier weit voneinander entfernter Milieus und von Leuten aus unterschiedlichsten Gesellschaftsschichten hätte ebenfalls ein kleines bisschen provokanter dargestellt werden können, zumindest prominenter in den Fokus gerückt werden können. In dieser Beziehung handelt es sich unterm Strich um eine eigenartig ruhig verlaufende Folge. Für den Zuschauer wird hier insbesondere das Sammeln der Indizien sehr interessant und nachvollziehbar dargestellt und die Protagonisten ersparen sich und dem Publikum Selbstinszenierungen, was einem dann beinahe schon erfrischend abwechslungsreich vorkommt. Unter den Gästen befindet sich ein großer Name, der alleine deswegen schon für Vorfreude sorgt. Helmut Käutner - stilsicher und bestimmend bei nahezu jeder Interpretation - wirkt als Trinker und bester Kunde der Kneipe sehr überzeugend. Als seine Prämisse der ersten Wahl scheint er das Schweigen für sich auserkoren zu haben und er redet eigentlich nur (un)gerne, wenn er gefragt wird. Mit dieser Figur des Blasek zieht er die komplette Aufmerksamkeit meistens sehr geschickt auf sich, gibt Rätsel auf, sodass die Zeichnung dieses Mannes auch dann ziemlich interessant wirkt, wenn sie einem nicht unbedingt zusagt, da es sich einfach um professionelles Handwerk handelt.

Maria Heynold, deren Mann unter rätselhaften Umständen ermordet wurde, betreibt eine klassische Form der Milieu-Flucht. Zunächst wirkt das Ganze vielleicht etwas unmotiviert, doch sie entwickelt sich als Ausreißerin aus einer für sie uninteressant gewordenen Schein-Konstruktion. All dies wird von einer Christiane Krüger - die selten schöner und geheimnisvoller in einer Serien-Rolle gewirkt hat - in anspruchsvollem und überzeugendem Maß gelöst. Maria fällt durch eine bemerkenswerte Ruhe auf und wieder einmal besticht Christiane Krügers Fähigkeit, besondere Akzente im Dialog zu setzen, die aufgrund ihrer angenehm-flexiblen Stimme für größere Momente sorgen. Herbert Bötticher und Ursula Lingen versuchen alles, um den sich anbahnenden Skandal herunterzuspielen, und nur noch Geld hält die sich immer weiter voneinander entfernenden Parteien zusammen. Für eine weitere gute Leistung sorgt Werner Kreindl als Kaschemmen-Wirt in einer Art Paraderolle. Besonders reizvoll bei dieser Episode ist die Tatsache, dass mit dem Anfang auch gleichzeitig das Finale gezeigt wird, ohne jedoch wichtige Informationen oder Zusammenhänge vorwegzunehmen, beziehungsweise zu spoilern. Nachdem die Verdächtigen ganz klassisch in der Kneipe zusammen geführt wurden, kann Kommissar Keller in gewohnt sicherer Manier zur Tat schreiten und abrechnen. Die Thematik ist, obwohl sie gewiss kein großes Highlight darstellt, gut aufgearbeitet, da Handlungsstränge geschickt miteinander verknüpft sind. Auch die vollkommen unterschiedliche wirkenden Charaktere zeigen sich durchgehend flexibel und überzeugend, vor allem, da man auf die Kapriolen der verschiedenen Fraktionen angewiesen ist, es außerdem nur noch wenige Bindeglieder oder funktionstüchtige Brücken zurück gibt. "Messer im Rücken" kann schlussendlich den Stempel von deutlich gehobenem Mittelmaßes für sich beanspruchen, was sich vor allem auch über den internen Vergleich von Wolfgang Staudtes inszenierten Episoden sagen lässt.

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● CHRISTIANE KRÜGER als MARIA HEYNOLD in
DER KOMMISSAR - MESSER IM RÜCKEN (D|1970)



»Du weißt Bescheid Maria!« Mit diesem kurzen Satz wird Maria alias Christiane Krüger in die zwanzigste "Kommissar"-Folge integriert, deren Film-Ehemann einige Stunden zuvor ermordet wurde. Christiane Krüger baut ab ihrer ersten Szene eine völlig wortlose Dominanz auf, da andere für sie sprechen und antworten, außerdem kommt es zu unterstützenden Blicken der vorwurfsvollsten Sorte. Bei derartig günstigen Grundvoraussetzungen lässt sich die Kamera hier nicht lange bitten und fängt das außergewöhnlich schöne Gesicht der Hamburgerin in beeindruckenden Strecken von Großaufnahmen ein. Unterstützend dabei wirkt natürlich die Bildgestaltung in Schwarzweiß, die einen Hauch von Makellosigkeit transportiert. Selbst Kommissar Keller wird man zwar trocken, aber durchaus aufrichtig betonen hören, dass Frau Heynold eine sehr attraktive Frau sei. Die junge Dame trägt schwarze Kleidung, die allerdings kein Ausdruck von Trauer darstellen dürfte, immerhin hat man es mit einer Frau zu tun, der nicht wenige Zuschauer den Status einer sogenannten lustigen Witwe zuschreiben würden. Marias blondes Haar und das hart gewählte Make-up setzen zusätzliche Akzente. Sie schweigt demonstrativ, allerdings scheinen ihre Augen auf der Suche nach etwas zu sein, bis sie ihr Ziel schließlich auch schnell findet, sodass sie ihrem äußerst nervös wirkenden Schwager verachtende Blicke zuwirft. All dies ist Ausmaß ihres jetzigen Zustandes, der gleichzeitig auch ihr Allgemeinzustand sein dürfte, da sie sich in einem goldenen Käfig eingesperrt fühlt, aus dem es nur ein Entrinnen mit einem Motorrad zu geben scheint. Maria ist sichtlich genervt von der hässlichen Komplikation Mord und sie ist gelangweilt vom Leben in diesem gesellschaftlichen Vakuum der Bourgeoisie. Diese Strukturen hat sie durch das Missachten der heiligen Regeln der besseren Gesellschaft längst verlassen, wenn auch nur inkonsequent, da sie auf die vielen Annehmlichkeiten nicht verzichten möchte.

Ihr junger Liebhaber stammt aus einer anderen Gesellschaftsschicht, und zwar aus einer solchen, die ihresgleichen normalerweise meidet wie der Teufel das Weihwasser. Die unschöne Wendung Habenichts würde diesen Mann mit dem Motorrad vielleicht ganz gut im Auge der Hautevolee beschreiben, die Regie tut das Übrige dazu, um diesen Eindruck beim Publikum entstehen zu lassen. Maria möchte leben, sich amüsieren, Probleme ignorieren; das Geld ihres Gatten macht es möglich, sich alles leisten und erlauben zu können, was das Herz begehrt. Mit allen Mitteln will sie sich von gesellschaftlichen Konventionen abgrenzen und da sie weiß, dass sie ihre Verwandtschaft damit am meisten treffen wird, vor allem oppositionell sein. Christiane Krügers erste von insgesamt drei Gastrollen in der beliebten Krimireihe "Der Kommissar" kann als fulminanter Einstieg in den Verlauf betrachtet werden, da sie es bereits hier schafft, eine der interessantesten Frauenfiguren zu kreieren. Der Ersteindruck zeigt ein dem Empfinden nach hochmütiges Wesen, dem alle Vorteile aufgrund des guten Aussehens in den Schoß gefallen sind, doch es handelt sich bei genauerer Betrachtung nicht nur um eine oberflächliche Hülle, sondern um eine von Sorgen und Ängsten getriebene Frau. Daher bleibt Krügers Interpretation in nachhaltiger Erinnerung und gewinnt ein wenig an Modellcharakter. Ungewöhnlich ist sogar, dass sie für eine recht hoch dosierte Prise Erotik sorgen wird, was für die Serie eher eine Ausnahme darstellt. Im optischen Sinn hat man sie tatsächlich selten so makellos schön und in ihrem Wesen derartig unbändig stolz gesehen, sodass sich zweifellos von einer Idealbesetzung sprechen lässt. Im Großen und Ganzen macht diese Maria Heynold schon große Freude, da sie zum Dechiffrieren animiert, aber undurchsichtig und geheimnisvoll bleibt, auch wenn es sicherlich ein ewiges Rätsel bleiben wird, warum sie sich hier ausgerechnet einem Anti-Kaliber wie Jörg Pleva an den Hals werfen konnte.



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Re: DER KOMMISSAR

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● FOLGE 21 | ...WIE DIE WÖLFE (D|1970)
mit Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Fritz Wepper, Emely Reuer, Helma Seitz
Gäste: Grete Mosheim, Horst Tappert, Hilde Brand, Volkert Kraeft, Wolfgang Engels, Ann Höling, Heinz Meier, Pierre Franckh, u.a.
hergestellt durch die Neue Münchner Fernsehproduktion | im Auftrag des ZDF
Regie: Wolfgang Staudte



In einem schäbigen Mehrfamilienhaus wird eine alte Frau ermordet in ihrer Wohnung aufgefunden. Kurz zuvor hatte sie 3000 D-Mark in der Lotterie gewonnen, was sie allen anderen Bewohnern des Hauses überglücklich und ganz vertrauensselig berichtet hatte. Da alle Mitwisser aus der Nachbarschaft ohnehin Geld dringend nötig haben und sich natürlich erhofften, auch welches von der alten Dame zu bekommen, sieht sich Kommissar Keller mit einem Haus voller Verdächtiger konfrontiert, denn ein Motiv hat schließlich jeder. Als im Verlauf der Ermittlungen auch noch der erste 500 DM-Schein auftaucht, kann der Mörder bestimmt nicht mehr weit sein...

Folge 21 überrascht mit einem vergleichsweise ausgefallenen Konzept, und es ist besonders begrüßenswert, dass die unterschiedlichen Charakterzeichnungen so dicht geraten sind, sodass man tatsächlich wenige Beteiligte von vorne herein als Täter ausschließen kann. Das Tatmotiv ist ist nicht gerade besonders außergewöhnlich, weil es doch so alltäglich erscheint, dennoch wird es beim Hinterfragen der Tat mit einer guten Portion Tragik versehen. Eine alte Frau gewinnt unverhofft einen für sie sicherlich immens hohen Geldbetrag, sie kann ihr Glück kaum fassen und erzählt es ihren Nachbarn, vermutlich ihren einzigen Ansprechpartnern innerhalb der persönlichen Isolation, mit denen sie aber prompt die schlafenden Wölfe weckt, wie der Titel bereits andeutet. Ihre Gedankenlosigkeit und diesen kurzen Moment des Glücks muss sie schließlich mit dem Leben bezahlen. Inszenatorisch überzeugt diese Folge auf ganzer Linie und gewährt einen ernüchternden Einblick in gewisse soziale Verhältnisse und in das Denken aus einem Haus voller Bittsteller, die die Frau wohl angebettelt und bedrängt haben müssen, um ihren Teil des Kuchens abzubekommen. Die Tragik besteht also nicht zuletzt in der Naivität des Opfers, sondern auch in der Kaltschnäuzigkeit, Schamlosigkeit und Skrupellosigkeit der anderen. Als auch noch das Tagebuch der ermordeten Frau Kluge auftaucht, werden die sogenannten Wölfe nervös, kriechen aus ihren Löchern und schleichen aufgeschreckt umher, was eine abwechslungsreiche, da so vollkommen andere Art der Spannung darstellt.Horst Tappert zeichnet in dieser Geschichte einen Alkoholiker, der so oft und so viel trinkt, dass ihm das Delirium als Dauerzustand durchaus vertraut ist. Er wirkt sowohl auf Kommissar Keller, als auch auf den Zuschauer dennoch vertrauenswürdig und bemitleidenswert, sodass man Kellers späteres Experiment nachvollziehen kann.

Um entscheidende Gesichtspunkte ausfindig machen zu können, soll der Zeitraum, in dem sich die Tat abgespielt hatte, genauestens simuliert werden, um aus der alkoholinduzierten Amnesie des Zeugen eine Art der Remission zu erlangen. Hierbei handelt es sich um einen recht originellen Einfall, der besonders für den Zuschauer sehr interessant mit anzusehen ist, wenn im Endeffekt von der Wahrscheinlichkeit her als eher zweifelhaft zu bewerten ist. Die Berliner Schauspielerin Grete Mosheim ist in Bestform zu bestaunen, und sie präsentiert ein ganz neues Kaliber der geschwätzigen, neugierigen und etwas einfältigen Klatschtante, die nicht nur die Ermittlungen behindert, sondern Kommissar Keller und seinen Mitarbeitern sichtlich an die Nerven geht, mit Bravour. Mit beispielsweise Hilde Brand oder Volkert Kraeft (und einigen anderen dieses Hauses), sieht man Personen, denen man einiges oder vielleicht sogar alles zutrauen würde. Der Zusammenhalt zwischen den beteiligten Personen ist genau so groß, wie ihre gegenseitige Antipathie zueinander. So bekommt man es in "...wie die Wölfe" mit überaus glaubhaften Charakterzeichnungen zu tun, die durch die besondere darstellerische Kompetenz hervorgehoben werden. Identifikationsfaktoren oder ansatzweise Sympathien oder humane Züge werden in dieser Folge so gut wie gar nicht offeriert. Einen kleinen Kritikpunkt stellt vielleicht die musikalische Untermalung dar, die in dieser sonst tadellosen Inszenierung von Wolfgang Staudte auf Dauer schon etwas unpassend gewirkt hat, wobei es sich hierbei lediglich um Klagen auf hohem Niveau handelt. Nach dem packenden und vielleicht sogar schockierenden Finale bleibt schließlich der Eindruck einer dem Empfinden nach realistischen Kommissar-Folge, die in Sachen Unterhaltungswert und Anspruch einiges mehr als in vorher gegangenen Folgen zu bieten hat.

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Re: DER KOMMISSAR

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● FOLGE 22 | TOD EINES KLAVIERSPIELERS (D|1970)
mit Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Fritz Wepper, Emely Reuer, Helma Seitz
Gäste: Ingrid Andree, Günther Ungeheuer, Manfred Spies, Bertha Drews, Karin Heym, Lambert Hamel, Georg Lehn, u.a.
hergestellt durch die Neue Münchner Fernsehproduktion | im Auftrag des ZDF
Regie: Michael Kehlmann



In einer Pension wird ein Mann durch die Türe seines Zimmers erschossen, doch niemand will etwas gesehen oder gehört haben. Die Ermittlungen führen Kommissar Keller in die Pacific Bar, eine Kneipe von zweifelhaftem Renommee, in welcher der Ermordete als Klavierspieler angestellt war. Schnell wird klar, mit welchen Leuten man es dort zu tun hat und für Keller besteht kein Zweifel mehr daran, dass der Mörder unter den Stammgästen zu suchen ist. Doch die Befragungen mit dem Personal und Bekannten des Pianisten liefern zunächst keine Ergebnisse. Was also steckt hinter diesem rätselhaften Mord..?

Aufgrund des Titels dieser bereits 22. Folge könnte man spontan einen Mord in der besseren Gesellschaft erwarten. Allerdings wird man sich schnell und wider Erwarten in einer schäbigen Pension wieder finden, die Leute beherbergt, die gewiss nicht von Adel sind. Die berüchtigte Pacific Bar gibt schließlich die letzten Hinweise darüber, in welchen Gesellschaftskreisen man die Erhebungen durchführen muss. Michael Kehlmann inszeniert sein Kommissar-Gastspiel mit viel Gespür für Atmosphäre und behandelt ganz klassische Motive sehr routiniert und stilsicher, auch wenn die Folge insgesamt nicht zum allergrößten Spektakel geworden ist, was an der vergleichsweise simplen Geschichte liegen mag. Als sehr abwechslungsreich gestaltet sich die erneute Färbung des Kommissar-Teams, welches neben der unermüdlichen Arbeit vor allem aber noch einmal charakterisiert, dass es sich um keine unfehlbaren Maschinen handelt, denen nicht auch einmal der Zufall zur Hilfe kommen dürfte. Diese auf Milieufragen ausgerichtete Folge beginnt sehr temporeich und entwickelt sehr spannende Tendenzen. Der anschließende Mord sorgt unmittelbar im Anschluss, aber vor allem im Verlauf, für Verwirrung. Leider kann das eigentlich konstant hohe Niveau der Inszenierung nicht bis zum Ende hin aufrecht erhalten werden, da dem Empfinden nach ein unkonventioneller Paukenschlag fehlt, den man sich bei allem Aufwand gewünscht hätte. Aber man wird bei allen unterschiedlichen Herangehensweisen und beim Anschauen der Folgen en route vielleicht auch ein wenig zu anspruchsvoll. Die Folge ist insgesamt um keinen der Charaktere herum konstruiert worden, sodass die Interpretationen vielleicht deswegen sogar noch einen Tick überzeugender wirken. Direkt vis-à-vis des Mordzimmers wohnt Sabine Körner, die von Ingrid Andree, der Frau mit der wunderbaren Erzählstimme, dargestellt wird.

Ingrid Andree, die dem Empfinden nach häufig mit komplexeren Rollen, um nicht zu sagen psychologischen Ausnahmebedingungen betraut wurde, beweist auch hier ihre Wandlungsfähigkeit und disziplinierte Herangehensweise an gezeichnete Charaktere. Das interessierte Publikum bekommt die etwas gewöhnlich wirkende Bedienung aus der lausigen Bar ungeschönt und in voller Anti-Lebensgröße präsentiert, was sehr interessante aber auch unangenehme Züge annimmt. Unter der unempfindlichen Hülle der manchmal teilnahmslos wirkenden Frau verbirgt sich Resignation und tiefste Enttäuschung, sodass man getrost von einer der zahlreichen lebenden Toten aus der Pacific Bar sprechen kann. Ingrid Andree überzeugt mit einem erstaunlichen Facettenreichtum und einer nachhaltigen Darbietung. Dies ist ebenso bei Günther Ungeheuer der Fall, der auf Rollen von dubiosen Herrschaften ein Dauer-Abonnement hatte, was er jedoch stets mit Charme und Überlegenheit auszustatten wusste. Harro Bosche ist wie es scheint tatsächlich mit allen Wassern gewaschen - von Weihwasser bis hin zu stinkendem Abwasser. Bertha Drews, Manfred Spies, Karin Heym, Georg Lehn und Lambert Hamel setzen zufriedenstellende bis forcierende Akzente und unterstützen die undurchsichtige Geschichte mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln. Unterm Strich handelt es sich um eine gelungene Folge, die vor allem wegen der überzeugenden Zeichnungen der Charaktere, des atmosphärischen Ambientes, der konventionellen Kriminal-Unterhaltung und unaufgeregten Regie überzeugen kann. Ein deutlicher Patzer fällt allerdings beim Anschauen dieser Episode auf. Als Günther Ungeheuer und Erik Ode vor der Bar miteinander sprechen sieht, ist der Name der berüchtigten Spelunke sehr gut lesbar, aber ungewöhnlicherweise falsch geschrieben. Oder hat der Begriff "NIGTH CLUB" irgend eine Bedeutung, die man kennen sollte?

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Re: DER KOMMISSAR

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● FOLGE 23 | TÖDLICHER IRRTUM (D|1970)
mit Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Fritz Wepper, Helma Seitz
Gäste: Agnes Fink, Anton Diffring, Konrad Georg, Ullrich Haupt, Kurt Erhardt, Thomas Astan, u.a.
hergestellt durch die Neue Münchner Fernsehproduktion | im Auftrag des ZDF
Regie: Wolfgang Becker



Am späten Abend klopft ein Mann an das Fenster von Pfarrer Krüger. In der Kirche möchte er die Beichte abgenommen bekommen, jedoch verlangt er auch unter allen Umständen unerkannt zu bleiben. Der aufgebrachte Mann behauptet, er habe einen Mord an einer gewissen Frau Dönhoff begangen. Die Polizei nimmt die Aussage des Pfarrers mit Skepsis auf, überprüft den Hinweis dennoch umgehend. Man staunt daher nicht schlecht, als man von der angeblich ermordeten Maria Dönhoff empfangen wird. Wenig später wird allerdings tatsächlich eine Ermordete in diesem Haus gefunden. Handelt es sich um eine tödliche Verwechslung..?

Die Kamera schwenkt über einen dunklen Friedhof, hinter dem eine Kirche zu sehen ist. Ein Unbekannter klopft an das Fenster des überraschten Pfarrers und man befindet sich direkt im Geschehen. "Tödlicher Irrtum" beginnt sehr spannend und unbehaglich, vielleicht sogar unheimlich, die Titelsequenz findet originellerweise direkt im Beichtstuhl statt und somit hat man es mit einem der prägnantesten Opener der frühen Phase zu tun, dem der animierte Abspann mit Szenen der Darsteller in nichts nachsteht. Wolfgang Becker inszeniert diese Folge sehr eingängig, im Verlauf wird das Geschehen allerdings zu kopflastig, da das gesamte Geschehen ausschließlich um Agnes Fink konstruiert ist. Der konstant spannende Aufbau dieser dreiundzwanzigsten Folge wird letztlich durch ein überaus seichtes Tatmotiv und eine wenig glaubwürdige Auflösung ausgebremst, was bei diesen guten Voraussetzungen wirklich schade ist. Über der Episode schwebt das Beichtgeheimnis, unter dessen Siegel eine tödliche Gefahr für Maria Dönhoff entsteht. Die Frage nach dem Gewissen und dem Abwägen zwischen persönlicher Verantwortung und gemeinnütziger Pflicht wird zur Zerreißprobe und recht überzeugend heraus gearbeitet. Das Warten auf die nächste Nacht, in welcher der Irrtum des Mörders korrigiert werden könnte, erzeugt zusätzliche Spannung, genau wie die Angst der potentiellen Todes-Kandidatin, die man bei dieser Gelegenheit besser kennen lernt. Man bekommt es insgesamt mit sehr einprägsamen Charakterzeichnungen zu tun, die diesen Beitrag doppelt aufwerten. Die Spannung der Geschichte wird hauptsächlich über Agnes Fink aufgebaut, die hier wieder einmal großartig aufspielt. Maria Dönhoff, eine reiche Geschäftsfrau, wirkt auf den ersten Blick wie eine Philanthropin, da sie in ihrem Haus eine Reihe von Herren beherbergt, die ausschließlich auf ihre Kosten leben. So sind gleichzeitig alle Verdächtigen direkt unter einem Dach versammelt. Doch die prinzipiell einsame Frau bewegten andere Gesichtspunkte dazu, und nicht etwa die Nächstenliebe.

Sie hat Angst, und zwar panische Angst vor dem alleine sein, also bezahlt sie für Zuwendung und Gesellschaft. Bei den Ermittlungen stellt sich heraus, dass alle Befragten mit Respekt und Bewunderung von ihr gesprochen haben sollen, sodass Kommissar Keller nur kurz anmerkt, dass dies auf Dauer ein bisschen wenig für eine Frau sei. Maria Dönhoff hat alles im Überfluss, jedoch verkümmert sie langsam aber sicher an den schweigenden Vorwürfen der Männer, die ihr zu Verstehen geben, dass sie als Partnerin, Mutter, aber vor allem als Frau ausgedient hat. Agnes Fink verkörpert dies mit Bravour, ihre suchenden, fast springenden Augen charakterisieren ihre Angst und die Fassungslosigkeit, mit der sie ihrer Situation gegenüber steht. Sie ist angespannt aber gleichzeitig müde geworden vom emotionalen Tagesgeschäft, da sie weder geliebt noch gehasst wird, sodass es für die wesentlich schlimmer kommt. Sie ist allen gleichgültig geworden. Anton Diffring gibt sich notgedrungen als Liebhaber her, genießt als Ausgleich aber das süße Leben nebst seiner schönen aber vor allem jungen Freundin. Bei Konrad Georg, Thomas Astan und Kurt Erhardt, kommt es zu dem grotesken Anschein, dass sie ihre Geldgeberin, der alles gehört, eben nur noch aus diesem Grund in deren eigenem Hause dulden und tolerieren. Ulrich Haupt rundet den Kreis der Verdächtigen gekonnt ab, die darstellerischen Leistungen bewegen sich in dieser Folge auf höchstem Niveau. So bekommt der Zuschauer im Endeffekt eher eine Studie präsentiert, gegen die sich der eigentliche Kriminalfall schwer behaupten kann. Das Grundgerüst ist zwar sehr gut und in Ansätzen genau so hochwertig ausgearbeitet worden - auffallend ist die stilsichere musikalische Untermalung - doch das Finale liefert einen ärgerlichen Durchhänger, in dem es vor Unglaubwürdigkeit und Inkonsequenz nur so wimmelt. Schade, dass die Regie leider in den letzten Minuten den Spannungshintergrund aus den Augen verloren hat. Insgesamt gesehen ist Folge 23 aber allemal überdurchschnittlich unterhaltsam, stellt letztlich aber keinen Überflieger der Kommissar-Reihe dar.

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Prisma
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Re: DER KOMMISSAR

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● FOLGE 24 | EINE KUGEL FÜR DEN KOMMISSAR (D|1970)
mit Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Fritz Wepper, Emely Reuer, Helma Seitz und Rosemarie Fendel
Gäste: Harald Juhnke, Klaus Löwitsch, Horst Michael Neutze, Gert Günter Hoffmann, Angelika Zielke, u.a.
hergestellt durch die Neue Münchner Fernsehproduktion | im Auftrag des ZDF
Regie: Erik Ode



Kommissar Keller wird direkt vor seiner eigenen Haustüre nieder geschossen. Die Täter agierten aus einem vorbei fahrenden Wagen und es handelt sich offenbar nicht um eine zufällige Verwechslung. Glücklicherweise trägt Keller keine lebensbedrohlichen Verletzungen davon und ein späterer Anruf bestätigt, dass es sich um keinen Zufall, sondern um einen Anschlag handelte. Am wahrscheinlichsten ist eine späte Rache eines Straftäters, den der Kommissar in seiner Laufbahn hinter Schloss und Riegel gebracht hat, doch die Liste der potentiell Verdächtigen ist unübersichtlich und lang. Während die Ermittlungen auf Hochtouren laufen, entschließt sich Frau Keller, der Sache auf eigene Faust nachzugehen...

Nach dem Attentat auf Kommissar Keller läuft der aufgeschreckte Polizeiapparat auf Hochtouren und die Mitarbeiter der Mordkommission heben sich, anders als sonst üblich, komplett voneinander ab und agieren eigenständig. Auch die Damen dürfen unter der Regie von Erik Ode einmal eindrucksvoll beweisen, welch glasklare Kombinationsgabe sie besitzen und dass sie zu mehr fähig sind, als es oftmals nur den Anschein hatte. Alle Beteiligten haben vermutlich eine harte Schule unter dem Meister durchlaufen, bis sie ihre geschulten Fähigkeiten gewinnbringend unter Beweis stellen konnten. Obwohl Regisseur Erik Ode die komplette Mannschaft ganz exponiert in den Vordergrund hebt und man dadurch meinen könnte, er hielte sich bezüglich der von ihm interpretierten Figur des Kommissars zurück, der ja tatsächlich nur am Rande agiert, handelt es sich im Endeffekt schon um eine indirekte Selbstinszenierung, wenn sie auch keineswegs aufdringlich wirkt. Die günstigste Voraussetzung bei dieser Folge ist, dass jeder Zuschauer sofort und uneingeschränkt auf der Seite der Inszenierung und der Geschichte an sich steht, da der Protagonist, der das Sinnbild der Reihe darstellt, in große Gefahr geraten ist. Ausgezeichnet konstruiert sind worden die zwei unterschiedlichen Vorgehensweisen der ermittelnden Gruppen. Die Männer bearbeiten den Fall im Sinne des Chefs, was auch die Frauen tun. Doch deren großer Vorteil besteht darin, dass sie sich solidarisieren und wesentlich unkonventioneller wirken. Trotz unterschiedlicher Ansätze, bei denen der Verlauf ebenso kontrastreich wirkt, ist die wirklich interessante Komponente daran, dass man sich irgendwann an der gleichen Stelle wieder treffen wird. Das Fehlen einer tragenden weiblichen Hauptrolle ebnet die Bühne für Rosemarie Fendel, die als Franziska Keller leider nur sporadisch zu sehen war und meistens unscheinbar in Szene gesetzt wurde. In Folge 24 räumt man ihr in ihrem letzten Kommissar-Auftritt final Möglichkeiten ein, sich zu profilieren. Trotz völliger Unerfahrenheit und nicht einzukalkulierender Risiken versucht sie eigenmächtig, den Fall von hinten aufzurollen.

Dabei findet sie mit Fräulein Rehbein eine verlässliche und loyale Komplizin, die ihre langjährige Erfahrung effektiv abrufen nutzen kann. Erik Ode ist in der gefährlichen Situation die Ruhe selbst. Er spielt den Fall herunter, obwohl er ihn insgeheim vermutlich nicht unterschätzt, allerdings möchte er die anderen mit dieser Strategie, vor allem aber seine aufgebrachte Frau beruhigen. Als sehr gelungen zu bewerten ist, dass einer nach dem anderen in der Wohnung der Kellers auftaucht und diese quasi zum Ausweichbüro der Mordkommission avanciert - sozusagen als Dreh- und Angelpunkt der Ermittlungen. Frau Keller lässt es sich dabei nicht nehmen, nicht nur die Ausnahmesituation, sondern auch den Beruf ihres Mannes generell kritisch zu hinterfragen, sie bleibt dabei aber verhältnismäßig ruhig und wirkt zu keinem Zeitpunkt hysterisch oder kopflos. Hier kann man wohl von ihrer jahrelangen Erfahrung als Kommissars-Gattin sprechen, von der sie in eigenartiger Weise profitieren kann. Es gestaltet sich als sehr interessant und originell, ihr im Verlauf schließlich bei ihren hartnäckigen Laien-Ermittlungen zusehen zu können. Die Spannung entsteht somit aus zahlreichen Komponenten. Die Kellers - sowohl sie als auch er - schweben in latenter Gefahr. Der Anschlag könnte sich wiederholen oder erweitern und man hat es lange Zeit mit Phantomen zu tun, denn sie umgibt sich mit Leuten, denen sie nicht gewachsen ist und die Mitarbeiter der Mordkommission könnten nicht rechtzeitig intervenieren; man hat das Gefühl, dass die Zeit denkbar knapp wird. Die zwielichtigen Gestalten sind mit einem sympathischen und sehr überzeugend agierenden Harald Juhnke sowie Klaus Löwitsch, Horst Michael Neutze und Gerd Günter Hoffmann ausgezeichnet besetzt worden, was für zusätzliche Überzeugungskraft sorgt. Schlussendlich besticht die 24. Folge durch einen überaus klaren Aufbau, empfundene Authentizität, durchgehende und nicht verkrampft wirkende Spannung und mit einem sehr gelungenen Finale, sodass sicherlich von einer der am meisten gelungenen Episoden der frühen Phase gesprochen werden kann, die vor allem auf Kontraste setzt.

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Re: DER KOMMISSAR

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● FOLGE 25 | DER MORD AN FRAU KLETT (D|1970)
mit Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Fritz Wepper, Helma Seitz
Gäste: Alfred Balthoff, Hans Ernst Jäger, Vadim Glowna, Hilde Volk, Laurence Bien, u.a.
hergestellt durch die Neue Münchner Fernsehproduktion | im Auftrag des ZDF
Regie: Erik Ode



In einem heruntergekommenen Viertel findet ein Lumpensammler eine Ermordete, die in einem Hinterhof einfach in einer Mülltonne abgelegt wurde. Um mit diesem erschütternden Fall weiter zu kommen, untersucht Kommissar Keller den sozialen Hintergrund der toten Frau Klett, die - wie sich schnell herausstellt - ein sehr karges Leben geführt haben muss. Auch zu ihrem Mann und dem gemeinsamen Sohn hatte sie schon länger keinen Kontakt mehr, und keiner kann oder will eigentlich wirklich viel über die Frau berichten, bis die Spur in ein zweifelhaftes Lokal führt, wo sich einige Zusammenhänge entschlüsseln...

Die 25. folge markiert nicht nur den Beginn der zweiten Staffel der Serie, sondern beginnt recht eindrucksvoll mit dem Ende einer Frau, die im Leben offensichtlich kaum das Nötigste zur Verfügung gehabt hatte. Sowohl für das Publikum, als auch für die ermittelnden Personen - die ja schließlich so einiges gewöhnt sind - offenbart sich eine Situation der aufrichtigen Bestürzung, da die Tote einfach in einen Müll-Container abgelegt wurde, wie Abfall den man dringend loswerden möchte, weil man ihn nicht mehr ertragen kann. Hinzu kommt, dass die Frau schrecklich zugerichtet vorgefunden wird. Das Aufzeigen des sozialen Hintergrundes von Frau Klett dokumentiert wohl, dass nach Ansicht des Mörders einfach nur ein wertloses Leben beendet wurde. Zunächst bilden diese Bausteine eine gewisse Schwere innerhalb der Kommissr'schen Tragödie und es entwickelt sich Nachdenklichkeit oder auch Entrüstung, doch eigentlich stellt sich relativ schnell heraus, dass man nur versuchte, eine äußerst schwache Geschichte durch Emotionen auf dem Servierteller zu verschleiern, was nicht allzu schlimm wäre, wenn es denn auch funktionieren würde. Diese narrativen Krokodilstränen des Drehbuchs verwässern leider die gesamte Angelegenheit in beinahe unangenehmer Art und Weise, sodass man es eigentlich vorweg nehmen kann: "Der Mord an Frau Klett" ist leider eine ungewöhnlich schwache und aufdringliche Kommissar-Folge geworden, die im Vergleich zu allen Vorgängern deutlich abfällt. Man kann der Episode schließlich noch zu Gute halten, dass Dietrich Haugk versucht, die Episode im handwerklichen Bereich solide über die Ziellinie zu bringen. Erstmals wirkt auch die Besetzungsliste wenig spektakulär, da sie mit Schauspielern ausgestattet ist, die im Besonderen für gängige Klischees dienstbar zu machen waren und nach einer gewissen Zeit einfach nur überstrapazieren. Hier zu nennen sind definitiv Alfred Balthoff, Hans Ernst Jäger, Vadim Glowna oder Erik Odes Ehefrau Hilde Volk, die eine abgesattelte Truppe darstellen, die wenigstens die schäbigen Schauplätze und triste Geschichte unterstreichen.

Gut, derartig unsympathische Charaktere gehören zwingend zu diesem Fall, da sie die nebulöse Geschichte mit ihren markanten oder eher gesagt eigenartigen Kapriolen prägen und für Misstrauen und Verwirrung sorgen sollen. Doch leider passt hier am Ende nicht besonders viel zusammen. Man hört Endlosschleifen von Klagen über das karge Leben, doch die Herrschaften merken nicht, dass sie sich in ihrer Resignation und Lethargie bereits längst dem Schicksal hinnehmend gebeugt haben und für ihre Misere ein Stück weit selbst verantwortlich sind. Die Einzige von ihnen, die ihr Leben schließlich von Stroh zu Gold machen wollte, wurde heimtückisch ermordet. Diese hoffnungslosen Fälle sind nicht im Geringsten stichhaltig oder wenigstens annähernd verständlich für den Zuschauer herausgearbeitet worden, lediglich Else Knott als Frau Klett kann eine Ansätze von spürbaren Akzenten setzen. Regisseur Dietrich Haugk versucht die Folge glücklicherweise durch Kompetenz glattzubügeln, was unter den bestehenden Voraussetzungen leider nicht komplett gelingen kann. Das Finale ist versöhnlicherweise noch sehr einprägsam und rasant ausgefallen, aber dennoch bleibt der Fall mit seinen Irrungen und Wirrungen im Rahmen dubioser Familienverhältnisse und dem Sinn des ganzen veranstalteten Theaters eher schwach. Bei Zbyněk Brynychs Beiträgen hatte man trotz teils unerträglichen Passagen wenigstens eine auch teilweise beachtliche Besetzung zur persönlichen Beruhigung zur Verfügung, doch hier ist erstmals die Geschichte trotz schwerer Geschütze sehr wässrig. Was allerdings viel schwerer ins Gewicht fällt ist, dass es keinen adäquaten darstellerischen Ausgleich gibt, der sich stets als so wichtig herausgestellt hat. Insgesamt bleibt mit "Der Mord an Frau Klett" eine überwiegend unbeeindruckende und sich selbst überschätzende Folge zurück, obwohl man sich angesichts der Intention dieser Erzählung und der traurigen Vorkommnisse nicht unbeeindruckt fühlen sollte. Daher ist und bleibt hier alles zu verdächtig, was sich im Rahmen einer Kriminalhandlung stets als Gift herausstellen sollte. Es kann nur besser werden.

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● FOLGE 26 | DIE KLEINE SCHUBELIK (D|1970)
mit Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Fritz Wepper, Helma Seitz und Emely Reuer
Gäste: Peter Kuiper, Erni Mangold, Margarethe von Trotta, Susanne Schaefer, Josef Fröhlich, Sigfrit Steiner, Thomas Piper, u.a.
hergestellt durch die Neue Münchner Fernsehproduktion | im Auftrag des ZDF
Regie: Georg Tressler



Der Gelegenheitsarbeiter Schubelik wird tot in seinem Bett aufgefunden. Starb er eines natürlichen Todes? Er bewohnte eine kleine Laube am Rande der Stadt. Zunächst deutet keine Spur auf ein Gewaltverbrechen hin, doch Kommissar Keller ist skeptisch und rekonstruiert den Tag vor Schubeliks Tod noch einmal. Es hat eine Feier stattgefunden bei der auch die minderjährige Tochter des Toten, genannt die kleine Schubelik und ein Freund von ihm anwesend waren. War noch jemand zur besagten Zeit dort und kommt daher als Täter in Frage? Die Ermittlungen durchleuchten die Familienverhältnisse und fügen das Puzzle schließlich zusammen...

Eine Regie-Arbeit des Wiener Regisseurs Georg Tressler thront bereits im Vorfeld wie ein Gütesiegel über dem bevorstehenden Szenario und wirkt in absolut sicheren Händen zu sein, doch die zweite Staffel der Reihe begann überraschend durchwachsen, was Tressler mit seiner Episode "Die kleine Schubelik" leider fortführt, zumindest weitgehend und vergleichsweise. Die Folge kann aufgrund ihres eintönigen Kriminalfalls und der denkbar schwachen Titelfigur kaum punkten. Lediglich die Charakterzeichnungen der übrigen Akteure sind wirklich gelungen und überzeugen daher auch im angesiedelten Milieu, in dem sich eine trostlose Schilderung an die nächste reiht. Wenige Verdächtige in Verbindung mit einem herkömmlichen Fall lassen die Handlung hier deutlich an Spannungshintergrund verlieren und die Vorhersehbarkeit erscheint daher auffällig ärgerlich und exponiert zu sein wie selten. Die Einführung in die Geschichte ist mehr als eindeutig, genau wie die Zeichnung des Ermordeten, der ein Tyrann gewesen sein muss und über dessen Ableben man bei einigen Beteiligten beinahe Erleichterung sehen kann, da er deren Leben negativ beeinflusste. So ist die ganze Angelegenheit wieder einmal schnellstens eine Art Konglomerat aus Kriminalfall und Milieu-Studie mit einigen gescheiterten Existenzen geworden, allerdings der weniger beeindruckenden Sorte, da es zu empfundener und beinahe aufgesetzter Tragik kommt, die kaum jemanden hinterm Ofen vorlocken kann. Allerdings sollte man der 26. Folge zu Gute halten, dass sie trotz allem handwerklich einwandfrei gestaltet ist, außerdem der Schauplätze und vor allem der Ermittlungen wegen allerlei Überzeugendes zu bieten hat. Für ein derartiges Umfeld sieht man mit einem Kaliber wie Peter Kuiper als Klenze auf jeden Fall den richtigen Mann, der für Unberechenbarkeit und Gewaltbereitschaft. Er ist ein Maulheld aus dem Bilderbuch und prahlt mit seiner Manneskraft, die offenbar antiproportional zu seiner Intelligenz steht oder am unteren Niveau gleichzusetzen ist. Dabei präsentiert er sich als klassischer, Ekel erregender Prolet.

Warum lange Reden schwingen, wenn die Fäuste doch eine eindeutigere Sprache sprechen, warum Arbeiten, wenn diese doch bekanntermaßen nur krank macht, warum nur eine Frau haben, wenn es doch so viele gibt? Kuiper liefert eine großartige und vor allem glaubwürdige Interpretation ab, die abstößt. Beim ersten Verhör weiß man bereits sofort mit wem man es zu tun hat. Seine Frau, die er betrunken auch gerne windelweich prügelt, wird von ihm hin und her geschickt, wie ein minderwertiges Objekt behandelt und man kann ihn dabei beobachten, wie er das sichtlich angewiderte Team-Mitglied Helga mit einem geilen Grinsen fixiert, oder wirklich eher schon angafft. Dabei hört man ständig den Sekundenzeiger der Uhr ticken, die sich im Raum befindet, was Klenze eindeutig charakterisiert. Eine Zeitbombe, die jederzeit hochgehen könnte oder schon längst explodiert ist. Somit bietet diese Folge eines der wohl groteskesten, aber auch interessantesten Verhöre der ganzen Reihe. Margarethe von Trotta überzeugt als resignierte Ehefrau dieses Herrn ebenfalls, und sie gehört wie die meisten anderen Interpreten in die Riege der bemitleidenswerten Personen - unter denen auch noch besonders Erni Mangold hervorsticht - die sich mutwillig mit einer Art Hölle arrangiert haben. Emely Reuer hat in dieser wenig erbaulichen Atmosphäre leider schon ihren letzten Auftritt als Helga. Sie bekam hier eine der wenigen Möglichkeiten, sich ein etwas mehr in den Fokus zu rücken, was besonders im Zusammenspiel mit einem lüsternen Peter Kuiper zur Geltung kommt. So erteilt sie ihm die wohl beste Abfuhr der Kommissar-Reihe, als sie ihn auf seine plumpen Avancen quasi fragt, als ob er noch ganz bei Trost sei. Eine Köstlichkeit! Ansonsten verläuft diese Episode wie gesagt wenig originell, vergleichsweise vielleicht sogar etwas langweilig, weil sie vorhersehbar erscheint und man bislang wesentlich Besseres gesehen hat. Auch dieser tragisch angehauchte Versuch von Georg Tressler lässt ungewöhnlich unbeeindruckt zurück, genau wie es schon beim Vorgänger der Fall war, obwohl Schicksale gezeigt werden.

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Re: DER KOMMISSAR

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● FOLGE 27 | ANONYMER ANRUF (D|1970)
mit Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Fritz Wepper, Helma Seitz
Gäste: Martin Lüttge, Gerlinde Locker, Jürgen Goslar, Dunja Rajter, Friedrich Joloff, Hanne Hiob, Paul Edwin Roth
hergestellt durch die Neue Münchner Fernsehproduktion | im Auftrag des ZDF
Regie: Helmut Käutner



»Ihre Frau betrügt Sie!« So lautet der erste seltsame Anruf, der bei Kurt Gersdorf eingeht und kurz darauf folgt ein zweites Telefonat, bei dem der Fremde behauptet, Frau Gersdorf betrüge ihn mit Herrn Stein, dessen eigenem Onkel. Von Zweifeln getrieben, sucht Kurt die Villa seines Onkels auf und schon beim Betreten fallen Schüsse und die Alarmanlage ertönt laut. Stein wurde soeben ermordet. Handelt es sich um eine mörderische Falle, oder hat der Neffe einen perfiden Plan ausgeführt? Kommissar Keller machen die unterschiedlichen Zeugenaussagen skeptisch, außerdem stellt sich heraus, dass die Mordwaffe dem Hauptverdächtigen Gersdorf gehört. Kann er seine Unschuld beweisen..?

Folge 27, die ärgerlicherweise wegen Rechtefragen nicht in der "Kommissar"-Box enthalten, ist beginnt mit Panorama-Einstellungen der Stadt, schwenkt in Gersdorfs Dachgeschoss und beschäftigt sich mit einigen Details seiner Wohnung, bis der erste anonyme Anruf ertönt. Bereits zu Beginn wird ganz klar deutlich, dass Helmut Käutners Episode mit einem glasklaren Aufbau überzeugen wird und die gesamte Konstruktion schmückt sich im Verlauf mit einigen raffinierten Schachzügen. Leider ist jedoch nicht wegzudiskutieren, dass der Kriminalfall an sich leider ungewöhnlich unspektakulär ausgefallen ist. Man verfolgt das Ganze und wundert sich bald, dass es eigentlich kaum Tatverdächtige gibt. Erinnert man sich an den Titel der Episode, ist natürlich zu hinterfragen, wer der anonyme Anrufer gewesen ist. Spätestens hier fällt der Groschen, da man die Stimme der Person aufgrund ihrer prägnanten Farbgebung erkennen kann, was für ein Format mit Whodunit einfach pures Gift darstellt, was ziemlich schade ist, denn spätestens damit geht eine gute Portion der Spannung einfach verloren. Die Falle, die gnadenlos in der Villa des Herrn Stein zuschnappt, ist ansonsten sehr originell konzipiert, denn auch die beteiligten Personen, die offensichtlich etwas verbergen wollen und deren eigenartige Beziehungen zueinander Rätsel aufgeben, halten irgendwie bei Laune, da die Episode technisch außerdem recht anschaulich gestaltet worden ist, wobei auch die Integration einiger der berüchtigten heiligen Nutten der Serie erneut fadenscheinig wirkt. Insgesamt gesehen hebt sich diese Angelegenheit deswegen nicht grundlegend vom Mittelmaß ab, vielleicht ist sogar eher das Gegenteil der Fall. Die Besetzung ist bunt, aber nicht uninteressant zusammen gewürfelt worden. Martin Lüttge, der in Kommissar-Fragen bereits einen wesentlich prägnanteren Auftritt zu verbuchen hatte, wirkt als Student Gersdorf etwas bemitleidenswert, da er ohne Weitsicht und ziemlich naiv in eine mörderische Falle tappt. Dem Eindruck nach scheinen seine Kompensationsstrategien insgesamt ziemlich begrenzt zu sein.

Zu was ihm nahe stehende Personen aus seinem direkten Umfeld bereit sind und treiben, oder zu was Menschen im Allgemeinen aus Kalkül und Egoismus fähig sein können, scheint ihm vollkommen fremd zu sein. Gerlinde Locker als seine zunächst unscheinbar anmutende Gattin wirkt recht überzeugend als Verantwortliche zum Aufbessern der Haushaltskasse. Anschaffen fürs Studium ihres ziellos wirkenden Mannes, das hat man jedenfalls von Gerlinde Locker auch nicht gerade alle Tage gesehen, wobei sich zahlreiche Zweifel etablieren, ob das Geschilderte der Logik oder der Wahrscheinlichkeit entspricht. Eine weitere Genossin der diskreten Prostitution stellt die aparte Dunja Rajter dar, die in ihren wenigen und meistens belanglosen Rollen immer eine gute Figur macht. Leider wurde sie hier mit einer Stimme synchronisiert, die einem beinahe schmerzhaft ins Ohr springt. Dabei ist sofort an Evelyn Opela zu denken, die wie Rajter eben auch gerade durch ihre charmante Original-Stimme so nachhaltige Akzente setzen konnte, aber hier durch die Synchronisation wie ein Fremdkörper wirkt. Mit Jürgen Goslar und Friedrich Joloff bekommt man sehr überzeugende Interpreten zu Gesicht, die im Endeffekt auch den Kreis der Verdächtigen darstellen, da der Anrufer zu Beginn schließlich ein Mann war. Die komplette Folge besteht dem Empfinden nach ausschließlich aus Verhören, der große Aha-Effekt bleibt auch nach der sehr gelungenen Überführung, bei der alle in der Villa zusammen geführt werden, aus. Die Charakterzeichnungen wirken teilweise wenig geschliffen. Auch das Prinzip, dass wieder einmal ein rücksichtsloser Unmensch das Zeitliche segnen musste, wirkt langsam aber sicher überholt, wenn auch nachvollziehbar, und das Tatmotiv offenbart sich erst 5 vor 12 und drängt sich quasi aus dem Nichts auf. Diese Folge lässt einen nicht nur unschlüssig, sondern leider auch etwas unzufrieden zurück, da sie einerseits klassisch konstruiert wirkt, ihr andererseits aber das gewisse Etwas fehlt. Dennoch bleibt es aus Komplettierungsgründen sehr schade, dass diese Episode - neben zwei anderen auch - nicht mit veröffentlicht werden konnte.

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Re: DER KOMMISSAR

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● FOLGE 28 | DREI TOTE REISEN NACH WIEN (D|1970)
mit Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Fritz Wepper und Fritz Eckhardt
Gäste: Hans Caninenberg, Dieter Borsche, Herbert Steinmetz, Hilde Weissner, Christoph Bantzer, Susanne Wisten, u.a.
hergestellt durch die Neue Münchner Fernsehproduktion | im Auftrag des ZDF
Regie: Dietrich Haugk



Eine anonyme Morddrohung richtet sich gegen Schreiner Bessmer, den Buchhändler Sasse und den Großkaufmann Roth. Diese Ankündigung steht in direktem Zusammenhang zu der letzten Vergnügungsfahrt nach Wien, die die drei alten Freunde gemeinsam unternommen hatten. Es gab häufiger solche Reisen, um dem Alltagstrott und dem langweiligen Eheleben entkommen zu können. Als Bessmer auf offener Straße ermordet wird, ist klar, dass es sich um tödlichen Ernst handelt. Auch die Schüsse wurden aus einem Wagen mit Wiener Kennzeichen abgegeben. Was ist bloß in Wien geschehen und warum führen alle Wege dort hin zurück? Kommissar Keller versucht, die übrig gebliebenen Herren vor Anschlägen zu schützen, doch die Zusammenhänge liegen im Dunkeln...

Dietrich Haugk liefert mit "Drei Tote reisen nach Wien" einen richtigen Klassiker der Reihe ab, der sogar blendend als Spielfilm funktioniert hätte - wenn man das Ganze ein bisschen mehr gestreckt ansehen würde. Bei dieser 28. Folge ist global anzumerken, dass man sich noch einmal gesammelt hat, um frischen Wind in die Reihe und in das übliche Konzept zu bringen, was nach den schwächeren Vorgängern der zweiten Staffel auch dringend notwendig war. So kommt es zu einigen Neuerungen und unterschiedlichen Herangehensweisen, die genügend Potential liefern, um sich deutlich vom Durchschnitt abzuheben, was ja im Endeffekt auch fulminant gelingt, da es sich außerdem um einen sehr spannenden Stoff handelt. Der Verlauf probiert es mit zahlreichen gelungenen Überraschungen. Der maskierte Mörder sorgt für eine richtig unheimliche Atmosphäre und auch seine Vorgehensweise erscheint wesentlich brutaler zu sein als es sonst den Anschein hatte, was vielleicht Ausdruck der Schwere der noch im dunkeln liegenden Tat ist. Dieser wesentlich nachhaltigere Eindruck entsteht nicht zuletzt auch deswegen, da die Morde hier gezeigt werden und die Toten, nicht wie sonst üblich, einfach nur gefunden werden, als seien sie aufgebahrt, und die Tat an sich eine Sache der Fantasie zu bleiben hatte. Auch bleibt es dieses Mal nicht nur bei einem Mord und insgesamt bekommt man es für "Kommissar"-Verhältnisse vielleicht mit einer neuen Ebene der Spannung zu tun. Zusätzlich kommt man in den Genuss eines gelungenen Crossovers mit der Integration des Wiener Kollegen, Oberinspektor Marek, sodass "Drei Tote reisen nach Wien" schließlich wesentlich aufwendiger inszeniert wirkt, als viele seiner Artgenossen. Bei derartig gehobenen Voraussetzungen darf natürlich eine besondere Besetzung nicht fehlen, die alleine mit den Titel-Figuren schon bemerkenswert genug ausgestattet ist, es aber zu hoch interessanten Unterstützern kommt. Die drei potenziellen oder tatsächlichen Toten, die Vergnügungen nicht abgeneigt sind, werden sehr überzeugend durch Hans Caninenberg, Dieter Borsche und Herbert Steinmetz dargestellt.

Die vollkommen unterschiedlichen charakterlichen Eigenschaften der drei Herren, die das beste Alter bald hinter sich lassen werden, sorgen für Reibungsflächen und die Spannung, die hier so gut ankommt. Auch die Familienverhältnisse werden in sehr differenzierten Färbungen angeboten. Wo es bei Erwin Bessmers Tod zu Tränen seiner Ehefrau kommt, was innerhalb der Serie einen Seltenheitscharakter besitzt, denn meistens waren die Beteiligten über diverse Ableben erleichtert oder zeigten sich sogar unempfindlich, beziehungsweise verantwortlich, gibt es im Hause Sasse vorwurfsvolle und völlig desillusionierte Konversationen, die von Hans Caninenberg und Hilde Weissner scharfzüngig und pointiert dargeboten werden. Auch Dieter Borsche als wohlhabender Kaufmann glänzt durch einen Präzisionsauftritt. Jede der drei Titelfiguren schürt die Befürchtung, dass Schweigen letztlich tödlich sein könnte, sodass die Folge wegen ihrer unberechenbaren Dynamik und Spannung ungemein profitiert. Sie offenbart ihre zahlreichen Stärken fließend und es kommt zu originellen Wendungen, dosierten Effekten und stichhaltigen Charakterzeichnungen. Des Weiteren sorgen die bemerkenswerten Schauplätze für eine besondere Atmosphäre und auch die klassischen Ermittler-Tätigkeiten überzeugen hier restlos. "Drei Tote reisen nach Wien" verblüfft letztlich durch die angewandte Verschleierungstaktik des Drehbuches, was zwar kein Novum darstellt, hier aber besonders exponiert in Erscheinung tritt. Als Zuschauer ist man sich bis zum Ende hin nicht im Klaren darüber, wohin die Reise denn tatsächlich gehen wird, denn Wien wird als Dreh-und Angelpunkt nicht ausreichen. Dass die Regie die günstigen Voraussetzungen optimal genutzt hat, wird in jeder Minute dieser weit über dem Durchschnitt liegenden "Kommissar"-Folge sichtbar. Auch diverse Einfälle, wie der alternative Abspann mit den Bildern der Darsteller und der jeweiligen Unterlegung mit deren Namen, oder beispielsweise Rückblenden als Standbilder wirken als Bonus sehr erfrischend. Es bleibt ein überzeugender Volltreffer voller Dynamik, Kompetenz und Vorstellungsvermögen, den man sich immer wieder anschauen kann.

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