● ORSON WELLES ERZÄHLT | FOLGE 05 | DINNER BEI McGILL (GB|1973)
mit Orson Welles als Erzähler
Joan Collins, Anton Rodgers, Maxine Audley, Ruth Dunning, Jean Harvey, Peter Cellier, Geoffrey Chater, Anthony Sharp
eine Anglia Television Produktion für ITV
Regie: John Robins
»Verheiratet sein... Es ist nicht einmal so furchtbar lange her, da waren nicht nur die Eheleute miteinander verheiratet, sondern zur Ehe gehörten die beiderseitigen Großfamilien, mit denen man quasi auch verheiratet war. Aber die Zeiten haben sich gewandelt. Heute sind die Eheleute mehr mit der Firma verheiratet, bei der sie angestellt sind, die ihnen Arbeit und Brot gibt. Ja, und damit sind auf die Ehefrauen neue Ängste zugekommen, denn sie wird gesellschaftlich eingestuft von der Firmenleitung, die sich die Frage stellt, ob sie ebenso wie ihr angestellter Gatte akzeptabel ist...«
Mit seinen einleitenden Worten kann Gastgeber Orson Welles gleich zu Beginn neugierig auf diese Geschichte machen, die entgegen der allgemeinen Erwartung, dass es sich im Rahmen des nebulös klingenden Serientitels um möglicherweise übernatürliche Inhalte handeln könnte, recht weltlicher, beziehungsweise kriminalistischer Natur sein wird. Seinen Monolog hält der beliebte Schauspieler und Regisseur in einer beeindruckenden Aufmachung und Manier. Eine versnobte Gesellschaft erwartet den Mann zu einem Dinner, den sie sich in einer bekannten Firma für eine Beförderung auserkoren haben. Er muss sich samt seiner Ehefrau in die Manege wagen und einem Kreuzverhör stellen, von dem die berufliche Zukunft abhängen wird. Die Jury besteht aus Hyänen der kultivierteren Sorte, unter denen es insbesondere die Damen sein werden, die über Sein oder Nichtsein entscheiden dürften. Die Szenerie ist geebnet mit zahlreichen Patzern und ein Fauxpas stellt sich nach dem nächsten ein. Eine peinlich berührende Atmosphäre überkommt den Raum und der Zuschauer schlägt sich schnell auf die Seite der armen Joan Collins, der dabei zuzusehen ist, wie sie in der Rolle einer maskierten Dame scheitert. Hin und wieder wirkt die Ehefrau der designierten Beförderung so ordinär, dass es den anwesenden Damen gehobeneren Alters die Verlegenheit in die Gesichter treibt, aber auch eine Angriffslust weckt, die mehrere diskrete Harpunenschüsse nach sich zieht. Fragen über die Herkunft werden mit schmerzlicher Offenheit quittiert und bieten die Veranlassung für sechsfaches Kopfschütteln. Nur die Angeklagte scheint keinen blassen Schimmer zu haben, dass sie ihrem Mann den anvisierten und wesentlich besseren Posten unumgänglich verbaut, wenn sie den Gastgebern und den befreundeten Gleichgesinnten des Abends fließbandartig vor den Kopf stößt und sie brüskiert.
Kleinere Verstöße gegen die Etikette bei Tisch und auch sonst, wie beispielsweise das Herumfischen im Drink nach der eigenen Kontaktlinse, der gesteigerte Alkoholkonsum im Allgemeinen, oder die schrecklich direkten Antworten unverblümter Natur, besiegeln den Eindruck des Zuschauers, dass dieser Farce doch schnell ein Ende gesetzt werden sollte. Es kam und kommt selten genug vor, dass man mit Episoden-Hauptrolle Joan Collins Mitleid empfinden konnte, weil sie dem Anschein nach so gnadenlos ins offene Messer läuft und dabei vorgeführt wird. Ihre Naivität kennt hier dem Empfinden nach keine Grenzen und wenn der Vorhang endlich gefallen ist, wird sie von den Mitgliedern der besseren britischen Gesellschaft in der Luft zerrissen. Dabei diskutiert man ganz offen, was jeder einzelne Zuschauer selbst bereits wissen will: die Beförderung ist beendet, bevor sie überhaupt angefangen hat. Interessant bei Collins' Darbietung ist die Tatsache, dass sie in einer Rolle zu sehen ist, die entsprechend ihres Images beinahe kurios aussehen will, aber dennoch die typischen Charakteristika wie Angriffslust oder Schlagfertigkeit offeriert. In der Runde entsteht eine herrliche und vor allem unberechenbare Eigendynamik, die geprägt sein wird von Wortwitz und derben Fettnäpfchen; die vollmundige Indiskretion wird dabei mit überspitzter Höflichkeit überspielt, und umgekehrt. Doch wo, fragt man sich, ist mit dieser Geschichte der Kern der Serie eigentlich getroffen worden? Ein überraschender, wenn auch nur kleiner Twist gegen Ende wird Aufschluss darüber geben, dass im Endeffekt nichts so zu sein scheint, wie im Vorfeld vermutet. Insgesamt gesehen handelt es sich bei "Dinner bei McGill" um eine sehr amüsante und gut choreografierte Folge dieser Serie, die durch Leistungen bekannter Stars zu einem mit Ironie und Situationskomik angereichertem Tanz auf dem Vulkan ausartet, der sich sehen lassen kann.