Der Kunstbegriff im Film

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Pelmenisartana
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Der Kunstbegriff im Film

Beitrag von Pelmenisartana »

Die Frage nach der Begriffsdefinition von 'Kunst' hat zwar immer etwas von Elfenbeinturm und abgekapselter Selbstbeschäftigung selbstdefinierter elitärer Zirkel, hat im weiteren Verlauf jedoch konkrete Konsequenzen für den geneigten Filmfreund. Es fängt mit Rechten (Kunstfreiheit) an und geht mit Förderung, Wertschätzung etc weiter. Letztendlich ist der Kunstbegriff ein Fixpunkt Altes zu beleuchten und die Zukunft zu gestalten, da Kunst eben Mittel und Zweck zur Definition weiterer Maßstäbe ist.

In der (Post)moderne gibt es natürlich den Zug, auch den Kunstbegriff relativistisch oder subjektivistisch auszulegen, was ihn schlussendlich ad absurdum führt und in seiner Konsequenz völlig wertlos macht. Die Idee an der Diskussion ist daher wohl eher, Kunst unter einem mehr objektivistischen (vielleicht imateriellistischen) Gesichtspunkt zu erörtern und das, was einigen schon aufstoßen wird, weg von der Instrumentalisierung für politisch-ideologische Interessen.

Da ich denke, kurz und oberflächlich, abgehandelt zu haben, warum diese Begriffsdefinition nicht unerheblich ist, möchte ich gerne ein paar Brocken in die Manege werfen. Kunst ist meines Erachtens nach in der Vollendung des Handwerks mit dem Gang in 'höhere Sphären' verbunden. Als semantische Spielerei: Kunst = Vollendung + Seele.
Die Seele kann Kunst nur dadurch erzeugen, im eigenen Sinne Selbstzweck zu sein und sich dadurch auch vom Künstler zu lösen. Vollbringt der Künstler eine Kopfgeburt, also ist sein Ansinnen ein konkretes Ziel beim 'Konsumenten' auszulösen, dann ist es keine Kunst, sondern Werbung. Im Gegenzug kann en Künstler durchaus Werbung in Kunst verwandeln, wenn das Werk in der Lage ist, sich von dieser Stoßrichtung zu lösen. Ein Beispiel hierfür dürfte die Retromonumentalavantgarde mit dem Prinzip der Überidentifikation sein, der man den Kunstcharakter nicht absprechen kann, indem sie Propaganda ins Unermessliche verzehrt.

Die übliche Abiturientenmanier, wonach Kunst eine 'Botschaft' haben müsse, sehe ich hier im Gegenteil. Überhaupt zeichnet sich Kunst viel mehr dadurch aus, keine direkte Botschaft zu haben, sich im Rahmen des Uneindeutigen zu bewegen, da die Kunst in ihrem Kern die Interpretation der Wirklichkeit ist und nicht deren Konstruktion. Soll heißen: Ein Werk kann eine Aussage haben, jedoch ergibt sich diese aus seinem Selbst heraus. Ist die Botschaft die Intention des Werks, ist es Werbung.

Ich denke, hiermit habe ich schon genügend Glas zertreten, um eine passende Diskussion einleiten zu können haha
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TRAXX
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Re: Der Kunstbegriff im Film

Beitrag von TRAXX »

Pelmenisartana hat geschrieben:
Mi., 31.03.2021 13:24
In der (Post)moderne gibt es natürlich den Zug, auch den Kunstbegriff relativistisch oder subjektivistisch auszulegen, was ihn schlussendlich ad absurdum führt und in seiner Konsequenz völlig wertlos macht. Die Idee an der Diskussion ist daher wohl eher, Kunst unter einem mehr objektivistischen (vielleicht imateriellistischen) Gesichtspunkt zu erörtern und das, was einigen schon aufstoßen wird, weg von der Instrumentalisierung für politisch-ideologische Interessen.
Naja, ich würde es auf jeden Fall als hohe Kunst bezeichnen, wenn man etwas ausschließlich Subjektives wie Kunst in eine, wie auch immer geartete, Form der Objektivität zu gießen vermag. ;)

Nee, warum zum Geier sich so abstrampeln? Warum solch eine Allergie gegenüber Subjektivität kultivieren?
Bevor ich mich derart ausrenke, bleib ich gerne postmodern und begebe mich somit ins Ad Absurdum.

Alles was Menschen kreativ erschaffen ist Kunst. Ob mir das Erschaffene nun gefällt oder nicht, ist letztlich die entscheidende Frage.
Das ist zwar simpel wie sonstwas, aber das Leben ist schon kompliziert genug. Und im Endeffekt würde mir eine Objektivierung der Kunst keinerlei Vorteile bringen. Ich hätte zwar Werkzeuge in der Hand mit denen ich Kunst objektiv bewerten könnte, was mir aber nichts bringt, wenn ich z.B. den Film dann doch total scheiße finde.

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Pelmenisartana
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Re: Der Kunstbegriff im Film

Beitrag von Pelmenisartana »

Ganz ehrlich: Kunstfilme, die Keiner sehen möchte erfüllen halt auch nicht die formalen Anforderungen an Filme. Wir können ja doch durchaus 'objektiv' gute Filme von schlechten unterscheiden abseits der Kategorien Mainstream/Exploitation/Arthouse. Ein Film wie 'Die nackte Kanone' ist kein Kunstwerk, aber eben ein guter Film, der es auch mit fast 40 Jahren im Rücken schafft, lustig zu bleiben. Kein Kunstwerk, muss er aber auch nicht sein.
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TRAXX
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Re: Der Kunstbegriff im Film

Beitrag von TRAXX »

Pelmenisartana hat geschrieben:
Mi., 31.03.2021 23:18
Wir können ja doch durchaus 'objektiv' gute Filme von schlechten unterscheiden
Können wir das wirklich? Ich halte das für unmöglich! Wie zum Geier soll das funktionieren?
Aber bitte: Thrill me!!!
Pelmenisartana hat geschrieben:
Mi., 31.03.2021 23:18
Ein Film wie 'Die nackte Kanone' ist kein Kunstwerk, aber eben ein guter Film, der es auch mit fast 40 Jahren im Rücken schafft, lustig zu bleiben. Kein Kunstwerk, muss er aber auch nicht sein.
Wieso soll ein Film, der es, deiner Meinung nach, noch nach 40 Jahren zu schaffen vermag Leute zum Lachen zu bringen, nicht Kunst sein?

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Pelmenisartana
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Re: Der Kunstbegriff im Film

Beitrag von Pelmenisartana »

TRAXX hat geschrieben:
Do., 01.04.2021 18:53
Pelmenisartana hat geschrieben:
Mi., 31.03.2021 23:18
Wir können ja doch durchaus 'objektiv' gute Filme von schlechten unterscheiden
Können wir das wirklich? Ich halte das für unmöglich! Wie zum Geier soll das funktionieren?
Aber bitte: Thrill me!!!
Ja, das können wir und ich will das hier mal von mehreren Eckpunkten angehen.
Zum ersten will ich hier klarstellen, wie die Trennung zwischen objektiv und subjektiv zu verstehen ist: Um den Zahn gleich zu ziehen: Ich stelle mich hier nicht hin und meine, ein Film sei objektiv gut, nur weil er mir persönlich gefällt. Persönlich gehe ich soweit zu sagen, dass es Filme gibt, die ich mag und objektiv KEINE guten Filme sind. Im subjektiven Rahmen können uns Filme gefallen unabhängig ihrer Qualität gefallen, die eine Verbindung zu unseren persönlichen Erfahrungswerten darstellen. Das macht die Filme nicht objektiv gut, denn dann könnten wir im Umkehrschluss die Aussage treffen, dass es ebensowenig objektiv gute Regiesseure, Schauspieler, Schnittmenschen, Prduzenten, Musiker etc gibt. Bei weiterer Betrachtung der Filmgeschichte, nehmen wir mal Leone, Kurosawa, Hitchcock als Beispiele, können wir sehr wohl zu der Feststellung kommen, dass die 'Maschinerie' im Hintergrund einen beträchtlichen Unterschied macht. Da auch ein Film mehr ist als die Summe seiner Teile sind die jeweiligen Bestandteile ebenfalls kein Garant dafür, dass ein Film gut ist, auch wenn sich das Wahrscheinlichkeitsniveau unterscheidet, also eben gut geführte Produktionen mit höherer Wahrscheinlichkeit auch gute Filme ergeben.

Objektiv gute Filme sind in der Lage eine Geschichte zu erzählen, die den Zuschauer unabhängig von seinem zeitlichen Kontext in den Bann zu ziehen und darüber hinaus zu überzeugen. Das bedeutet, dass der Film auf der Macroebene Anschluss findet, also Menschen im Wesenskern anspricht, was auf der Microebene, also das jeweilige Individuum unterschiedlich betreffen kann. Habe ich davor davon gesprochen, wie Filme eben individuell Menschen ansprechen können, sehen wir es bei guten Filmen auf einer kollektiven Ebene, wodurch Filme wie DIE SIEBEN SAMURAI trotz einer 'altmodischen' Inszenierung weiterhin schaffen auch Menschen mit modernen Sehgewohnheiten in den Bann zu ziehen.

Das ist unabhängig von der freien Klassifikation nach Exploitation/Arthouse/Mainstream, wir können aber durchaus Annahmen darüber treffen, ob Filme Jahrzehnte später noch funktionieren oder eben untergehen und vergessen werden.
Pelmenisartana hat geschrieben:
Mi., 31.03.2021 23:18
Ein Film wie 'Die nackte Kanone' ist kein Kunstwerk, aber eben ein guter Film, der es auch mit fast 40 Jahren im Rücken schafft, lustig zu bleiben. Kein Kunstwerk, muss er aber auch nicht sein.
Wieso soll ein Film, der es, deiner Meinung nach, noch nach 40 Jahren zu schaffen vermag Leute zum Lachen zu bringen, nicht Kunst sein?
DIE NACKTE KANONE spielt auf der reinen Unterhaltungsebene mit einem zeitlosen Humor. Das macht ihn zu einem guten Film, für ein Kunstwerk fehlt ihm die Tiefe.
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TRAXX
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Re: Der Kunstbegriff im Film

Beitrag von TRAXX »

Auch wenn deine Argumentation Widersprüchlichkeiten aufwirft (z.B. "...Filme gibt, die ich mag und objektiv KEINE guten Filme sind." - Ist das so eine Art Selbstgeißelung? Errichtet man damit seinen eigenen ultimativen Guilty-Pleasure-Thron?) und zweifelhafte Aussagen beinhaltet (z.B. "...Filme wie DIE SIEBEN SAMURAI trotz einer 'altmodischen' Inszenierung weiterhin schaffen auch Menschen mit modernen Sehgewohnheiten in den Bann zu ziehen." - Ist das wirklich so? Wie viele Menschen braucht es quantitativ, um dies zu verfizieren?), so würde mich doch viel mehr interessieren, was man von solch einer objektiven Zuordnung von Kunst (wenn es sie denn tatsächlich gäbe) genau haben sollte?

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alex_wintermute
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Re: Der Kunstbegriff im Film

Beitrag von alex_wintermute »

Objektiv lassen sich meiner Meinung nach nur sekundäre Bestandteile eines Films beurteilen, wie z.B. Laufzeit, Bildformat, Beteiligte, etc., diese Angaben sagen aber nichts über die eigentliche Qualität eines Films aus. Letzteres bleibt in meinen Augen immer subjektiv.

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alex_wintermute
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Re: Der Kunstbegriff im Film

Beitrag von alex_wintermute »

Pelmenisartana hat geschrieben:
So., 04.04.2021 18:27

Bei weiterer Betrachtung der Filmgeschichte, nehmen wir mal Leone, Kurosawa, Hitchcock als Beispiele, können wir sehr wohl zu der Feststellung kommen, dass die 'Maschinerie' im Hintergrund einen beträchtlichen Unterschied macht. Da auch ein Film mehr ist als die Summe seiner Teile sind die jeweiligen Bestandteile ebenfalls kein Garant dafür, dass ein Film gut ist, auch wenn sich das Wahrscheinlichkeitsniveau unterscheidet, also eben gut geführte Produktionen mit höherer Wahrscheinlichkeit auch gute Filme ergeben.
In meinen Augen 3 exzellente Regisseure, aber auch das ist subjektiv zu betrachten, kenne Leute, die können z.B. mit Leone überhaupt nix anfangen. Denen fehlt der Draht zu Italo Western völlig. Dazu muß man sich nur mal die einschlägigen Bewertungsportale im Netz anschauen, wie z.B. IMDB, OFDB oder Rotten Tomatoes. Auf IMDB als Beispiel werten momentan sage und schreibe 10360 User Leones Klassiker "Zwei glorreiche Halunken" mit 1/10. Film basiert wie alles in der Kunst, sei es Musik, Malerei, Bildhauerei, etc.fast ausschließlich auf subjektive Wahrnehmung und lässt sich rein objektiv nahezu überhaupt nicht bewerten.

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