DAS ZEICHEN DES VAMPIRS - Tod Browning

Slasher, Backwood, Grusel oder auch herber Splatter: der Platz für die dunkle Seite des amerikanischen Films
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Percy Lister
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DAS ZEICHEN DES VAMPIRS - Tod Browning

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"Das Zeichen des Vampirs" (Mark of the Vampire) (USA 1935)
mit: Lionel Barrymore, Elizabeth Allan, Lionel Atwill, Bela Lugosi, Carroll Borland, Jean Hersholt, Donald Meek, Holmes Herbert, Henry Wadsworth, Ivan F. Simpson, Franklyn Ardell, Leila Bennett, June Gittelson, Michael Visaroff u.a. | Drehbuch: Guy Endore und Bernard Schubert | Regie: Tod Browning

Als die blutleere Leiche des Barons Karel Borotyn an seinem Schreibtisch aufgefunden wird, stellt der Arzt Wunden am Hals fest und attestiert einen Tod durch Vampirbisse. Der Prager Kriminalbeamte Neumann, der mit der Untersuchung des seltsamen Todesfalls betraut wird, widerspricht dem Arzt. Er glaubt an einen besonders heimtückischen Mord. Da sich Dr. Doskil und Inspektor Neumann nicht einig werden, wird der Vampirexperte Professor Zelen zu Rat gezogen. Bald darauf schleichen Graf Mora und dessen Tochter Luna ums Schloss und bedrohen Irene Borotyn. Nun heißt es handeln, wenn das Feld nicht völlig dem Aberglauben und seinen gefährlichen Ausläufern überlassen werden soll....

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Spätestens seit Bram Stokers berüchtigtem Roman weiß man auch über die Grenzen Transsilvaniens hinaus, was ein Vampir ist und welche Gefahr von ihm ausgeht. Das folkloristische Erbe der dortigen Landbevölkerung ist von Werwölfen und Vampiren durchzogen. Dabei beruht die Legende von Dracula, dem Blutsauger nicht nur auf dem Roman des englischen Autors, sondern bezieht sich auf tatsächliche historische Personen und Ereignisse. Vlad Tepes, der Fürst der Walachei, lebte im 15. Jahrhundert und hatte im Verlauf seines Lebens den Tod von mehr als 100.000 Menschen zu verantworten. Wegen seiner Grausamkeit erhielt er den Ruf eines Kannibalen und Blutsaugers. Der Zuschauer, der sich den Horrorklassiker ansieht, ist nur allzu gern bereit, den Vermutungen der Dienerschaft und des Arztes zu glauben, die annehmen, dass es sich beim Tod des Barons Karel Borotyn nicht um ein gewöhnliches Verbrechen, sondern um den Angriff eines Vampirs handelt. Der sachliche Kriminalbeamte, der trocken und ungerührt seine Feststellungen trifft, wirkt wie ein Spielverderber in einer Umgebung, die geradezu prädestiniert für schaurige Geschichten und furchterregende Vorgänge ist. Mit dem Eintreffen des knarzigen Professors Zelen sieht sich das Publikum in seinem Verdacht bestätigt, das Schloss wäre die neue Zuflucht der Vampire, die nach dem Vater nun auch die Tochter in ihre unheimliche Gemeinschaft aufnehmen wollen. Lionel Barrymore nimmt das Publikum mit seinem verschrobenen, originellen Charisma sofort für sich ein und zeigt einmal mehr, dass die bekannte Schauspielerfamilie ein Gros an talentierten Charakterköpfen stellte. Er stiehlt dem schockgefrorenen Bela Lugosi die Schau und beweist einmal mehr seine Wandlungsfähigkeit. Wegweisend für die optische Gestaltung unheimlicher Frauenfiguren starrt Carroll Borland den Zuseher mit blutunterlaufenem Blick und pechschwarzen langen Haaren durchdringend an. Sie ist in ihrer anklagenden Präsenz weitaus interessanter als Elizabeth Allan, die in der Rolle der Irena kaum Akzente setzen kann, was allerdings weniger an den Drehbuchvorgaben als an der nicht übermäßig beeindruckenden Mimin liegt. Die Ausstrahlung der Todesbotin übertrifft jene der Heldin des Films bei weitem und unterstreicht den Zwiespalt, in dem sich MGM befand, als es einerseits einen Gruselschocker inszenieren, andererseits aber vor den Restriktionen der Zensur zurückweichen musste. Die Laufzeit ist mit rund sechzig Minuten knapp bemessen, es kann jedoch nicht bemängelt werden, dass wesentliche Handlungselemente fehlen. Die Stimmung, welche der Film aufbaut, profitiert von jenen Zutaten, welche einen Vampir-Schocker so unbehaglich erscheinen lassen: Prophezeiungen von alten Frauen, die nachts auf Friedhöfen nach segensbringenden Kräutern suchen; Fledermäusen im Tiefflug und leeren Särgen, die von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang auf ihre leichenblassen Bewohner warten. Der größte Trumpf, den "Das Zeichen des Vampirs" ausspielt, ist das Finale, das sich gerade in jenem Moment präsentiert, als der Zuschauer das Schloss und seine Bewohner als rettungslos verloren aufgeben will. Ein kleines Juwel, das nach all den Jahren immer noch zu gruseln vermag.

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