THE DRILLER KILLER - Abel Ferrara

Slasher, Backwood, Grusel oder auch herber Splatter: der Platz für die dunkle Seite des amerikanischen Films
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Mater_Videorum
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THE DRILLER KILLER - Abel Ferrara

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The Driller Killer

USA, 1979



Regie: Abel Ferrara
Musik: Joe Delia
Darsteller: Abel Ferrara, Carolyn Marz, Baybi Day, Harry Schultz, Alan Wynroth, Maria Helhoski, James O'Hara, Richard Howorth, Louis Mascolo, u.v.m.


Inhalt: Dem Maler Reno Miller wachsen die Probleme über den Kopf: Geldnöte, Ärger mit seinem Händler, Pech in der Liebe und nicht zuletzt die Rock-Band, die direkt neben seinem Apartment bis spät in die Nacht laut herumschraddelt machen ihm zu schaffen. Die nervliche Belastung wird für Reno so stark, dass er den Verstand verliert. Um seinem Ärger Luft zu machen, schleicht er nachts durch die Straßen New Yorks und tötet wahllos Obdachlose mit einem Akku-Bohrer... [Quelle: OFDb]


Kurzkritik: The Driller Killer, Ferraras Spielfilmdebüt, ist eine knapp 100-minütige Odyssee in den Abgrund, durchtränkt mit exzessiven Gewaltfantasien und einer runterziehenden Loner-Performance vom Regisseur himself als titelgebender Sicko, dessen Geisteszustand bei fortschreitender Filmlaufzeit immer mehr der sozialen Realität entgleitet, woraufhin das aufgestaute Aggressionspotential nur noch mit dem energischen Aufjaulen einer Bohrmaschine ausgeglichen werden kann.

Skandalfilm, Video-Nastie, und und und - The Driller Killer ist definitiv kein Film für Zartbesaitete, denn das Ticket in den menschlichen Abgrund hatte man zur Entstehungszeit so garantiert bestimmt noch nicht gelocht. Dennoch zeigt Ferrarra deutlich mit dem Finger auf die gesellschaftlichen Umstände, die den Auslöser für die anhaltende Manie der Hauptperson vorgibt, sowie gleichzeitig die unaufhaltsame Abkappselung von irgendwelchen Werten oder Gefühlen, denn von Anfang an regiert hier der pure Nihilismus. Zuerst womöglich noch unfreiwillig durch die —ich sag's so wie es ist— abgefuckte Gesamtsituation im allerhintersten Moloch der Metropole, gebündelt mit der Zerrissenheit des eigenen Ruhepols und dem heftigen Zwang, künstlerisch abliefern zu müssen um sich finanziell gerade so luftschnappend über Wasser halten zu können. Man bekommt als Zuschauer einen überraschend erdrückenden Eindruck über diesen inneren Leidenszustand, ohne dass Reno großartig rumzetern muss, auch wenn er seine Stimmungslagen gerne in der benachbarten Gossensprache wiedergibt. Wenn dann aber die nächtlichen Beutejagden durch die Slums einsetzen, die mehr und mehr den Abtreibungseffekt zur Sozialität vorantreiben und in ihrer abstrakten Stimulierung, eine für den Protagonisten lebenserneuernde Sucht auslösen, ist der Weg in die treibsandartige Spirale nach unten bereits vollzogen.

Der gewaltbereite Exzess als Gegenentwurf zum dahin dümpelnden Existenzminimalismus also als rettender Ausweg? In Ferraras Erstling haut diese Message kräftig in die Magengrube, wird allerdings auch nicht im Film hinterfragt, was dem brodelnden Pessimus zusätzlich Esprit verleiht. Die Szenen, wenn Reno nachts auf Opferjagd —vorzüglich an ebenfalls vom Leben gebeutelten Existenzen— geht, sind in ihrer grafischen Überzeichnung, deren Realismus dadurch dennoch nicht unterwandert wird, vielleicht die verstörendsten Gewaltverbrechen des 70er Jahre Trivialkinos und übertreffen in ihrer unbarmherzigen Wucht sogar Ferraras professionellere Nachfolgewerke und es war einfach die richtige Entscheidung von Abel, den Titelcharakter selber zu mimen.

Verpuffen tut dieser glaubwürdige Schauspielakt allerdings in der deutschen Vertonung aus den Nullerjahren, die einfach nur bemüht wirkt und dank mangelnder Finanzen mit unpassenden Sprechern für ein DVD-Release besetzt wurde. Zudem versucht das Dialogbuch den Gossenjargon 1:1 zu übersetzen und scheitert damit massiv an Authenzität, während manche gesprochene Zeilen einfach nur zum Augenrollen animieren. Daher lieber die OV anpeilen, auch wenn ich eine damalige deutsche Kinosynchro sehr begrüßt hätte.

Fazit: The Driller Killer ist für mich Ferraras stimmigster Sozialabstieg auf Filmmaterial, dessen teilweise amateurhaft wirkende Produktionsumstände dankbarerweise einen unheimlich greifbaren Gesamteindruck erzeugen. Die Höchstnote gibts dieses Mal (wieder) nicht, wegen der zweifelhaften Vertonungserfahrung und weil ich mir immer gewünscht hätte, dass zum Schluss —wenn die Credits nach dem letzten Shot abrollen— nicht die dröhnende Punkmusik durch die Speaker schallt, sondern noch eine Minute der Ruhe zelebriert wird, um das Gesehene sacken zu lassen, und danach das verspielte Synthetikgeklimper dazu einsetzt - der geistige Paukenschlag zum Abschluss sozusagen!





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