DAS UNHEIMLICHE ERBE - William Castle

Slasher, Backwood, Grusel oder auch herber Splatter: der Platz für die dunkle Seite des amerikanischen Films
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Percy Lister
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Registriert: Sa., 14.11.2020 16:15

DAS UNHEIMLICHE ERBE - William Castle

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"Das unheimliche Erbe" (13 Ghosts) (USA 1960)
mit: Donald Woods, Charles Herbert, Jo Morrow, Rosemary DeCamp, Margaret Hamilton, Martin Milner, John Van Dreelen, David Hoffman u.a. | Drehbuch: Robb White | Regie: William Castle

Der Paläontologe Cyrus Zorba erbt kurz nach der Pfändung seiner Möbel das alte Haus seines Onkels Plato, der sein Leben der Erforschung des Übernatürlichen widmete. Der Anwalt Benjamin Rush berichtet, dass der Verstorbene einmal sehr vermögend war, all seine Wertpapiere jedoch vor seinem Tod verkaufte und das Geld unauffindbar ist. Nachdem die Familie eingezogen ist, entdeckt Sohn Buck in der Bibliothek ein Ouija-Brett, das seine Frage, ob sich Geister in dem Haus aufhalten, bejaht. Anfangs nimmt Vater Cyrus die Angelegenheit pragmatisch, doch bald schon zeigen sich die ersten unerklärlichen Vorkommnisse, bei denen er tätlich angegriffen wird....

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William Castle, der nicht nur als Regisseur, sondern auch als Produzent des Schwarzweißfilms fungiert, wendet sich in der Einleitung direkt an sein Publikum, dem er nahelegt, sich vorbehaltslos auf die Handlung einzulassen und eine Anaglyphenbrille zu benutzen, wann immer der Film in einer Texteinblendung dazu auffordert. Alle Szenen, in denen Geister zu sehen sind, werden nachtblau eingefärbt, während sich die Erscheinungen der Toten rot davon abheben. Der 3D-Effekt erlebte in jenen Jahren ein häufiges Gastspiel in Genre-Produktionen, so auch in "Bei Anruf Mord" von Altmeister Hitchcock. Was damals auf der Kinoleinwand sicher revolutionär und beeindruckend war, verliert auf einem Bildschirm an Wirkung, vor allem, weil ein Geister-Phänomen in Farbe an Gänsehautstimmung einbüßt. Ohne diese Effekte gewönne die Handlung an Tiefe, wobei die beachtliche Anzahl von zwölf Geistern ohnehin die Dramatik schmälert, weil die Schicksale dahinter nicht ausführlich behandelt werden können. Dennoch merkt der Zuschauer, dass William Castle sehr an einer gruseligen Wohlfühl-Atmosphäre gelegen war und er ebenso wie Hitchcock wusste, dass originelles Marketing die halbe Miete ist. Der Film verfügt über ein angenehmes Flair, ähnlich wie in "Das Haus auf dem Geisterhügel".

Wenn viel Geld im Spiel ist, dient das Übersinnliche gelegentlich der Ablenkung von gewöhnlichen irdischen Motiven. Wo Geister über keine Handhabe verfügen, ist es meist der Mensch, der die Ursachen für Gefahren und Unbehagen schafft. Das Beispiel der typisch amerikanischen Familie bildet den Grundstock für die Geschichte, die in der für Castle charakteristischen Weise mit einigen Gruselklischees spielt, ohne sie der Lächerlichkeit preiszugeben. Das Unerklärliche verkörpert das Unheimliche, weil die Basis mit rational denkenden und kalkulierenden Personen eines Haushalts wenig Platz für Romantik lässt, was die Geldsorgen über die diffuse Angst vor den Warnungen des Rechtsanwalts stellt. Die Zuversicht der Familie formt das Rückgrat der Handlung, weil sie sympathisch gezeichnet wird und über starke Persönlichkeiten verfügt. Parallel dazu gibt es zwei, drei Figuren, welche für Unsicherheit sorgen und das Gefüge bedrohen, wobei sie die Rahmenbedingungen zu ihren Gunsten ausnutzen, um Verwirrung und Schrecken zu stiften. Die Frage, inwiefern sich das Ambiente und die Pläne der Protagonisten gegenseitig befruchten, fügt der Handlung Stilelemente des Kriminalfilms hinzu. Hier zeigen sich die Stärken der Produktion, die unter der Fanfare von Columbia Pictures ins Rennen ging.

Charles Herbert führt als Darsteller des zehnjährigen Buck die Riege der Schauspieler an, wobei es sich bei ihm um einen seinerzeit sehr populären Kinderstar handelt, der u.a. neben Vincent Price in "Die Fliege" zu sehen war. Buck kommt eine wichtige Schlüsselrolle zu und seine Ausstrahlung lässt ihn fleißig Punkte sammeln, wenn sich Situationen zuspitzen, die unter dem Siegel eines Geheimnisses anders verlaufen, als es geplant war. Donald Woods bringt die Routine eines vielbeschäftigten Darstellers mit und überzeugt mit seiner souveränen Ruhe und lösungsorientierten Tatkraft. Jo Morrow spielt die attraktive Tochter des Hauses, die sich eines Nachts mit einem unheimlichen Gast konfrontiert sieht. Die Dunkelhaarige hatte beim Film nur wenige Auftritte und war oft in Fernsehserien, u.a. in "Perry Mason" zu sehen. Margaret Hamilton sorgt mit ihrer düsteren Aura für eindrucksvolle Szenen, in "Der Zauberer von Oz" und "Die Addams Family" hatte sie dem Bösen ein erinnerungswürdiges Gesicht verliehen. Die Kanten, welche die Schauspieler ihren Figuren mit auf den Weg geben, lassen die Nostalgie sprudeln und machen den Film zu einem bemerkenswerten Vertreter seines Genres. Wenn sich die Milchflasche von der Anrichte erhebt und durch die Luft schwebt, hüpft das Herz des altmodischen Zuschauers.

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