THE NUN - Corin Hardy

Slasher, Backwood, Grusel oder auch herber Splatter: der Platz für die dunkle Seite des amerikanischen Films
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Percy Lister
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Registriert: Sa., 14.11.2020 16:15

THE NUN - Corin Hardy

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"The Nun" (USA 2018)
mit: Demián Bichir, Taissa Farmiga, Jonas Bloquet, Bonnie Aarons, Ingrid Bișu, Charlotte Hope, Sandra Teles, August Maturo, David Horovitch, Michael Smiley, Ani Sava, Tudor Munteanu, Manuela Ciucur, Scarlett Hicks, Jared Morgan, Jonny Coyne, Mark Steger, Lynnette Gaza, Maria Obretin u.a. | Drehbuch: Gary Dauberman nach einer Story von James Wan und Gary Dauberman | Regie: Corin Hardy

Anfang der Fünfziger Jahre werden Pater Burke und die Novizin Schwester Irene vom Vatikan in ein abgelegenes Nonnenkloster in Siebenbürgen geschickt. Sie sollen den Tod einer jungen Ordensfrau untersuchen, die sich durch einen Sprung aus dem Fenster erhängt hat. Ursprünglich war die Abtei eine Burg, deren Bewohner okkulte Praktiken ausübte und damit die Pforte zum Reich des Bösen öffnete. Kreuzritter stürmten die Festung im Mittelalter und versiegelten den Eingang zur Unterwelt mit dem Blut Jesu Christi, das seitdem in einem verriegelten Raum des Klosters verwahrt wird. Als im Zweiten Weltkrieg Bombenabwürfe das Gebäude beschädigten, verschaffte sich ein bösartiger Dämon in Gestalt einer Nonne durch den Riss in der Pforte seinen Weg ins Kloster. Pater Burke und Schwester Irene wollen das Böse stoppen und stellen sich damit einer teuflischen Macht in den Weg, die auch nach ihren Seelen greifen will....

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Rumänien als Schauplatz des düsteren und unheimlichen Vertreters des "Conjuring-Universums", wartet mit einer Landschaft auf, in der die Zeichen des Übernatürlichen allgegenwärtig sind. Die Jahre der Diktatur unter Nicolae Ceaușescu haben hässliche Spuren in Form von riesigen Betonsiedlungen hinterlassen, welche mit der wilden Schönheit der Berge kontrastieren und den Schreinen an den Wegrändern der Landstraßen, die als Zuflucht vor bösen Geistern dienen, wenn nach Einbruch der Dunkelheit das Heulen der Wölfe einsetzt. Das folkloristische Erbe des romanischen Volkes ist vom Glauben an Kreaturen, die weder tot, noch lebendig sind, durchzogen, wobei der prominenteste Schreckensfürst Vlad Dracul ist, der Sohn des Teufels. Hunedoara in Transsilvanien wartet mit mehreren Objekten auf, die über eine traurige Geschichte verfügen und deren Mauern ein Vermächtnis von Gewalt bewahren. Die Atmosphäre ist bedrückend und unterstützt die Handlung auf authentische Weise, was ausgezeichnete Rahmenbedingungen für die Figur der dämonischen Nonne aus "Conjuring 2" bietet, deren Wirken nachdrücklich und einschüchternd ins Bild gesetzt wird.

Die Maxime, dass Furcht international auf den selben Prinzipien fußt, wird durch die Beteiligten aus aller Welt unterstrichen. Der mexikanische Schauspieler Demián Bichir agiert neben der US-amerikanischen Darstellerin Taissa Farmiga (mit ukrainischen Wurzeln), dem Belgier Jonas Bloquet und der Deutsch-Rumänin Ingrid Bișu, der Ehefrau des Produzenten und Ideengebers James Wan, dem Sohn chinesischer Eltern. der nun in Australien lebt. Der Erfolg des Spin-offs stellt bisher sogar die Einspielergebnisse der beiden Hauptfilme der Reihe ein, deren dritter Teil eine Fortsetzung vorläufig zeitlich nach hinten verschoben hat. Der Suchtfaktor der Dramatisierungen der Fälle des Dämonologen-Ehepaars Ed und Lorraine Warren ist hoch, weshalb man sich dem Zauber der Filmhandlung vom ersten Augenblick an unterwirft. Maxime Alexandre als Chefkameramann taucht seine Nacht- und Schattensequenzen in deprimierende Bildimpressionen, die durch einen Minimalismus an Stilmitteln beim Zuschauer gespannte Aufmerksamkeit hervorrufen. Die Anwesenheit des Bösen ist spürbar und der Übergriff auf geweihte Orte geschieht besonders perfide und beunruhigend.

Im Mittelpunkt der Handlung steht das Duo Farmiga/Bichir, welches das Äquivalent zum Ehepaar Warren bildet, das den "Conjuring"-Filmen so viel menschliche Wärme und eine hohe Glaubwürdigkeit verleiht. Die Kunst, eine Brücke zum Publikum herstellen zu können, beruht auf der Identifikation des Beobachters mit den Protagonisten, weswegen es weniger auf plastische Schockeffekte, als auf ein andauerndes Gefühl der Beunruhigung ankommt. "The Nun" schafft beides, indem es auf die Horrorikone der Dämon-Nonne setzt und sich deren unheimliches Image als Repräsentantin des gepflegten Gruselns zu Eigen macht. Taissa Farmiga bestrickt durch ihre unschuldige Ausstrahlung, die weder weltfremd, noch entrückt ist, sondern den Zuschauer durch ihren Mut zur Wahrheit für sich einnimmt. Demián Bichir flankiert sie mit seiner Besonnenheit und der Beständigkeit eines Mannes, der sich Fehler eingesteht, während seine vorgesetzte Stelle hinter dicken Mauern eine abwartende Haltung verfolgt und dem Bösen damit einen großen Vorsprung gewährt. Jonas Bloquet bringt als weltlicher Durchschnittsbürger erfrischende Naivität, aber auch Entschlossenheit mit und beweist sich, als es darauf ankommt.

Die Verdichtung des Ambientes geschieht mit dem zunehmenden Grad der Ausweglosigkeit, die wie ein Nebel über dem Kloster liegt und es den Figuren schwer macht, einen Weg ins Freie zu finden. Endlose Gänge ziehen sich wie Katakomben durch das schmucklose Gebäude, das die Kargheit jener Prinzipien spiegelt, welchen sich ihre Bewohner verpflichtet haben. Der Glaube an die Sündhaftigkeit menschlichen Lebens, welches durch Schweigen, Buße und Reue reingewaschen werden muss, behaftet die Protagonisten mit einem unterschwelligen Schuldgefühl. Die Ratlosigkeit sucht Antworten in Ritualen, welche dem Bösen Einhalt gebieten sollen und jene in die ewige Verdammnis verbannen, welche gegen die göttliche Ordnung verstoßen. Die Erhabenheit katholischer Praktiken kontrastiert mit den Boten der Verderbnis, die den Kreis durchbrechen wollen, was sich in erschreckenden Bildern ausdrückt und in dumpfen bzw. lautmalerischen Klängen manifestiert. Die Spielarten des Horrorfilms werden gekonnt ausgeschöpft, wobei es vor allem die Beklemmung über die eigene Schutzlosigkeit ist, die den Zuschauer noch lange nach Sichtung des Films verfolgen wird. Bonnie Aarons sei Dank.

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