THE MIDNIGHT MEAT TRAIN - Ryûhei Kitamura

Slasher, Backwood, Grusel oder auch herber Splatter: der Platz für die dunkle Seite des amerikanischen Films
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Maulwurf
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THE MIDNIGHT MEAT TRAIN - Ryûhei Kitamura

Beitrag von Maulwurf »

The Midnight Meat Train
The midnight meat train
USA 2008
Regie: Ryûhei Kitamura
Bradley Cooper, Vinnie Jones, Leslie Bibb, Brooke Shields, Roger Bart, Peter Jacobson, Tony Curran, Barbara Eve Harris, Allen Maldonado, Hawk Younkins, Dan Callahan, Quinton Jackson


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Auch wenn das im Film so nie erwähnt wird, aber im Prinzip könnte das auch eine Urban Legend sein: Menschen verschwinden spurlos in der U-Bahn, und sie tauchen nie wieder auf. Denn im letzten Zug der U-Bahn soll ein Mann sitzen, der die späten Heimkehrer abschlachtet. Der Fotograf Leon kommt per Zufall darauf, dass dieser Mann tatsächlich existiert – Leon fotografiert ihn, und verfolgt ihn anschließend, um das Geheimnis dieses Mannes zu lüften. Der Mann, Mahogany mit Namen, weiß aber, dass er verfolgt wird. Der Jäger wird zum Gejagten. Zum Opfer. Allerdings ist die Rolle Leons noch um einiges fremdartiger und aberwitziger, als dieser sich das vorstellen kann. Denn es gibt andere, grausamere Schicksale, als nachts in der U-Bahn zerstückelt zu werden …

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Dies ist Vinnie Jones‘ Film! Der großgewachsene Ex-Fußballer mit dem stoischen Gesichtsausdruck beherrscht MIDNIGHT MEAT TRAIN in absolut jeder Sekunde, in der er zu sehen ist. Wenn Vinnie Jones sich umdreht, scheint die Zeit stillzustehen. Sein Blick lässt Menschen erstarren und U-Bahn-Waggons zu Kältekammern verkommen. Obwohl er nur einen einzigen Satz spricht, reicht seine physische Ausstrahlung, um jeden Moment dieses Films absolut zu beherrschen. OK, Bradley Cooper macht seine Sache gut, und der Struppiger-Köter-Look steht ihm wirklich nicht schlecht. Leslie Bibb als Love Interest gefällt mir mindestens genauso gut wie Pater Jacobson als jüdischer Imbissbesitzer, und Brooke Shields läuft ganz entschieden unter dem Begriff MILF. Aber einem Vinnie Jones hat sich einfach alles andere unterzuordnen, so platt das jetzt klingen mag.

Zugegeben, die Kameraführung ist an dieser Aura nicht ganz unschuldig. Was sich Kameramann Jonathan Sela einfallen lässt ist nicht von schlechten Eltern, und allein die Kamerafahrt von Mahogany über sein Opfer, bis zum Blick des abgetrennten Kopfes und den sterbenden Augen in der Ich-Perspektive auf Mahogany mit dem eigenen Rumpf im Vordergrund, das ist großes Kino, welches so vor ganz vielen Jahren auch mal von einem Dario Argento hätte kommen können. Endlich mal CGI-Effekte, die auch wirklich sinnvoll und atmosphärisch eingesetzt werden (zugegeben nicht alle, aber viele). Und von diesen Momenten gibt es einige.
Nur leider leidet das alles ein wenig unter dem glatten Look des Films. Will sagen, dass MIDNIGHT MEAT TRAIN sicher einige starke und gorige Momente hat, sich vor Splattereffekten nicht scheut, und den Begriff Happy End auch neu definiert. Aber der Film ist nicht räudig genug, um wirklich unangenehm zu sein. Er kratzt nicht am Befinden des Zuschauers, was heißen soll, dass er nicht wirklich berührt. Er läuft vor dem Auge des Betrachters ab, und der Betrachter ist sich in jeder Sekunde klar darüber, dass er einen Film anschaut. Eine Fiktion, eine Phantasie eines begabten Drehbuchautors, der seine Fähigkeiten mit einem begabten Regisseur und einem ausgesprochen kreativen Kameramann kombiniert hat. Aber die unangenehme Intensität von Filmen wie DAS HAUS AN DER FRIEDHOFMAUER oder DIE BRUT, den Schmerz eines MÄDCHEN IN DEN KRALLEN TEUFLISCHER BESTIEN, so etwas vermisse ich hier sehr. Wer die Filme von zum zum Beispiel Shin’ya Tsukamoto kennt, weiß was ich meine. Denn genau diese Intensität, diese Wildheit und Wucht, dieses Unangenehme (sic!) ist es, was aus einem guten Film ein Meisterwerk macht. Und was das Quäntchen zum Cineasten-Glück ist, das hier eben gerade fehlt.

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MIDNIGHT MEAT TRAIN ist ein guter Film, der von einem überragend wirkenden Vinnie Jones und einem erstklassigen Jonathan Sela zu einem starken Film gemacht wird. Aber dennoch muss sich MIDNIGHT MEAT TRAIN zum Beispiel hinter dem ähnlich gelagerten BONE HUNTER einreihen, denn der hatte im Gegensatz zum Clive Barker-Film und trotz seiner Mainstream-Ausrichtung eine spannende Thrillerhandlung, die nicht nur stimmungsvoll, sondern auch fesselnd und atmosphärisch war. MIDNIGHT MEAT TRAIN fehlt leider das letzte Stückchen anarchische Bosheit, der Dreck unter den Fingernägeln gewissermaßen …

7/10

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