DAS GEISTERHAUS - John Llewellyn Moxey

Slasher, Backwood, Grusel oder auch herber Splatter: der Platz für die dunkle Seite des amerikanischen Films
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Prisma
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DAS GEISTERHAUS - John Llewellyn Moxey

Beitrag von Prisma »



DAS GEISTERHAUS


● THE HOUSE THAT WOULD NOT DIE / DAS GEISTERHAUS (US|1970) [TV]
mit Barbara Stanwyck, Richard Egan, Michael Anderson Jr., Doreen Lang, Mabel Albertson und Kitty Winn
eine Produktion der Aaron Spelling Productions | für ABC
ein Film von John Llewellyn Moxey

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»Ich glaube, wir sollten in diesem Haus doch keine spiritistische Sitzung abhalten!«


Ruth Bennett (Barbara Stanwyck) erbt ein im 18. Jahrhundert erbautes Haus, das sie mit ihrer jungen Nichte Sara (Kitty Winn) bezieht. Die anfängliche Begeisterung über das gemütlich wirkende Ambiente und die ruhige Lage schlägt jedoch schnell um, da sich dort eigenartige Dinge abspielen, die nicht rational zu erklären sind. Die Gerüchte, die in der Stadt umgehen, scheinen sich zu bestätigen, denn es scheint sich tatsächlich um ein Spukhaus zu handeln. Als die Frauen mit einigen Nachbarn eine Scéance abhalten, fällt Sara unmittelbar danach durch drastische Verhaltensweisen auf und kann sich bereits im nächsten Moment an nichts mehr erinnern. Ist sie von einem Dämon besessen? Nach einiger Zeit kommt man dem dunklen Geheimnis des Hauses auf die Schliche, das mit einer weit zurück liegenden Tragödie zusammen hängt...

»Die Heizung funktioniert, erfrieren werden wir nicht.« Als Zuschauer denkt man, dass es sicherlich nicht dazu kommen dürfte, denn es werden vermutlich weitaus grauenvollere Dinge auf die neuen Bewohner dieser vier Wände zukommen. Die anfängliche Begeisterung über das schöne Interieur und das Ambiente werden von den zwei neuen Bewohnerinnen zwar anfangs euphorisch in den Fokus gerückt, jedoch mag sich dieses Gefühl nicht im Entferntesten auf das skeptische Publikum übertragen, was gleich eine der besonderen Stärken dieses Films ausmacht. Er lebt im besonderen Maß von seiner beklemmenden und mysteriösen Atmosphäre, die teilweise so dicht wird, dass sie quasi alle Beteiligten im Würgegriff hält. Dementsprechend geschieht der Einstieg auch ziemlich schnell, bis man sich mithilfe einiger bewährter Griffe unmittelbar im Geschehen wieder findet. Die erste Nacht ist bereits durchzogen mit beunruhigenden Geräuschen, Schritten und Stimmen, Miss Stanwyck findet sich in einem bizarren Traum wieder und die Nacht wird plötzlich durch einem entsetzlichen Schrei zum Tag gemacht. Klassische Stilmittel und ein straffer Spannungsaufbau sorgen für permanente Aufmerksamkeit, die nötigen Informationen zum Verständnis werden ganz knapp und präzise geliefert, als dem Empfinden nach plötzlich scharenweise Nachbarn auftauchen, die das sagenumwobene Haus charakterisieren und somit die zu konstruierende Atmosphäre anheizen. Die verstorbene Besitzerin des Hauses lebte anscheinend wie eine Einsiedlerin, und alle wollen das Spukhaus einmal von innen sehen, berichten bei dieser Gelegenheit von einigen alt hergebrachten Mythen. Aufgrund der begrenzten Spieldauer von nur gut siebzig Minuten wird dementsprechend ein schnelles Tempo vorgelegt, das die mysteriöse Aura ungemein begünstigt, die spätestens in der ersten Séance einen unbehaglichen Höhepunkt erlebt. Dabei kommen recht einfache, aber wirkungsvolle Mittel zum Tragen, die vor allem im akustischen Bereich zu vernehmen sind. Ein heulender Wind durchzieht das komplette Haus, dessen Eiseskälte man förmlich spüren kann. Personen reagieren heftig und und lange Zeit unverständlich, man hat das Gefühl es sei eine unsichtbare Person zugegen, von der eine latente Gefahr ausgeht.

"Das Geisterhaus" entwickelt sich zielsicher zu einem angenehmen Grusler, wenngleich man nicht vergessen darf, dass es sich lediglich um einem TV-Beitrag handelt. Diese Silhouette ist von Anfang bis Ende auch stets offensichtlich, was insbesondere in der Ausstattung zu sehen ist, aber die Regie hat aus den verfügbaren Mitteln das Optimum herausschlagen können. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass Barbara Stanwyck das Szenario nicht nur anführt, sondern auch mit Eleganz und Ausstrahlung anreichert. Diese Prise Star-Bonus steht der Produktion natürlich sehr gut und lässt schon alleine deswegen nie den Eindruck von Belanglosigkeit aufkommen. Überhaupt hinterlässt das recht übersichtlich gehaltene Ensemble einen guten und größtenteils bleibenden Eindruck, vor allem ist hier Richard Egan zu nennen, der sowohl eine solide, als auch unheimliche Vorstellung hinterlassen kann. Erstmalig ist Kitty Winn zu sehen, die Jahre später mit den Filmen "Der Exorzist" und "Exorzist II - Der Ketzer" große Bekanntheit erlangen sollte. Überhaupt sind hier große Parallelen zu der Rolle der Sharon aus diesen beiden späteren Produktionen zu erkennen, weil sie eine ähnlich empfundene Tragik, Zerrissenheit und Fragilität transportiert. Die Geschichte um das geerbte Haus samt Gespenst ist im Grunde genommen eher herkömmlich und wirkt im Endeffekt wenig ausgefeilt. Umso erfreulicher ist die wirklich ansprechende Umsetzung die genügend Grusel und eine mysteriöse Spannung fabrizieren kann, um einen interessanten und teilweise sogar packenden Verlauf zu präsentieren. Das Finale fällt im Gesamteindruck leider etwas ab, denn es wirkt recht hastig konstruiert. Außerdem kommt das unbestimmte Gefühl auf, dass einige Fragen unbeantwortet geblieben sind, und vielleicht hätte man auch gerne noch eine Art Prognose für den weiteren Verbleib der Personen angeboten bekommen. Nichtsdestotrotz bleibt nach diesem schnellen Ende der positive Gesamteindruck bestehen, dass man es für TV-Verhältnisse mit einem überdurchschnittlichen Beitrag zu tun hat, der von John Llewellyn Moxey sehr klassisch umgesetzt wurde und immer wieder mit beeindruckenden Sequenzen überzeugen kann. Ganz gelungen.

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alan_cunningham
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Re: DAS GEISTERHAUS - John Llewellyn Moxey

Beitrag von alan_cunningham »

Du schaust erstaunlich viele Filme, die ich auch sehe :) Ich mag TV-Gruselfilme aus dieser Zeit (so ungefähr 1968 - 1974). Sie sind harmlos, aber unterhaltsam und im positiven Sinne altmodisch. John Moxey hat jedenfalls erstaunlich viele von ihnen gedreht. Kinofilme wie "Stadt der Toten" mit Christopher Lee waren da wohl eher eine Ausnahme ...

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Prisma
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Re: DAS GEISTERHAUS - John Llewellyn Moxey

Beitrag von Prisma »

Ich sehe diese TV-Gruselfilme auch sehr gerne, insbesondere von John Llewellyn Moxey, den ich als sehr soliden Regisseur in diesem Genre kennen gelernt habe. Es ist ja oft so, dass man nicht das ganz große oder teilweise sogar dick aufgetragene Horror-Spektakel geboten bekommt, wie man ihn beispielsweise aus dem Kino kennt, aber diese Produktionen machen einfach Spaß und sind unterhaltsam. Ich wollte mir demnächst noch mal Moxeys "Der Hauch des Bösen" anschauen, an den ich mich zwar kaum mehr erinnern kann, ihn damals aber ganz gelungen fand. Der ist mir aus dieser Riege jetzt gerade spontan eingefallen. Mal schauen, was ich noch so finde.

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alan_cunningham
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Re: DAS GEISTERHAUS - John Llewellyn Moxey

Beitrag von alan_cunningham »

"Der Hauch des Bösen" habe ich auch auf DVD :) Ist in etwa auf dem guten Niveau vom "Geisterhaus". Kann man jedenfalls nichts falsch machen :)

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Prisma
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Re: DAS GEISTERHAUS - John Llewellyn Moxey

Beitrag von Prisma »

alan_cunningham hat geschrieben:
Di., 15.12.2020 17:01
Ist in etwa auf dem guten Niveau vom "Geisterhaus". Kann man jedenfalls nichts falsch machen :)

Hast Du vielleicht noch ein paar Tipps für Filme, die "Geisterhaus" oder "Hauch des Bösen" ähneln?

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alan_cunningham
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Re: DAS GEISTERHAUS - John Llewellyn Moxey

Beitrag von alan_cunningham »

Die komplette Serie "Ghost Story" von 1972. Gibt es auf DVD (US) und youtube :)


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alan_cunningham
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Re: DAS GEISTERHAUS - John Llewellyn Moxey

Beitrag von alan_cunningham »

Oder "Don't be afraid of the dark" von 1973. Gibt es auch in Deutschland auf DVD :)

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Prisma
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Re: DAS GEISTERHAUS - John Llewellyn Moxey

Beitrag von Prisma »

Ist notiert, vielen Dank! 8-)

Percy Lister
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Re: DAS GEISTERHAUS - John Llewellyn Moxey

Beitrag von Percy Lister »

"Das Geisterhaus" (The House that would not die) (USA 1970)
mit: Barbara Stanwyck, Katherine Winn, Richard Egan, Michael Anderson jr., Doreen Lang, Mabel Albertson u.a. | Drehbuch: Henry Farrell nach dem Roman 'Ammie, Come Home' von Barbara Michaels | Regie: John Llewellyn Moxey

Ruth Bennett und ihre Nichte Sara Dunning ziehen in ein altes Haus in Gettysburg, Pennsylvania. Die junge Frau möchte an der dortigen Universität studieren. Gleich am ersten Abend machen die beiden Frauen Bekanntschaft mit ihrem Nachbarn Professor Pat McDougal und dessen Freund Stan Whitman. Eines Nachts attackiert Sara ohne Grund ihre Tante und würgt sie. Bei einer spiritistischen Séance meldet sich das Böse, das in dem Haus zugegen ist; Sara scheint von einem Dämon besessen und die alte Familienbibel enthüllt, dass eine junge Frau namens Amanda, die einzige Tochter von General Campbell, im Jahr 1780 spurlos verschwand und ihr Vater daraufhin dem Wahnsinn verfiel. Immer öfter versucht Ammie nun, sich durch Sara zu äußern und auch mit Professor McDougal gehen unheimliche Veränderungen vor. Liegt der Schlüssel zur Lösung im Keller des Hauses? Was ist damals vor fast zweihundert Jahren geschehen?

Bild Bild Bild
Das Genre des Horrorfilms arbeitet oft und gern mit dem Motiv des Geisterhauses, obwohl dies erst in den Achtziger Jahren besondere Bedeutung erfuhr. Dennoch bildet der von John Llewellyn Moxey inszenierte Film eine bemerkenswerte Ausnahme, spricht er doch gezielt Ängste an, die sich auf einen örtlich begrenzen Schauplatz, ein Einzelschicksal der Vergangenheit und eine unmittelbare Bedrohung der Sicherheit aller Beteiligten konzentrieren. Dabei orientiert er sich an klassischen Vorgaben wie wir sie bereits bei Arthur Conan Doyle - einem überzeugten Verfechter des Spiritismus - finden. Die Abgeschiedenheit des Hauses ist ebenso wie in "Das Haus bei den Blutbuchen" eine Gefahr für die Bewohner, da es fernab von Recht und Ordnung, sowie des aufmerksamen Auges und der kontrollierenden Hand der Öffentlichkeit liegt. Ein Verbrechen, das hier geschieht, kann leicht unentdeckt bleiben. Barbara Stanwyck ist der Star der Produktion und führt ein Ensemble an, das sich in wohltuender Weise aufeinander einstellt. Die Schauspielerin, welche bereits in den Vierziger Jahren Erfolge feiern konnte, stellt erneut ihre brillante Dominanz unter Beweis, mit der sie sich in ihren Filmen stets behaupten konnte, sei es nun in positiven wie in negativen Rollentypen. Als Frau der Tat fungiert sie als pragmatischer Faktor in der Frage, was es mit den Vorfällen in ihrem neuen Heim auf sich hat. Anders als ihre romantische Nichte, hinterfragt sie Zusammenhänge und fällt Entscheidungen aus Vernunftgründen und nicht aufgrund von Gefühlen. Bedenkt man, dass es sich bei der Aaron-Spelling-Produktion um einen Fernsehfilm handelt, so ist es umso erfreulicher, dass mit Stanwyck ein charismatischer Star des großen Kinos gewonnen werden konnte.

Während Stanwyck elegant und lebenserfahren auftritt und dabei eine kameradschaftliche Wärme ausstrahlt, die den Zuseher gleich für sie einnimmt, zeichnet Kitty Winn die junge Nichte zunächst als aufgeschlossenen, unkomplizierten Typ - Ali MacGraw nicht unähnlich - der neugierig auf das Leben zugeht. So natürlich sie auf den ersten Blick wirkt, so düster und hart erscheinen ihre Züge im Laufe der Handlung, wenn Ammie Besitz von ihr ergreift oder darüber debattiert wird, wie man vorzugehen beabsichtigt. Ihre Fröhlichkeit schlägt unvermittelt in Hass, Panik und Verzweiflung um, ihr Gesicht wirkt erstarrt und ungeschlacht. Ebenso ergeht es Richard Egan, der die Rolle des Vaters übernimmt und sehr früh die Gefahr andeutet, die vom Patriarchen ausgeht. Doreen Lang erinnert an Vanessa Redgrave und meistert den schwierigen Part als Medium überzeugend, auch, wenn die beiden Séancen keine nennenswerten Ergebnisse zu Tage fördern. Die ländliche Atmosphäre unterstützt das altmodische Flair des bodenständigen Spukfilms, der auf wirkungsvolle Reaktionen setzt, statt grelle Effekte zu inszenieren. Der Schrecken resultiert aus den Veränderungen, die sich an den Personen bemerkbar machen und sie ihrem Umfeld entfremden. Das Vertraute wird unberechenbar, Zutrauen wandelt sich in Ablehnung und Harmonie schlägt in Misstrauen um. Das Böse bemächtigt sich des Hauses und seiner Bewohner und spielt die Personen gegeneinander aus. Traditionelle amerikanische Werte wie Nachbarschaftshilfe und die Verpflichtung gegenüber dem Grund und Boden der Ahnen, äußern sich durch die rücksichtsvolle Höflichkeit der Personen untereinander.

Selbst in prekären Situationen wie den tätlichen Angriffen der anderen durch Sara und den Professor, kommt es zu keiner Gegengewalt, sondern nur zur Selbstverteidigung, die dem anderen keinen Schaden zufügt. Trotz der fiebrigen Unruhe, die vor allem Sara im Haus empfindet, wiegen Anteilnahme, Wissbegierde und Verantwortungsgefühl stärker als der Wunsch, den Schauplatz eigennützig aufzugeben und das Geheimnis unaufgeklärt zu lassen. Hier vermittelt der Film eine unmissverständliche Botschaft, die den Einzelnen in die Pflicht nimmt, beim Unglück anderer nicht wegzuschauen. Die Urkräfte der Natur übernehmen die Rolle des Unheimlichen, weil der Mensch in seiner Zivilisation darauf weitgehend unvorbereitet ist. So gelingt es dem Film, mit einfachen Mitteln eine nachhaltige Wirkung zu erzielen, ohne auf typische Symbole der Anwesenheit des Übernatürlichen zurückgreifen zu müssen. Das Frauenschicksal, das zweihundert Jahre lang unter Verschluss gehalten wurde, wirft mehr Fragen auf als letztendlich geklärt werden. Die Geschichte der Amanda Campbell geht nicht ausreichend in die Tiefe, um das Geschehen an unheimlicher Intensität gewinnen zu lassen. Viele Fakten bleiben in der Schwebe und zögern die Grenze der parapsychologischen Belastbarkeit des Publikums immer wieder hinaus, um dann in ein relativ gemäßigtes Finale zu münden. Recherchen in alten Tagebüchern und Familienchroniken unterstreichen die Beharrlichkeit, mit der die Personen jede Spur verfolgen, die eine Lösung zu bieten verspricht. Dennoch bleibt der Eindruck, dass unüberwindbare Gräben rasch zugeschüttet werden, als sich die erste plausible Erklärung der Vorkommnisse andeutet.

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