DAS ZWEITE GESICHT - Joseph Ruben

Slasher, Backwood, Grusel oder auch herber Splatter: der Platz für die dunkle Seite des amerikanischen Films
Antworten
Benutzeravatar
Prisma
Beiträge: 3768
Registriert: Sa., 31.10.2020 18:11

DAS ZWEITE GESICHT - Joseph Ruben

Beitrag von Prisma »



DAS ZWEITE GESICHT


● THE GOOD SON / DAS ZWEITE GESICHT (US|1993)
mit Macaulay Culkin, Elijah Wood, David Morse, Wendy Crewson, Daniel Hugh Kelly, Quinn Culkin, Jacqueline Brookes, u.a.
Produktion und Verleih | Twentieth Century Fox
ein Film von Joseph Ruben

DasZweiteGesicht (1).png
DasZweiteGesicht (2).png
DasZweiteGesicht (4).png
DasZweiteGesicht (6).png
DasZweiteGesicht (5).png
DasZweiteGesicht (3).png
DasZweiteGesicht (7).png
DasZweiteGesicht (8).png
DasZweiteGesicht (9).png

»Ich glaube nicht an das Böse!«


Der junge Mark (Elijah Wood) zieht nach dem Tod seiner Mutter zu seiner Tante Susan (Wendy Crewson) nach Maine, da sein Vater (David Morse) beruflich zu viel unterwegs ist. Schnell freundet sich Mark mit seinem Cousin Henry (Macaulay Culkin) an, und die beiden verbringen die meiste Zeit ohne die Kontrolle der Erwachsenen miteinander. Dabei widmen sie sich Aktivitäten, die nach und nach immer grenzwertiger werden, da Henry seinen Cousin zu immer extremer werdenden Aktionen anstiftet, bei denen sogar Unbeteiligte in Lebensgefahr geraten. So entwickelt sich der völlig unscheinbar und höflich wirkende Junge zu einer latenten Gefahr für sein Umfeld...

In der Filmwelt hat es sicherlich schon unzählige Versuche gegeben, alte Images abzulegen und sich mit neuem Blut zu versorgen. In manchen Fällen dürfte dieses wohlgemerkt schwierige Unterfangen geglückt sein, doch meistens blieben nur zerfledderte Karrieren zurück, die in der Retrospektive nostalgisch verklärt werden. Dieses Schicksal ereilte seinerzeit auch Kinderstar Macaulay Culcin, der als "Kevin - Allein zu Haus" einen Welthit feiern konnte, von diversen Rollen in ähnlich gelagerten Filmen ganz zu schweigen. Im Jahr 1993 war es endlich an der Zeit, neues, wenn auch überaus dünnes Eis zu begehen, und heraus kam der Horror-Thriller "Das zweite Gesicht", der bei Erscheinen zumindest einige Kontroversen auslösen konnte. Unterm Strich handelt es sich bei Joseph Rubens Beitrag definitiv um einen Film der Erst-Ansicht, da er hier am meisten punkten kann, immerhin verfügt er über einige ziemlich deftige Veranschaulichungen, die über Jahre in Erinnerung bleiben können. Aufgrund der unbeirrbaren Marschrichtung und der Tatsache, dass sich der Film als zügelloser Bediensteter des Schocks ansieht, werden Unterhaltungsambitionen erfüllt, bestenfalls bekommt das empfängliche Publikum noch etwas mehr des Guten, beziehungsweise Bösen geboten. In diesem Zusammenhang bleibt Rubens Film etwas undifferenziert zurück, schert er sich doch nicht um wichtige Erklärungen, wieso ein 13jähriger Junge zum personifizierten Bösen mutieren konnte. Ist man auf plakative bis spektakuläre Unterhaltung aus, fährt man gut mit diesem Gebräu aus allen erdenklichen Alpträumen, die hier sogar drohen, in Erfüllung zu gehen. Ein Junge wird mit dem Tod seiner Mutter und dem Ausquartieren zu Verwandten aus seiner sicheren Bahn gerissen und zieht das Böse durch seine labile Aura an wie ein Magnet. So treffen Elijah Wood und Macaulay Culkin als erbitterte Feinde aufeinander, doch zuvor kommt es zu einer trügerischen Annäherung. Mark wird schnell von seinem Cousin Henry kassiert und zu Dingen verführt, an die er nicht einmal im Traum gedacht hätte.

Was mit heimlichem Rauchen anfängt, endet in diversen Eskalationsstufen, die mit immer größerer Lebensgefahr für andere verbunden sind. Henry fällt durch einen widerlichen, misanthropisch gefärbten Zynismus auf, der keinem Alter eine Ehre machen würde. Gefangen in einer destruktiven Gedankenwelt voller Hass, Missgunst, Lügen und Betrügen, versucht er sein persönliches Kanonenfutter in Form von Mark zu rekrutieren. Falls etwas schief geht, kann die Schuld schnell auf den immer Schwächeren abgeschoben werden, denn einer muss es ja schließlich gewesen sein. Thematisch gesehen hat man es in dieser Geschichte bestimmt nicht mit Wahrscheinlichkeiten zu tun, allerdings bekommt die angeschlagene menschliche Psyche eine größere Bühne eingeräumt, wenn es auch alles Nase lang zu Übertreibungen kommt. Zu leugnen ist jedoch nicht der Unterhaltungswert und der in Intervallen breit und intensiv angelegte Thrill, der die Geschichte leicht oder wahlweise schwer konsumierbar macht, was sich auf so manche unappetitliche Szene bezieht. Darstellerisch bekommt man unter Regisseur Joseph Ruben eher eine herkömmliche bis einheitliche Schauspielführung geboten, denn zu oft erscheinen wichtige Charaktere viel zu blass oder eigenartig abwesend. Diese Absencen werden insbesondere von den Jung-Darstellern wettgemacht, die alles dafür tun, diese diabolisch gefärbte Maschinerie in Gang zu halten, und im Endeffekt handelt es sich bei Elijah Wood und Macaulay Culkin um gute Besetzungs-Coups, wenngleich es Culcins Karriere nicht zu Gute kommen sollte. Deutliche Verstärker bietet die intensive Akustik, welche die Peak-Szenen noch gewaltiger oder gewalttätiger erscheinen lässt, sodass "Das zweite Gesicht" seinen Dienst am interessierten Publikum tut, stellenweise nur etwas dynamischer und weniger vorhersehbar hätte sein dürfen. Der Wettlauf zwischen dem sogenannten Guten und Bösen nimmt schließlich eine Größenordnung ein, die gut ankommt und diese Produktion zu einem willkommenen Schreckensstückchen werden lässt, wenngleich alle Farben mit den Jahren etwas verblassen.

Antworten