PHILADELPHIA CLAN - William Richert

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Maulwurf
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PHILADELPHIA CLAN - William Richert

Beitrag von Maulwurf »

Philadelphia Clan
Winter kills
USA 1979
Regie: William Richert
Jeff Bridges, John Huston, Anthony Perkins, Eli Wallach, Sterling Hayden, Dorothy Malone, Tomas Milian, Belinda Bauer, Ralph Meeker, Toshiro Mifune, Richard Boone, Elizabeth Taylor


Philadelphia Clan.jpg

http://www.ofdb.de/film/15511,Philadelphia-Clan

Am 22. März 1960 wurde Präsident Kegan bei einer Wagenparade in Philadelphia erschossen. Heute, 19 Jahre später, taucht ein Mann auf, der dem Bruder des toten Präsidenten erklärt, dass er der zweite und damit der tatsächliche Schütze war („Ich stand hinter der Mauer“) und daraufhin stirbt. Ach ja, und wo die tatsächliche Mordwaffe liegt kann er auch noch sagen. Besagter Bruder mit Namen Nick (könnte aber auch Jimmy heißen. Oder Terry. Chuck könnte er jedenfalls niemals heißen …) fährt sofort nach Philadelphia wo a) er die Waffe findet, b) seine Begleiter erschossen werden und c) ihm die Waffe wieder geklaut wird.
Als nächstes fährt er in die Wüste zu seinem Vater, einem enorm mächtigen und einflussreichen Hinter-den-Kulissen-Strippenzieher, ohne den in den USA nichts funktionieren würde, nicht mal die Mafia. Pa Kegan jagt nun Nick quer durchs Land, den tatsächlichen Mörder zu finden. Direkt hinter Nick räumt jemand ganz gewaltig auf, was diesen allerdings relativ kalt lässt, hat Nicky-Boy doch eigentlich viel mehr Interesse daran seine Freundin zu heiraten, die wiederum von dieser Aussicht gar nicht angetan ist und verschwindet. Nick sucht nun wie bei einer Schnitzeljagd einen Mörder und seine Freundin – Ob es da vielleicht einen Zusammenhang geben könnte?

Wat enne Gurke! Der Auftakt ist nicht schlecht, und der Zuschauer hat zu Beginn durchaus den Eindruck in einen ernst gemeinten Polit-Thriller hineingezogen zu werden. Bis John Huston als Pa auftritt. OK, mal abgesehen von einem grausligen Overacting könnte auch das noch funktionieren, wenn nicht Nick als kompletter schwanzgesteuerter Vollidiot dargestellt werden würde, der ohne Pas Hilfe wahrscheinlich nicht mal ein Flugticket kaufen könnte. Nein, diese spezielle Art der Übertreibung ist es, die den Film so ungenießbar macht. Die Thematik ist klar, es geht nur leicht verklausuliert um die Ermordung Kennedys. Der Strohmann-Mörder wurde im Film vom Nachtclubbesitzer Jack Diamond(!) erschossen, die Kubaner scheinen mit drin zu stecken, genauso die Mafia, und über allem schwebt Pa Kegan, der an allen Fäden zieht und mit allem verbandelt ist was Geld und Macht verspricht. Der so mächtig ist, dass er ein Treffen mit einem lebenslänglich Inhaftierten auf einem öffentlichen Platz arrangieren kann. Und möglicherweise steckt hinter Pa Kegan sogar jemand noch mächtigeres?

Was hätte John Frankenheimer aus diesem Thema gemacht? Oder Alan J. Pakula? Oder meinetwegen auch Sydney Pollack? Was erzählerisch und filmisch möglich ist hat 12 Jahre später Oliver Stone mit JFK bewiesen, und der fesselt wirklich mit seiner erzählerischen Finesse, hoher Spannung und viel Sinn für Atmosphäre. Aber Regiedebütant William Richert setzt das Thema trotz Traumbesetzung weitgehend in den Sand. Ich meine, für eine Groteske ist WINTER KILLS einfach nicht grotesk genug (da könnte ich mir mit sabbernden Lefzen die Coen-Brüder vorstellen), als Komödie ist der Film zu ernsthaft, und als Thriller zu grotesk und zu unernst. Die Mischung ist einfach unausgegoren, wie Studentenfutter ohne Nüsse. Und ohne Rosinen …
Jeff Bridges war noch jung und lässt sich in der Rolle des wohlhabenden Trottels ziemlich verzheizen. Allein dass er die ganze Zeit herumrennt und nach Pa ruft wie weiland die Cartwright-Söhne auf der Ponderosa nervt sehr schnell sehr stark. John Huston overacted wie erwähnt aus übelste und ist weder richtig furchteinflößend noch richtig ekelhaft. Immer nur so ein bisschen von beidem, aber nie richtig. Ein alternder Tycoon, der das Geld jagt wie der Teufel die Seelen und auf Sex steht – Wäre da wirklich nicht mehr drin gewesen? Meines Erachtens hätte ein guter und erfahrener Regisseur selbst mit John Huston hier eine wahre Hölle inszenieren können anstatt des Teufels aus dem Kasperletheater.
Und dann die Nebenrollen (was für ein Wort für die folgenden Namen): Anthony Perkins ist bestimmt gute 5 bis 10 Minuten zu sehen und kann auch tatsächlich ein wenig seiner Ausstrahlung zeigen. Mehr von ihm und WINTER KILLS wäre bestimmt besser geworden. Toshiro Mifune führt eine Minute lang einen Hund aus. Tomas Milian hockt 2 Minuten lang in einer Ecke und erzählt was. Liz Taylor zeigt ihr üppiges Dekolleté und darf nicht mal was sprechen. Sterling Hayden macht das was er in dieser Periode seiner Karriere am Besten konnte, er zeigt einen Schauspieler am Ende seiner alkoholgeschwängerten Karriere. Und Eli Wallach ist der einzige neben Anthony Perkins, der ein wenig was von seiner Kunst zeigen darf und wie immer selbst in kleinsten Rollen die Leinwand beherrscht. Dorothy Malone? Ralph Meeker? Brad Dexter? Alle in kleinen und kleinsten Rollen verschenkt.

Es mag unfair sein WINTER KILLS aus heutiger Sicht mit dem später entstandenen JFK zu vergleichen, aber das was Oliver Stone da 1991 gezaubert hat, das wäre 1979 technisch bereits möglich gewesen. Und gute Drehbuchautoren hat es ebenfalls bereits gegeben. Also woran hat es gehapert?
Nun, laut der amerikanischen Wikipedia ist die Produktion dreimal gestoppt worden weil kein Geld mehr da war. Produziert wurde der Streifen offensichtlich von 2 Marihuana-Dealern, von denen der eine während der Produktion erschossen wurde und der andere später für 40 Jahre ins Gefängnis gekommen ist. (Da sieht man es mal wieder: Marihuana ist gefährlich!!) Der Film wurde 2 Jahre später fertiggestellt, und die spätere Videoveröffentlichung enthält dann Material von Liz Taylor das im fertigen Film nicht drin war. Solche Produktionsbedingungen tun einem Film nie gut, da sind schon größere dran gescheitert. Stellt sich halt die Frage ob es nicht vielleicht ein paar Nummern kleiner gegangen wäre, vor allem im Hinblick auf die üppige Verwendung von Stars versus des unausgegorenen Drehbuchs.
So oder so ist die deutsche DVD wiederum um rund 10 Minuten kürzer als die US-amerikanische DVD von Anchor Bay. Aber ob diese 10 Minuten es rausreißen? Das mit Abstand Schlimmste habe ich nämlich noch gar nicht erwähnt: Ihr denkt alle PAKT DER WÖLFE hätte einen Scheiß-Schluss? Oder die PURPURNEN FLÜSSE? Oder gar DAS GEHEIMNIS DES MAGISCHEN KREISES? Pustekuchen, das Ende von WINTER KILLS toppt die alle locker. Ganz locker …

Dass es dann trotzdem 4 von 10 Nebenrollen werden ist dem merkwürdigen Umstand zu verdanken, dass ich einen guten Teil des Films tatsächlich ordentlich gefesselt wurde. Wie das jetzt mit dem Rest des Textes zusammenhängt? Nun, von den knapp 83 Minuten sind runde 50 recht ordentlich erzählt, bloß der Sättigungsgrad hinterher, der ist halt gar nicht vorhanden. Wie ein Diät-Essen: Das Salatblatt schmeckt gut, aber satt werden geht anders.

Fazit: Braucht man nicht wirklich! Aus der Zeit gibt es besseres und spannenderes.

4/10

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