STRAFPARK - Peter Watkins

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Maulwurf
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STRAFPARK - Peter Watkins

Beitrag von Maulwurf »

Strafpark
Punishment Park
USA 1971
Regie: Peter Watkins
Jim Bohan, Paul Alelyanes, Carmen Argenziano, Stan Armsted, Harold Beaulieu, Patrick Boland, Kerry Cannon, Danny Conlon, Sandy Cox, Van Daniels, Bob Franklin, Fred Franklyn


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https://ssl.ofdb.de/film/8897,Strafpark

Die Wüste. Außentemperatur: 38 Grad. Eine Gruppe junger Leute schleppt sich durch die Ödnis. Kein Schatten, kein Wasser, kein Schutz. Irgendwo vor ihnen das Ziel: Eine Flagge der USA. Und irgendwo hinter ihnen die Jäger: Nationalgardisten, Reservisten und Polizisten, alle bewaffnet, und alle voller Abneigung gegen junge Leute, die nach ihrer Meinung nur den Staat zerstören wollen. Die jungen Leute sind von einem Tribunal schuldig gesprochen worden der Verschwörung gegen die Vereinigten Staaten von Amerika. Und im Amerika von morgen, oder gestern, oder in 5 Jahren, in diesem Amerika gibt es die Wahl zwischen 20 Jahren Gefängnis oder 4 Tagen Strafpark. Und alle wählen den Strafpark: 53 Meilen Wüste in 3 Tagen, und wer die Flagge erreicht ist frei.
Dieses Mal begleiten ein paar europäische Fernsehleute die Gladiatorenspiele, und auch wenn sie anfangs noch die Jäger interviewen, sich mit dem Wild unterhalten, und parallel dazu einer Sitzung des Tribunals über die nächsten Delinquenten beiwohnen, so beginnen sie doch irgendwann, die Distanz zu den Ereignissen zu verlieren. Ist denn der Wegfall des fünften Verfassungszusatzes, der die Rechte eines Angeklagten sicherstellt und Teil der Menschrechte ist, ist denn der Wegfall dieser Rechte gegen die Tiere auf der Anklagebank wirklich gerechtfertigt? Sind das wirklich alles Terroristen, so wie die Medien es behaupten? Sind Pazifisten, die nicht willens sind jemanden anderen zu erschießen, sind das wirklich Verräter? Sind Sänger, die gegen die Regierung ansingen, unmoralisch? Sind Menschenrechtler wirklich verblödete und gefährliche Spinner? Viele in dieser aufwühlenden Bilderflut sagen es so …

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Eine bittere und zutiefst verstörende Collage von Interviews, Rechtfertigungen, Jagdszenen aus Kalifornien, und entfesselten Menschenjägern. Der Cast, bestehend aus Laiendarstellern und gewöhnlichen Menschen, die im Film(?) oft ihre persönliche Meinung zum Ausdruck brachten, besteht aus "heuchlerischen Schweinen und ist eine Ansammlung von faschistischen Neandertalern" (Judith Crist im New York Magazine). Die Mitwirkenden sind “elende, brutale und hirnlose Schweine“, und die Zuschauer, die sowas gut finden, ebenfalls (schrieb eine Zeitung aus Los Angeles). Der Film(?) lief 4 Tage in New York und 7 Tage in San Francisco, danach fand sich kein Verleiher mehr bereit ihn zu zeigen: "Dieser Film trägt die kommunistische Philosophie in sich. … Falls davon Kopien zirkulieren, dann haben die Russen sicher welche."

Ein Film(?) der Emotionen weckt. Je nach persönlicher Anschauung Wut, Verstörung, Zorn, Genugtuung, Freude, Hass … Einer der ersten, möglichweise sogar der erste Mockumentary der jemals gedreht wurde, und der selbst von der produzierenden BBC abgelehnt wurde, weil er "die Glaubwürdigkeit der Medien untergräbt". Heute, nach Gerd Heidemann und Claas Relotius, nach Fox News und Breitbart, wissen wir dass da noch viel mehr geht. Und wir kennen Mockumentaries. Aber STRAFPARK verstört immer noch: Das hohe Tempo, der schnelle Schnitt, die GLAUBWÜRDIGKEIT der Szenen, die direkte und unbegründete GEWALT, zielen direkt ins Herz und in den Magen des Zuschauers. Durch den direkten Stil wird der Zuschauer in die Handlung hineingezogen, er verliert seine Distanz und bezieht Stellung. Entweder auf der einen Seite oder auf der anderen. Aber unbeteiligt bleibt hier niemand.

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Die Screenshots habe ich über 4 Wochen nach der Sichtung des Films gemacht. Und beim Durchzappen kommen wieder die gleichen Gefühle hoch: Die Wut, die Angst …

9/10

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Alle Zitate sind dem hervorragendem Booklet der Kino Kontrovers-BD entnommen, das mit vielen spannenden und erschreckenden Informationen zu Regisseur und Film aufwartet.

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