LAURA - Otto Preminger

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Percy Lister
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LAURA - Otto Preminger

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"Laura" (Original: Laura) (USA 1944)
mit: Gene Tierney, Vincent Price, Clifton Webb, Dana Andrews, Judith Anderson, Dorothy Adams, Grant Mitchell, Clyde Fillmore, Cara Williams, James Flavin, Bess Flowers, Lane Chandler u.a. | Drehbuch: Jay Dratler, Samuel Hoffenstein und Elizabeth Reinhardt nach dem Roman von Vera Caspary | Regie: Otto Preminger

Mord in der besten New Yorker Gesellschaft: Werbefachfrau Laura Hunt wurde in ihrer Wohnung von einem Unbekannten mit einer Schrotflinte erschossen. Zum Kreis der Verdächtigen zählen ihr Verlobter Shelby Carpenter und ihr langjähriger Mentor, der Intellektuelle Waldo Lydecker. Lt. McPherson von der Mordkommission erhält den Auftrag, den Fall zu klären, doch als er eines Abends in Lauras Wohnung ihre Korrespondenz studiert, öffnet sich die Wohnungstür und er glaubt, seinen Augen nicht trauen zu können....

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Der Film nimmt den Zuschauer an eine unsichtbare Hand und zieht ihn sofort nach dem Vorspann, der über das Porträt von Laura Hunt gelegt worden ist, in eine Welt der Obsessionen, in der Gefühle so unwahrscheinlich elegant deklamiert werden, dass man sie nur mit Seidenhandschuhen anfassen möchte. Aus dem Off ist die Stimme von Waldo Lydecker zu hören, der den bemerkenswerten ersten Satz des Films spricht - er wird übrigens auch das letzte Wort haben: "Nie werde ich das Wochenende vergessen, an dem Laura starb." Aufblende: Die Kunstsammlung Lydeckers in seiner luxuriösen Wohnung wird von Detective McPherson begutachtet. Erst dann schwenkt die Kamera ins Badezimmer, wo ein schmalbrüstiger Lydecker in seiner Marmorbadewanne sitzt und an einem Nachruf über Laura Hunt schreibt. Die Präsenz der Toten wird durch Rückblenden und Erzählungen ihrer Freunde heraufbeschworen. In einer langen Rückblende erzählt Lydecker wehmütig, wie er Laura kennenlernte, wie er sie förderte und versuchte, ihre Verehrer auszuschalten. In aufwendig gestalteten Szenen sehen wir Laura und Waldo im Modesalon, beim Essen, auf einer Party und zuhause am Kamin. Dabei wird die junge Frau immer von ihrer Schokoladenseite gezeigt, damenhaft und beherrscht - ein Traumbild. Als solches fasziniert sie auch den ermittelnden Beamten McPherson, der sich in Tagträumen verliert und sich jäh mit der Realität konfrontiert sieht, als Laura plötzlich zurückkehrt. In der Fachpresse liest man oftmals die Deutung, dass Mark McPherson Lauras Rückkehr nur träumt und die zweite Hälfte des Films eine Traumsequenz sei. Dagegen spricht meines Erachtens die unspektakuläre Art, in der Laura ihre Wohnung betritt. Ihr Eintreffen in Regenmantel und Hut wird ganz beiläufig gezeigt. Als wichtiges Stilelement werden Schnee und Regen eingesetzt, um den Aufruhr der Gefühle zu zeigen, in dem sich die handelnden Personen befinden. Waldo Lydecker spaziert nachts durch den Schnee, um seine Nerven zu beruhigen; Laura kehrt bei strömendem Regen zurück; Shelby Carpenter fährt im Regen zum Landhaus, um die angebliche Mordwaffe zu verstecken. Die Obsession von McPherson, der Laura Hunt für sich haben möchte, steht der von Waldo Lydecker in nichts nach. Ich wage zu behaupten, dass Lieutenant McPherson ebenso grausam handeln könnte, wenn Laura ihm entgleiten würde. Der Mordfall "Diane Redfern" ist deshalb mehr als ein Rätsel, sondern eine Charakterstudie mit ungewissem Ausgang. Es ehrt den Film, dass er kein eindeutiges Happy-end zeigt und offen lässt, ob Laura Hunt und Mark McPherson auch nach Abschluss der Ermittlungen befreundet bleiben.

FAZIT: "Laura" ist ein stilsicherer und exquisiter Film, der - angefangen von den klingenden Namen (Kunsthändler Lancaster Corey, Porträtmaler Jacoby, sowie Weinhändler Musconi), über die schmeichelhafte Ausleuchtung der Interieurs, den pointierten Dialogen, den ausgezeichneten Darstellern und der nie nachlassenden Spannung - nichts von seinem Zauber eingebüßt hat.

BONUS: Laura Hunt und ihre Männer

Waldo Lydecker: Der distinguierte Kolumnist schreibt mit einem Gänsekiel in Gift getaucht, was schon einiges über seinen Charakter aussagt. Er lehnt innovative Füller ab, was als Gleichung dafür gesehen werden kann, dass er moderne Beziehungen verabscheut. Er lebt noch im vergangenen Jahrhundert und zeigt dies durch seine Kleidung, sein gesellschaftliches Auftreten (er tanzt noch Polka), seinen Geschmack und den Inhalt seiner Kolumnen (er spricht in einer Radiosendung über "große Liebende"). Laura Hunt ist sein Produkt. Er hat sie entdeckt und geformt, ihren beruflichen Aufstieg ermöglicht und sie in die bessere Gesellschaft eingeführt. Der von Natur aus zynische, sarkastische Mann versucht ihretwegen liebenswürdig und großzügig zu sein, doch es gelingt ihm nicht, da sein stilles Glück mit Laura durch Außenstehende bedroht wird. Jacoby, der Maler; Carpenter, ihr Mitarbeiter im Büro und zuletzt der Polizist McPherson, wollen ihm Laura "wegnehmen", was er mit allen Mitteln verhindern will. Es beginnt harmlos, indem er die Kunst des Malers in Frage stellt, setzt sich in Nachforschungen über das Vorleben ihres Verlobten fort und endet mit einem Mordversuch, als er merkt, dass er endgültig verlassen wird. Der androgyne Clifton Webb ist die perfekte Besetzung für diese Rolle und wurde dafür mit einer Oscar-Nominierung belohnt.

Shelby Carpenter: Er steht als "Filou" zwischen dem kultivierten strengen Lydecker und dem ebenfalls strengen, aber weniger kultivierten McPherson. Er wird dem Zuseher als leichtlebiger, charmanter Taugenichts aus Kentucky präsentiert, der durch pointierte Bemerkungen und lockeres Auftreten das Gegenteil des disziplinierten Lydecker bildet. Sein geschmeidiges Aussehen und seine Körpergröße, die ihm stets Aufmerksamkeit garantiert, wenn er einen Raum betritt, kontrastiert mit der asketischen Figur, die Waldo Lydecker kultiviert. Carpenter wahrt noch immer den Schein einer wohlhabenden Herkunft - vor allem, weil er gerne die Genüsse des Lebens in Anspruch nimmt - und verdankt es Lauras Jobangebot und der Unterstützung seiner Gönnerin Ann Treadwell, dass er nicht vor die Hunde geht. Seine unbekümmerte Art ist eine willkommene Abwechslung für Laura und den Zuseher, obwohl beide ahnen, dass eine Eheschließung mit ihm nicht von Dauer sein kann. Vincent Price beeindruckt wie immer allein durch seine Präsenz. Sein morbides Charisma und die Fähigkeit, binnen Sekunden zwischen freundlicher Zuneigung und grausamer Ablehnung zu wechseln, prädestinierten ihn später für zahlreiche Horrorfilme. In dieser frühen Rolle obliegt ihm die Aufgabe, dem ernsten Stoff Leichtigkeit zu verleihen.

Mark McPherson: Der Polizist mit der Silberplatte am Schienbein ist durch die rauen Sitten in der Welt der Gangster und Schießereien abgebrüht und fern jeder Romantik. Dennoch verliebt er sich in das Porträt einer Frau, deren gewaltsamen Tod er aufklären soll. Seine introvertierte Art äußert sich in der Ausübung eines Geduldspiels. Er hat bereits einige Enttäuschungen hinter sich, was sein Misstrauen gegenüber Frauen verhärtet. Er wird als "einsamer Wolf" gezeichnet, den Panik erfasst, sobald eine Frau ihn in bürgerliche Strukturen einbetten will. Die Auslagen von Möbelgeschäften langweilen ihn ob ihrer Aussicht auf Zweisamkeit "bis dass der Tod sie scheidet". Die Bezeichnungen "Puppe" oder "Biene" für das weibliche Geschlecht nehmen dem Paarlauf seinen Ernst. Ob Laura Hunt und er eine gemeinsame Zukunft haben werden, ist zweifelhaft. Er begehrt sie am meisten, als er sie für tot und somit unerreichbar hält. Das Traumbild wird der nüchternen Alltagswelt mit unkonventionellen Arbeitszeiten und einem völlig verschiedenen gesellschaftlichen Umgang kaum standhalten, zudem der wortkarge Mann wenig tolerant ist und er Laura genau wie Waldo Lydecker kontrollieren möchte. Dana Andrews erlangte zwei Jahre später große Bekanntheit durch den Film "Die besten Jahre unseres Lebens".

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