STRAFSACHE THELMA JORDON - Robert Siodmak

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Percy Lister
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STRAFSACHE THELMA JORDON - Robert Siodmak

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"Strafsache Thelma Jordon" (The File on Thelma Jordon) (USA 1950)
mit: Barbara Stanwyck, Wendell Corey, Paul Kelly, Joan Tetzel, Stanley Ridges, Richard Rober, Gertrude Hoffman, Minor Watson, Basil Ruysdael, Kasey Rogers, Barry Kelley, Harry Antrim, Kate Drain Lawson, Theresa Harris u.a. | Drehbuch: Katherine Frings nach einer Geschichte von Marty Holland | Regie: Robert Siodmak

Thelma Jordon, die bei ihrer vermögenden Tante Vera lebt, meldet im Büro des Bezirksstaatsanwalts einen Einbruch. Dessen Assistent hat sich betrunken, um einer Familienfeier fernbleiben zu können und lädt die Besucherin ein, mit ihm ein Lokal aufzusuchen. Am selben Abend gesteht er ihr seine Leidenschaft und trifft sich fortan regelmäßig mit der willensstarken Frau, die sich ebenso von den Einschränkungen familiärer Bindungen lösen will, wie es Cleve Marshall gern möchte. Als Tante Vera eines Nachts von Geräuschen im Parterre ihres Hauses geweckt wird, kommt es zu einer tödlichen Begegnung....

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Die Basis, auf der die Handlung aufbaut, ist wieder einmal das kalte Herz einer betörenden Frau, deren Pläne den eigenen Vorteil in den Mittelpunkt stellen, so, wie es Männer seit Jahrtausenden tun, ohne dass es ihnen übel genommen worden wäre. In den konservativen Fünfziger Jahren des Zwanzigsten Jahrhunderts, als sich der Patriotismus wieder einmal einer besonderen Beliebtheit erfreute, erschien es besonders ruchlos, wenn Lust nicht mit Liebe vergolten wurde und Loyalität vor allem Eigennutz bedeutete. Barbara Stanwyck scheint prädestiniert für unabhängige Frauen, die nicht nach Schema F funktionieren und bei denen man nie weiß, welchen Schritt sie als nächstes tun werden. Auf den ersten Blick scheint die Geschichte nach einem ähnlichen Muster zu funktionieren wie die famose "Frau ohne Gewissen", obwohl sich Elemente aus "Die seltsame Liebe der Martha Ivers" deutlicher zeigen. Leider harmoniert der männliche Hauptdarsteller nur in sehr geringem Maße mit der klugen Rechnerin. Dabei brächte Wendell Corey eigentlich viele Voraussetzungen für die Rolle mit, da seine Figur Parallelen zu seinem Privatleben aufweist. Dennoch schätzt man ihn mehr als Nebendarsteller in beherrschter Zurückhaltung, wobei "Das Fenster zum Hof" seinen wohl bekanntesten Auftritt markiert. Über sein Innenleben wird dabei wenig verraten, ihm kommt die Aufgabe des Beobachters zu. Die Chemie zwischen dem ungleichen Paar zündet so gar nicht und erschwert es dem Zuschauer, jene Nuancen auszumachen, welche beispielsweise bei Phyllis Dietrichson und Walter Neff für ein Tauziehen zweier Vabanque-Spieler sorgten. Die Struktur wird ob dieser konstruierten Paarung mehrfach aufgeweicht.

Der Anfang wirkt schwerfällig und in Bezug auf die aufflammende Sympathie unglaubwürdig, weil der männliche Part als Verlierer des Lebens eingeführt wird. Der Schwiegervater als übergroße Figur, die Vorbild und Richtlinie sein soll und aus deren Einfluss sich die Ehefrau des Staatsanwalt-Assistenten nie richtig lösen konnte; der Alkohol als Ablenkung von Problemen, die dadurch nur weggeschoben, nicht aber gelöst werden und eine Portion Feigheit, den Realitäten die Stirn zu bieten und klaren Worten auch Taten folgen zu lassen. Joan Tetzel als Pamela Blackwell, Ehefrau von Cleve Marshall, setzt psychologische Akzente, wobei man ihre Anhänglichkeit zur Stärkung der Attraktivität des Helden einsetzt, was angesichts der Anmut der Schauspielerin, die kultiviert und anziehend wirkt, nicht den gewünschten Effekt erzielt. An Gehalt und Tiefe gewinnt der Film, als Thelma Jordon unter Mordanklage verhaftet und vor Gericht gestellt wird. Stanley Ridges als Verteidiger verfolgt eine Strategie, ohne an die Unschuld seiner Mandantin zu glauben. Da der Vertreter der Staatsanwaltschaft schwere Geschütze auffährt, um durch aggressive Vorwürfe den Geschworenen die Unverhältnismäßigkeit seiner Forderung zu verbildlichen und damit den Prozess zu verlieren, wird die Gerichtsverhandlung zum Höhepunkt des korrumpierenden Verhaltens der heimlich Liebenden. Richard Rober in einer sinisteren Nebenrolle wühlt den Sumpf der abgründigen Machenschaften noch intensiver auf, sodass am Ende nur Scherben übrig bleiben und die handelnden Personen definitiv straucheln und zu Fall kommen. Eine großartig agierende Barbara Stanwyck macht den Film sehenswert, obwohl man sie bereits in besseren Stoffen bewundern konnte.

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