MENSCHEN IM HOTEL - Edmund Goulding

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Percy Lister
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MENSCHEN IM HOTEL - Edmund Goulding

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"Menschen im Hotel" (Grand Hotel) (USA 1932)
mit: Greta Garbo (Elisaweta Grusinskaja, die Tänzerin), John Barrymore (Baron Felix von Gaigern), Joan Crawford (Flämmchen, die Stenotypistin), Lionel Barrymore (Otto Kringelein), Wallace Beery (Generaldirektor Preysing), Lewis Stone (Dr. Otternschlag), Ferdinand Gottschalk (Pimenov), Rafaela Ottiano (Suzette), Jean Hersholt (Senf, der Portier), Purnell Pratt (Zinnowitz), Robert McWade (Meierheim), Morgan Wallace (Chauffeur), Tully Marshall (Gerstenkorn) u.a. | Drehbuch: William A. Drake nach dem Roman "Menschen im Hotel" von Vicky Baum | Regie: Edmund Goulding

Der Roman der Wienerin Vicky Baum erschien im Jahr 1929 und wurde ein internationaler Erfolg. Deshalb kaufte MGM die Filmrechte und beschloss, alle Rollen mit namhaften Darstellern zu besetzen. Das Ergebnis ist ein stilvolles Porträt einer untergegangenen Epoche, der goldenen Zwanziger Jahre. Der Zuseher wird zwar mit Walzerklängen von Johann Strauß willkommen geheißen, doch das Geschehen steuert im Laufe des Films immer wieder auf den "Gelben Salon" zu, wo täglich um 17 Uhr zum Tanztee gebeten wird und sich einige entscheidende Szenen abspielen. Menschen unterschiedlicher Herkunft treffen aufeinander und ihre Weltanschauungen gehen nicht immer konform. Der Schauplatz, das Berliner "Grand Hotel", wird während der gesamten Zeit nie verlassen, die "Drehtür als Schicksalsrad" (Werner Fuld, Autor einer Abhandlung über Vicky Baums Roman) lässt es zwar zu, dass die Gäste das Haus ab und zu verlassen, z.B. um ins Theater zu gehen oder mit dem Wagen auszufahren, doch wir können sie dabei nicht begleiten. Das Leben spielt sich im Hotel ab, diesem Mikrokosmos, der hinter der Fassade alle menschlichen Abgründe und Höhenflüge beherbergt. Kontraste werden nicht versteckt, sondern offengelegt. Der Buchhalter Otto Kringelein aus Fredersdorf, der aufgrund einer Krankheit nur mehr kurze Zeit zu leben hat; Generaldirektor Preysing von der Saxonia Baumwoll A.G., ebenfalls aus Fredersdorf, der wie sein Angestellter bald mit dem Tod konfrontiert wird, und der geschmeidige Baron von Gaigern, dessen Leben bald ausgelöscht wird. Leben und Tod ziehen sich wie ein roter Faden durch die Handlung, wobei die Fäulnis nur dezent von der prächtigen Kulisse mit ihren "illuminierten Springbrunnen und den Marmorsäulen mit Gipsornamenten" verborgen wird.

Für das heutige Publikum bekommen die Charaktere durch die Kenntnis der biografischen Details der Darsteller zusätzliche Tiefe: Die große Garbo, deren exaltiertes Gehabe ihre tiefe Einsamkeit verbirgt und deren Kraft - wie bei Madame Grusinskaja - "nur auf eines gerichtet war: unverändert zu bleiben. Und die nicht bemerkte, dass gerade dies die Welt zu langweilen begann...." Um ihre Würde zu wahren und nicht unter den Augen der Öffentlichkeit zu altern, zog sie sich nach ihrem ersten Misserfolg ins Privatleben zurück. Der bekannte Bühnendarsteller und romantische Held John Barrymore, dessen Alkoholismus seine Karriere ruinierte und die gute Herkunft und glänzenden Perspektiven zunichte machte, so wie bei Baron Gaigern, der aufgrund seiner Neigung zum Glückspiel verarmt ist und sich als Trickdieb verdingen muss. Lionel Barrymore, der seit Mitte der Dreißiger Jahre im Rollstuhl saß, sich aber nie unterkriegen ließ (wie der aufbegehrende Herr Kringelein) und weiter Filme drehte. "Was im großen Hotel erlebt wird, das sind keine runden, vollen, abgeschlossenen Schicksale. Es sind nur Bruchstücke, Fetzen, Teile; hinter den Türen wohnen Menschen, gleichgültige oder merkwürdige, Menschen im Aufstieg, Menschen im Niedergang; Glückseligkeiten und Katastrophen wohnen Wand an Wand." "Die Hotelleitung fleht um Diskretion, um Vermeidung von Aufsehen, um Vertuschung, wenn es möglich ist...." Und so verlassen alle Beteiligten nach dem Mord an Felix Benvenuto Freiherr von Gaigern eilig das Hotel. "Der Bürger und Mustermann Preysing wird als ein Verhafteter und Zerbrochener von zwei Herren abgeführt. Vier Männer tragen Gaigern still und heimlich über die Lieferantentreppe davon." Madame Grusinskaja und ihr Gefolge reisen nach Wien, Kringelein und Flämmchen nach Paris. Nur der kriegsversehrte Dr. Otternschlag hält weiterhin die Stellung. "Er hat seinen Stammplatz, er bleibt." (Alle Zitate stammen aus dem Roman "Menschen im Hotel", Verlag Kiepenheuer & Witsch, 2002)

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