"Die seltsame Liebe der Martha Ivers" (The Strange Love of Martha Ivers) (USA 1946)
mit: Barbara Stanwyck, Van Heflin, Kirk Douglas, Lizabeth Scott, Judith Anderson, Roman Bohnen, Darryl Hickman, Ann Doran, Janis Wilson, Frank Orth, James Flavin, Mickey Kuhn, Gino Corrado, Kernan Cripps u.a. | Drehbuch: Robert Rossen nach einer Geschichte von Jack Patrick | Regie: Lewis Milestone
Martha Smith lebt nach dem Tod ihrer Eltern bei ihrer reichen Tante, deren Namen sie annehmen musste, möchte aber lieber mit ihrem Kumpel Sam Masterson durchbrennen. Eines Nachts wird Mrs. Ivers, die Marthas Katze misshandelt, von ihrer Nichte geschlagen und bricht sich beim daraus resultierenden Sturz im Treppenhaus das Genick. Walter O'Neill, ein Schulkamerad des Mädchens, ist Zeuge der Tat und schweigt über den Vorfall. Martha erbt bei ihrer Volljährigkeit das beträchtliche Vermögen, da ihr Schulfreund Walter, der Zeuge der Tat war, schweigt. Nach achtzehn Jahren kehrt Sam in die Stadt zurück, die sich zu einem prosperierenden Industrieort entwickelt hat. Martha hat die Fabriken übernommen, Schulen und Krankenhäuser gebaut und beschäftigt über 30.000 Menschen. Walter und sie haben in der Zwischenzeit geheiratet und alles scheint in geordneten Bahnen zu verlaufen. Als Sam bei Martha vorspricht, fürchtet Walter, der für den Posten des Bezirksstaatsanwalts kandidiert, dass der alte Schulfreund sie mit dem Mord erpressen will, für den Jahre später aufgrund der Aussage Marthas ein Unschuldiger gehängt wurde.....
„Ein düsterer, fatalistischer Film noir, der gegenseitige Abhängigkeiten und psychische Ausweglosigkeit anspricht und inszenatorisch ein morbides Klima von beklemmender Intensität schafft. Schauspielerisch perfekt.“ Dem Urteil des "Lexikon des internationalen Films" kann bedingungslos zugestimmt werden, fasst es doch die Meriten dieser fast zwei Stunden langen Produktion treffend zusammen. Obwohl Barbara Stanwyck erst nach einer halben Stunde auf der Bildfläche zu sehen ist, dominiert sie nicht nur den nach ihrer Familie benannten Ort, sondern auch die Handlung. Ihr Talent, sekundenschnell von butterweich-charmant zu stahlhart-unerbittlich zu wechseln, prädestiniert sie sowohl für ruchlose Mörderinnen-Rollen, als auch für leidenschaftliche Kämpferinnen. Der Reiz ihrer Verbindung zu Douglas und Heflin liegt darin, dass sich keiner der Beteiligten - geschweige denn der Zuschauer - je ganz sicher über den Stand ihrer wahren Gefühle ist. So fußt die Ehe von Martha und Walter auf einem Zweckbündnis, bei dem bis zum Schluss nicht klar ist, wer wen in der Hand hat und ob es sich um verschmähte Zuneigung, Hass oder Hörigkeit handelt. Das reizvolle Spiel mit dem Suspense um die Dreiecksgeschichte, die mit Mord, Gewalt und Machtdemonstrationen einhergeht, braucht seine Zeit, sich zu entfalten, glücklicherweise wird sie ihm gewährt. Das Drehbuch verharrt gern in Einzelheiten, um die Charaktere der Personen zu entblättern. Die Vergangenheit ist Kitt einer Ehe und das gemeinsame Geheimnis, das zum Schweigen verpflichtet und durch eine astreine, auf Erfolg getrimmte Lebensführung ausgelöscht werden soll. Der weniger disziplinierte Sam, der keinem Plan folgt und vor allem vom Glücksspiel lebt, bringt das Ordnungsgefüge durch seine Anwesenheit durcheinander, vor allem, weil er die verklärte Sicht Marthas entzaubert. 'Oscar'-Preisträger Van Heflin zeichnet einen Charakter, der sich einerseits zwar behauptet, andererseits jedoch trotz der langen Abwesenheit empfänglich für das Gift des schlechten Einflusses bleibt, dem er vor so vielen Jahren gerade noch entrinnen konnte. In Marthas Erinnerung bleibt Sam eine verpasste Chance auf eine ungebändigte Freiheit, der sie nachtrauert, um sich zu beweisen, dass der vorgezeichnete Weg auch eine andere Wendung nehmen hätte können und ihre Tat ein Versuch der Selbstbehauptung war. Die Enttäuschung, die in Missgunst und Rache umschlägt, treibt die Ereignisse voran und hebt den Deckel über der Glut des ersten Mordes, der als mahnender Begleiter stets anwesend war.
Alle Bemühungen scheinen umsonst gewesen zu sein und treiben die handelnden Personen zu unüberlegten, verzweifelten Ausbruchsversuchen. Neben der überlegen aufspielenden Barbara Stanwyck fallen Kirk Douglas und Lizabeth Scott angenehm auf. Ihre Rollen an der Seite der Hauptpersonen stimulieren diese und treiben sie an. Douglas beeindruckt in seinem Debüt als ergebener Schwächling ebenso wie als aufbegehrender Mann zwischen Pflicht und Neigung. Er versteht es gut, verschlagen und rachsüchtig zu sein, gleichzeitig aber auch Zweifel und Schuldgefühle wach werden zu lassen. Er ist der Faktor, der am berechenbarsten sein soll, bringt die Erwartungshaltung an seine Person aber immer wieder ins Wanken. Er ist psychisch gebrochen und wird von seiner energischen Frau mitgeschleift. Die Frage, ob er sein Leben nur nach der für ihn entworfenen Schablone seines Vaters lebt, oder seine Emanzipation von der Vergangenheit erreicht werden könnte, wenn ihm seine Frau auf Augenhöhe begegnet, lässt Hoffnung auf eine Wendung der Geschichte, zumal Walter seine Verletzlichkeit kaum zu kaschieren vermag und jede empathische Geste wie ein Schwamm aufsaugt. Lizabeth Scott besticht als junge Frau, die Pech gehabt hat und nun einen Strohhalm ergreift, um ein besseres Leben führen zu können. Sie ist die Sympathieträgerin des Films und Komplizin des Zuschauers, der mehrmals darum bangen muss, dass sie die Stadt (und somit die Handlung) verlässt. Ihre Anhänglichkeit und die unterdrückte erotische Atmosphäre stehen sinnbildlich für die gebrochenen Helden des Film Noir, die sich mit den neuen Umständen arrangieren. Ihre Toni Marachek, die Lizabeth Scotts slowakische Wurzeln spiegelt, bleibt einsam, weil sie ihre lieblose Vergangenheit im Gegensatz zu den drei anderen Hauptfiguren abgeschüttelt hat und diese sie nicht wie ein Schatten überallhin begleitet. Die Unfähigkeit, loslassen zu können und die Anwesenheit der verhängnisvollen Toten, deren Einflussnahme auf das Leben ihrer Kinder jetzt noch spürbar bleibt, beraubt die handelnden Personen ihrer Freiheit, neue Wege zu beschreiten und das Erbe negativer Emotionen ein für alle Mal abzuschütteln. Düster und unheilschwanger wirft der Mord seine Schatten auf das Leben von Martha und Walter O'Neill, deren fragiles Privatleben mit dem strahlenden Bild in der Öffentlichkeit konkurriert. Darstellerisch brillant besetzt, zeigt der Film die hässliche Fratze verschütteter und verborgener Emotionen, deren Beherrschung manchmal über Leben und Tod entscheidet. Faszinierend und bestrickend zugleich wohnt der Zuschauer einer Tragödie bei, die ihn über das Filmende hinaus beschäftigen wird. Exzellent!
mit: Barbara Stanwyck, Van Heflin, Kirk Douglas, Lizabeth Scott, Judith Anderson, Roman Bohnen, Darryl Hickman, Ann Doran, Janis Wilson, Frank Orth, James Flavin, Mickey Kuhn, Gino Corrado, Kernan Cripps u.a. | Drehbuch: Robert Rossen nach einer Geschichte von Jack Patrick | Regie: Lewis Milestone
Martha Smith lebt nach dem Tod ihrer Eltern bei ihrer reichen Tante, deren Namen sie annehmen musste, möchte aber lieber mit ihrem Kumpel Sam Masterson durchbrennen. Eines Nachts wird Mrs. Ivers, die Marthas Katze misshandelt, von ihrer Nichte geschlagen und bricht sich beim daraus resultierenden Sturz im Treppenhaus das Genick. Walter O'Neill, ein Schulkamerad des Mädchens, ist Zeuge der Tat und schweigt über den Vorfall. Martha erbt bei ihrer Volljährigkeit das beträchtliche Vermögen, da ihr Schulfreund Walter, der Zeuge der Tat war, schweigt. Nach achtzehn Jahren kehrt Sam in die Stadt zurück, die sich zu einem prosperierenden Industrieort entwickelt hat. Martha hat die Fabriken übernommen, Schulen und Krankenhäuser gebaut und beschäftigt über 30.000 Menschen. Walter und sie haben in der Zwischenzeit geheiratet und alles scheint in geordneten Bahnen zu verlaufen. Als Sam bei Martha vorspricht, fürchtet Walter, der für den Posten des Bezirksstaatsanwalts kandidiert, dass der alte Schulfreund sie mit dem Mord erpressen will, für den Jahre später aufgrund der Aussage Marthas ein Unschuldiger gehängt wurde.....
„Ein düsterer, fatalistischer Film noir, der gegenseitige Abhängigkeiten und psychische Ausweglosigkeit anspricht und inszenatorisch ein morbides Klima von beklemmender Intensität schafft. Schauspielerisch perfekt.“ Dem Urteil des "Lexikon des internationalen Films" kann bedingungslos zugestimmt werden, fasst es doch die Meriten dieser fast zwei Stunden langen Produktion treffend zusammen. Obwohl Barbara Stanwyck erst nach einer halben Stunde auf der Bildfläche zu sehen ist, dominiert sie nicht nur den nach ihrer Familie benannten Ort, sondern auch die Handlung. Ihr Talent, sekundenschnell von butterweich-charmant zu stahlhart-unerbittlich zu wechseln, prädestiniert sie sowohl für ruchlose Mörderinnen-Rollen, als auch für leidenschaftliche Kämpferinnen. Der Reiz ihrer Verbindung zu Douglas und Heflin liegt darin, dass sich keiner der Beteiligten - geschweige denn der Zuschauer - je ganz sicher über den Stand ihrer wahren Gefühle ist. So fußt die Ehe von Martha und Walter auf einem Zweckbündnis, bei dem bis zum Schluss nicht klar ist, wer wen in der Hand hat und ob es sich um verschmähte Zuneigung, Hass oder Hörigkeit handelt. Das reizvolle Spiel mit dem Suspense um die Dreiecksgeschichte, die mit Mord, Gewalt und Machtdemonstrationen einhergeht, braucht seine Zeit, sich zu entfalten, glücklicherweise wird sie ihm gewährt. Das Drehbuch verharrt gern in Einzelheiten, um die Charaktere der Personen zu entblättern. Die Vergangenheit ist Kitt einer Ehe und das gemeinsame Geheimnis, das zum Schweigen verpflichtet und durch eine astreine, auf Erfolg getrimmte Lebensführung ausgelöscht werden soll. Der weniger disziplinierte Sam, der keinem Plan folgt und vor allem vom Glücksspiel lebt, bringt das Ordnungsgefüge durch seine Anwesenheit durcheinander, vor allem, weil er die verklärte Sicht Marthas entzaubert. 'Oscar'-Preisträger Van Heflin zeichnet einen Charakter, der sich einerseits zwar behauptet, andererseits jedoch trotz der langen Abwesenheit empfänglich für das Gift des schlechten Einflusses bleibt, dem er vor so vielen Jahren gerade noch entrinnen konnte. In Marthas Erinnerung bleibt Sam eine verpasste Chance auf eine ungebändigte Freiheit, der sie nachtrauert, um sich zu beweisen, dass der vorgezeichnete Weg auch eine andere Wendung nehmen hätte können und ihre Tat ein Versuch der Selbstbehauptung war. Die Enttäuschung, die in Missgunst und Rache umschlägt, treibt die Ereignisse voran und hebt den Deckel über der Glut des ersten Mordes, der als mahnender Begleiter stets anwesend war.
Alle Bemühungen scheinen umsonst gewesen zu sein und treiben die handelnden Personen zu unüberlegten, verzweifelten Ausbruchsversuchen. Neben der überlegen aufspielenden Barbara Stanwyck fallen Kirk Douglas und Lizabeth Scott angenehm auf. Ihre Rollen an der Seite der Hauptpersonen stimulieren diese und treiben sie an. Douglas beeindruckt in seinem Debüt als ergebener Schwächling ebenso wie als aufbegehrender Mann zwischen Pflicht und Neigung. Er versteht es gut, verschlagen und rachsüchtig zu sein, gleichzeitig aber auch Zweifel und Schuldgefühle wach werden zu lassen. Er ist der Faktor, der am berechenbarsten sein soll, bringt die Erwartungshaltung an seine Person aber immer wieder ins Wanken. Er ist psychisch gebrochen und wird von seiner energischen Frau mitgeschleift. Die Frage, ob er sein Leben nur nach der für ihn entworfenen Schablone seines Vaters lebt, oder seine Emanzipation von der Vergangenheit erreicht werden könnte, wenn ihm seine Frau auf Augenhöhe begegnet, lässt Hoffnung auf eine Wendung der Geschichte, zumal Walter seine Verletzlichkeit kaum zu kaschieren vermag und jede empathische Geste wie ein Schwamm aufsaugt. Lizabeth Scott besticht als junge Frau, die Pech gehabt hat und nun einen Strohhalm ergreift, um ein besseres Leben führen zu können. Sie ist die Sympathieträgerin des Films und Komplizin des Zuschauers, der mehrmals darum bangen muss, dass sie die Stadt (und somit die Handlung) verlässt. Ihre Anhänglichkeit und die unterdrückte erotische Atmosphäre stehen sinnbildlich für die gebrochenen Helden des Film Noir, die sich mit den neuen Umständen arrangieren. Ihre Toni Marachek, die Lizabeth Scotts slowakische Wurzeln spiegelt, bleibt einsam, weil sie ihre lieblose Vergangenheit im Gegensatz zu den drei anderen Hauptfiguren abgeschüttelt hat und diese sie nicht wie ein Schatten überallhin begleitet. Die Unfähigkeit, loslassen zu können und die Anwesenheit der verhängnisvollen Toten, deren Einflussnahme auf das Leben ihrer Kinder jetzt noch spürbar bleibt, beraubt die handelnden Personen ihrer Freiheit, neue Wege zu beschreiten und das Erbe negativer Emotionen ein für alle Mal abzuschütteln. Düster und unheilschwanger wirft der Mord seine Schatten auf das Leben von Martha und Walter O'Neill, deren fragiles Privatleben mit dem strahlenden Bild in der Öffentlichkeit konkurriert. Darstellerisch brillant besetzt, zeigt der Film die hässliche Fratze verschütteter und verborgener Emotionen, deren Beherrschung manchmal über Leben und Tod entscheidet. Faszinierend und bestrickend zugleich wohnt der Zuschauer einer Tragödie bei, die ihn über das Filmende hinaus beschäftigen wird. Exzellent!