FEIND IM DUNKEL - Henry Hathaway

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Percy Lister
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FEIND IM DUNKEL - Henry Hathaway

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"Feind im Dunkel" (The Dark Corner) (USA 1946)
mit: Lucille Ball, Clifton Webb, Mark Stevens, William Bendix, Kurt Kreuger, Cathy Downs, Reed Hadley, Constance Collier, Eddie Heywood, Ellen Corby, Colleen Alpaugh, Ralph Dunn, Eloise Hardt, John Goldsworthy u.a. | Drehbuch: Jay Dratler und Bernard C. Schoenfeld nach einer Erzählung von Leo Rosten | Regie: Henry Hathaway

Nachdem er von seinem Partner betrogen wurde, saß der hartgesottene Privatdetektiv Bradford Galt zwei Jahre wegen Totschlags im Gefängnis. Jetzt versucht er, unterstützt von seiner neuen Sekretärin und Liebe Kathleen, einen Neuanfang. Doch die Schatten der Vergangenheit kehren eines Tages in Gestalt eines geheimnisvollen Mannes in einem weißen Anzug zurück. Galt entdeckt, dass sein neuer Klient für seinen Ex-Partner, Anthony Jardine, arbeitet. Als Jardine kurze Zeit später ermordet wird, fällt der Verdacht auf Galt. Diesem ist klar, dass ihm jetzt die Todesstrafe droht, wenn es ihm nicht gelingt, seine Unschuld zu beweisen....

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Der 1946 entstandene "film noir" thematisiert die fragile Normalität, die sich der Privatdetektiv Galt nach seiner Haftentlassung aufbauen will. Die Firmenaufschrift an seinem Bürofenster ist noch nicht trocken, da erhält er bereits Besuch von Police-Lieutenant Frank Reeves, der sich ein Bild über Galts neues Leben machen will und ihn ermahnt, sich zu bewähren. Einen wichtigen Faktor in Galts Alltag stellt seine Mitarbeiterin Kathleen dar, die zwar erst seit drei Wochen für ihn tätig ist, sich durch Loyalität, Humor und ihren Sinn fürs Praktische jedoch bereits unentbehrlich gemacht hat. Lucille Ball verkörpert eine Frau, die zwar schöne Kleider und Tanzabende schätzt, jedoch mit beiden Beinen auf der Erde steht und im Gegensatz zur anderen weiblichen Darstellerin Cathy Downs selbst Hand anlegt, wenn es darum geht, Spuren eines Kampfes zu beseitigen. Ihre Kameradschaftlichkeit und die oft zitierte Mütterlichkeit sorgen dafür, dass der männliche Hauptdarsteller sich immer wieder aufrafft und klare Gedanken fasst, anstatt sich der Polizei oder seinen Feinden zu überantworten. Sind die Detektive Nick und Nora Charles Mitte der Vierziger Jahre bereits ein eingespieltes Team, dessen Ehe auf gleichberechtigter Partnerschaft beruht, so stehen Brad und Kathleen erst am Anfang dieses Weges, wie ein Bonmot zu Beginn der Handlung betont: "Engagieren Sie doch William Powell!" - "Wer ist das?" Durch die lange Einleitung, die den Film zunächst ein wenig ausbremst und vor allem dazu dient, das künftige Paar Brad/Kathleen vorzustellen, gerät die pathologische Dreiecksbeziehung zwischen Marie Cathcart, Anthony Jardine und Hardy Cathcart ein wenig ins Hintertreffen und beweist, dass man die Geschichte auch ganz anders erzählen hätte können. William Bendix, auf den sich zunächst die Aufmerksamkeit als Bösewicht konzentriert, erweist sich bald als "roter Hering", der als Aushängeschild für jene dient, welche es nicht gewohnt sind, sich selbst die Hände - oder den blütenweißen Anzug - schmutzig zu machen. Der Tresorraum im Keller der Kunstgalerie, Jardines Tätigkeit als Erpresser reicher Damen und die obsessive Leidenschaft, die sowohl Hardy, als auch Marie verzehrt, erinnern an große Klassiker des Genres. Der Film wartet mit genügend Stoff auf, um zwei Produktionen damit zu füllen, wobei die Zusammenführung beider Handlungsstränge im Finale jene finsteren Leidenschaften offenbaren, die so typisch für Vertreter dieses Genres sind. Die Intention Cathcarts, seinen Nebenbuhler aus dem Weg zu schaffen, indem er dessen Ex-Partner anstacheln lässt, ihn aus Rache bzw. Notwehr zu ermorden, ist sehr gewagt und sagt einiges über den Charakter des Mannes aus, der andere wie Marionetten nach seiner Regie tanzen lassen will.

Das elegante Ambiente, in dem Clifton Webb sich einmal mehr bewegt, bildet die perfekte Projektionsfläche für Männer und Frauen, die über sich hinauswachsen und ein Leben führen wollen, das mit den kostbarsten Gütern angereichert ist, die man für Geld kaufen kann. Während Lucille Ball als guter Kumpel und loyale Seele im karierten Mantel und mit kämmbarer Frisur auftritt, schreitet Cathy Downs dem Zuschauer liliengleich schön und madonnenhaft unnahbar entgegen, verfügt aber gleichzeitig über weitaus weniger schauspielerische Nuancen als die patente und attraktive Lucille Ball. Die Liaison zwischen dem distinguierten und klassisch schönen Paar Downs/Kreuger regt das Publikum in geringerem Ausmaß an als die Beziehung zwischen Ball und Stevens, da sie traditionellen Elementen gehorcht und vor allem von einer Seite als kühle Berechnung gesehen wird. Kurt Kreuger verkörpert den geschmeidigen Anwalt in eigener Sache mit Stil; der gebürtige Potsdamer aus gutem Hause feierte in Hollywood schöne Erfolge und überzeugt auch hier als verhängnisvoller Irrtum von Cathy Downs. Clifton Webbs Absichten erinnern an seine Rolle in "Laura" und stehen dem androgynen Schauspieler gut zu Gesicht, der als einer der bestangezogenen und exzentrischsten Männer der Branche galt. Er erhebt das Schöne zu seiner Religion und betrachtet eine attraktive Frau mit der selben ehrfürchtigen Distanz wie ein Gemälde von Raffael. Deshalb konstatiert sein Hardy Cathcart mit Nachdruck: "Liebe ist kein absolutes Vorrecht der Jugend. [...] Diese Krankheit ist unheilbar." Sie wird alles zerstören, sein Leben und das seiner Frau. Das für einen "film noir" ungewöhnliche Ende deutet Optimismus an, der dem Genre eigentlich fremd ist. Der Spannungsgehalt der Geschichte stützt sich auf die glänzende Schwarzweiß-Kamera, die jeden dunklen Winkel stimmig in Szene setzt, sowie zahlreiche Sequenzen, welche die durchgängige Bedrohung zum Mord oder Mordversuch anschwellen lassen. "Feind im Dunkel" ist ein Film, der sich erst bei mehrfacher Sichtung in allen Details erschließt, dessen opulente Ausstattung und gedämpfte Atmosphäre das Auge des Betrachters einlullen und wie ein heißer Kakao auf seine Psyche wirken. Typische optische Merkmale wie die Verwendung von Spiegeln, kommentieren die Verbindungen der Figuren zueinander. Die jeweilige Beziehung wird im unbarmherzigen Widerhall des Utensils gezeigt und legt Schwächen und Zweifel der Personen offen. "Der weiße Schatten" - so der deutsche Alternativtitel, verfolgt den Helden bis in seine schlimmsten Träume und zwingt ihn, konsequent zu handeln, wobei sich ein Strudel der negativen Emotionen und Handlungen entwickelt, der die Fassaden jener Gesellschaft in Aufruhr bringt, die durch ein Flüstern aus dem Takt gebracht werden kann.

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