RAUSCHGIFT-BANDITEN - Joseph Kane

Grindhouse- und andere B-Filmfreuden aus den US of A
Antworten
Percy Lister
Beiträge: 348
Registriert: Sa., 14.11.2020 16:15

RAUSCHGIFT-BANDITEN - Joseph Kane

Beitrag von Percy Lister »

Bild Bild
"Rauschgift-Banditen" (The Man who died twice) (USA 1958)
mit: Rod Cameron, Vera Ralston, Mike Mazurki, Gerald Milton, Richard Karlan, John Maxwell, Bob Anderson, Louis Jean Heydt, Don Megowan, Paul Picerni, Luana Anders u.a. | Drehbuch: Richard C. Sarafian | Regie: Joseph Kane

Nachtclubbesitzer Richard Brennon verunglückt tödlich mit seinem Wagen, kurz darauf sieht seine Witwe Lynn, wie ein Mann vom Balkon ihrer Wohnung abstürzt. Sie erleidet einen Schwächeanfall und kann sich anschließend nicht mehr an den Vorfall erinnern. Ihr Schwager Bill, der sich nie mit seinem Bruder verstand, bietet Lynn seine Hilfe an, doch auch Richards rechte Hand Rak zeigt Interesse an der Geschäftsführung. Die Polizei lässt das Haus beobachten, weil sie einem Drogenhändlerring auf der Spur ist. Bald geschieht ein weiterer Mord und Lynn weiß nicht mehr, wem sie trauen kann....

Bild Bild
Der Film legt ein Tempo vor, das sich sehen lassen kann. Die Bilanz der ersten drei Minuten: zwei tote Männer und eine ohnmächtige Frau. Aufgrund seines relativ unbekannten Schauspieler-Ensembles vertraut der Streifen auf eine solide dramaturgische Basis und klassische Versatzelemente des film noir. Der Vorteil eines weitgehend unvertrauten Darstellerstabs liegt in der Vermeidung von Zuordnungen. Eine Unterscheidung zwischen Gut und Böse wird somit erschwert, jeder verdächtigt jeden und bespitzelt und misstraut seinem Gegenüber. Das B-Movie bedient sich der selben Stilmittel, die auch in den Klassikern des Genres Verwendung finden. Ein Nachtclub mit dem Namen "Blauer Schwan", der als Umschlageplatz für Kokain dient, eine Sängerin zwischen zwei Männern und mehrere mysteriöse Todesfälle, die als Unfälle getarnt ein Geheimnis bewahren, das am Ende alles auf den Kopf stellt. Selbst eine schwarze Katze schleicht unheilbringend durchs Szenario - Unheil kommt jedenfalls über ihre Besitzerin, eine schwatzhafte alte Dame, die zu viel sieht und zu viel hört - in jenen Kreisen ein Todesurteil. Als Informantin der Polizei kommt ihr eine hübsche Fußnote zu. Vera Ralston ist eine solide Besetzung für die weibliche Hauptrolle, wobei "Rauschgift-Banditen" bereits der letzte Film ist, in dem sie mitspielt. Die ehemalige Eiskunstläuferin war u.a. neben John Wayne in Westernproduktionen mit von der Partie, doch in großen kommerziellen Erfolgen sah man sie nie. Ihr tschechischer Akzent wurde oft bemängelt, über ihre schauspielerischen Qualitäten gehen die Meinungen auseinander. Dennoch macht sie als weiblicher lead eine aparte Figur, man vertraut ihr und sie ist der einzige Charakter, dem man seine Unbescholtenheit glaubt. Vielleicht ist es gerade ihr Unvermögen, sich ganz und gar auf eine Rolle einzulassen und diese nach einem professionell einstudierten Muster zu zeichnen. Ebenso wie die dreifache Eistanz-Olympiasiegerin Sonja Henie wagte Vera Ralston den Sprung zum Film, ihre Leistung in "Rauschgift-Banditen" ist allemal ausreichend für die Drehbuchvorgaben. Das Lied "There I Was in Love" schmeichelt dem Ohr und entspricht dem Ton jener klassischen Bar-Songs.

Dem deutschen Publikum fallen die markanten Synchronstimmen von Heinz Drache, dessen Sonorität noch nicht völlig ausgeprägt ist, und Werner Peters auf, ein angenehmer Anker in dem unbekannten Umfeld. Mit einer Laufzeit von kaum siebzig Minuten sollte der Film keine Längen aufweisen. Dennoch knickt das Tempo nach dem vielversprechenden Auftakt bald wie ein Streichholz ein und der Zuschauer sieht sich mit einem Pingpong an Dialogen konfrontiert, die von Personen geführt werden, die ihn wenig interessieren. Es gelingt der Produktion über lange Strecken nicht, den richtigen Nerv zu treffen, zu harmlos und zu belanglos gestaltet sich zwischenzeitlich die Suche nach dem Rauschgift und dessen skrupellosen Vertriebsleiter. Nichtsdestotrotz verströmt der Film einen altmodischen, wenn auch herben Charme, der sich aus dem authentischen Zeit-Kolorit ergibt. Zu den unvergessenen Klassikers des Genres kann er nicht aufschießen, sein Unterhaltungswert ist jedoch allemal solide und wartet mit der einen oder anderen hübschen Idee auf, die leider nicht konsequent genug zu Ende verfolgt wird. Dennoch gelingt es der Produktion, am Ende mit einem überraschenden Twist aufzuwarten und die bedrohlichen Akzente der ersten Filmminuten zu wiederholen. Eine Mehrfachsichtung wertet "Rauschgift-Banditen" sogar auf, weil die beiden Hauptcharaktere vertrauter werden und ihre Motivation deutlicher zutage tritt. Im Umgang mit Personen, die eigene Pläne durchkreuzen, gehen die Abgesandten aus Chicago nicht zimperlich um. Kurze, aber heftige Szenen signalisieren die Gefahr im Dunstkreis des harten Drogengeschäftes, in dem Menschenleben nichts zählen und in dem Eigenmächtigkeit besonders verhängnisvoll wird. Rod Cameron erweist sich als angenehmer Partner für Vera Ralston, weil man ihm vertraut, er sich jedoch nicht uneingeschränkt in die Karten blicken lässt, sondern immer noch einen Hauch von Hintergründigkeit offen lässt, die eventuell eine Überraschung als Trumpf bereithält. Wer nach einer entspannenden Unterhaltung für die späteren Abendstunden sucht, sollte bei "Rauschgift-Banditen" ruhig einen Blick riskieren.

Antworten