KATZENMENSCHEN - Jacques Tourneur

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Percy Lister
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KATZENMENSCHEN - Jacques Tourneur

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"Katzenmenschen" (Cat People) (USA 1942)
mit: Simone Simon, Kent Smith, Tom Conway, Jane Randolph, Jack Holt, Elizabeth Russell, Alan Napier, Alec Craig, Theresa Harris, Bud Geary, Mary Helsey, Dot Farley, Charles Jordan, Henrietta Burnside u.a. | Drehbuch: Dewitt Bodeen nach der Kurzgeschichte "The Bagheeta" von Val Lewton | Regie: Jacques Tourneur

Die Modezeichnerin Irena Dubrovna, welche aus Serbien gebürtig ist, lernt vor dem Panthergehege im New Yorker Central Park den Schiffsbauingenieur Oliver Reed kennen und lieben. Dennoch zögert die junge Frau vor der Hochzeit mit dem ihr zugetanenen Mann, weil sie bisher immer allein lebte und niemanden an sich heranließ. Sie glaubt an die Legende aus ihrer Heimat, wonach Gefühle wie Eifersucht, Zorn oder Leidenschaft die Katze wecken könnte, die in ihr schlummert. Diese reagiert auf sexuell motivierte Gedanken mit Zerstörung und der Vernichtung des Gegenübers. Oliver schickt Irena zum Psychiater, ahnt jedoch nicht, dass sein Leben und jenes seiner Arbeitskollegin vom Tode bedroht sind....

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Die europäischen Einflüsse der Mitwirkenden heben diese Produktion über den Durchschnitt, indem sie ungewöhnliche Pfade einschlägt. Der französische Regisseur Jacques Tourneur und seine ebenfalls aus Frankreich stammende Hauptdarstellerin Simone Simon agieren in der von dem Ukrainer Vladimir Ivan Leventon inspirierten Geschichte über das Unheimliche inmitten der technisierten Zivilisation. Die Faszination des reichen Kulturerbes der 'alten Welt' äußert sich in Gestalt der alleinlebenden Frau, deren Unnahbarkeit und gleichzeitige Herzlichkeit den nüchternen Ingenieur von seinen Schiffsplänen weg zu einer Intimität holen, deren verweigerte Ausübung ihn herausfordert. Er reagiert mit sehr viel Verständnis auf die Bedenken seiner Frau und erkennt bald, dass er eine alltagstaugliche Beziehung, die auf Freundschaft beruht, der unberechenbaren Faszination für das Exotische vorzieht. Der Durchschnittsamerikaner wird durch seinen konventionellen Lebensstil geschützt, während die Fremde ins Verderben läuft, wenn sie sich nicht assimiliert. Negativ besetzte Gedanken werden nicht nur zur Bedrohung der anderen, sondern stellen auch eine Gefahr für die Frau selbst dar, was Rückschlüsse auf das Gesellschaftsbild der Vierziger Jahre zulässt. Oliver und Alice arbeiten beide an technischen Berechnungen für die Schifffahrt, die gegebenenfalls auch für Kriegszwecke eingesetzt wird, während Irena noch in der Tradition des Schönen (und Oberflächlichen) verhaftet ist, indem sie Modeskizzen entwirft. Es scheint, als hätte sie durch ihr Beharren auf dem Erbe ihres Volkes, auf ihrer Einsamkeit und Unangepasstheit, ihre Berechtigung verspielt, inneren Frieden zu finden. Die nicht zur Gänze erfolgte Integration in den amerikanischen way of life wird zur Schwachstelle und macht sie angreifbar, indem sie nach und nach isoliert wird. Die Horrorelemente ergeben sich aus einem raffinierten Spiel mit Licht und Schatten, wobei die schwarze Raubkatze lange nur akustisch und als Umriss auf Hauswänden auftritt. Die Verbindung zwischen dem gefährlichen Tier und der zierlichen Frau ist bald klar und wird durch die katzenhaften Bewegungen und die feinen Gesichtslinien von Simone Simon betont. Die Dämonen, die in ihr wohnen und nach außen drängen, setzen ihr zu und zwingen sie zu emotionaler Restriktion. Die Demütigung, die sie durch das Bekanntwerden ihres Leidens empfindet, artet in Aggressionen gegen die Eingeweihten aus, deren Ausmaß beunruhigend und schaurig ist. Der Preis, den Irena dafür zahlen muss, dass sie anders ist, spiegelt die Zeit, in welcher der Film, der ein verkanntes Kunstwerk darstellt, entstanden ist.

FAZIT: "Bestie Mensch" ist der Titel eines früheren Films mit Simone Simon, in dem es ebenfalls um verbotene Beziehungen und Mordabsichten geht - in "Katzenmenschen" verwandelt sich der Mensch in eine Bestie, sobald er gereizt wird - ein Synonym für die tickenden humanen Zeitbomben, die scheinbar normal durch Raum und Zeit wandern.

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