TODESSTRAHLEN AUS DEM WELTALL - Shûe Matsubayashi

Klirrende Klingen, fliegende Krieger und harte Handkantenkracher.
Antworten
Benutzeravatar
DJANGOdzilla
Beiträge: 286
Registriert: Sa., 31.10.2020 22:55

TODESSTRAHLEN AUS DEM WELTALL - Shûe Matsubayashi

Beitrag von DJANGOdzilla »

TODESSTRAHLEN AUS DEM WELTALL

(SEKAI DAIKENSÔ)
(JAP)
(1961)

Bild

Regie: Shûe Matsubayashi
Darsteller: Furankî Sakai, Akira Takarada, Yuriko Hoshi, Nobuko Otowa, Yumi Shirakawa, Chieko Nakakita, Shinpei Tsuchiya, Eijirô Tôno, Sô Yamamura, Ken Uehara, Kôji Uno, Harold Conway


„Ich kann und ich will mich nicht damit abfinden. Sie haben kein Recht, uns zu töten.“

Zunächst mal: Der Titel TODESSTRAHLEN AUS DEM WELTALL ist wohl so ziemlich der dreistete, den sich ein deutscher Verleih jemals für eine japanische Leinwand-Fabel aus den Fingern saugte, und rangiert damit sogar noch ein paar Oktaven über dem sonstigen Spitzenreiter UFOS ZERSTÖREN DIE ERDE (der eigentlich Ein Meteorit hätte beinahe die Erde zerstört hätte heißen müssen). Mit irgendwelchem Weltraum-Rummel oder außerirdischen Aktivitäten hat dieses düstere Endzeit-Drama nämlich nicht das Geringste am Hut (allein der Begriff 'Todesstrahlen' ist gar nicht mal so unpassend, wie es zunächst den Anschein hat). Der Original-Titel SEKAI DAIKENSÔ, übersetzt: Der große Weltkrieg, führt hingegen – wenig überraschend - auf die richtige Fährte.

Inhalt:

In der Zukunft des Jahres 1961 steht die Welt an der Schwelle zum atomaren Krieg. Die großen Nationen der Erde haben sich heillos zerstritten, die radikalen Medien heizen die Stimmung zusätzlich an, beständig kreisen Finger über dem roten Knopf. In dieser hochgradig angespannten Situation beschließen die junge Nana Tawasako [Yuriko Hoshi] und der Seemann Paul Bendson [Akira Takarada], sich das Ja-Wort zu geben. Nachdem sie sich erfolgreich den Segen der Eltern geholt haben, beginnen sie, Zukunftspläne zu schmieden. Doch dann wird Paul zur See gerufen. Gibt es noch Hoffnung für das Paar?

Kritik:

Nicht nur der deutsche Titel ist eine Ohrfeige für SEKAI DAIKENSÔ, auch die Schnittfassung, in welcher die engagierte Weltuntergangs-Vision hiesige Lichtspielhäuser heimsuchte, darf gut und gern als Affront gewertet werden: Nach gerade mal läppischen 70 Minuten ist das Schicksal der Menschheit besiegelt. Ein Blick auf das Original verrät, dass sich die Apokalypse dort sage und schreibe 40 Minuten mehr Zeit lässt. Der zweifelhafte Dank für die teutonische Turbo-Abhandlung der Ereignisse geht in erster Linie an den damaligen amerikanischen Vertrieb, der die Produktion relativ respektlos auf eine deutlich übersichtlichere Länge Kürze zusammenstauchte und dabei nicht nur ganze Nebenhandlungen und Charaktere unter den Tisch fallen ließ, sondern auch die gesamte Erzählstruktur dahingehend veränderte, dass die Geschehnisse nun als retrospektives Gedankengebilde wiedergegeben werden. Und eben jene Fragment-Fassung wurde schließlich von der Filmallianz aufgekauft, um sie, zudem eben auch noch irreführend beworben, in den deutschen Kinos zu platzieren. Nach einer derart flegelhaften Fleischwolf-Prozedur sind die Qualitäten des Ursprungswerks natürlich nur noch zu erahnen. So müssen nun aus dem Off vorgetragene Erklärungen bei der Herstellung fehlender Zusammenhänge helfen, was streckenweise in einer enervierenden Dauerbeschallung mündet. Die Gründe für das große Säbelrasseln der Weltmächte bleiben dennoch bis zum Schluss ungreifbar. Tatsächlich nutzt das der Erzählung allerdings mehr als dass es ihr schadet, unterstreicht es doch Banalität und Sinnlosigkeit der gegenseitigen Drohgebärden. Das Volk versteht die Gründe ja auch nicht. Und genau darauf liegt der Fokus von SEKAI DAIKENSÔ (zumindest in dem Flickenteppich, der nach der amerikanischen Spezialbehandlung noch davon übrig ist).

Den Autoren Toshio Yasumi [→ DER LÖWE DES GELBEN MEERES] und Takeshi Kimura [→ DIE FLIEGENDEN MONSTER VON OSAKA] war weniger daran gelegen, die schicksalhaften Ereignisse aus militärischer Sicht wiederzugeben, als vielmehr, deren fatale Folgen für die Bevölkerung aufzuzeigen. Die hier skizzierte Familie Tawasako fungiert dann auch gar nicht so sehr als klassischer Protagonist, sondern steht vielmehr stellvertretend für den kleinen Bürger, der zum ohnmächtigen Leidtragenden gedanken- und verantwortungsloser Aggressionspolitik wird. Es ist verblüffend, wie hurtig man das traditionsbewusste Ehepaar trotz kaum noch vorhandener Spielzeit ins Herz schließt. Furankî Sakai [→ MOTHRA BEDROHT DIE WELT] und Nobuko Otowa [→ ONIBABA] agieren so bescheiden und unaufdringlich-liebenswert, dass man innerhalb kürzester Zeit meint, persönlich mit ihnen bekannt zu sein. Dabei werden sie sehr wertkonservativ gezeichnet, wenn der Liebhaber ihrer Tochter (gespielt von Toho-Veteran Akira Takarada [→ GODZILLA UND DIE URWELTRAUPEN]) sich erst noch die Genehmigung zur Heirat der jungen Frau abholen muss (wobei man natürlich nach wie vor nicht vergessen darf, dass man es mit einem japanischen Werk vom Anfang der 60er Jahre zu tun hat). Allein anhand dieser vier Figuren (Mutter, Vater, Tochter, Schwiegersohn in spe) gelingt es Regisseur Shûe Matsubayashi [→ SEE-INFERNO], die tragischen Konsequenzen verantwortungsloser Staatsführung greifbar zu machen und die Gefühls-Klaviatur von Sorge, Hoffnung und Verzweiflung effektiv zu bedienen.

Um SEKAI DAIKENSÔ vollends verstehen zu können, muss man sich bewusst machen, zu welchem Zeitpunkt er erstand. Der Kalte Krieg zwischen den USA und der Sowjetunion begann damals so langsam, aber sicher heiß zu werden, ein Atomschlag rückte durchaus in den Bereich des Möglichen. Japan, bereits gebeutelt vom nuklearen Holocaust, übernahm dabei überwiegend die Rolle des besorgten Beobachters, wäre im Falle des Falles aber ebenfalls und abermals leidtragend gewesen. Da nur ein Jahr nach Kinostart die Kuba-Krise die Welt tatsächlich an den Rand des Abgrunds führte, muss Matsubayashis warnendes Werk aufgrund seiner Anklage betreffend leichtfertigen Umgangs mit Arsenal und Technik direkt als prophetisch gelten. So wirkt SEKAI DAIKENSÔ trotz der stellenweise nicht zu leugnenden Naivität (gemeint sind primär die Sequenzen, die der doch arg vertrottelten Streitmacht gewidmet werden) gar nicht großartig albern, sondern in der Sache überaus glaubwürdig – wobei generell die Stimmungs-Diskrepanz zwischen den Militär- und den Familien-Szenen ins Auge fällt: Während erstere eher einfältig daherkommen (und zudem von allzu durchschaubarer Tricktechnik begleitet werden), wirken letztere durch und durch authentisch und realitätsnah. Es ist schön zu sehen, wie die beiden jungen Leute ihre Zukunft planen, es ist amüsant, wie tapsig Familienvater Tamura ihnen gegenüber um Autorität ringt, und es ist niederschmetternd mitzuerleben, wie Tamura am Ende seinen Glauben verliert, alles könne sich doch noch irgendwie zum Guten wenden.

Bemerkenswert ist die Konsequenz, mit der SEKAI DAIKENSÔ sein Ding durchzieht. Die Botschaft soll ins Mark treffen, da reicht es nicht, nur halbe Sachen zu machen. So durfte Trickspezialist Eiji Tsuburaya [→ GODZILLA] zum Schluss einmal mehr aufzeigen, wie man aufwändig gestaltete Modellbausätze in glühende Aschelandschaften verwandelt. Das ist zwar abermals sehr schön anzuschauen, kann den Vorwurf der Trivialisierung aber nicht abstreifen. Die Effekte erinnern an seine bekannten Arbeiten für die Godzilla-Reihe und unterminieren in ihrer eindeutigen Artifizialität den selbstgestellten Anspruch auf ein ernstzunehmendes Mahnmal gegen Kriegstreiberei. Dass man sich angesichts des finalen durch Miniaturarchitektur fegenden Feuersturms in kindlicher Begeisterung in die Hände klatscht, dürfte kaum im Sinne des Erfinders gewesen sein. TODESSTRAHLEN AUS DEM WELTALL (Wer diesen Titel abgesegnet hat, dem gehört nachträglich noch eine Atomrakete in den Allerwertesten geschoben!) mag somit zwar in seiner eigentlichen Zielsetzung scheitern, trägt das Herz aber dennoch am rechten Fleck und staubt somit zumindest tüchtig Sympathiepunkte ab. Und dass das selbst noch für die ramponierte Torso-Variante gilt, ist dabei das größte Kompliment.

s. auch: TODESSTRAHLEN AUS DEM WELTALL

Antworten