KÖNIGIN DER NACHT - Walerian Borowczyk

Softer und harter Schmuddelkram mit nackten Leibern.
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Maulwurf
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KÖNIGIN DER NACHT - Walerian Borowczyk

Beitrag von Maulwurf »

Königin der Nacht
Cérémonie d'amour
Frankreich 1987
Regie: Walerian Borowczyk
Marina Pierro, Mathieu Carrière, Josy Bernard, Isabelle Tinard, Jacques Couderc, Guy Bonnafoux, Claudine Berg, Lucette Gill, Jennifer Ford, Sabrina Belleval, Jean-Raphael Sessa, Claude Berg


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Sie hatte ihn ja gewarnt! Sie hatte ihm, dem eleganten Verführer erklärt, dass er unter Umständen andere Dinge erfahren könnte als er eigentlich wollte. Sie, die Hure, die unnahbare Königin der Liebe, und er, der mächtige Verführer, der sich als Herrscher geriert, und dabei doch nur ein armes Würstchen ist. Einer, der Frauen nur in edler Kleidung erträgt, weil er sich ihnen anders nicht zu nähern wagt. Und wo Myriam sich ihm hingibt, ihm hingeben muss, weil er es von ihr verlangt, weil er sie bindet und schändet, da wird Sarah Cent zur Rächerin der Weiblichkeit. Zur Schänderin der idiotischen Männlichkeit. Zur wahren Königin der Nacht.

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Sarah Cent? Die hundert Männer hatte? Oder doch eher Sarasin – Die Sarazenin, die mit scharf geschmiedeten Klingen den Körper ihres Widersachers zerreißt? Oder am Ende vielleicht Sarah Scene – Sarah, die eine Szene spielt, die eine Schauspielerin ist und ihr Publikum manipuliert wie es ihr gefällt, um es am Ende nackt und geläutert in die Nacht hinaus zu stoßen?

So oder so ist SIE diejenige, die hier den Ton angibt. Welche die ach so herrliche Männlichkeit demontiert, in Stücke reißt, und am Ende, wenn er das bisschen Identität, das ihm noch geblieben ist, in den Fluss wirft, dann auch dieses letzte Restchen vernichtet und ihn in die Hölle führen lässt. SIE ist die Königin der Nacht, die Herrscherin über sein Schicksal, wo er doch denkt, dass er etwas zu sagen hat. Mit maskuliner Schönheit beginnt der Film, wenn Mathieu Carrière, nur mit einer Hose bekleidet, in seiner bildungsbürgerlichen Wohnung sich willfährige Frauen zuführen lässt. Und mit femininer Opferung beschließt der Film, wenn Mériem ihr Leben hingibt um die vergebliche und blutende Männlichkeit endgültig in den Untergrund zu schicken.

Was dazwischen passiert ist schwer zu beschreiben. Ein Wirbelwind aus Symbolen und scheuem Sex, aus deutlicher Pornographie und eindringlicher Poesie. Marina Pierro, so schön wie ein Kerzenschein in tiefster Nacht, ist nie wirklich nackt zu sehen. Ihre Scham, ihr Fuß, eine Brustwarze, das sind die anbetungswürdigen Attribute einer wahren Königin, und mehr darf der stumme Beobachter vor dem Bildschirm nicht wagen zu sehen. Hugo darf sie berühren, doch seine Strafe ist die Verbannung aus dem Paradies (des Lebens). Im Gegensatz zu den Bildern ist die Sprache des Films unverblümt und rau, grob unanständig und direkt. Die Bilder zeigen Hingabe und Verschmelzung, Liebe im weiblichen Sinn, doch das gesprochene Wort ist eindeutig und männlich, hart und brutal.

Letzten Endes wird Hugo von der Frau, dem Lebewesen welches er bevorzugt erniedrigt, nur vorgeführt. Die Szene in der Kirche nimmt den gesamten Schluss des Filmes voraus. Das Opfer Abrahams wird erwähnt, und die Frage des Sohnes, wo denn der Hammel sei. Sie spricht die Schlüsselzeile “Der Hammel bist Du“, und sie sagt es zu ihm. Auch das Bild des heiligen Josef, der nackt an die Häscher übergeben wird, findet sich zum Schluss des Filmes wieder. Sie hatte ihn ja gewarnt, aber er war sich seiner Überlegenheit sehr sicher. Zu sicher …

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Bilder und Text ergeben eine Einheit voller Poesie und Schmerz. Voll Liebe und Tod. Mein erster Borowczyk. Und auf keinen Fall mein letzter!

7/10

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