FÜNF GLÜCKSPILZE - Philippe de Broca & Jean Girault & Jaques Pinoteau

Türkploitation, isländische Kannibalenfilme und alles andere aus Europa
Antworten
Benutzeravatar
Maulwurf
Beiträge: 325
Registriert: Fr., 20.11.2020 05:39

FÜNF GLÜCKSPILZE - Philippe de Broca & Jean Girault & Jaques Pinoteau

Beitrag von Maulwurf »

Fünf Glückspilze
Les veinards
Frankreich 1962
Regie: Philippe de Broca & Jean Girault & Jaques Pinoteau
France Anglade, Francis Blanche, Louis de Funès, Darryl Cowl, Mireille Darc, Jean Lefebvre


Fünf Glückspilze.jpg

OFDB

5 Episoden über die Hauptgewinner von Preisausschreiben oder Lotterien:

Der Nerz (Le vison, Jean Girault)
Der angehende Architekt Boisellier (Francois Périer) und seine Frau (Jaqueline Monsigny) werden von einem möglichen Auftraggeber zum Essen eingeladen. Dumm nur, dass er dem Kunden vorgaukelte, dass er seiner Frau einen Nerz gekauft hat. Der aber wurde vom Hausmädchen Boiselliers Jaqueline (Mireille Darc) just im Preisausschreiben gewonnen, und Madame hat Jaqueline soeben erst entlassen.
Eine heitere Verwechslungskomödie ohne größere Anstrengungen oder Verrenkungen. Soll heißen, dass diese Episode nett zum Anschauen ist und gut. Als Bonus gibt es eine sehr junge und lecker anzusehende Mireille Darc, und insgesamt ist die Episode vielleicht etwas spießig, aber schokoflockig und eben - nett. Besetzung und Humor sind dem Film QUIETSCH … QUIETSCH … WER BOHRT DENN DA NACH ÖL? sehr ähnlich. Heiteres aus den frühen 60-er Jahren.

Das Feinschmeckermenü (Le repas gastronomique, Jean Girault)
Bricheton (Francis Blanche) hat den ersten Preis beim Preisausschreiben „Mein Lieblingsessen“ gewonnen und freut sich nun auf ein ausladendes Menü im gehobenen Restaurant. Dort allerdings wird er mit dem Essen nur fotografiert, anschließend soll er das Lokal so schnell wie möglich verlassen.
Der arme Bricheton. Er lässt sich mit umgelegter Serviette und gezücktem Besteck in das Restaurant bringen, und dann diese Enttäuschung. Die Sympathien des Zuschauers sind ganz klar bei Bricheton, und was der Lokalbesitzer und der Kellner mit ihm treiben ist nicht wirklich witzig, eigentlich ist es sogar sehr traurig. Francis Blanche ist urkomisch wie immer, aber wer mit Schadenfreude nichts anfangen kann, der wird hier einigermaßen deprimiert. Wobei der Humor hier teilweise schon sehr holzhammerartig eingesetzt wird, irgendwo zwischen Slapstick der Stummfilmzeit und Schadenfreude. Dank der überragenden Kunst des Francis Blanche funktioniert die Episode aber trotzdem ganz gut.

Der Filmstar (La vedette, Philippe de Broca)
Taquet (Larry Cowl) hat einen Abend mit dem Filmsternchen Patricia Paddington (Geneviève Cluny) gewonnen. Seine Vorstellungen, wie so ein Abend abläuft (Kerzenschein, bequemer Hausmantel), decken sich allerdings in keinster Weise mit den Vorstellungen des Sponsors (Pierre Doris).
Die schwächste Episode. Ist der etwas skurrile Slapstick-Anfang noch recht witzig gemacht (wenngleich auch ohne Bezug zur restlichen Handlung), nervt die arrogante Art Darry Cowls hier doch recht schnell. Weder er noch der Sponsor sind Sympathieträger, und da das Filmsternchen auch eher nervt fehlen hier einfach die ansprechenden Typen. Aus der Idee hätte man wahrscheinlich mehr rausholen können, und einige kurze Lacher sind allemal drin, aber insgesamt einfach verschenkt.

Die Jacht (Le yacht, Jean Girault)
Aus der Zeitung erfährt man, dass Duchemin eine Jacht gewonnen hat. Monsieur Duchemin (Pierre Mondy) erzählt also seiner Frau (Jaqueline Maillan), dass er unbedingt zu einem Geschäftstermin nach Brüssel muss, wohingegen er tatsächlich aber mit der jungen Corinne (France Anglade) ans Meer fährt, seinen Hauptgewinn abholen. Madame Duchemin, die ohne Wissen ihres Mannes ebenfalls an dem Preisausschreiben teilgenommen hat, geht aber auch davon aus dass sie gewonnen hat und fährt mit dem Assistenten ihres Mannes (Philippe Nicaud) ans Meer, ihren Hauptgewinn abholen.
Auch hier gilt der Text der ersten Episode. Bahnbrechend umwerfenden Humor muss man hier nicht erwarten, aber die Episode ist sehr leicht inszeniert und genauso leicht gespielt, und da passen erzeugte Stimmung und Schauspieler einfach hervorragend zusammen. Sommerstimmung am Meer in den 60-er Jahren, was kann da groß schief gehen? Ich gebe auch gerne zu, dass ich Jacqueline Maillan immer und ausnahmslos hinreißend finde, und dadurch ganz einfach voreingenommen bin. Aber im Gegensatz zur ersten punktet diese Episode durch ihr sommerliches Flair und die erwähnte Leichtigkeit. Schön anzuschauen!

Der Hauptgewinn (Le gros lot, Jaques Pinoteau)
Monsieur Beaurepaire und seine Familie fahren aus dem Limousin nach Paris, den Hauptgewinn der staatlichen Lotterie in Form von einer Million Franc in Bar abzuholen. Doch sobald sie das Geld in ihrem Koffer haben fangen die Probleme erst an, denn selbstverständlich ist ganz Paris hinter ihrem Geld her. Zumindest bildet sich Monsieur das ein …
In jeder Hinsicht der Höhepunkt des Films. Von Jacques Pinoteaus Langfilmen bin ich meistens enttäuscht, aber durch die komprimierte Laufzeit kann er seine Ideen auf 20 Minuten statt auf 90 Minuten verteilen, was zu einer sehr dichten, spannenden und überzeugenden Episode führt.
Da wären die Schauspieler. Louis de Funès als misstrauischer und habgieriger Spießer, das ist (aus heutiger Sicht) nichts Neues, aber es ist immer und immer wieder eine wahre Freude dem Mann beim Spielen zuzusehen! Dann France Rumilly, die in Deutschland in erster Linie als lustige Chaos-Nonne aus DER GENDARM VON ST. TROPEZ bekannt ist. (Ja genau, die Fahrerin der Ente!) Als naives Bauernmädchen, welches das erste Mal in die große Stadt kommt, ist sie sowieso schon hinreißend. Aber dann gibt es diese Szene im Taxi: Völlig stumm, nur über Mimik und Gestik sowie die dazu synchron angelegte Musik, kommunizieren Vater und Tochter: Sie grimassiert unbewusst, und er will das nicht. Das ist ganz große Komik!! Eine Minute heftigstes Ablachen wie bei Laurel & Hardy in ihren besten Momenten.
Na ja, und irgendwann kommt diese geradezu erschreckende Szene, in der Vater Beaurepaire, den Geldkoffer im Arm, auf der Flucht vor dem Mob ist. Der Mob, das sind brave Pariser Bürger, die ihn eines Verbrechens verdächtigen und gerade unheimlich Böcke haben auf ein wenig Lynchjustiz. Innerhalb weniger Momente verschwindet die Komik völlig im Hintergrund zugunsten eines geradezu paranoiden Schreckensszenarios. Louis de Funès ist mit einem Mal ganz alleine in der Stadt, und wird verfolgt von einer ständig wachsenden Gruppe hysterischer Spießer die Lust haben auf Mord. Ein Alptraum! Inszenatorisch auf allerhöchstem Niveau, sind diese geschätzt 20 Minuten eine Tour de Force durch die menschlichen Gefühle. Grandios!!

Insgesamt ist FÜNF GLÜCKSPILZE schön anzuschauen. Außer bei der letzten Episode muss man nun keine großen Erwartungen mitbringen, aber gute Unterhaltung mit gern gesehenen Schauspielern und witzigen Ideen bietet der Film allemal. Die fünfte Episode allerdings gehört meines Erachtens in den Kanon jedes Fans französischer Filme.

8/10

Die wunderschöne Szene im Taxi:


Antworten