BALDUIN, DER FERIENSCHRECK - Jean Girault

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Maulwurf
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BALDUIN, DER FERIENSCHRECK - Jean Girault

Beitrag von Maulwurf »

Balduin, der Ferienschreck
Les grandes vacances
Frankreich/Italien 1966
Regie: Jean Girault
Louis de Funès, Ferdy Mayne, Martine Kelly, Olivier de Funès, Claude Gensac, Mario David


Balduin, der Ferienschreck.jpg

Louis de Funès spielt den Internatsdirektor Bosquier. Ausgerechnet sein Sohn Philippe (Francois Leccia) hat eine schlechte Englischnote, also organisiert der Vater einen Schüleraustausch mit der Tochter (Martine Kelly) des schottischen Whiskyherstellers MacFarrell (Ferdy Mayne). Während nun diese Tochter Shirley ganz im Stil der Zeit ein rechter Hallodri ist und mit Bosquiers Lieblingssohn Gérard (Olivier de Funès) Versailles aufmischt, schickt Philippe an seiner Statt seinen Kameraden Michonnet (Maurice Risch) nach Schottland und geht mit seinen Freunden lieber segeln, wo er dann auch prompt Shirley kennenlernt und die beiden sich natürlich ineinander verlieben. Durch eine Unpässlichkeit Michonnets allerdings entdeckt Bosquier den Tausch, und da MacFarrell seine Tochter wiederhaben will, muss Bosquier in einem Wettlauf gegen die Zeit das Segelboot mit Sohn und Tochter wiederfinden.

In den späten 60ern Jahren war Louis de Funès DER französische Filmkomiker schlechthin. Sein Erfolg war größer als der von Bourvil oder Fernandel, da seine spezielle Art Slapstick damals einfach gut in den Stil der Zeit passte. Die Fantomas- und die Gendarm-Serien katapultierten ihn in ganz Europa an die Spitze der Komiker. Nichtsdestrotrotz kann auch ein Multi-Talent wie de Funès auch mal etwas schwächere Filme drehen. Dieser ist einer davon …
Ohne Frage ist „… der Ferienschreck“ komisch, und ohne Frage kann man viel lachen, aber im Vergleich zu dem Vorjahresfilm La grande vadrouille (Die große Sause), oder dem herrlich chaotischen Oscar aus dem selben Jahr, im Vergleich fällt dieser doch etwas ab. Er funkelt und strahlt nicht so, eher wirkt er ein klein wenig bieder und staubig. Als ob de Funès seinem Publikum auch einmal Atempausen gönnen wollte, bevor er wieder zu einer Meisterleistung ansetzt. Das Zielpublikum dürfte hier wahrscheinlich eher im Teenager-Bereich gelegen haben, und es scheint, als ob weder de Funès noch Jean Girault so recht wussten, wie sie dieses Zielpublikum erreichen sollen. 1967 stand auch und gerade Frankreich vor einem politischen und gesellschaftlichen Umbruch, und dieser Film könnte ein Versuch gewesen sein, sich von dem bisher gepflegten, konservativem, Bild der „Grand Nation“ abzuwenden und jünger zu werden, ohne dabei aber genau zu wissen wie das bewerkstelligt werden könnte.

Klar, niemand kann immer spitze sein, und bei de Funès gilt genauso, was Christian Kessler über Sergio Leone gesagt hat: „Insgesamt also ein schwacher […], aber der thront immer noch über der staunenden Masse!“ Und darum darf man sich diesen Film voller Vergnügen anschauen, viel Lachen, sich freuen über die wilde Verfolgungsgjagd von Versailles bis Le Havre, und Spaß haben an den Zusammenstößen zwischen de Funès und Mario David. Nicht zu vergessen die grandiosen Szenen aus dem Beatlokal, in denen Philippe ein Rockstar und der Vater sein Manager und Chauffeur ist. Man darf ein wenig enttäuscht sein, dass die sonst so großartigen Szenen zwischen de Funès und Claude Genac diesmal zu kurz kommen, und dass Ferdy Mayne ebenfalls etwas mehr Raum hätte haben dürfen. Und man darf sich freuen, dass de Funès im nächsten Jahr mit Le petit baigneur (Balduin der Trockenschwimmer) wieder obenauf war. Wie gesagt, niemand kann immer spitze sein, aber wer so weit über dem Durchschnitt ist, bei dem sind sogar die Schwächen großartig.
Und darum auf jeden Fall empfehlenswert!

8/10

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