BALDUIN, DER TROCKENSCHWIMMER - Robert Dhéry

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Maulwurf
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BALDUIN, DER TROCKENSCHWIMMER - Robert Dhéry

Beitrag von Maulwurf »

Balduin, der Trockenschwimmer
Le petit baigneur
Frankreich/Italien 1968
Regie: Robert Dhéry
Louis de Funès, Andréa Parisy, Franco Fabrizi, Robert Dhéry, Michel Galabru, Jaques Legras


Balduin, der Trockenschwimmer.jpg

Der Bootsbauer Castagnier (Robert Dhéry) gewinnt mit seinem eigen entworfenen Segelboot ein bedeutendes Rennen und bekommt dafür einen großen Preis. Der geschickte Geschäftsmann Cacciaperotti nutzt das aus, um sich mit einem Auftrag über 300 dieser Segelboote an den Chef Castagniers, den Unternehmer Fourchaume (Louis de Funès) heranzumachen. Dumm nur, dass Fourchaume Castagnier noch vor dem Überbringen der guten Nachricht gekündigt hat. Nun muss Fourchaume versuchen, durch allerlei Schmeicheleien Castagnier wieder in seine Firma zurückzuholen um an den begehrten Auftrag zu kommen.

Normalerweise bin ich kein großer Komödienfreund, eigentlich bin ich eher der Typ der zum Lachen in den Keller geht. Einiges von Monty Python (aber nicht alles!), die frühen ZAZ-Filme, aber sonst? Wenn mich dann ein Film über die Laufzeit von rund 90 Minuten am Kichern hält, ständig zum Lachen reizt, und ich nach der stolzen Laufzeit von 81 Minuten überhaupt das erste Mal auf die Uhr schaue (Durchschnitt sind 20 Minuten, unabhängig vom Genre), dann klingt das nach etwas Besonderem.
Nach dem vorhergehenden, etwas verhalten geratenen BALDUIN, DER FERIENSCHRECK fährt de Funès hier wieder alle Geschütze auf. Er ist in praktisch jeder Szene präsent, grimassiert, haut seine Sprüche im Dutzendpack raus, treibt seine Umwelt in den Wahnsinn, und ist genau der de Funès den wir alle so lieben (oder hassen, je nachdem). Auch schauspielerisch ist er eine Wonne anzuschauen: Nach dem unfreiwilligen Ausflug auf den Leuchtturm hängt er im Fenster der Castagniers und schaut deren Lachen zu. Und wie er schaut - Abgrundtiefe Welten tun sich auf, vom dem Hass und der Bosheit in seinem Blick könnten sich Dutzende Amokläufer und Mörder ernähren …
Die Klasse de Funès`zeigt sich dann spätestens darin, dass er seine Mitspieler auch noch zu Wort kommen lässt, dass zwar Franco Fabrizi und Robert Dhéry eigentlich nur Stichwortgeber sind (von den grandiosen Filmgeschwistern Dhérys, Jaques Legras, Colette Brosset und Pierre Tornade ganz zu schweigen), er ihnen aber genügend Platz lässt befreit aufzuspielen. Klar ist de Funès der Maestro des gesamten Films, und das Tempo das er anschlägt ist wahnwitzig, aber er ist nicht der Alleinherrscher der Leinwand, und das kann ihm gar nicht hoch genug angerechnet werden. Wenn die 3 rothaarigen Brüder am Esstisch sitzen und sich gegenseitig anpflaumen, dann braucht es gar keinen de Funès mehr, weil die Komödie so genauso gut funktioniert.

Natürlich kann die enorm hohe Gagdichte nicht über die gesamte Laufzeit gehalten werden, im Mittelteil verläuft sich die Geschichte kurz (die etwas lahme Sache mit dem Traktor ist schon arg in die Länge gezogen), aber auf die Art kommt der geneigte Zuschauer wenigstens mal zum Luftholen, bevor das Rad mit der Bootsfahrt wieder angezogen wird. Hinzu kommen (in der Martienzen-Synchronisation) einige herrlich unkorrekte Nebenbemerkungen: „ Der Herr Pfarrer haut ja rein wie ein Arbeitsloser.“, Zu einem Schwarzen am Flughafen: Na wo waren Sie denn in Urlaub, so braun wie Sie sind.“ Heute undenkbar … Franco Fabrizio wird von Rainer Brandt gesprochen, und wenn der sich nicht zurückhalten würde, dann sähen dagegen wahrscheinlich sogar die ZAZ-Filme schwach aus.
Schlussendlich erfreuen mich als Liebhaber alter Autos die wunderschönen Karossen: Allein der Jaguar E-Type (inklusive der langen Version) ist ein Augenschmaus, und der kleine blaue Fiat von Franco Fabrizi erst …

Fazit: der TROCKENSCHWIMMER dürfte nach JO so ziemlich de Funès’ bester (sprich: hektischster, temporeichster, abgedrehtester) Film sein. Wer seine Art mag kommt an diesem Film nicht vorbei, alle anderen sollten einen ganz großen Bogen machen.

9/10

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