MÄDCHEN DES LASTERS - Luis Saslavsky

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Prisma
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MÄDCHEN DES LASTERS - Luis Saslavsky

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Daniel Gélin   Dany Carrel   Maurice Ronet   und   Belinda Lee   in

MÄDCHEN DES LASTERS


● CE CORPS TANT DÉSIRÉ / MÄDCHEN DES LASTERS (F|1959)
mit Jane Marken, Jean Lara, Hélène Tossy, Bernadette Lange, Dominique Blanchar, Serge Sauvon und Antoine Balpêtré
eine Produktion der S.B. Films | Chaillot Films | im Verleih der Pallas
ein Film von Luis Saslavsky


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»Was hat denn diese Schlampe, dass ihr die Männer nachlaufen wie Köter?«


Ein kleines Dorf in Südfrankreich gerät in Aufruhr, denn eines Tages bringt Guillaume Féraud (Daniel Gélin) die attraktive Lina (Belinda Lee) mit auf die Austern-Farm seiner Eltern, um ihr dort einen Job zu verschaffen. Einerseits fallen den Männern bei ihrem Anblick beinahe die Augen aus dem Kopf, doch andererseits wird die junge Frau auch sehr kritisch von der Familie und Dorfbewohnern begutachtet, handelt es sich doch offensichtlich um eine Prostituierte. Guillaumes Partner Henri (Maurice Ronet) verliebt sich Hals über Kopf in diese Erregung öffentlichen Ärgernisses und gibt seiner Verlobten Marinette (Dany Carrel) den Laufpass. Um Lina von ihrem Zuhälter freizukaufen, versucht er das nötige Geld aufzutreiben, doch er hat die Rechnung ohne diverse andere Personen aus seinem Umfeld gemacht, bis es zum Eklat kommt...

Dunkelheit und Hafenatmosphäre. Das Auge der Kamera heftet sich an den Puls der Stadt. Die dunklen, teils feucht schimmernden Straßen glänzen im entlarvenden Licht der Laternen und in der Ferne hört man mehrere Polizei-Sirenen, denn ganz offensichtlich wurde das Nachtleben gerade durch eine groß angelegte Razzia aufgeschreckt. Eine Frau, deren Schönheit trotz der nächtlichen Atmosphäre wie ein Leuchtfeuer wirkt, ist auf der Flucht vor den Hütern des Gesetzes. Ihre Aufmachung verrät, dass sie nicht umsonst davonläuft und dass es sich bestimmt nicht um erste Aufeinandertreffen mit der Polizei handeln würde. Aber sie weiß, dass es Freunde, beziehungsweise Kunden gibt, die sie verbergen werden. So viel zum hoch interessanten Einstieg und dem guten Gespür des argentinischen Regisseurs Luis Saslavsky, der "Mädchen des Lasters" im Jahr 1959 mit großer Star-Besetzung inszenierte. Gleich zu Beginn fällt die imposante Bildgewalt dieses Beitrags auf, die lebensnah und greifbar eingefangen wurde und sich als Gütesiegel durch den kompletten Film ziehen wird. Da die flüchtende Lina genau weiß, dass es besser ist, aus dieser Stadt zu verschwinden, kassiert sie bei einem Bekannten schnell einen ausreichenden Betrag ab und begibt sich mit einem Freund in die Provinz, um auf der Austern-Farm seiner Eltern zu arbeiten. Bei dieser Gelegenheit stellen sich die vier Hauptpersonen zügig selbst vor. Eine Frau, deren Schönheit und Ausstrahlung ein Höchstmaß an Kalkül zulassen, einen herzensguten Träumer, der bekannt für seine Märchen und Abenteuer-Geschichten ist, ein Mann, der genau um seine Wirkung auf Frauen weiß und sich rücksichtslos das nimmt, was ihm gefällt und ein junges Mädchen, das unverdorben für Tugenden und Werte steht. Hinzu kommt die konservativ geprägte Familie, die die schöne Lina unmittelbar nach ihrer Ankunft als Störfaktor ausmacht.

Bevor es zu der obligatorischen Vorstellung kommt, gibt es noch folgenden Rat für Lina. »Wischen Sie sich mal die Lippen ab, die sind zu rot. Das hat man hier nicht gern!« Die Freude über den Besuch hält sich in Grenzen, ist bei den Arbeitern der Farm allerdings ebenso groß wie die Skepsis der anderen Seite, da es einen solchen Fang nicht alle Tage zu verbuchen gibt. Die Geschichte skizziert das tägliche Leben und die damit verbundenen Probleme, Pflichten, Wünsche und Träume, gleichermaßen werden die unterschiedlichen Strategien der Leute aufgezeigt, um mit dem Alltag zurecht zu kommen. Durch diese Szenen, vor allem aber durch die herrlichen Eindrücke von der Nähe des Meeres, lassen hoch ansprechende Bildstrecken aufkommen, die mit Kontrasten angereichert sind, wie beispielsweise mit solchen aus der verrufenen Hafenkneipe oder aus dunklen Ecken, die anständige Leute besser meiden sollten. Lina ist allerdings kein anständiges Mädchen. Obwohl die Umschreibung Hure niemals direkt im Film fällt, kann man diesen Gedanken in den vorwurfsvollen Blicken der Leute, insbesondere der ansässigen Frauen, ablesen. Belinda Lee kann man in "Mädchen des Lasters" ohne jeden Zweifel in einer ihrer schönsten und überwältigenden Rollen sehen. Die britische Schauspielerin lebt erneut von ihrer unglaublichen Ausstrahlung. Die Regie baut sie mühelos als eine Art Prototyp der Schönheit und Verführung auf, sodass man trotz ihres mehr oder weniger verworfenen Charakters mit ihr mitfiebert und sich nur allzu gerne an die Hand nehmen lässt. Im Grunde genommen ist die Struktur dieses Films wie die vieler anderer französischer Beiträge dieses Musters. Man bekommt eine eigentlich schlichte und einfache Geschichte angeboten, wie es sie dem Empfinden nach nur aus Filmen dieses Produktionslandes geben kann.

Früh darf man sich also darauf gefasst machen, dass der über Strecken recht unscheinbare Verlauf Dramatik hervorbringen wird, was sich logischerweise aus der Dreiecksbeziehung, inklusive Nebenbuhlerin, ergeben wird. In diesem Zusammenhang sind Darsteller zu sehen, die wieder nur ihr Bestes geben. Daniel Gélin, als Guillaume und sympathisch-verträumter Habenichts, spielt authentisch, ja, um nicht zu sagen einfach nur blendend. Er hat sie wohl schönste Frau im Visier, die er jemals gesehen hat, doch weiß um seine nicht vorhandenen Möglichkeiten ihr Interesse zu wecken. Sein bester Freund Henri, alias Maurice Ronet - ein raubeiniger und sehr direkter Zeitgenosse - greift seinen natürlich vorhandenen Chancen unmittelbar bei Linas Ankunft ab, schließlich hat er mehr Attribute und Züge von Männern, die der schöne Neuankömmling hinlänglich gewöhnt ist. Die Konfrontation ist daher vorprogrammiert und wird noch deutlich von den Familienmitgliedern und Einwohnern des Dorfes verschärft, sodass eine besonders pikant aufgeladene Spannung wahrzunehmen ist. Als Verstärker fungiert beispielsweise die aparte Dany Carrel in leichtfüßiger Spiellaune, oder die biedere Cousine von Guillaume, die die einzige ist, die Beschimpfungen gegenüber Lina in Worte fasst. Im darstellerischen Bereich gibt es schließlich hervorragende Leistungen zu sehen, doch Belinda Lee setzt dieser Handlung wieder einmal die Krone auf. Luis Saslavsky führt seine Interpreten ausgezeichnet und die Schönheit seines Beitrages ergibt sich im Endeffekt aus der Einfachheit und Schlichtheit des Ganzen. "Mädchen des Lasters" kommt ohne dramaturgische und sprachliche Klippen aus, ohne theatralische Anwandlungen oder falsche Sentimentalitäten. Daher darf gesagt werden, dass dieser Film seine Opulenz mit eher einfachen Mitteln erreicht, wenngleich man handwerklich und inszenatorisch höchste Qualitätsansprüche ausfindig machen kann. Großes Kino!

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