DER WACHSBLUMENSTRAUẞ - George Pollock

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Prisma
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DER WACHSBLUMENSTRAUẞ - George Pollock

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Margaret Rutherford   Robert Morley   Flora Robson   in

DER WACHSBLUMENSTRAUẞ


● MURDER AT THE GALLOP / DER WACHSBLUMENSTRAUẞ (GB|1963)
mit Katya Douglas, James Villiers, Robert Urquhart, Gordon Harris, Noel Howlett, Duncan Lamont sowie Stringer Davis und Charles Tingwell
eine Produktion der Metro-Goldwyn-Mayer | George H. Brown Productions | im Verleih der Metro-Goldwyn-Mayer
ein Film von George Pollock

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»Es ist ungewöhnlich für eine englische Frau, lieber mit einem Buch auf dem Zimmer, als auf einem Pferd zu sitzen!«


Der zurückgezogen lebende und sehr wohlhabende Enderby (Finlay Currie) verstirbt plötzlich, was seine raffgierige Verwandtschaft auf den Plan ruft. Als sie bei der Testamentseröffnung zusammenkommen stellt sich für jeden einzelnen nur die Frage, wie es mit den Vermögensverhältnissen des alten Herrn bestellt ist, welcher Teil für jeden abfällt und die Trauer hält sich deutlich in Grenzen. Da das Ableben Enderbys einige Fragen offen gelassen hat, deutet Cora Lansquenet, die Schwester des Toten das an, was eigentlich alle denken. Es soll sich um Mord handeln. Kurz darauf findet der nächste Mord statt. Da Miss Marple (Margaret Rutherford) Mister Enderby tot aufgefunden hatte und einen Schuhabdruck eines Reitstiefels am Tatort gefunden hatte, ermittelt sie auf eigene Faust und ihr Weg führt sie in das Reithotel von Hector Enderby (Robert Morley), dem unscheinbaren Neffen des Verstorbenen...

Bei "Der Wachsblumenstrauß" handelt es sich um die zweite von vier "Miss-Marple"-Verfilmungen, die der britische Regisseur George Pollock jeweils umgesetzt hat. Wie üblich beginnen die Geschichten um die hartnäckige Hobby-Detektivin sehr atmosphärisch und als Zuschauer findet man sich unmittelbar im Geschehen wieder, da man durch einen rätselhaften Mord aufgeschreckt, und vor allem zum Miträtseln animiert wird. Bereits bei der Testamentseröffnung entstehen großartige Momente, da ein letzter Wille verlesen wird, der auch gleichzeitig die Beteiligten vom Prinzip her zu charakterisieren versucht. »Obwohl ich es sehr bedaure, die unersättliche Gier meiner Verwandten befriedigen zu müssen, bestimme ich hiermit nichtsdestoweniger, dass mein gesamtes Vermögen gleichmäßig verteilt wird, zwischen meinem Vetter vierten Grades, George Crossfield, damit er nicht länger auf das Geld seiner Kundschaft zurückzugreifen braucht. Meiner Nichte Rosamund Shane, um ihr die Möglichkeit zu geben, ihrem Mann ein Leben zu bescheren, wie er es gerne führen möchte. Meinem Neffen Hector Enderby, damit er in der Lage ist, jeden Tag auf die Jagd zu reiten, anstatt einmal in der Woche, und ihm damit mehr als bisher die Gelegenheit gegeben wird, sich den Hals zu brechen. Und schließlich, meiner Schwester Cora Lansquenet, in dankbarer Erinnerung, dass sie sich 30 Jahre im Ausland aufgehalten hat, und ich nicht von ihr belästigt wurde. Das hinterlassene Geld ist sofort allen betreffenden Parteien auszuzahlen, in der Hoffnung, dass es sie alle so unglücklich wie nur möglich machen möge!« Einfach herrlich! Im Bereich der Dialogarbeit wird man somit immer wieder sarkastische Spitzen und geschliffene Wortgefechte ausfindig machen können, die sogar eine Basis für feinfühligen Humor darstellen werden. Das Geschehen findet vor gewohnt provinziellem Hintergrund statt, die resolute Miss Marple ist dem Empfinden nach mit allen Wassern gewaschen und eine feste Größe in der Stadt, der die Leute mit Respekt und Vertrauen gegenübertreten. Lediglich mit der Polizei, sprich Inspektor Craddock, steht sie ein wenig auf Kriegsfuß, da gewisse Reibungsflächen entstehen, da sie dem kleinen Polizeiapparat stets einige Schritte voraus ist. So packt die umtriebige Dame ihre männlichen Kontrahenten gerne direkt an ihrer Eitelkeit, die weiblichen erfahren eine bestimmte Solidarität, allerdings ist im Zweifelsfall keine Schonung zu erhoffen.

Die filmische Figur Miss Marple wird vollkommen zurecht hauptsächlich mit Margaret Rutherford assoziiert, die in ihren vier Auftritten in der Titelrolle nicht nur maßgeblich zu den Auflösungen der jeweiligen Fälle führte, sondern als Garant für den Erfolg der Filme steht. Rutherford präsentiert hier Darstellungskunst der alten Schule, ihre Figur wird mit feinen Facetten und einer Bandbreite ausgestattet, die Glaubwürdigkeit und Sympathie transportieren. Mord und Verbrechen rufen ihre Kombinationsgabe auf den Plan, sie kann verschachtelte Situationen entschlüsseln, Tathergänge mit Leichtigkeit skizzieren und ist den teilweise wenig logisch wirkenden Gedankengängen der Polizei in jeder Hinsicht überlegen. Rutherford glänzt vor allem in Szenen, in denen ihr weitere große Interpreten zur Seite stehen. Robert Morley zeigt sich beispielsweise in exzellenter Schauspiellaune und er setzt gezielte Pointen in Wort und Tat. Auch Flora Robson als verängstigt wirkende Miss Milchrest gibt ein Kabinettstückchen zum Besten, so dass der Zuschauer im Bereich der Hauptrollen hervorragende Leistungen geboten bekommt. Abgerundet wird dieses hochklassige Ensemble durch Charles Tingwell, James Villiers, natürlich Stringer Davis und vor allem durch die betörend wirkende Katya Douglas, die der hochmütig und verwöhnt wirkenden Nichte des Verstorbenen ein erstklassiges Profil gibt. »Wir haben anscheinend alle ziemlich schwache Alibis!«, hört man sie sarkastisch und beinahe amüsiert sagen und die Polizei ist insgesamt wenig erfreut von den Launen und Verschleierungsversuchen der versnobten Gesellschaft. Der Kriminalfall an sich ist sicherlich nicht gerade der ausgekochteste, vielleicht kommt es zu diesem Eindruck, weil Erbschaftsangelegenheiten in diesem Genre einen sehr hohen Wiedererkennungswert mit sich bringen, und der Vorgänger "16 Uhr 50 ab Paddington" hohe Maßstäbe gesetzt hatte, allerdings ist es Pollocks flexible und in weiten Strecken geistreiche Umsetzung, die bei Laune hält und einen spannenden bis kurzweiligen Verlauf garantiert. Die Inszenierung beinhaltet somit viele klassische Stilelemente, die zum Gruseln, Kombinieren und Staunen verleiten, der außerdem immer wieder angewandte Humor setzt angenehme Atempausen und ein sehr gelungenes Whodunit überzeugt in Verbindung mit einem beeindruckenden Finale auf ganzer Linie. "Der Wachsblumenstrauß" ist ein zeitloser Krimi-Spaß, dem man sich immer und immer wieder anschauen kann.

Percy Lister
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Registriert: Sa., 14.11.2020 16:15

Re: DER WACHSBLUMENSTRAUẞ - George Pollock

Beitrag von Percy Lister »

"Der Wachsblumenstrauß" ("Murder at the Gallop") (Großbritannien 1963)
mit: Margaret Rutherford, Robert Morley, Flora Robson, Charles Tingwell, Katya Douglas, Robert Urquhart, Stringer Davies, James Villiers, Duncan Lamont, Gordon Harris, Noel Howlett, Kevin Stoney, Finlay Currie u.a. | Drehbuch: David Pursall und Jack Seddon nach dem Roman "After the Funeral" von Agatha Christie | Regie: George Pollock

Im Landstädtchen Milchester sind Miss Marple und Mr Stringer unterwegs, um für wohltätige Zwecke zu sammeln. Als sie zum Herrensitz des exzentrischen Enderby kommen, bricht dieser vor ihren Augen tot zusammen. Bald darauf erwähnt seine Schwester Cora Lansquenet bei der Testamentseröffnung, dass ihr Bruder ermordet worden sei und findet kurz darauf ein gewaltsames Ende....

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"Fortune favours the brave!" - Nachdem sich die anpackende Miss Marple im Jahr 1961 als Erfolgsfaktor etabliert hatte, wurde die nächste Romanumsetzung in die Hand genommen und kurioserweise entschied man sich nicht für einen der reichlich vorhandenen Miss-Marple-Stoffe, sondern schrieb kurzerhand einen Hercule-Poirot-Roman um. Angeblich, um ein ähnliches Handlungsgerüst zu haben wie im ersten Film der Reihe. Zu diesem Zweck wurden einige Figuren aus der Buchvorlage gestrichen und der Mord mit dem Beil in einen weitaus eleganteren Kniff mit der Hutnadel umgewandelt. Auf die titelgebenden Wachsblumen vergaß man ganz, obwohl diese ein wichtiges Indiz zur Überführung des Täters sind. In der deutschen Synchronfassung verweist die Hobbydetektivin einen Roman von Mrs. Christie, in dem das Unglück in Gestalt einer todbringenden Katze auftritt. In der Tat gibt es im Film mehrmals Begegnungen mit einer plötzlich auftauchenden Katze. Miss Marple meistert diese ebenso souverän wie ihren Ausritt im Damensattel mit Hector Enderby und zeigt einmal mehr, was von einer Engländerin auf dem Lande erwartet wird. Die Ermittlungen laufen im überschaubaren Rahmen des Reiterhotels ab, wo Miss Marple als Gast auftritt und so die Gelegenheit wahrnimmt, die Verwandtschaft der beiden Toten zu beobachten. Die Abgeschiedenheit und Ruhe fördern die Konzentration auf die wesentlichen Elemente der Recherche, die sich im Sammeln von Informationen und Motiven beschränkt. Erneut ist der Täter im kleinen Kreis der Anwesenden zu finden, was den Reiz der Geschichte erhöht, weil jede Person in kleinen Skizzen vorgestellt wird. Wie in "16 Uhr 50 ab Paddington" findet man vor allem negative Gefühle wie Neid, Hass, Eifersucht und Gier; menschliche Wärme sucht der Zuschauer vergebens. Dieser Mangel wird durch die freundschaftlichen Beziehungen, die Miss Marple zu Inspektor Craddock und Mister Stringer pflegt, ausgeglichen und verleiht ihr einen Schutzschild gegen die Bösen, die jederzeit Gefahr laufen, unbetrauert aus dem Leben zu scheiden. Das Familienoberhaupt Hector Enderby wahrt den Schein und hält das brüchige Konstrukt des Clans zusammen, bei dem jedes Mitglied eigene Wege geht und dem anderen misstraut.

Die stimmungsvolle Kameraarbeit von Arthur Ibbetson schafft eine atmosphärische Dichte, die sich vor allem in den Abendszenen auf dem Gut äußert. Ein besonders gelungenes Beispiel ist die geheime Unterredung von George Crossfield und dem Mörder im Kaminzimmer, der Miss Marple vor dem Fenster beiwohnt. Die greifbare Anspannung, der Suspense und die Unruhe, die sich im flackernden Feuer äußern, das als einzige Lichtquelle den Raum erhellt, bestätigen zusammen mit dem Einsatz der Kesselpauken, dass Miss Marple wieder einmal für Sekunden zu spät gekommen ist. Das Tempo wird angezogen und lässt die Ereignisse Schlag auf Schlag folgen, wobei sich amüsante Szenen (der Ausritt, das Tanzvergnügen) mit dramatischen abwechseln. Im Finale wird erneut das Unheimliche betont, das sich in so vielen Momenten mit einem grotesken Realismus mischt (der Todessturz des alten Enderby auf der Treppe, die verschleierte Leiche im Schaukelstuhl). So sind es vor allem diese Bilder, die sich ins Gedächtnis des Zuschauers brennen und als Aushängeschild der Reihe dienen. Morde auf der Leinwand müssen saftig inszeniert werden, ein todbringender Schlaftrunk ist weitaus weniger spektakulär. Die Darstellerleistungen sind von feinsinniger Genauigkeit, so vor allem bei Katya Douglas und Robert Urquhart, denen man mehr gemeinsame Szenen gegönnt hätte, um ihre brisanten Wortgefechte zu verfolgen. Flora Robson stattet ihre Hausdame mit einer Mischung aus anbiedernder Unterwürfigkeit, lustloser Resignation und aufkeimender List aus und nimmt sich zugunsten einer großen Szene sehr zurück. Wenn die Maske der Biederkeit fällt, bahnt sich Grausamkeit ihren Weg, die oftmals über Jahre unterdrückt wurde und dann umso eruptiver zutage tritt. Robert Morley sieht sich als Sparringspartner einer gut aufgelegten Margaret Rutherford und zeigt einen Mann, der seine Hemmungen und Schwächen gut hinter einer blasiert-beherrschten Fassade versteckt, während er das Leben eines Landedelmannes führt. Die authentischen Schauplätze atmen die Frischluft der englischen Kleinstädte und verbinden sich mit einer klassischen Erbschaftsgeschichte zu einem unterhaltsamen Mörder-Puzzle.

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Prisma
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Re: DER WACHSBLUMENSTRAUẞ - George Pollock

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Es gibt Kino-Trailer, die insbesondere im Originalton zu kleinen Klassikern werden: Murder at the Gallop.


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