● RISE AND FALL OF IDI AMIN / DER SCHLÄCHTER IDI AMIN (GB|NG|KE|1981)
mit Joseph Olita, Thomas Baptiste, Leonard Trolley, Geoffrey Keen, Louis Mahoney, André Maranne, Tony Sibbald, u.a.
eine Intermedia Produktion | Film Corporation of Kenya | im Verleih der TSC
ein Film von Sharad Patel
Die große Brisanz bei Vertretern der Shocksploitation ergibt sich auch der simplen Tatsache, dass die Geschichten, ihre Schlächter und Helfershelfer der Realität entliehen sind, selbst wenn historische Grundlagen ausgeschmückt oder abgeändert werden, die entsprechenden Personen außerdem ein vamp-over erhalten. Bei der hier verwendeten Titelfigur gibt es zahlreiche solcher Abweichungen, allerdings legt der Film kaum Wert auf die korrekte Wiedergabe der Historie des sogenannten "Schlächters von Uganda", dessen blutige und diktatorische Schreckensherrschaft sich in voller Willkür von 1971 bis 1979 erstreckte und Schätzungen zufolge 300.000 bis 500.000 Menschen dahingerafft haben soll. Als selbsternannte Titel nutzte er seinerzeit »Seine Exzellenz, Präsident auf Lebenszeit, Feldmarschall Hāddsch Doktor Idi Amin Dada, Viktoria-Kreuz, Orden für hervorragenden Dienst, Militärkreuz, Herr aller Tiere der Erde und aller Fische der Meere und Bezwinger des Britischen Weltreichs in Afrika allgemein und besonders in Uganda«, was von einer gefährlichen Art des Größenwahns berichtet. Zur Zeichnung der historischen Figur hatte Regisseur Sharad Patel mit dem Kenianer Joseph Olita die perfekte Besetzung gefunden, dessen Konstitution alleine schon gebieterisch und gefährlich genug wirkt, um das Publikum und seine Kontrahenten einzuschüchtern. Man sieht, dass er es ich gut gehen lässt, während andere verhungern. Der Verlauf beginnt mit der unmissverständlichen Vorstellung dieses selbsternannten Herrschers über Leben und Tod, bietet die Schockmomente jedoch zunächst nur häppchenweise an. Oft denkt man sich, dass einige Bilder kaum zu fassen sind und sich gewisse Praktiken doch unmöglich genauso abgespielt haben können, doch man sollte sich immer wieder ins Gedächtnis rufen, dass es sich nur um einen Film handelt, der naturgemäß nicht so krass wie die tragische Realität wirken kann. Ungezieltes Draufhalten mit Maschinenpistolen in Menschenmengen, Folter, Exekutionen, abgetrennte Köpfe im Eisfach, kannibalistische Rituale und Massengräber; dies alles sind nur die kleinen Kostproben der Titelfigur, die sich ihre eigene Realität geschaffen hat, um sie mit allen Mitteln von der tatsächlichen Wirklichkeit abzuschirmen.
Der Verlauf bringt so viele Abartigkeiten unter, wie möglich und vielleicht nur wie nötig, denn hin und wieder kommt es einem so vor, als ob der brutale Diktator ein wenig mehr auf die Tube drücken könnte, um einen wenig später eines Besseren zu belehren, da er sich nicht lange bitten lässt, ein Leben nach dem anderen auszulöschen. Seine Helfershelfer sind die ausführenden Arme seiner brutalen Gelüste, sodass die Willkür abenteuerliche Formen annehmen darf. Obwohl die Produktion mittlerweile über vierzig Jahre alt ist, muss man leider feststellen, dass sich in manchen Staaten und unter bestimmten Voraussetzungen nicht viel geändert hat, auch wenn es sich um andere Namen und andere Gesichter handelt. Gelegenheitsschauspieler Joseph Olita liefert den perfekten Entwurf des Misanthropen, der nur gute Nachrichten wünscht, auch wenn sie nicht wahr sind. Kontrahenten werden beseitigt und in Massengräbern verscharrt, Frauen gefügig gemacht, auch wenn er schon mehrere Ehefrauen hat. Das Schauspiel des Kenianers ist intensiv und überzeugend, entwickelt dabei die nötigen negativen Schwingungen, um diese Figur abgrundtief hassen zu können. Ab einem gewissen Zeitpunkt kommt alles Schlag auf Schlag und Leichen pflastern den Weg des schwergewichtigen Diktators, der sich offenbar für eine Art Gottheit hält. Filme dieser Art spielen ihr Schockpotenzial gerne und auch zurecht aus, um das sensationslustige Publikum zufriedenzustellen, falls es denn gelingt. So kommt es unter der indischen Regie zu einer Reihe von eindringlichen Bildern, die nicht nur wegen der Drastik verstören, sondern auch ihrer Nähe zum Bereich des Möglichen. "Der Schlächter Idi Amin" bedient sich einer grausamen Exposition, die sich unter der Titelfigur immer wiederholen wird, somit für genügend schockierende Erfahrungen sorgt, die diesen Film zur Gedächtnis-Klette werden lassen. Ob das Dargebotene nun vollkommen, eher oder weniger strapaziert, ist nicht die wichtige Erkenntnis in diesem Verlauf. Viel bedrückender wirkt die Gewissheit, dass Kreaturen wie Idi Amin nie aus der Mode kommen werden. So bleiben die wichtigsten Stationen des Diktators trotz einer in die Jahre gekommenen Bebilderung brandaktuell, bei der einem hin und wieder fast der Verstand stehen bleibt.