Jeanne Goupil Catherine Wagener
UND ERLÖSE UNS NICHT VON DEM BÖSEN
● MAIS NE NOUS DÉLIVREZ PAS DU MAL / UND ERLÖSE UNS NICHT VON DEM BÖSEN (F|1971)
mit Bernard Dhéran, Gérard Darrieu, Marc Dudicourt, Véronique Silver, Jean-Pierre Helbert und Michel Robin
eine Produktion der Société Générale de Production | Productions Tanit
ein Film von Joël Séria
»Sündigen ist inzwischen unsere Hauptbeschäftigung!«
Die Klosterschülerinnen Anne (Jeanne Goupil) und Lore (Catherine Wagener) sind beide 14 Jahre alt und können mit dem, wofür sich Mädchen dieses Alters interessieren, nichts anfangen. Gleichaltrige Jungen sind für beide vollkommen uninteressant und es müssen schon Männer sein, die ihr Interesse wecken. Um ihre eigentliche Unerfahrenheit zu kaschieren, machen sie sich Nacht für Nacht mit erotischer Literatur vertraut, um die pikanten Inhalte bei der nächsten Gelegenheit abrufen zu können. Die Mädchen geraten immer mehr in eine Spirale der Leidenschaft für das Böse, sodass ihre gemeinen Aktivitäten und Demütigungen für andere schon bald außer Kontrolle geraten...
Alleine der überaus stimmungsvoll klingende Titel des filmischen Debüts von Regisseur Joël Séria stellt Anreiz genug dar, um ihn ich in ungeduldiger Erwartung anzuschauen, bis sich glücklicherweise auch noch herausstellt, dass es sich in den Bereichen der Veranschaulichung, Dialoge und Provokation tatsächlich um eine hochinteressante Geschichte samt kontroverser Inszenierung handelt, die nicht selten zum Staunen verleitet. Zunächst zeigt sich bei der Handhabe der Regie, dass man sich deutlich von ähnlichen oder anderen Produktionen absetzen will, was auch mühelos gelingt, immerhin bekommt das Publikum sehr progressive Eindrücke innerhalb einbetonierter Konventionen geboten. Die optisch völlig unschuldig anmutenden Protagonistinnen Anne und Lore wirken in ihrer Unberechenbarkeit nahezu beängstigend und bedienen ein einfaches Prinzip der Leichtfertigkeit erstaunlich sicher und überzeugend, außerdem bekommt man im übertragenen Sinn recht plastisch geschildert, was passieren könnte, falls man einem Schimpansen eine Pistole in die Hand drückt. Dieser angeführte Vergleich bezieht sich natürlich auf die Unberechenbarkeit sowie Ursache und Wirkung, da die Regie zwar offensichtlich und gerne auch lauthals, aber letztlich äußerst clever mit Institutionen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen abrechnet, sodass unterm Strich kein sensationslüsterner Film entsteht, der alles und jeden stumpfsinnig zermalmt. Die Perfidität an der gesamten Inszenierung ergibt und sammelt sich durch die beiden Hauptdarstellerinnen. Als Zuschauer findet man sich bald ebenfalls in einem Wechselbad aus Faszination und Abscheu wieder, und es ist oft schwer zu ordnen, was die beiden Mädchen alles fabrizieren und so treiben. Die allgemeine Provokation beschwört nicht nur bei den Beteiligten eindeutige Reaktionen, sondern dem Zuseher geht es ebenso.
Verwirrung stiften Anne und Lore durch ihr unscheinbares Aussehen. Bei 14jägrigen Klosterschülerinnen, die zwischen Unschuld und Laszivität hin und her pendeln, fühlt man sich irgendwie ertappt, gerade weil man ihnen zuschaut. Allerdings waren die Hauptdarstellerinnen damals bereits 21, beziehungsweise 20 Jahre alt, was nur noch mehr Zustimmung in Richtung dieser unmöglich perfiden Inszenierung bringt. In Krimis wird man von Seiten der Regie beispielsweise gerne zum Komplizen gemacht; hier möchte Joël Séria den Zuschauer verführen und originellerweise quasi selbst zum "Sünder" werden lassen, was gleichzeitig bedeutet, dass bei diesem Stoff keine hohe Distanz zu finden sein wird, obwohl er aufgrund des Fehlens einer eindeutig erwarteten Exposition keineswegs distanzlos oder besser gesagt aufdringlich wirkt. Anne und Lore stammen beide aus sehr gut situierten Verhältnissen. Damit brauchbare und gottesfürchtige Ehefrauen aus ihnen werden, schickte man sie in selbstverständlicher Erwartungshaltung auf eine Klosterschule. Dabei springen ihre eigenen Mütter als Prototypen der Frau mit einer Art und Weise ins Auge, die es mit allen Mitteln zu verhindern gilt: überkultiviert, brav und langweilig. Wenige Szenen im Kloster erinnern an einschlägig bekannte Abhandlungen in diversen anderen Filmen, lediglich ein zaghafter Blick durchs Schlüsselloch, wo man eine Schwester mit einer Novizin beim leichten Vorspiel sehen kann, lassen Assoziationen aufkommen, doch die Warnungen vor der gefährlichen Fleischeslust und die erhobenen Zeigefinger der Moral schweben allgegenwärtig wie schwarze Schatten umher. Bei der Predigt stellt sich Anne den Pfarrer halb nackt vor, der dabei von der Kanzel herab am Fluchen ist, oder bei der Beichte spielt sich in ihrer Vorstellung der Anfang einer sexuellen Handlung mit ihrem Beichtvater ab.
Auch wenn dies nach wenig aussieht, wird die eigene ganz unverblümt Fantasie dazu animiert, weitere Blüten zu treiben, beziehungsweise Angefangenes zu Ende zu denken, immerhin gab es im Vorfeld sehr starke Signale von Jeanne Goupil und Catherine Wagener, die exzellent und unverbraucht aufspielen. Immer wieder wird die unbändige Lust nach Brutalität und Vandalismus gezeigt, beispielsweise das Quälen einer jungen Katze oder das Töten von kleinen Vögeln, und dieser Verlauf nimmt seelenruhig und beinahe unbemerkt aggressivere, teils destruktive Formen an. Die Mädchen suchen sich erwachsene Männer aus, die sie anspitzen indem sie sich ihnen anbieten und sich wie erwachsene Frauen aufführen, oder wahlweise wie billige Prostituierte, die zu allem bereit wären. Doch nur aus entsprechenden Büchern und der schmutzigen Fantasie der Mädchen lässt es sich eben nicht kopieren, simulieren oder erlernen, sodass man andere Seiten der Herren kennen lernen muss, was in einigen Fast-Vergewaltigungen gipfelt, bis sich auch schon der kleine aber feine Showdown ankündigt, den man möglicherweise erahnt hat, weil die logische Konsequenz so unausweichlich und simpel erscheint. Wie eine solche dann schließlich aussehen könnte, bekommt man schließlich im großen Finale mit einem noch größeren Schock offeriert. Handwerklich gesehen bewegt sich "Und erlöse uns nicht von dem Bösen" auf allerhöchstem Niveau, besticht zusätzlich durch elegante Settings und pikante Details, atmosphärisch dichte Bilder und einer feierlich klingenden Musik von Dominique Ney, die dem Film trügerisch-idyllische, aber auch verheißungsvolle Konturen gibt. Die teils bizarren und sexuelle aufgeladenen Dialoge versetzen überdies in Staunen, und dieser Beitrag von Joël Séria ist schon ein grotesker, schmutziger und schließlich kleiner Geheimtipp geworden. Beachtlich!
Alleine der überaus stimmungsvoll klingende Titel des filmischen Debüts von Regisseur Joël Séria stellt Anreiz genug dar, um ihn ich in ungeduldiger Erwartung anzuschauen, bis sich glücklicherweise auch noch herausstellt, dass es sich in den Bereichen der Veranschaulichung, Dialoge und Provokation tatsächlich um eine hochinteressante Geschichte samt kontroverser Inszenierung handelt, die nicht selten zum Staunen verleitet. Zunächst zeigt sich bei der Handhabe der Regie, dass man sich deutlich von ähnlichen oder anderen Produktionen absetzen will, was auch mühelos gelingt, immerhin bekommt das Publikum sehr progressive Eindrücke innerhalb einbetonierter Konventionen geboten. Die optisch völlig unschuldig anmutenden Protagonistinnen Anne und Lore wirken in ihrer Unberechenbarkeit nahezu beängstigend und bedienen ein einfaches Prinzip der Leichtfertigkeit erstaunlich sicher und überzeugend, außerdem bekommt man im übertragenen Sinn recht plastisch geschildert, was passieren könnte, falls man einem Schimpansen eine Pistole in die Hand drückt. Dieser angeführte Vergleich bezieht sich natürlich auf die Unberechenbarkeit sowie Ursache und Wirkung, da die Regie zwar offensichtlich und gerne auch lauthals, aber letztlich äußerst clever mit Institutionen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen abrechnet, sodass unterm Strich kein sensationslüsterner Film entsteht, der alles und jeden stumpfsinnig zermalmt. Die Perfidität an der gesamten Inszenierung ergibt und sammelt sich durch die beiden Hauptdarstellerinnen. Als Zuschauer findet man sich bald ebenfalls in einem Wechselbad aus Faszination und Abscheu wieder, und es ist oft schwer zu ordnen, was die beiden Mädchen alles fabrizieren und so treiben. Die allgemeine Provokation beschwört nicht nur bei den Beteiligten eindeutige Reaktionen, sondern dem Zuseher geht es ebenso.
Verwirrung stiften Anne und Lore durch ihr unscheinbares Aussehen. Bei 14jägrigen Klosterschülerinnen, die zwischen Unschuld und Laszivität hin und her pendeln, fühlt man sich irgendwie ertappt, gerade weil man ihnen zuschaut. Allerdings waren die Hauptdarstellerinnen damals bereits 21, beziehungsweise 20 Jahre alt, was nur noch mehr Zustimmung in Richtung dieser unmöglich perfiden Inszenierung bringt. In Krimis wird man von Seiten der Regie beispielsweise gerne zum Komplizen gemacht; hier möchte Joël Séria den Zuschauer verführen und originellerweise quasi selbst zum "Sünder" werden lassen, was gleichzeitig bedeutet, dass bei diesem Stoff keine hohe Distanz zu finden sein wird, obwohl er aufgrund des Fehlens einer eindeutig erwarteten Exposition keineswegs distanzlos oder besser gesagt aufdringlich wirkt. Anne und Lore stammen beide aus sehr gut situierten Verhältnissen. Damit brauchbare und gottesfürchtige Ehefrauen aus ihnen werden, schickte man sie in selbstverständlicher Erwartungshaltung auf eine Klosterschule. Dabei springen ihre eigenen Mütter als Prototypen der Frau mit einer Art und Weise ins Auge, die es mit allen Mitteln zu verhindern gilt: überkultiviert, brav und langweilig. Wenige Szenen im Kloster erinnern an einschlägig bekannte Abhandlungen in diversen anderen Filmen, lediglich ein zaghafter Blick durchs Schlüsselloch, wo man eine Schwester mit einer Novizin beim leichten Vorspiel sehen kann, lassen Assoziationen aufkommen, doch die Warnungen vor der gefährlichen Fleischeslust und die erhobenen Zeigefinger der Moral schweben allgegenwärtig wie schwarze Schatten umher. Bei der Predigt stellt sich Anne den Pfarrer halb nackt vor, der dabei von der Kanzel herab am Fluchen ist, oder bei der Beichte spielt sich in ihrer Vorstellung der Anfang einer sexuellen Handlung mit ihrem Beichtvater ab.
Auch wenn dies nach wenig aussieht, wird die eigene ganz unverblümt Fantasie dazu animiert, weitere Blüten zu treiben, beziehungsweise Angefangenes zu Ende zu denken, immerhin gab es im Vorfeld sehr starke Signale von Jeanne Goupil und Catherine Wagener, die exzellent und unverbraucht aufspielen. Immer wieder wird die unbändige Lust nach Brutalität und Vandalismus gezeigt, beispielsweise das Quälen einer jungen Katze oder das Töten von kleinen Vögeln, und dieser Verlauf nimmt seelenruhig und beinahe unbemerkt aggressivere, teils destruktive Formen an. Die Mädchen suchen sich erwachsene Männer aus, die sie anspitzen indem sie sich ihnen anbieten und sich wie erwachsene Frauen aufführen, oder wahlweise wie billige Prostituierte, die zu allem bereit wären. Doch nur aus entsprechenden Büchern und der schmutzigen Fantasie der Mädchen lässt es sich eben nicht kopieren, simulieren oder erlernen, sodass man andere Seiten der Herren kennen lernen muss, was in einigen Fast-Vergewaltigungen gipfelt, bis sich auch schon der kleine aber feine Showdown ankündigt, den man möglicherweise erahnt hat, weil die logische Konsequenz so unausweichlich und simpel erscheint. Wie eine solche dann schließlich aussehen könnte, bekommt man schließlich im großen Finale mit einem noch größeren Schock offeriert. Handwerklich gesehen bewegt sich "Und erlöse uns nicht von dem Bösen" auf allerhöchstem Niveau, besticht zusätzlich durch elegante Settings und pikante Details, atmosphärisch dichte Bilder und einer feierlich klingenden Musik von Dominique Ney, die dem Film trügerisch-idyllische, aber auch verheißungsvolle Konturen gibt. Die teils bizarren und sexuelle aufgeladenen Dialoge versetzen überdies in Staunen, und dieser Beitrag von Joël Séria ist schon ein grotesker, schmutziger und schließlich kleiner Geheimtipp geworden. Beachtlich!