SCHÜSSE AUS DER MANTELTASCHE - Sergio Gobbi

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Richie Pistilli
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SCHÜSSE AUS DER MANTELTASCHE - Sergio Gobbi

Beitrag von Richie Pistilli »

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Schüsse aus der Manteltasche (D)
Tempo di violenza (IT)
Le temps des loups (F)
Tempo dos Lobos (POR)
Pánico (ES)
Dillinger 70
The Heist



F / IT 1969

R: Sergio Gobbi
D: Robert Hossein, Charles Aznavour, Virna Lisi, Marcel Bozzuffi, Geneviève Thénier, Albert Minski, Fred Ulysse, Madeleine Sologne, Antonio Passalia, Roger Coggio u.a.



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Deutsche Kinopremiere: 01.07.1971

Score: Georges Garvarentz

Synchronkartei

OFDb



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Robert (Robert Hossein) ist ein französischer Ganove, der sich im Rahmen seiner Überheblichkeit nicht nur als neuen 'Dillinger' ansieht, sondern sich zwischenzeitlich sogar schon dessen Namen angeeignet hat. Als Robert 'Dillinger' kurz darauf mit vier seiner Kumpanen einen dreisten Raubüberfall begeht, ruft dies den ermittelnden Inspektor Kramer (Charles Aznavour) auf den Plan, der ausgerechnet in seiner Jugendzeit sehr eng mit Robert befreundet war. Dies hat wiederum zur Folge, dass in der Brust des Inspektors zwei Herzen schlagen, denn das alte Freundschaftverhältnis zeigt immer noch Wirkung. Keine einfache Sache, die Kramer nur mit sich selbst ausmachen muss. Bleibt letztendlich die Frage, ob sich der Inspektor dazu überwinden kann, seinen alten Freund mit der ganzen Härte des Gesetzes zu verfolgen, zumal dieser weiterhin einen Coup nach dem nächsten startet.



Zwar hat es Sergio Gobbi irgendwie nie in die erste Liga italienischer Filmregisseure geschafft, aber seine mir bekannten Filmproduktionen waren sowohl fast immer solide als auch unterhaltsam inszeniert. SCHÜSSE AUS DER MANTELTASCHE aus dem Jahr 1969 stellt dabei mein Lieblingsfilm des Regisseurs dar, denn obwohl das Drehbuch recht einfach gestrickt ist, reißen sowohl die Darbietungen der beteiligten Schauspieler*innen als auch der beeindruckende Inszenierungsstil alles wieder raus und machen SCHÜSSE AUS DER MANTELTASCHE somit zu einem sehenswerten Kriminalfilm, der bis zum heutigen Tag leider immer noch nicht in digitaler Form veröffentlicht wurde. Sehr bemerkenswert fällt auch das handwerkliche Geschick des französischen Kameramanns Daniel Diot aus, denn neben zahlreichen erstklassigen Bildkompositionen demonstriert uns dieser mehrmals, dass er auch mit der Schärfeverlagerung versiert zurecht kommt. Ebenfalls als gelungen können die Aufnahmen der beiden Verfolgungsjagden bezeichnet werden, wobei die erste in den engen Gassen von Neuilly-Plaisance und die zweite auf einer serpentinenartigen Küstentraße von statten geht.



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Der unverbesserliche Pseudo-Dillinger wird im vorliegenden Film von Robert Hossein verkörpert, wobei der rennomierte Schauspieler die Rolle mit Bravour spielt. Als größenwahnsinniger Möchtergern-Gangster 'Robert' huldigt Hossein seinem Vorbild 'Dillinger', indem er seine Überfälle in der gleichen Tradition durchführt, wie es ihm sein Idol vorgelebt hatte. Sein verkörperter Charakter scheint dabei nicht nur ein übersteigertes Selbstwertgefühl zu besitzen, sondern wirkt dabei sowohl misstrauisch, überheblich als auch ein wenig jähzornig. Lediglich in der Gegenwart von adretten Damen lockert Robert ein wenig auf, wobei das erste Zusammentreffen mit der Falschspielerin Stella Menzoni, die von der entzückenden Schauspielerin Virna Lisi verkörpert wird, letztlich unter der Rubrik 'unheilvolle Liebe auf den ersten Blick' abgelegt werden kann, denn obwohl die beiden zunächst überglücklich verliebt wirken, steht ihre Beziehung nicht gerade unter einem guten Stern. Die zweite Dame im vorliegenden Film hört auf den Namen Geneviève und wird von der bezaubernden Schauspielerin Geneviève Thénier verkörpert. Dabei entspuppt sie sich als ein Fangirl des Pseudo-Dillingers, was wiederum für diesen wie 'Balsam für die geschunde Seele' wirkt. Doch leider bringen die Damen Robert letztlich nur Unglück - oder besser gesagt: die Polizei ins Haus.


Bei seinen vier Kollegen kommt die Turtelei mit der reizenden Stella Menzoni ebenfalls nicht besonders gut an, insbesondere weil diese das damit verbundene Risiko aufzufliegen äußerst realistisch ansehen - denn als hätten sie es bereits gewusst, zieht sich die Schlinge, die von Inspektor Kramer zwischenzeitlich unbemerkt um ihre Hälse gelegt wurde, ab diesem Moment tatsächlich immer enger zusammen. Neben dem markanten Schauspieler Albert Minsk, dessen gezwirbelter Oberlippenbart stark an Salvadore Dali erinnert, verkörpert auch der ehrenwerte Marcel Bozuffi einen Ganovenkumpel des Pseudo-Dillingers - und zwar wie immer sehr überzeugend. Die Rolle des ermittenden Inspektors wurde zudem dem weltbekannten Chansoneur und routinierten Schauspieler Charles Aznavour zugesprochen, wobei dieser seine Aufgabe ebenfalls tadellos erledigt.


Als ein ganz besonderes Highlight entpuppt sich die ohwurmträchtige Filmmusik von Georges Garvarentz, die mir seit dem ersten Hören nie wieder aus dem Ohr ging. Wenn das stimmt, was ich vermute, dann liegt mein erstes Zusammentreffen mit diesem feinen Musikstück über 40 Jahre zurück, denn ich bin mir weiterhin ziemlich sicher, das Titelstück bereits im Kindesalter entweder auf den alten Tonbändern meiner Mutter oder im Radio gehört zu haben. Umso ernüchternder finde ich die Tatsache, dass von der Filmmusik lediglich das grandiose Titelstück mit einer weiteren Nummer als Vinyl-Single veröffentlicht wurde, die zudem heutzutage schwer aufzutreiben ist. Angesichts der im Film erklingenden Variationen der Titelmusik wäre es für mich ein Traum, wenn irgendwann auch der komplette Score veröffentlicht würde.


Obwohl mir bei der deutschen VHS-Fassung keine offensichtliche Kürzungen auffielen, soll diese laut Angaben der OFDb im Vergleich zur französischen TV-Fassung 2 Minuten kürzer ausfallen. Umso schöner wäre es, wenn dieses polizeiamtliche Kriminalfim endlich auch einmal in digitaler Form veröffentlicht würde. Die deutsche Synchro klingt zumindest ausgezeichnet - und unterstreicht den gezeigten Ernst der Lage bestens.


Fazit: Obwohl Sergio Gobbi mit dem vorliegenden Film nicht unbedingt 'der große Wurf' gelang, zählt SCHÜSSE IN DER MANTELTASCHE immer noch zu dem Besten, was ich von dem Regisseur bis dato sehen konnte. Mir zumindest gefällt die Sause. Ein feiner Film aus der zweiten Reihe des französischen Kriminalfilmgenres.



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Französischer Trailer (s/w und teilweise ohne Ton)
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Score:


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Richie Pistilli
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Re: SCHÜSSE AUS DER MANTELTASCHE - Sergio Gobbi

Beitrag von Richie Pistilli »

Zu meiner großen Verwunderung musste ich obendrein feststellen, dass mir von dem Film zwei verschiedene VHS-Fassungen vorliegen, wobei die eine auf dem VPS-Tape und die andere auf dem Greenwood-Tape beruht. Zwar gibt es augenscheinlich keine Unterschiede bei den jeweiligen Lauflängen, aber das Bild der Greenwwod-Fassung scheint nachträglich etwas aufgehübscht worden zu sein. Obwohl das nachbearbeitete Bild die bessere Qualität aufweist, irritierte mich letztlich etwas die zugesprochene Farbgebung. Keine Ahnung warum, aber die verblassten und ebenfalls farbverfälschten Screenshots des VPS-Tapes wirken auf mich irgendwie echter (?)


Bildvergleich zwischen der 'nachbearbeiteten' Greenwood-Fassung (Außen) und der VPS-Fassung (Mitte):


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Titelmusik (mit Charles Aznavour):

Italienische Fassung:
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Mater_Videorum
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Re: SCHÜSSE AUS DER MANTELTASCHE - Sergio Gobbi

Beitrag von Mater_Videorum »

Typisches Greenwood-Bild: etwas verwaschen, Kontraste minimiert, abgedunkelt und ihren Trademark-Farbstich reingeschmuggelt – fertig! Machte es schon zu Röhrenzeiten nicht zum Premiumlabel, auch wenn deren Filmauswahl im Katalog immerhin recht knusprig war.

Danke für den Bildvergleich, da geb ich der VMP definitiv den Vorrang!

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Richie Pistilli
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Re: SCHÜSSE AUS DER MANTELTASCHE - Sergio Gobbi

Beitrag von Richie Pistilli »

Mater_Videorum hat geschrieben:
Sa., 26.06.2021 07:03
Typisches Greenwood-Bild: etwas verwaschen, Kontraste minimiert, abgedunkelt und ihren Trademark-Farbstich reingeschmuggelt – fertig! Machte es schon zu Röhrenzeiten nicht zum Premiumlabel, auch wenn deren Filmauswahl im Katalog immerhin recht knusprig war.

Interessant, denn ich bin eigentlich davon ausgegangen, dass das Bild des Greenwood-Tapes erst im Ramen der nachträglichen Digitalisierung 'aufgehübscht' wurde. :?

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Richie Pistilli
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Re: SCHÜSSE AUS DER MANTELTASCHE - Sergio Gobbi

Beitrag von Richie Pistilli »

Nachdem ich den Film nun endlich auch in einer astreinen Bildqualität bestaunen durfte, stieg dieser in meiner Gunst noch weiter nach oben.
Die beiden VHS-Fassungen lassen SCHÜSSE AUS DER MANTELTASCHE irgendwie etwas räudig wirken, was aber dem Film in seiner ursprünglichen Farbenpracht überhaupt nicht gerecht wird. Zwar wurde das Ganze günstig produziert, aber aufgrund der sorgfältigen Kameraarbeit, der spannenden Inszenierung sowie der schauspielerischen Leistungen zu einem edel wirkenden Kriminalfilm verwoben.


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Es wäre ein Traum, wenn diese französische Thriller-Rarität endlich auch hierzulande in dieser bestechenden Qualität veröffentlicht würde.

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