DAS KOMMANDO - Ian Sharp

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Maulwurf
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DAS KOMMANDO - Ian Sharp

Beitrag von Maulwurf »

Das Kommando
Who dares wins
Großbritannien 1982
Regie: Ian Sharp
Lewis Collins, Judy Davis, Richard Widmark, Edward Woodward, Robert Webber, Tony Doyle, John Duttine, Kenneth Griffith, Rosalind Lloyd, Ingrid Pitt, Norman Rodway, Maurice Roëves


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OFDB

Terroristen nutzen eine Bürgerrechtsbewegung aus, um hinter den Kulissen einen Anschlag auf die amerikanische Botschaft auszuführen. Der SAS-Soldat Peter Skellen wird zum Schein unehrenhaft entlassen, damit er sich bei den Bösewichtern undercover einschleichen und die Pläne aufdecken kann. Das mit dem Undercover klappt aber leider nicht so gut, woraufhin die Terroristen Skellens Frau und Kind als Geiseln nehmen und ihn zum Mitmachen zwingen.

So weit, so gut: die Handlung ist schnell und einfach erklärt, die Schauspieler sind actionerprobt, und rein prinzipiell ist natürlich von vornherein klar wer gewinnen wird. Die Grundaussage von DAS KOMMANDO ist genauso wie die Machart erzkonservativ, um nicht zu sagen stockreaktionär, und damit muss man als Zuschauer umgehen können. Eine gottverdammte Werbung für den SAS, wo man als tatkräftiger, junger Mann noch so richtig Abenteuer erleben kann: Abseilen aus fliegenden Hubschraubern, Granaten werfen, Gewaltmärsche durch die Wildnis von Wales, Terroristen abschießen, foltern …

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Von der Aussage her steckt DAS KOMMANDO also jeden Chuck Norris-Film locker in die Tasche, aber bei all dem Gemecker fallen trotzdem zwei Dinge auf: Der Flick ist ein ausgesprochen spannender Actionfilm, der technisch auf hohem Niveau und mit blendenden Schauspielern famos aufspielt. Und der gleichzeitig dabei den Zeitgeist aufgreift, und die damals tobende Diskussion über das Für und Wider des atomaren Rüstungswettlaufs erstklassig wiedergibt. Auf der einen Seite die Betonköpfe, die der Meinung waren, das nur durch das militärische Übertrumpfen der jeweils anderen Seite das eigene Land in Sicherheit sei, und auf der anderen Seite eine Bevölkerung, über deren Köpfen ein sehr ernsthafter Kalter Krieg gespielt wurde, mit dem damals sicheren Ausblick auf einen Strahlentod als Damoklesschwert, und die zunehmend gegen diese wunderbare neue Welt protestierte.

Viele Konservative behaupteten damals, dass die Oster-, Friedens- und Anti-Atomkraft-Marschierer in Wirklichkeit aus Moskau oder Ost-Berlin gelenkt würden, und DAS KOMMANDO hängt sich an diese Aussage dran: Eine Bürgerinitiative für Abrüstung dient ganz selbstverständlich als Schutzschild für terroristische Aktivitäten, was auch sonst? Es mag ja sein, dass ganz normale Familien aus Angst um die Zukunft ihrer Kinder dort mitmarschieren, aber wir können im Film auch einen kleinen und fiesen Blick hinter die Kulissen der Macht werfen und werden darüber informiert, dass terroristische und mutmaßlich kommunistische Verschwörungen bis tief in die Schaltzentralen der Regierungen reichen. Ein zugegeben besorgniserregender Blick, der geschickt Spannung und eine verzweifelt wirkende Grundstimmung erzeugt.

Ian Sharp relativiert diese Aussage zwar immer wieder recht geschickt (was dann witzigerweise oft die Aufgabe von Edward Woodward ist, der in den Jahren danach dann im britischen Fernsehen als Equalizer – als „Gleichmacher“ - in der gleichnamigen Fernsehserie aufgetreten ist. Ein englischer Kumpel beschrieb mir die Serie damals als „Robert McCall behandelt alle gleich: Er erschießt sie.“), aber er lässt Lewis Collins’ auch immer wieder Seitenhiebe auf alles sagen, was auch nur irgendwie ein klein wenig links einer Bürgerwehr aufmarschiert.

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Überhaupt, Lewis Collins - Bekannt als Bodie aus der TV-Serie DIE PROFIS, die von 1977 bis 1983 den größeren Teil Westeuropas ziemlich gerockt hat, und für die beiden Hauptdarsteller schauspielerisch den kurzzeitlichen Durchbruch darstellte. Es fällt auf, dass DAS KOMMANDO aus dem Jahr 1982 stammt, somit also während der Laufzeit der PROFIS gedreht wurde, und Lewis Collins spielt hier im Prinzip auch nichts anderes als das, was er als Bodie ebenfalls dargestellt hat: Einen gutaussehenden Haudrauf mit Militärvergangenheit und einer, sagen wir mal, eher rustikalen Eleganz. Judy Davis‘ Charakter Frankie Leith meint über Skellen „Der Fußboden hat zwar einen hölzernen, jedoch sehr animierenden Charme.“ Genau so! Und witzigerweise ist in der Altmännerrunde neben Edward Woodward noch ein ungenannter Befehlshaber, dessen Funktion nicht genau benannt ist, der aber aussieht wie der CI5-Gordon Jackson für ganz ganz Arme …
Interessanterweise hat Ian Sharp drei Folgen der PROFIS gedreht, unter anderem 1980 die Folge Kickback (auf deutsch Mordauftrag für Bodie), in der Lewis Collins zusammen mit einem SAS-Mann einen Undercoverauftrag durchführen soll, sowie 1982 die Folge Operation Susie, eine knallharte und sehr spannende Episode um Agenten, die nicht das sind was sie zu sein scheinen. Die Ähnlichkeiten zu DAS KOMMANDO sind deutlich zu erkennen, und auch die 1982 gedrehte Folge Lawson’s last stand (auf deutsch Lawsons letzter Appell) dreht sich um Militär, um Ehre und Treue, um Soldatenhaftigkeit und darum, dass dieses Land allmählich vor die Hunde geht. Sollte Ian Sharp ein Überzeugungstäter sein? Dafür würde sprechen, dass er einen ausufernden Dialog zwischen Richard Widmark als dem US-amerikanischen Außenminister und Judy Davis Charakter über den Themenkomplex Atomares Wettrüsten – Demonstrationen – Bewaffneter Widerstand führen lässt, und zwar an ausgesprochen prominenter Stelle, nämlich nach dem Eindringen der Terroristen in die Botschaft. Dieser zentrale Dialog endet mit der Aussage des Botschafters „Sie fordern die Abrüstung und beginnen damit bei den westlichen Ländern.“ Ein böser Tritt in Richtung der Existenzberechtigung von Bürgerinitiativen, und, in diesem Zusammenhang viel wichtiger, das narrative Äquivalent zu einer Vollbremsung. Plötzlich steht der Film minutenlang auf der Stelle, und es dauert lange bis die Handlung wieder Fahrt aufnimmt. Offensichtlich war Sharp dieses Thema recht wichtig …

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Wie gesagt, die Grundaussage des Films ist erzreaktionär, und damit muss man beim Anschauen klarkommen. Aber gleichzeitig ist DAS KOMMANDO auch angenehm altmodisch in so Dingen wie Spannung und Action, und lässt Ian Sharp nichts anbrennen. Was den Film zu einem erstklassig zu schauendem Erlebnis mit fragwürdiger Aussage macht, ihn also problemlos in eine Reihe mit Michael Dudikoff- und Chuck Norris-Filmen stellt. Was ja nun wirklich nicht das Schlechteste ist, was man über einen Actionfilm sagen kann, oder?

8/10

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Sid Vicious
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Re: DAS KOMMANDO - Ian Sharp

Beitrag von Sid Vicious »

Maulwurf hat geschrieben:
Di., 27.04.2021 06:30



Wie gesagt, die Grundaussage des Films ist erzreaktionär, und damit muss man beim Anschauen klarkommen. Aber gleichzeitig ist DAS KOMMANDO auch angenehm altmodisch in so Dingen wie Spannung und Action, und lässt Ian Sharp nichts anbrennen. Was den Film zu einem erstklassig zu schauendem Erlebnis mit fragwürdiger Aussage macht, ihn also problemlos in eine Reihe mit Michael Dudikoff- und Chuck Norris-Filmen stellt. Was ja nun wirklich nicht das Schlechteste ist, was man über einen Actionfilm sagen kann, oder?
So sieht es aus! Auf das Erzreaktionäre muss man sich unbedingt vorher einstellen und somit den erhobenen Zeigefinger zumindest während der Sichtung in der Hosentasche oder wo auch immer lassen. Sofern das funktioniert, darf man sich auf äußerst unterhaltsame Minuten gefasst machen.
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