DER BALLSPIELENDE HUND - Edward Bennett

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Percy Lister
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DER BALLSPIELENDE HUND - Edward Bennett

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"Der ballspielende Hund" (Dumb Witness) (Großbritannien 1996)
mit: David Suchet, Hugh Fraser, Ann Morrish, Patrick Ryecart, Kate Buffery, Paul Herzberg, Julia St. John, Norma West, Jonathan Newth, Muriel Pavlow, Pauline Jameson, Pat O'Toole, Stephen Tomlin, Jestin Phillips u.a. | Drehbuch: Douglas Watkinson nach dem Roman "Dumb Witness" von Agatha Christie | Regie: Edward Bennett

Emily Arundells Verwandte könnten ihr Geld gut gebrauchen und so käme ihnen ein Unfall der alten Dame sehr gelegen. Als sie kurz nach einigen Unstimmigkeiten mit ihrem Neffen und ihrer Nichte auf der Treppe ihres Hauses zu Sturz kommt, vermutet jeder, der herumliegende Ball des Foxterriers Bob wäre die Ursache. Doch Poirot, der als Gast vor Ort weilt, ist misstrauisch und rät Emily, ihr Testament zu ändern. Bald schon kommt es zum nächsten Unglücksfall, diesmal mit tödlichem Ausgang....

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Die Mordgeschichte wird in einnehmender Weise in pittoreske Bilder einer Welt von Privilegierten gekleidet, deren Gedanken vorwiegend um pekuniäre Aspekte und den neuesten Familienklatsch kreisen. Jedes Ding scheint einen festen Platz in der Gesellschaft zu haben, wobei die Schrullen der Oberschicht vielfach über die Mittelmäßigkeit ihres Charakters hinwegtäuschen und ihnen Vorrechte zubilligen, die Personen aus Familien ohne knorrigen Stammbaum verwehrt bleiben. Für den Zutritt zu ihrer Welt gibt es keinen Kompass, wie auch Hercule Poirot weiß, der sich aufgrund seiner Herzensbildung jedoch über eine solche Einschränkung des persönlichen Radius' nicht übermäßig beeindrucken lässt. Der "stumme Zeuge" in Gestalt eines völlig unverdorbenen Mitglieds des Haushaltes, springt Poirot gleich zur Begrüßung begeistert entgegen und wird ihm bis zum Ende des Films nicht von der Seite weichen. Der wunderbare Schauplatz am Lake of Windermere bezaubert ebenso wie der Foxterrier Bob. Sehr geschickt führt man den Zuschauer in die Geschichte ein, zeigt man doch einen angeblichen Anschlag auf Charles Arundell, der eine Vorliebe für schnelle Rennboote hat. Der augenfälligste Unterschied zwischen der Romanvorlage und der filmischen Umsetzung ist der, dass Miss Emily Arundell bereits tot ist, als Poirot und Hastings mit den Ermittlungen beginnen. Ihr Brief an Poirot wurde erst nach ihrem Tod, zwei Monate nach dem Aufsetzen des Schreibens, abgeschickt. Douglas Watkinson, der für das Drehbuch verantwortlich zeichnet, war so klug, diesen Punkt abzuändern und aus dem bummelnden Charles Arundell einen Rennsportfanatiker zu machen, der über sieben Ecken mit Captain Hastings bekannt ist. So gab es einen Grund, die Anwesenheit von ihm und Poirot zu erklären. Durch die Einbeziehung der Schwestern Tripp, die enge Kontakte zum Jenseits pflegen, bekommt der sich anbahnende Kriminalfall zusätzliche Würze. Ihre typisch englische Exzentrizität setzt eine gut dosierte Fußnote im Kreis der Verdächtigen. Der Tod der vermögenden Tante Emily wird durch eine Stimme aus der anderen Welt angekündigt. Poirot gelingt es schnell, Hastings zu überzeugen, wie leicht man Anwesende einer Séance beeinflussen kann und an Informationen kommt. Die verzwickte Vorgeschichte des Todes von Emily hält einige Rätsel parat, die Poirot als Rechtsanwalt und Beschützer des Hundes auftreten lassen.

Er wirkt dadurch umso liebenswerter und bekommt ausreichend Gelegenheit, für ein Schmunzeln zu sorgen. Poirot ist in Hochform, die Facetten seiner Persönlichkeit kommen angemessen zur Geltung - seine Höflichkeit; die Unbestechlichkeit; das Unverständnis für den britischen Snobismus anderen Staatsbürgern gegenüber, seine Vorliebe für edle Speisen und Getränke. Er urteilt nicht vorschnell, sondern nach ausgereifter Überlegung. Sein kleiner Helfer, der aufgeweckte Foxterrier ist erstaunlich gut trainiert. Er agiert völlig natürlich und besitzt echtes Schauspieltalent. Die Anzahl der Verdächtigen ist gut ausbalanciert und zeigt Agatha Christies Sinn für Gerechtigkeit. Keine soziale Schicht, weder Mann noch Frau, ist sicher vor den Anschuldigungen, denen sich ihre Protagonisten stellen müssen. Die Mordwaffe wird wieder einmal medikamentös verabreicht, diesmal in besonders gelungener Form. Als die alte Dame stirbt, strömt der grüne Rauch des Phosphors aus ihrem Mund, was in der Abenddämmerung aussieht, als weiche ihr Geist aus dem sterbenden Körper. Hastings erbietet sich wieder einmal als treuer Gefährte des Detektivs und Eintrittskarte in die Welt der Gentry; durch seine sportlichen Kontakte ist auch sein Freund Poirot stets willkommener Gast, was dieser jedoch auch auf seine Berühmtheit zurückführt. Es schmerzt den Belgier, zu sehen, dass er als "gewöhnlicher" Ausländer nicht zu allen Clubs des Albions Zutritt hätte. Hastings entschädigt seinen Freund für diese Erfahrungen mit den Vorurteilen der Gesellschaft, indem er ihm ein loyaler und sich zurücknehmender Partner ist. Hugh Fraser ergänzt David Suchet in liebenswerter Loyalität ohne Eigennutz und zeigt seine Sensibilität dennoch auf sympathische Weise. Ein feinsinniger, sehr menschlicher Kriminalfall - man denke an die seelischen Abgründe im Verhältnis von Bella Tanios zu ihrem griechischen Gatten Jacob - mit einem sensiblen Poirot, der durch seine einfühlsame Art gegenüber dem überaus knuffigen Snubby als pet dog Bob erneut zeigt, wie offen und abwägend er denkt. Die friedliche Atmosphäre des Landlebens birgt genügend Momente zum Innehalten und Reflektieren, wobei die melancholische Ausleuchtung der Abendszenen stimmungsvoll mit den sonnendurchfluteten Sequenzen am Wasser und zwischen Blumenbeeten kontrastiert. Zum tief Durchatmen und Genießen!

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