DAS HAUS AUF DER KLIPPE - Renny Rye

Türkploitation, isländische Kannibalenfilme und alles andere aus Europa
Antworten
Percy Lister
Beiträge: 347
Registriert: Sa., 14.11.2020 16:15

DAS HAUS AUF DER KLIPPE - Renny Rye

Beitrag von Percy Lister »

"Das Haus auf der Klippe" (Peril at End House) (Großbritannien 1990)
mit: David Suchet, Hugh Fraser, Polly Walker, John Harding, Philip Jackson, Pauline Moran, Alison Sterling, Paul Geoffrey, Christopher Baines, Jeremy Young, Carol MacReady, Godfrey James, Jane Paton, John Crocker, Jenny Funnell, Janice Cramer u.a. | Drehbuch: Clive Exton nach dem Roman "Das Haus an der Düne" von Agatha Christie | Regie: Renny Rye

Hercule Poirot und sein Freund Captain Arthur Hastings verbringen ihren Urlaub in St. Looe in Cornwall, wo der berühmte Detektiv gleich am ersten Tag die Bekanntschaft mit der jungen Magdala Buckley macht, die von allen nur Nick gerufen wird. Sie besitzt ein Haus hoch über den felsigen Klippen und berichtet von drei Anschlägen auf ihr Leben, die in den letzten Tag auf sie verübt wurden. Anfangs nimmt Poirot die Schilderungen nicht übermäßig ernst, da niemand außer Miss Buckley davon Zeugnis ablegen kann, doch dann ändert sich die Situation auf beunruhigende Weise und der Detektiv sieht sich mit einem Fall konfrontiert, der völlig neue Perspektiven eröffnet und die hässliche Fratze des Mordes präsentiert, als keiner mehr damit gerechnet hat....

Bild Bild Bild
Agatha Christie war der Ansicht, dass es stets auch "das Böse unter der Sonne" gibt und der äußere Schein oftmals trügt. Hinter den Fassaden unscheinbarer Cottages wohnten Tod und Terror ebenso wie negative Gefühle wie Hass, Neid, Missgunst, Eifersucht und Geiz das Klima in vielen herrschaftlichen Anwesen vergifteten. Zweifellos wusste die Apothekengehilfin, dass Menschen unterschiedlicher gesellschaftlicher Schichten nichts lieber hörten als Geschichten mit einem morbiden Kern, Erzählungen über ungewöhnliche Todesfälle, deren Ursachen die Phantasie anregen und Neugier und Sensationslust ansprechen. Agatha Christie erkannte das Potenzial dieses Genres und verstand es in besonders unterhaltsamer Weise, Kriminalgeschichten zu entwerfen. Formvollendet und stilbewusst bis in die Fingerspitzen präsentiert sich die elegant intonierte Fabel über die ständige Anwesenheit eines Antagonismus selbst in der idyllischen Umgebung von Pinienhainen und üppigen Gärten. Der Müßiggang als Anregung für ausgiebige Studien der menschlichen Natur stimuliert die grauen Zellen von Englands klügstem Privatdetektiv, der seine belgische Herkunft als Stabilisator ins Feld führen kann, sobald Vorurteile und Befangenheit einen Kriminalfall zur delikaten Angelegenheit werden lassen. Trotz aller Beschaulichkeit verströmt das Ambiente auch eine unterschwellige Bedrohung, die sich in vage formulierten Andeutungen ausdrückt und einen langen Schatten auf die Sommerfrische-Idylle wirft. Der Küstenort Salcombe in Devon bietet mit seinen hübschen Motiven eine wunderbare Kulisse für die Geschichte, die mit leichter Hand inszeniert scheint, deren tieferer Sinn jedoch immer wieder aufblitzt.

David Suchet stattet die Rolle des Detektivs mit charakteristischen Schrullen, Manierismen und Gepflogenheiten aus, die den klugen Denker von seiner Umgebung abheben und ihn zum Symbol des Verstandes machen, der letztendlich über niedrige Instinkte siegt und dafür sorgt, dass alle Zweifel und Unklarheiten beseitigt werden. Die Überführung des Schuldigen stellt für ihn eine sportliche Herausforderung dar, die er bequem vom Lehnstuhl aus absolvieren kann, was nicht zwangsläufig bedeutet, dass er nur untätig herumsitzt und sich seinen Kombinationen hingibt. "Das Haus auf der Klippe" entstand innerhalb der erfolgreichen ITV-Serie, die bereits nach der ersten Staffel der Fernsehreihe den britischen BAFTA-Award erhielt. Die Faszination, welche von der koboldhaften Nick Buckley ausgeht, deren lebhafter Charme und ungezwungene Sorglosigkeit durch Polly Walker auf anziehende Weise vermittelt werden, fügt sich überzeugend in jene Gesellschaft ein, die scheinbar alle Last dieser Welt abgeschüttelt hat, um für den Augenblick und "Red Sails in the Sunset" zu leben, fern aller Pflichten und Trübsal des Alltags. Freilich lauern hinter der polierten Oberfläche Abgründe, die Mord nicht nur herausfordern, sondern für einige Beteiligte sogar rechtfertigen. So reihen sich an die Postkarten-Ansichten auch Bilder tiefer Verzweiflung und finsterer Kaltblütigkeit und entzaubern jene Illusion, die sich ein wohlwollender Beobachter vielleicht gemacht hat. Am Ende offenbart sich eine Wahrheit, die alle unangenehm berührt zurücklässt und die gesunde Distanz rechtfertigt, die Hercule Poirot trotz aller empathischen Anteilnahme zu den Figuren seiner Kriminalfälle hält. Spannende einhundert Minuten, die ihren intensiven Sog bei jeder Sichtung vertiefen.

Antworten