DIE LETZTE FAHRT DER BISMARCK - Lewis Gilbert

Türkploitation, isländische Kannibalenfilme und alles andere aus Europa
Antworten
Percy Lister
Beiträge: 348
Registriert: Sa., 14.11.2020 16:15

DIE LETZTE FAHRT DER BISMARCK - Lewis Gilbert

Beitrag von Percy Lister »

Bild Bild
"Die letzte Fahrt der Bismarck" (Original: Sink the Bismarck!) (Großbritannien 1960)
mit: Kenneth More, Dana Wynter, Karel Stepanek, Carl Möhner, Laurence Naismith, Geoffrey Keen, Maurice Denham, Michael Hordern, Esmond Knight, Michael Goodliffe, Jack Watling, Jack Gwillam, Mark Dignam, Ernest Clark u.a. | Drehbuch: Edmund H. North nach dem gleichnamigen Buch von C. S. Forester | Regie: Lewis Gilbert

Captain Shepard wird mit der Aufgabe betraut, im Londoner Marinehauptquartier Pläne auszuarbeiten, wie das deutsche Schlachtschiff "Bismarck" versenkt werden kann. Das kampfstärkste Schiff der Nazis darf unter keinen Umständen in den Nordatlantik vorstoßen. An Bord der "Bismarck" ist auch Admiral Lütjens, der einst Shepards Schiff versenkt hatte. Nun wird sich zeigen, wer den kühleren Kopf bewahrt und die richtige Strategie entwirft....

Bild Bild
Kenneth More, der in der deutschen Fassung von Paul Klinger synchronisiert wird, steht als Mann der Tat im Mittelpunkt der Handlung. Er zeichnet einen hochrangigen Offizier, dem bereits einige Schicksalsschläge widerfahren sind, der diese jedoch durch sein beherrschtes Wesen unter allen Umständen kaschieren will und sich durch strukturiertes und emotionsloses Vorgehen auszeichnet. Er beharrt auf Disziplin und Unterordnung der eigenen Gefühle zugunsten der Arbeit, was er lange Zeit vorbildlich vorlebt. Erst als sein Sohn nach einem Luftgefecht als vermisst gemeldet wird, bröckelt seine Fassade. So zeigt sich, dass selbst militärische Entscheidungen, die von Menschen getroffen werden, nicht immer frei von Emotionen wie Rache, Trauer oder Angst sind. Der gebürtige Tscheche Karel Stepanek ist Mores Gegner und auch er ist trotz seines eiskalten Verstandes nicht unabhängig von persönlichen Regungen. Die Demütigungen des Ersten Weltkriegs sitzen ihm noch tief im Nacken. Nun sieht er die Chance gekommen, sich in den Augen der Regierung zu rehabilitieren, indem er beweist, dass seine Leistungen schon immer tadellos waren. Dana Wynter als Anne Davis stellt das Gewissen des Büros dar, weil sie Strategien hinterfragt und sich nicht in blinden Gehorsam fügt. Im Gegensatz zu Shepard macht sie keinen Hehl aus ihrer Verletzlichkeit, beweist aber, dass sie ebenso zuverlässig und ausdauernd arbeitet wie er. So halten sich private Momente, wenn es sie denn einmal für wenige Augenblicke gibt, in Grenzen und geben einen Einblick in den Alltag des Krieges, der auf dem Kartentisch stattfindet. Von den Bombardements der britischen Hauptstadt bekommt man nichts mit; die Kampfhandlungen sind weit weg und werden von der Militärleitung koordiniert. Wie Schachfiguren werden die Miniaturschiffsmodelle auf der Landkarte verschoben. Immer präsent ist jedoch die Realität auf See, die mit schlechten Wetterverhältnissen und der allgegenwärtigen Bedrohung durch den Feind aufwartet. In spektakulären Szenen, die sich aus einer perfekten Mischung von Archivaufnahmen und mit echten Kriegsschiffen gedrehtem Filmmaterial ergeben, spürt der Zuschauer die Atmosphäre des Zweiten Weltkriegs.

Die elegante Symbiose, welche die Manöver auf See mit den strategischen Planungen im Marinehauptquartier eingeht, vermittelt einen guten Eindruck von Ursache und Wirkung und lässt ein wichtiges Kapitel der Seegeschichte des Zweiten Weltkriegs lebendig werden. Obwohl es sich um eine britische Produktion handelt, die John Brabourne als ehemaliger Diener der Royal Navy vorzüglich in Angriff nehmen konnte, hält sich die tendenziöse Aussage des Films in Grenzen. Sowohl auf englischer, als auch auf deutscher Seite gibt es Zweifler über die Richtigkeit des Kurses, was sich im NS-Kapitän Lindemann ebenso niederschlägt wie in Anne Davis nach der Versenkung der "Bismarck". Der sinnlose Verlust von Menschenleben wird einmal mehr angeprangert, zumal er oft den Eitelkeiten einiger weniger oder einer aussichtslos gewordenen "größeren Sache" dient. So sorgt nicht nur die überraschende Versenkung des britischen Schlachtkreuzers "Hood" nach wenigen Minuten Feuergefechts für Erschütterung, sondern macht auch der langsame Tod der durch Lufttorpedotreffer bewegungsunfähig gewordenen "Bismarck" betroffen. Das völlige Fehlen von Pathos und Überheblichkeit macht die Produktion zu einem heute noch sehenswerten Erlebnis. Die Dramatik des Geschehens auf See steigert sich laufend und korreliert mit der wachsenden Anspannung und dem Kampf gegen die Zeit in den Büros unter dem Ministerium. Das Element Hoffnung wird dabei nicht aus den Augen gelassen und entwickelt sich zuerst zögerlich, dann jedoch immer klarer. Der begleitende Musikeinsatz von Clifton Parker untermalt die Ereignisse in angemessener und punktgenauer Weise, lässt aber auch Raum für die Geräusche der Flugzeugpropeller oder das finale Ploppen der Unterwassersprengkörper, wenn sie ins Meer fallen. Die hochwertige Produktion bleibt trotz ihrer aufwendigen Aufnahmen und der stringenten Story unaufdringlich, weil sie zum Nachdenken anregt. Der Mensch als Vollstrecker von Handlungen, die ihm von höherer Stelle auferlegt wurden und als Werkzeug seiner Nation begegnet immer wieder sich selbst und seinem eigenen Wertekanon. Spannende Aufarbeitung eines dramatischen Kapitels der jüngeren Marinegeschichte mit einer exzellenten Besetzung und beeindruckenden Seeaufnahmen. Besonders More, Wynter und Stepanek fühlen sich authentisch in ihre Rollen ein und hinterlassen einen bleibenden Eindruck.

Antworten