DER KLEINE LORD - Jack Gold

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Prisma
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DER KLEINE LORD - Jack Gold

Beitrag von Prisma »




Ricky Schroder   Alec Guinness  in

DER KLEINE LORD


● LITTLE LORD FAUNTLEROY / DER KLEINE LORD (GB|1980) [TV]
mit Connie Booth, Eric Porter, Colin Blakely, Rachel Kempson, Rolf Saxon, Carmel McSharry, Antonia Pemberton, u.a
eine Norman Rosemont Produktion
ein Film von Jack Gold

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»Wenn ich Earl geworden bin, wird aus mir kein Tyrann werden!«


Der achtjährige Cedric Errol (Ricky Schroder) lebt zusammen mit seiner Mutter (Connie Booth) und der Hebamme Mary (Carmel McSharry) in bescheidenen Verhältnissen in New York. Noch ahnt niemand, dass ihm sein verstorbener Vater, der einer angesehenen britischen Adelsfamilie entstammte, ein bedeutendes Vermächtnis gemacht hat. Als letzter Nachkomme der Linie, soll Cedric eines Tages den Titel des Earl of Dorincourt übernehmen. So bestellt der jetzige Earl (Alec Guinnesss) seinen Enkel nach England, um das Kind nach seiner Fasson zu erziehen. Da Der Earl of Dorincourt seinen eigenen Sohn und Vater des Jungen einst verstoßen hatte, weil er gegen dessen Willen Cedrics Mutter zur Frau nahm, stellt er in diesem Zusammenhang harte Bedingungen: er will Mrs. Errol unter keinen Umständen zu Gesicht bekommen...

Dem 1980 entstandenen Fernsehfilm "Der kleine Lord" wurde über die Jahre gesehen einen Klassiker-Status zuteil und das nicht zuletzt, weil er ab 1982 zum festen Bestandteil des vorweihnachtlichen Programms der ARD wurde. Jack Golds Beitrag sollte nicht nur auf eine von vielen Weihnachtsgeschichten reduziert werden, da er wesentlich mehr zu bieten hat als festtagliche Eindrücke. Dass der Film zu einem Klassiker avancieren konnte, der hauptsächlich mit den Feiertagen in Verbindung gebracht wird, liegt sicherlich am Ende der Geschichte, wo es diesbezüglich zu einem sehr leidenschaftlichen und innigen Appell kommt. So zählt "Der kleine Lord" vermutlich zu den Filmen die man einfach kennt, weil man um sie nicht herumkommt. Qualitativ gesehen spielt die Produktion in der obersten Liga mit und wartet für TV-Verhältnisse mit einer ungewöhnlichen Opulenz auf, die für beeindruckende Momente sorgen kann. Auch die Besetzung ist definitiv in der A-Kategorie anzusiedeln. Die Erzählung beginnt in den Straßen von New York, zunächst ganz einfachen Verhältnissen und die arbeitende Bevölkerung muss sich so gut es geht durchschlagen. Die weit entfernte Aristokratie stellt hier keine Größe dar, die für irgend jemanden relevant wäre, bis schließlich Post aus England ankommt und die Vergangenheit so gleichzeitig die Möglichkeit eingeräumt bekommt, einige der Beteiligten einzuholen. Wenn der Zuschauer den jungen Protagonisten erstmalig zu Gesicht bekommt, wird schnell klar, dass man es mit einem Verlauf zu tun bekommen wird, der selbstbewusst vor (moralischen) Werten und emotionalem Schwergewicht strotzt. Interessant hierbei ist und bleibt, dass eine ausgezeichnete Balance besteht, die trotz zahlreicher rührseliger und sentimentaler, sogar naiver Anflüge immer gut ankommen möchte und den Zuschauer bestenfalls berührt und Inhalte dabei nicht nur oberflächlich ankratzt.

Die Verbindung aus Ricky Schroders intuitiver und leichtfüßiger Spiellaune, den pointierten Dialogen und der Tendenz, Werte und Emotionen vermitteln zu wollen, ist nicht nur als gelungen zu bezeichnen, sondern auch als äußerst effektiv in der Platzierung. Man mag diesen aufgeschlossenen, höflichen und liberal erzogenen Jungen einfach gerne, auch wenn die Gefahr in der Luft liegt, dass er durch die Arroganz und Härte der regierenden Aristokratie verdorben werden könnte. Das erste Aufeinandertreffen mit Alec Guinness deutet derartige Tendenzen zwar an, doch der entwaffnende Charme des Jungen vermag es, selbst ein Herz aus Eis zu schmelzen. Die Finessen entstehen vor allem im Zusammenspiel von Schroder und Guinness, aber auch Connie Booth leistet in diesem Bereich Pionierarbeit. Ein klarer Aufbau und die ökonomische Erzählstruktur dieses Beitrags trägt dazu bei, dass alle wichtigen Punkte verständlich angerissen werden und die Einteilung in verschiedene Phasen aus Wechselbädern der Gefühle gestalten den Verlauf mitreißend und überaus zielführend. Die restlichen Damen und Herren aus der Schauspieler-Riege stellen sich als gute Stichwortgeber und Sympathieträger heraus, sodass die gesamte Spielzeit vergeht wie im Flug. Die Anfänge des Werdegangs des Earls of Dorincourt werden von der Regie mit verspielten Aspekten ausgekleidet, doch schnell kommt es auch zu ernsten Tendenzen, die eine nicht gerade einfache Aufgabe zu zeichnen versuchen. "Der kleine Lord" ist und bleibt in seiner hingebungsvollen Gestaltung ein Film, der das Potenzial bietet, ihn sich mehrmals anschauen zu können. So sind in allen erdenklichen Bereichen hohe Qualitätsansprüche zu finden, die den Status eines Klassikers nicht nur bedingen, sondern auch rechtfertigen können. Aus persönlicher Sicht handelt es sich um einen Beitrag, der immer und immer wieder angesehen werden kann und hierfür müssen noch nicht einmal die Weihnachtsglocken läuten.

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Mater_Videorum
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Re: DER KLEINE LORD - Jack Gold

Beitrag von Mater_Videorum »

Kannst Du dich noch genau dran erinnern, dass der schon in den 80ern jährlich im Vorweihnachtsprogramm der ARD, bzw. Das Erste gezeigt wurde? Ich hab das persönlich erst ab ca. 1993 mitbekommen und danach hat sich dieser "Hype" auch etwas manifestiert. Später ist er dann für ein, zwei oder drei Jahre auch mal auf SAT 1 zu sehen gewesen, bis er dann wieder zum bekannten Rundfunkverbund wechselte. Ich denke, dass ich ihn seit dieser Zeit auch fast jährlich gesehen habe und überübermorgen dürfte es ja erneut wieder soweit sein. :D


Kleine Anekdote: Da der Film ja bis vor ein paar Jahren hierzulande noch nicht digital für's Heimkino verfügbar war (nicht mal Stiefelchen), stellte ich mein Tape von VPS -ohne dies zu wissen- bei eBay zum Verkauf ein und staunte nicht schlecht, als es für knapp 100 € aus lief und auch bezahlt wurde.

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Prisma
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Re: DER KLEINE LORD - Jack Gold

Beitrag von Prisma »

Mater_Videorum hat geschrieben:
Di., 15.12.2020 19:57
Kannst Du dich noch genau dran erinnern, dass der schon in den 80ern jährlich im Vorweihnachtsprogramm der ARD, bzw. Das Erste gezeigt wurde?

Nein, da kann ich mich leider nicht dran erinnern, obwohl ich ja spontan sagen würde, dass der Film gefühlt seit Ewigkeiten immer wieder im vorweihnachtlichen Programm gelaufen ist, auch schon zu der Zeit. Zumindest kann ich so viel sagen, dass mein Vater den in den 80ern mal in irgend einem dritten Programm auf Video aufgenommen hatte, daher kannte ich den Film schon als Kind. Aber mit Erinnerung ist da leider nicht viel zu machen. Dass der in den 90er Jahren immer wieder gebracht wurde, weiß ich aber schon. Ich schaue den Film auch traditionell jedes Jahr vor Weihnachten, genau wie "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel". :mrgreen:

Mater_Videorum hat geschrieben:
Di., 15.12.2020 19:57
Kleine Anekdote: Da der Film ja bis vor ein paar Jahren hierzulande noch nicht digital für's Heimkino verfügbar war (nicht mal Stiefelchen), stellte ich mein Tape von VPS -ohne dies zu wissen- bei eBay zum Verkauf ein und staunte nicht schlecht, als es für knapp 100 € aus lief und auch bezahlt wurde.

:o

Wie man daran sehen kann, haben wir es also definitiv mit einem Film zu tun, der sich in jeder Hinsicht lohnt! :D

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Jokerfive
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Re: DER KLEINE LORD - Jack Gold

Beitrag von Jokerfive »

Nach meiner Erinnerung lief der in den 80er Jahren schon im (vor)weihnachtlichen Fernsehprogramm. Laut IMDB und anderen Quellen war die Erstausstrahlung am 26.12.1982 im ARD-Programm. Offenbar gab es in Deutschland keinen Kinoverleih im Vorfeld.
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Prisma
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Re: DER KLEINE LORD - Jack Gold

Beitrag von Prisma »

Jokerfive hat geschrieben:
Di., 15.12.2020 22:43
Offenbar gab es in Deutschland keinen Kinoverleih im Vorfeld.

Auch wenn es aufgrund des betriebenen Aufwands und vom Gesamteindruck her oft kaum zu glauben ist, aber der Film wird ja immer als TV-Produktion ausgewiesen.
Hätte unter dieser Voraussetzung - also reine Produktion fürs Fernsehen - denn überhaupt die Möglichkeit bestanden, den Film ins Kino-Verleihprogramm zu bringen?

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Jokerfive
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Re: DER KLEINE LORD - Jack Gold

Beitrag von Jokerfive »

Prisma hat geschrieben:
Mi., 16.12.2020 02:52
Jokerfive hat geschrieben:
Di., 15.12.2020 22:43
Offenbar gab es in Deutschland keinen Kinoverleih im Vorfeld.

Auch wenn es aufgrund des betriebenen Aufwands und vom Gesamteindruck her oft kaum zu glauben ist, aber der Film wird ja immer als TV-Produktion ausgewiesen.
Hätte unter dieser Voraussetzung - also reine Produktion fürs Fernsehen - denn überhaupt die Möglichkeit bestanden, den Film ins Kino-Verleihprogramm zu bringen?
Wenn der Streifen auf 35mm Negativfilm vorliegt, sollte es technisch kein großes Problem sein. Laut IMDB ist „Der kleine Lord“ in einigen Ländern tatsächlich zuerst in den Kinos gelandet (wird dort als „theatrical release“ verzeichnet). Daß das nicht im größeren Stil passierte, hat vielleicht mehr mit Lizenzgebühren und Verwertungsrechten zu tun als mit der technischen Umsetzbarkeit.
Jokerfive

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Prisma
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Re: DER KLEINE LORD - Jack Gold

Beitrag von Prisma »

Danke für die Erklärungen!
Ich habe mir den Film heute wieder einmal angeschaut und er hat mir wie immer gefallen.
Wenn ich es zuvor nicht überall gelesen hätte, wäre ich jedenfalls nie auf die Idee gekommen, dass es sich "nur" um eine Produktion fürs Fernsehen handelt.

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Prisma
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Re: DER KLEINE LORD - Jack Gold

Beitrag von Prisma »



Alle Jahre wieder... Nach der gestrigen TV-Ausstrahlung ist "Der kleine Lord" in diesem Jahr so etwas wie der persönliche Weihnachtsstart gewesen, genau genommen wie vielleicht jedes Jahr, auch wenn die Lust aufs ganze Klimbim fehlt. Seit ich den Film kenne, schaue ich ihn mir immer wieder gerne an, denn da ist viel Nostalgie beteiligt, auch wenn das Geschehen phasenweise bestimmt ziemlich dick aufträgt. Zumindest sieht es das heutige Auge so. Wie dem auch sei, Jack Gold ist ein Weihnachtsklassiker gelungen, der seine über vierzig Jahre erstaunlich gut weggesteckt hat und vor allem von dem ungleichen Duo Rick Schroder und Alec Guinness profitiert, wenngleich die übrigen Interpretationen auch sehr passgenau aufspielen, wie etwa Connie Booth. Es ist davon auszugehen, dass dieser oft ergreifend wirkende Familienfilm auch heute noch zahlreiche Zuschauer fesseln kann, denn sonst würde er um die Weihnachtszeit sicherlich nicht alle Nase lang gesendet werden.

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