KUNSTRAUB von Edgar Kaufmann

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
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nyby
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KUNSTRAUB von Edgar Kaufmann

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KUNSTRAUB / (DDR 1980)
mit Marion van de Kamp, Wolfgang Dehler
Eine Produktion des DDR Fernsehens

Ja, so kennt man die Stasi – immer höflich, mit besten Umgangsformen. Als ein Mann der DDR-Staatssicherheit einen Nachportier außer Dienst befragt, ist ihm das sichtlich unangenehm: „Entschuldigen Sie, Sie hatten ja Nachtschicht.“ „Aber das macht doch nichts.“ Zeitgleich in der BRD ist das anders: Die Polizei, hier symbolisiert von der Münchener Kripo und einem schmerbäuchigen Kommissar, ist korrupt, und eigentlich zieht der CIA die Fäden in einem Land, das „die Rechtsnachfolge des Kaiserreichs“ angetreten hat, wie im Film vermerkt wird. So spielt es sich ab in „Kunstraub“, einem Film des DDR-Fernsehens von 1980; als spannende Krimi-Unterhaltung eignet sich der recht behäbige Film weniger denn als Stück Zeitgeschichte: Wie hat sich die DDR in staatseigenen Produktionen dargestellt – und wie hat sie auf den Klassenfeind jenseits der Mauer geschaut?

„Kunstraub“ erzählt von einem thüringischen Museumsdirektor, der wertvolle Stücke aus dem Archiv verhökert - unter anderem Richtung Westen an eine Konstanzer Antiquitätenhändlerin mit dem schönen, Kapitalismus-Aroma versprühenden Namen Münzenberg. Des Direktors bester Kunde im Osten ist ein Wissenschaftler, der atke Duellpistolen sammelt. Auf die Spur des Ganzen kommt die deutsche CIA-Filiale, die in feudalen, wenn auch etwas muffig wirkenden Büros mit drei Telefonen auf dem Schreibtisch residiert, deren Agenten gerne „Sir“ sagen und die die von ihnen Überwachten mit knappen Formulierungen treffsicher klassifizieren: „Preußischer Beamtentyp mit Künstlertouch“ heißt es da und, wenig kunstsinnig, „fanatische Sammler sind Verrückte“.

Die CIA fasst einen sinistren Plan: Sie gibt einen Einbruch ins das Thüringer Musum in Auftrag, ausgeführt von West-Kräften, nämlich „arbeitslosen Türken, die kaum ein Wort Deutsch verstehen“. Aus dem Diebesgut wird dem DDR-Wissenschaftler eine besondere Duell-Pistole untergeschoben, mit dem er umgehend erpresst wird. Wenn er nicht seine Unterlagen zum „Projekt PV 300“ herausrückt (es geht um Raumfahrt), wird publik gemacht, dass der Wissenschaftler Diebesgut in seiner Sammlung hortet. Was tun? Kooperieren oder sich der Stasi offenbaren? Er tut das aus Regime-Sicht einzig Richtige und offenbart sich der Stasi, die im Film von zwei recht lässigen Beamtentypen repräsentiert werden (in einem architektonisch deutlich reduzierteren Büro als dem der CIA). Sie wirken wie eine Mischung aus dem westlichen „Tatort“-Kommissar Haferkamp und einem freundlichen Oberstudienrat. Gemeinsam zeigt man der CIA eine lange sozialistische Nase.

Filmisch aufregend ist das nicht, sondern recht behäbig erzählt, aber es bleibt interessant, wie der Film die unterschiedlichen Staatssysteme schildert: Im Westen ölige CIA-Leute und eine Antiquitätenhändlerin, die etwas trotzig darauf verweist, dass aus Sicht des Westens „die Organe der DDR rechtlich nicht existieren“ und dann noch erklärt, dass Weißherbst „ein kräftiger Wein aus dem Hängen des Klosters Birnau“ ist, was wie ein Stück bürgerliche Bodensee-Dekadenz klingt.
Die Stasi selbst ist im Film überraschend wenig präsent. Die beiden lässigen und vertrauenswert wirkenden Herren treten erst in der letzten halben Stunde auf den Plan, und merkwürdigerweise spart der Film die Offenbarung des Wissenschaftlers bei der Stasi aus – er erzählt nur seiner Gattin davon und wirkt dabei wie jemand, der erleichtert bis erlöst aus der Kirche kommt. Vielleicht fiel seine Offenbarung unter das filmische Beichtgeheimnis.

DVD bei Studio Hamburg

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