EIN TODESFALL WIRD VORBEREITET - Karl Fruchtmann

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
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Percy Lister
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EIN TODESFALL WIRD VORBEREITET - Karl Fruchtmann

Beitrag von Percy Lister »

"Ein Todesfall wird vorbereitet" (Deutschland 1963)
mit: Eva Pflug, Jürgen Goslar, Hans Epskamp, Alfred Balthoff, Peter Schütte, Dieter Naumann, Herta Fahrenkrog, Heinz Fangmann, Christiane Schmidtmer | Buch: Jack Popplewell | Regie: Karl Fruchtmann

Der Kriminalschriftsteller James Murray ist hoch verschuldet, da sein aufwendiger Lebensstil allein durch die Verkäufe seiner Bücher nicht mehr finanziert werden kann. Eines Abends eröffnet er seiner Frau Lee, dass er plant, eine Lebensversicherung über 50.000 Pfund abzuschließen und selbst in den Genuss des Geldes zu kommen, indem er einen fremden Mann tötet und dessen Leiche als seine eigene ausgibt. Lee soll den Toten als ihren Ehemann identifizieren. Anfangs scheint das kühne Vorhaben aufzugehen, doch dann schaltet sich der Versicherungsdetektiv Morrison in die Ermittlungen ein und meldet Zweifel an, dass sich wirklich alles so zugetragen hat, wie es die Witwe den Behörden schilderte. Allerdings kann auch er gewisse überraschende Wendungen nicht voraussehen....

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Versicherungsbetrug ist ein beliebtes Sujet, wenn es darum geht, einem Mordfall Würze zu verleihen. Er stellt die Königsklasse des Verbrechens dar, weil es nicht nur darum geht, die Polizei zu täuschen, sondern auch die Gesellschaft, bei welcher der Verstorbene hoch versichert war. Ein ausgeklügelter Plan, der mit dem Publikum geteilt wird, sorgt für eine intelligente Herausforderung, müssen doch alle Eventualitäten berücksichtigt und mögliche Zweifel aus dem Weg geräumt werden. Das Unbehagen, das die weibliche Hauptfigur befällt, als ihr der Partner von seinen morbiden Gedankenspielen berichtet, bleibt über die gesamte Laufzeit aufrecht. Lee Murrays ungutes Gefühl deutet auf eine Schwachstelle in diesem Vabanquespiel, die früher oder später wie ein Bumerang zurückkehren und seinen Absender mit voller Wucht treffen wird. Die scheinbar ausweglose Situation befördert die Überzeugung von Mord als einziger Option, weil der Niedergang schon zu weit fortgeschritten ist und Lebensstil und Ansehen nicht aufgegeben werden wollen. Das Opfer ist rasch gefunden; ein alleinstehender Mann, der die Abgeschiedenheit sucht, um den Menschen aus dem Weg zu gehen und den Tag so zu gestalten, wie es ihm passt. In den Augen von James Murray handelt es sich hier um einen Vogelfreien, den niemand beweinen und somit auch niemand missen wird. Ohne den Schutz einer Person oder Institution, die sein Ableben registriert, ist sein Dasein verwirkt. Das Auftauchen einer neuen Bekanntschaft ist deshalb ein Faktor, der den Todgeweihten unberechenbar macht und seine Überlebenschancen erhöht. Die Erwartungen, die Murray an ihn stellt, verschwimmen zusehends und streuen Sand in das vormals perfekt erschienene Getriebe.

Ein Fernsehspiel hat es nicht leicht, sich im Umfeld technisch ausgereifter Kinoproduktionen oder hoch budgetierter Mehrteiler zu behaupten, denn der theaterhafte Effekt lässt sich oftmals kaum übertünchen. Der Einfallsreichtum des Szenenbildners und die Präzision und Experimentierfreude der Kamera können hier im Zusammenspiel mit versierten Darstellern viel Boden gutmachen. Der Zuschauer darf nicht das Gefühl haben, beengte Verhältnisse zu beobachten, in denen sich die Figuren kaum bewegen und noch weniger entfalten können. Trotz der überschaubaren Kulisse, die nur aus dem Landhaus besteht, gelingt es im vorliegenden Fall, Abwechslung zu bieten und den Horizont über die Fläche hinaus zu erweitern. Obwohl das Bühnenbild nur einen einzigen Raum umfasst, deutet eine geschickt montierte und stimmig beleuchtete Tapete im Hintergrund auf einen imaginären Strand hin, der sowohl den Weg ins Freie weist, als auch sinnbildlich für die offenen Möglichkeiten steht, den kriminellen Plan Murrays umzusetzen. Jürgen Goslar erweist sich hier als vorzüglicher Meister morbider Illusionen, die er nicht ohne Stolz vorträgt und Eva Pflug damit mehr und mehr in die Enge treibt. Sie wird zur passiven Handlangerin degradiert, während seine Selbstsicherheit keinen Zweifel daran lässt, dass er seine Überlegungen in die Tat umsetzen wird. Dennoch liegt die Nervosität wie abgestandener Zigarettenrauch in der Luft und sorgt für Beklemmung, je näher die Stunde der Wahrheit rückt. Das Unbehagen der Hauptdarstellerin wird sich über die gesamte Laufzeit ziehen und durch mehrfache Wendungen in der Geschichte verstärken. Die Gedankengänge des Zusehers sollen vorweggenommen und seine Vorahnungen widerlegt werden.

Eva Pflugs Selbstbeherrschung täuscht eine Überlegenheit vor, die anfangs gar nicht vorhanden ist und durch physische Angriffe wieder aus dem Gleichgewicht gebracht werden wird. Ihre unterkühlte Darstellung einer Frau, die sich nicht zum Spielball männlicher Phantasien machen lassen möchte und einen Ausweg sucht, überzeugt durch beherrschtes Auftreten und eisige Abfuhren. Sie braucht keine Freunde, nicht einmal Verbündete, nur den Glauben an sich selbst und gute Nerven. Ein Mime, der leicht unterschätzt wird, ist Alfred Balthoff. Er ist der Nutznießer seiner Unauffälligkeit, ein genauer Beobachter, der Gesagtes präzise auswertet und aus seinen Erfahrungen schöpft. Er heftet sich an die Fersen der Nutznießer des lukrativen Todesfalls und bohrt sich mit seinen investigativen Fragen wie ein Maulwurf durch die Erdkruste. Er kann frei heraus reden, darf anecken und gesellschaftliche Spielregeln umgehen - dem Kriminalbeamten a. D. Bill Price hingegen sind die Hände gebunden, da er ein Freund des Ehepaars Murray ist. Das Fernsehspiel verdankt es dieser kommunikativen Ebene, dass es den Zuschauer bis am Ende für den vertrackten Versicherungsfall einnehmen kann und sich die Nervosität der Figuren erfolgreich auf ihn überträgt. Der Plot nimmt nicht nur eine überraschende Wendung, sondern übt sich im dreifachen Rittberger, wenn auch nicht ganz so elegant wie auf der Eisfläche. Wer nostalgische Kurzweil der alten Schule sucht, wird "Ein Todesfall wird vorbereitet" auch mehrfach genießen; die Schauspieler stellen hier ein aussagekräftiges Gütesiegel dar.

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