DER HAMMERMÖRDER - Bernd Schadewald

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
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Percy Lister
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Registriert: Sa., 14.11.2020 16:15

DER HAMMERMÖRDER - Bernd Schadewald

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"Der Hammermörder" (Deutschland 1990)
mit: Christian Redl, Ulrike Kriener, Silvan Oesterle, Timmy Vetter, Ulrich Pleitgen, Oliver Stritzel, Walter Kreye, Verena Plangger, Christoph Hofrichter, Peter Rühring, Rudolf W. Brem, Thessy Kuhls, Christiane Timmerding, Peter Jochen Kemmer u.a. | Drehbuch: Fred Breinersdorfer | Regie: Bernd Schadewald

Mit einem großen Vorschlaghammer zertrümmert ein maskierter Räuber das Sicherheitsglas des Kassenschalters einer schwäbischen Volksbankfiliale. Der Unbekannte erbeutet mehrere Tausend DM, weitaus schlimmer ist jedoch die Entdeckung, die die Polizei wenig später auf einem Waldparkplatz macht: ein Autofahrer ist durch einen Schuss ins Gesicht getötet worden, sein Wagen wurde für den Überfall verwendet. Ein halbes Jahr später das gleiche Szenario: Mord an einem Autobesitzer, Banküberfall mit einer diesmal recht stattlichen Beute von fast 80.000 DM. Die Polizei bildet die "Sonderkommission Hammer" und vermutet bald aufgrund der verwendeten Munition, dass der Täter aus ihren Reihen kommen muss. Der Frau von Polizeiobermeister Erich Rohloff kommt ein schrecklicher Verdacht....

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Fröhliches Vogelgezwitscher eröffnet den Fernsehfilm, der die harten Fakten noch vor dem Vorspann präsentiert und gar keinen Zweifel daran lässt, dass man es hier mit einer semidokumentarischen Umsetzung und nicht mit einem whodunit zu tun hat. Optische Anleihen bei Hitchcocks "Immer Ärger mit Harry" unterstreichen die Tragik der Umstände; ein spielendes Kind begegnet dem Tod, ebenso wird am Ende ein anderes Kind dem Tod ins Auge sehen, diesmal jedoch untermalt von den Stimmen kreischender Möwen. Die Kaltblütigkeit, mit der die Taten verübt werden und die vielen unnötigen Spuren, die der Täter hinterlässt, schließen auf einen Mann, der zwar einerseits nach einem vorgefertigten Muster arbeitet, es andererseits aber an durchdachten Konsequenzen fehlen lässt. Die Angst und das Misstrauen sind seine ständigen Begleiter. Der Schutz, den ihm die Zugehörigkeit zur Polizei gewährt, wird zum Fallstrick; seine Schulden und die damit verbundenen Forderungen seiner Gläubiger schwächen seine Glaubwürdigkeit zusätzlich. Emotional engagiert ist er nur, wenn es um seine Kinder und die Wahrung der bürgerlichen Fassade geht. Ansonsten bleibt er einsilbig und teilnahmslos und versteckt sich hinter einer autoritären Haushaltsführung. Christian Redl beeindruckt durch seinen stechenden wasserblauen Blick, der seine Umgebung feindselig mustert und aus einer Mischung von Selbsthass und Todessehnsucht handelt. Seit dem Tod der dreijährigen Tochter hat sich seine negative Perspektive auf das Leben verdichtet. Die Tilgung des für seine Einkommensverhältnisse ungewöhnlich hohen Kredits liegt in weiter Ferne, das Glück konnte der Hausbau nicht festhalten. Die gefühlte Beklemmung wird durch neue Möbel nicht kompensiert, Selbstvorwürfe und Beschuldigungen bleiben nicht aus. Die Äußerungen Rohloffs zur Todesstrafe sagen viel über ihn selbst aus; wenn er gerichtet werden soll, dann schonungslos radikal und endgültig. Immer wieder bäumt er sich gegen seine Überführung auf, träumt von einem Neubeginn und einem sicheren Hafen in der heilen Welt seiner Erinnerung.

Ulrike Kriener fällt als Ehefrau des Mörders und Räubers die Rolle der Beobachterin zu. Anfangs zeigt sie reges Interesse an der Überfallserie, grenzt das Geschehen draußen zu dem ruhigen Leben drinnen ab und lenkt sich damit von den eigenen Sorgen ab. Doch nach und nach bemerkt sie, dass die abstrakte Figur des "Hammermörders" kein gesichtsloses Monster ist, sondern in jenen Kreisen zu finden ist, denen ihr Mann angehört. Als sich Phasen der finanziellen Not mit Zeiten des Überflusses abwechseln und ihr Mann keine Erklärung dafür abgeben kann, schleicht sich der Verdacht ein, Erich könnte mit den Überfällen zu tun haben. Die volle Wahrheit kann und will sie sich nicht eingestehen, wenn sie nicht den Verstand verlieren will, doch die Unruhe zermürbt sie. Mit tiefen Schatten unter den Augen, fahrig, nervös und mit ihren Befürchtungen allein gelassen, zeigt Kriener eine Frau am Abgrund, deren Heim wie ein Gefängnis wirkt und deren Hoffnung auf einen Ausweg jeden Tag kleiner wird. Die tristen Farben der Wohnungseinrichtung, das kalte Licht, in dem die Personen die meiste Zeit verharren und der ungeschminkte Realismus des Zusammenlebens zweier sich entfremdeter Menschen betont die Ratlosigkeit, mit der sie dem Alltag begegnen. Statt die Polizeiarbeit zu zeigen, konzentriert sich der Film (zu) sehr auf die Perspektive des Täters. Der Schwerpunkt liegt eindeutig auf der persönlichen Tragödie des straffällig gewordenen Polizisten. Seine Opfer bleiben gesichtslos und verschwinden ebenso wie die Ermittler im Hintergrund. Das Sensationelle soll nicht im Splittern des Glases oder im Knallen der Schüsse gefunden werden, sondern in der Teilhabe am Leben des Mannes, der diesen Schrecken erzeugt. Hier liegt das Verstörende des Films, das sehr lange im Gedächtnis haften bleibt. Dennoch vermisst man eine Ausgewogenheit im Ringen um die Aufklärung der Taten. Gerade der Beruf des Täters hätte es angeboten, die Schlinge um den Mann früher enger ziehen zu können und damit ein spannendes Gegengewicht zu schaffen. Fred Breinersdorfer legt sein Augenmerk jedoch auf die menschliche Tragödie der Familie, der er nachhaltig Raum gibt. "Der Hammermörder" weckt Erinnerungen an die schaurigen Warnungen der Erwachsenen vor der Welt des Bösen, die sich in Form von "Aktenzeichen Xy.... ungelöst"- Folgen ausdrückten. Lag der Fokus dort allerdings auf der Ergreifung des Täters mithilfe von gesammelten Indizien, öffnet diese Produktion die Tür zur Privatsphäre des Täters und schöpft ihren Schrecken aus der Psychologie eines seelisch gebrochenen Mannes, der sich schon lange auf einem Weg befindet, von dem es kein Zurück mehr gibt.

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