DIE GENTLEMEN BITTEN ZUR KASSE - John Olden & Claus Peter Witt

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
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Maulwurf
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DIE GENTLEMEN BITTEN ZUR KASSE - John Olden & Claus Peter Witt

Beitrag von Maulwurf »

Die Gentlemen bitten zur Kasse
Die Gentlemen bitten zur Kasse
Deutschland 1966
Regie: John Olden & Claus Peter Witt
Horst Tappert, Siegfried Lowitz, Hans Cossy, Günter Neutze, Karl-Heinz Hess, Hans Reiser, Rolf Nagel, Wolfgang Weiser, Harry Engel, Wolfram Schaerf


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Am 8. August 1963 überfällt eine Bande von Gangstern den Postzug Glasgow-London, und kassiert die grösste Beute aller Zeiten: Zweieinhalb Millionen Pfund, das sind nach heutigem Wert etwa 50 Millionen Euro! Die Polizei dreht am Rad, die braven Bürger denunzieren alles was bei 3 nicht auf den Bäumen ist, und doch werden nicht alle der Gauner gefasst.

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Dieser Fernseh-Dreiteiler aus dem Jahr 1966 schildert den Überfall. In Teil 1 werden die Charaktere eingeführt und der Plan entwickelt. Teil 2 zeigt den eigentlichen Überfall sowie die Stunden danach, in denen die Bande sich versteckt hielt. In Teil 3 schließlich werden die Ganoven gejagt, gefangen genommen, verurteilt, und teilweise von den auf freiem Fuß befindlichen Kollegen wieder befreit. Die Schilderung ist dabei, bei knapp 75 Minuten pro Teil, sehr ausführlich und detailliert, was durch die damals übliche Erzählweise an der ein oder anderen Stelle manchmal etwas langatmig werden kann. Hinzu kommt das heute nicht mehr übliche Stilmittel des Sprechers der die Handlung erklärt. Dies wirkt mitunter etwas altbacken, kann aber bei einer so komplexen Geschichte Handlungsstränge vereinfachen und erläutern. Wie so oft gilt, dass man sich als heutiger Zuschauer halt darauf einlassen muss.

Aber im Wesentlichen wird flüssig und spannend erzählt. Der Höhepunkt neben dem eigentlichen Überfall ist natürlich, wenn sich die Bande anschließend auf einer Farm versteckt hält. Eifersüchteleien und Rivalitäten brechen aus, es bilden sich 3 verschiedene Gruppierungen die einander überhaupt nicht grün sind, und diese spannungsgeladene Stimmung wird sehr anschaulich erzählt. Auch die dritte Folge, in der ein sehr zurückhaltender Siegfried Lowitz seinen Part als Köster gewissermaßen vorab austestet, ist sehr spannend. Warum die Gruppe letzten Endes auffliegt und wie der Prozess verläuft, das ist interessant und mitreissend inszeniert. Der größte Teil der Bande wandert in den Bau, und die Schlusstitel fahren hoch. Nur um gleich wieder runterzufahren und einer Befreiungssaktion seitens der freien Gauner den Weg zu ebnen. Gut gemacht! Dann sind die Gangster wieder draußen, die Schlusstitel fahren hoch – und fahren gleich wieder runter, weil noch eine Befreiungsaktion startet. Toll!!

Die Musik pendelt ein wenig zwischen deutscher Fernsehgemütlichkeit und grooviger Big Band, hat sich aber spätestens nach der zweiten Folge in die Gehirnwindungen eingefräst und kommt da auch so schnell nicht wieder raus. Aufgrund des gigantischen Erfolgs der Serie erschien wohl offensichtlich auch eine Single mit dem Posträuber-Blues! Die schauspielerischen Leistungen sind erstklassig und alle einzeln zu würdigen ist fast unmöglich. Allen voran Horst Tappert und Günther Neutze, bei denen es sehr viel Spaß macht zuzuschauen. Vor allem Günther Neutze kann mit einem Blick Zuschaueremotionen nach Belieben beeinflussen. Grit Böttcher und Kai Fischer als Gaunerliebchen, wobei erstere ja völlig gegen ihr Image besetzt wurde, waren beide eine sehr gute Wahl war. Und dazu viele viele Gesichter, die aus dem Fernsehen der 60er und 70er-Jahre bekannt sind: Karl-Heinz Hess, Hans Cossy (bekannt aus der RAUMPATROUILLE ORION) und ganz viel andere Gesichter dieser Zeit. Explizit erwähnen möchte ich Harry Engel, der wie eine Mischung aus Yves Montand und Ian Curtis aussah, und mir damit sehr gut gefallen hat.

Die Wikipedia spoilert zwar die Handlung leider ein wenig, liefert aber auch einige sehr interessante Informationen in Bezug auf die Dreharbeiten und die Drehorte (wie zum Beispiel, dass die englischen Dreharbeiten mangels Drehgenehmigung meist mit versteckter Kamera ausgeführt wurden!).
Fazit: Ein wirklich spannender und interessanter Ausflug in die 60er Jahre, der trotz (oder wegen?) seiner etwas verstaubten Art locker 7 von 10 Postsäcken erhält. Empfehlenswert für alle Deutsch-Krimi-Fans.

Der Soundtrack:


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