DAS NACHTLOKAL ZUM SILBERMOND - Wolfgang Glück

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
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Prisma
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DAS NACHTLOKAL ZUM SILBERMOND - Wolfgang Glück

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DAS NACHTLOKAL ZUM SILBERMOND


● DAS NACHTLOKAL ZUM SILBERMOND (D|1959)
mit Marina Petrowa, Marisa Mell, Pero Alexander, Jürg Holl, Loni von Friedl, Erica Schramm, Aina Capell und Rolf Olsen
es singen Angèle Durand, Camillo und die Nielsen Brothers
eine Produktion der Rex-Film | im Verleih der Union-Film
ein Film von Wolfgang Glück

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»Wenn du nicht parierst... Ich sag dir, du verschwindest spurlos!«


Fünf junge Mädchen träumen vom großen Glück. Über eine Agentur werden sie als Tänzerinnen für das sich im vorderen Orient befindende "Nachtlokal zum Silbermond" engagiert, doch es zeigt sich schnell, um welches Etablissement es sich dabei eigentlich handelt. Als sich herausstellt, dass einige der jungen Damen als Tänzerinnen ungeeignet sind, möchte Inhaberin Magalie (Marina Petrowa) sie sofort wieder zurück nach Europa schicken. Ohne Geld, Ausstattung und festsitzend Knebelverträgen, wissen die Mädchen nicht mehr ein noch aus. Hinzu kommt, dass ihre Pässe in Gewahrsam genommen wurden. So kommt es, wie es kommen muss und ihnen wird angeboten, die entstandenen Schulden auf eine andere Art und Weise beglichen zu können. Nach anfänglichem Sträuben enden sie also in Striptease-Nummern und als Tischdamen für reifere Herren. Träume zerplatzen. Die Polizei hat das Lokal, die zwielichtige Magalie und ihren Partner Jussuf (Jürg Holl) längst allerdings im Visier. Es ist bekannt, dass das Lokal ein Umschlagplatz für Juwelenhandel sein muss, doch in diesem Zusammenhang konnte bislang nie etwas nachgewiesen werden. In der Zwischenzeit geraten die Mädchen immer mehr in Bedrängnis. Werden sie wieder unbeschadet aus diesem Alptraum heraus kommen..?

Mit "Das Nachtlokal zum Silbermond" inszenierte Regisseur Wolfgang Glück einen mit eher mäßigem Tempo ausgestatteten Schlager-Krimi, dem man allerdings eine ganz gelungene Atmosphäre bescheinigen darf. Die Handlung wirkt beispielsweise aufgrund der Kulissen und der Ausstattung über weite Strecken recht einfach und beinahe isoliert, dennoch nimmt die Geschichte im letzten Drittel des Verlaufs noch an Fahrt auf und die insgesamt verlangsamte Erzählstruktur wirkt weniger gravierend. Aus heutiger Sicht wirkt Vieles ziemlich bieder und ist eher altbacken anzuschauen, bedenkt man aber das frühe Produktionsjahr, so wirken etliche Veranschaulichungen schon wieder fast gewagt, wie beispielsweise die aufreizenden Striptease- und Tanz-Darbietungen oder angedeutete Affären und hautnaher Körpereinsatz. Da sich Strecken der Handlung im Lokal selbst abspielen, wurde das Szenario mit einigen Interpreten angereichert, unter denen die belgische Sängerin Angèle Durand mit ihrem Titellied "Im Nachtlokal zum Silbermond" noch die beste Figur machen kann. Überhaupt hat man es bei diesem Chanson mit einem charakteristischen Aufhänger zu tun, der einen merklichen Ohrwurm-Charakter besitzt. Das Nachtleben mit all seinen Freuden, Komplikationen und Auftritten streckt die Handlung erheblich, sodass der eigentliche Kriminalfall hinten anstehen muss und lediglich durch einige der Hauptpersonen am Leben gehalten wird. Spannend ist die Geschichte rund um die Nötigung von jungen Mädchen und geheimem Juwelenhandel jedenfalls kaum ausgefallen, es sei denn, die Regie setzt explizit auf Tempo, leichte Action und geschliffene Dialoge, um für eine angemessene Stimmung zu sorgen.

Die Besetzung unterstützt das Geschehen überdurchschnittlich gut, führt aber unterm Strich auch zu dem Problem, dass der Film komplett in Vergessenheit geraten ist, da er weitgehend ohne zugkräftige Namen in den Hauptrollen auszukommen hat. In diesem Zusammenhang blieb vielleicht schon zur Kino-Auswertung auch der große Erfolg aus. Rückblickend ist dieses zeitgenössische Experiment aber insofern anerkennenswert, da es durchgehend überzeugende Leistungen der Schauspieler zu sehen gibt und sich dieses Wagnis effektiv in den Leistungsprofilen der Beteiligten widerspiegelt, und sich somit für die Geschichte positiv auszahlt. Die jugoslawische Schauspielerin Marina Petrowa überzeugt als unerbittliche Inhaberin des dubiosen Nachtlokals - und das auf ganzer Linie. Magalie hätte zwar ruhig noch skrupelloser vorgehen dürfen, aber sie hinterlässt mit ihrer durchtriebenen Vehemenz auch so einen beachtlichen Eindruck. Im Umgang mit ihren Mädchen wirkt sie boshaft und zynisch, man sieht eine Frau die von eisiger Kälte umgeben ist. Richtig überzeugend wird sie, wenn es um ihre zweifelhaften Geschäfte geht. Es ist durchaus anzuerkennen, dass Marina Petrowa hier eindeutig unter Beweis stellt, dass sie auch für klassische Hauptrollen geeignet war, die sie jedoch nur selten zu spielen hatte. Ihr Geschäftspartner und Liebhaber Jussuf, der von dem eher unbekannten Pero Alexander gespielt wird, agiert ebenfalls nicht zimperlich, verliebt sich aber in eines der Mädchen, bis die vorprogrammierte Katastrophe ihren Lauf nehmen kann. Als Vertreter der Polizei sieht man keinen Geringeren als Rolf Olsen, doch leider bewegt sich die Rolle der Polizei in etwas stiefmütterlichen Sphären, sodass man auf bahnbrechende Interventionen also fast vergeblich warten kann.

Nach abgeschlossener Schauspiel-Ausbildung ist Marisa Mell in dieser Produktion in ihrer ersten großen Rolle zu sehen. An ihrer Interpretation sieht man, dass sie gerade voller Tatendrang war und ihre temperamentvolle Darbietung macht richtig Spaß. Innerhalb der Mädchengruppe kristallisiert sich schnell heraus, dass sie eine Art Sprachrohr oder Anführerin werden wird. Liliane steht den schwächsten und hilflosesten Mädchen mit Rat und Tat zur Seite und legt sich immer wieder mit der Geschäftsführerin Magali an. Hier entstehen sehr unterhaltsame Dialoge die das Katz-und-Maus-Spiel forcieren, bis es sogar zu ungefährlicheren Handgreiflichkeiten kommt. Marisa Mell wurden gleich mehrere Großaufnahmen der insgesamt zu starr wirkenden Kamera zugedacht, und überhaupt bekommt der Film seinen Charme und etwas Chic durch die weiblichen Darbietungen, die größtenteils anmütig wirken. Erwähnenswert ist, dass Marisa Mell hier gleich zu Beginn ihres Schaffens ihre erste Strip-Nummer zu absolvieren hatte, die zwar hoch reichlich zugeknöpft wirkt und bleibt, aber insofern recht interessant ist, da man im Verlauf ihrer Karriere viele weitere dieser künstlerisch sehr wertvollen Darbietungen miterleben durfte. Der Grundstein ihrer Typisierung wurde also bereits in diesem Film gelegt. Ihre Domäne sollten fortan und beinahe ausschließlich selbstbewusste Frauen werden, die sich nicht mehr retten oder bevormunden lassen wollten, um ihr Glück und Schicksal selbst in die Hände zu nehmen. Hier sieht man sie mit den anderen Leidensgenossinnen in der Tanzeinlage namens »Die Geburt der Venus in der Hexenküche«, was in ihrer gezügelten Form und für heutige Begriffe eher zum Schmunzeln verleitet.

Der Film wartet mit einigen Krimi-Zutaten auf. Angedeuteter Mädchenhandel, ein Umschlagplatz für undifferenzierte kriminelle Aktivitäten, zwielichtige Personen, ein Inspektor, der den Gaunern bereits auf der Spur ist, dunkle Kanäle und eine Fälscher-Werkstatt, in der erbeutete Juwelen umgearbeitet werden. Vielleicht kommt es sogar zu Mord? Diese Inhalte sind recht logisch und eingängig ineinander verstrickt worden, doch es fehlt erheblich an Spannung und Tempo. so kämpft die Produktion mit immer wieder auftauchendem Leerlauf, sodass auch das Finale in einer behäbigen Happy-End-Auflösung gipfelt muss und daher eine gewaltige Portion Naivität transportiert. Dieses Stichwort lastet übrigens auf der Rolle der Frau im Allgemeinen, auch wenn versucht wird, die Mädchen charakterlich so unterschiedlich wie möglich darzustellen. Der Zuschauer und Liebhaber derartig kurzweiliger Filme verzeiht diese Blauäugigkeiten jedoch gerne, weil Wolfgang Glücks Film insgesamt gut zu unterhalten weiß. Musikalisch gibt es neben den Schlagern und Chansons recht eingängige Melodien, die ein orientalisches Flair zu verbreiten versuchen, jedoch beim Thema Spannungsaufbau nicht gerade dienlich wirken. Die Geschichte an sich bleibt insgesamt etwas zu diffus und vorhersehbar, diverse Schauwerte versuchen von möglichen Ungereimtheiten abzulenken, was schließlich auch mit Abstrichen gelingt. Leider muss aber dennoch betont werden, dass hier nur Mittelmaß fabriziert worden ist, das zwar hochinteressant für Film-Nostalgiker wirkt, für Anhänger der ausgekochten Kriminal-Unterhaltung allerdings nichts Besonderes darstellt. Insgesamt stellt "Das Nachtlokal zum Silbermond" definitiv kein Highlight seiner Gattung dar, ist aber mit seinen ambitionierten Tendenzen immer immer einmal wieder gerne gesehen.

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