LIEBE KANN WIE GIFT SEIN - Veit Harlan

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
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Richie Pistilli
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LIEBE KANN WIE GIFT SEIN - Veit Harlan

Beitrag von Richie Pistilli »

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Liebe kann wie Gift sein (D)
Quando l'amore è veleno (IT)
Impudeur (F)
Magdalena (ARG / MEX)

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D 1958

R: Veit Harlan
D: Sabine Sesselmann, Joachim Fuchsberger, Werner Peters, Willy Birgel, Paul Klinger, Renate Ewert, Helmut Schmid, Paul Henckels, Marina Petrova, Alice Treff, Reinhard Kolldehoff u.a.


dt. Kinopremiere: 23.07.1958

Score: Orchester Erwin Halletz & Die Montecarlos

Wikipedia

Filmportal

OFDb



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"Sagen Sie mal: Merken Sie gar nicht, ob ein Mensch anständig ist oder nicht?!"


Ach Du dickes Ei! - Anstatt eines erwarteten Sozialdramas entpuppte sich Veit Harlans köstliche Regiearbeit vielmehr als ein astreiner Sittenreißer, bei dem auch noch ständig die gutbürgerliche Moralkeule ordentlich geschwungen wird.

Sabine Sesselmann spielt dabei die Rolle einer hochanständigen und wohlerzogene Präsidententochter aus bestem Haus, die infolge ihrer Naivität das Opfer einer niederträchtigen Wette wird, welche wiederum der schmierläppige Galeriebesitzer Bogolla (Werner Peters) mit dem skrupellosen Nacktbildmaler Robert Ferber (Helmut Schmid) abgeschlossen hat: Wenn es Ferber gelingen sollte, ein Nacktbild von der braven Präsidententochter zu malen, dann spuckt ihm Bogolla eine Gewinnprämie von 2000 DM aus. Gesagt, getan und bereits am nächsten Tag findet sich die unschuldsvolle Magdalena Köhler in den Fängen des skrupellosen Aktmalers wieder, in den sie sich obendrein auch noch Hals über Kopf verliebt. Was folgt, ist nicht nur die Verabschiedung ihrer Unschuld, sondern auch ein lebensgroßes Nacktgemälde, für welches sich Magdalena infolge ein paar warmer Versprechungen bereitwillig hingibt. Doch anstatt glücklich und sorglos auf Wolke Sieben weiterzuschweben, ereilt sie bereits am darauffolgenden Tag die grausame Realität, denn Ferber hatte sie am Vorabend nicht nur von einem schmierseligen Kumpanen abfüllen und missbrauchen lassen, sondern gab auch noch ihr Nacktbild zur öffentlichen Ausstellung in Bogollas Galerie frei. Als Folge ihres skandalösen Treibens verweist sie ihr erzkonservativer Vater daraufhin zunächst seines Hauses, bevor Magdalena dann auch noch von ihrem geliebten Robert Ferber die kalte Schulter gezeigt bekommt. Was wiederum folgt, ist ein sozialer Vollabsturz, der ähnlich schnell wie im zehn Jahre später erscheinenden STRAßENBEKANNTSCHAFTEN AUF ST. PAULI von statten gehen sollte: Kaum in der Gosse angekommen, bietet sich Magdalena nicht nur ungeniert schmierigen Stelzböcken als Prostituierte an, sondern verfällt auch binnen weniger Tage dem Morphium, welches sie von da an tagtäglich in ihre Venen drückt.

Und die Moral von der Geschicht: Widersetze Dich den von Deinen Eltern vorgegebenen Regeln nicht!
(oder auch einfach nur: "Spiel nicht mit den Schmuddelkindern!")


Ein wahrhaft unterhaltsames Sittengemälde, welches Regisseur Veit Harlan Ende der 50er auf das konservative Bürgertum losließ. Aus heutiger Sicht wirkt zwar vieles maßlos übertrieben und konstruiert, was aber dem köstlichen Filmvergnügen wiederum keinen Abbruch tut. Hinzu gesellen sich eine ordentliche Portion Naivität und eine allgegenwärtige Moralkeule, die von den Vertretern des konservativen Bürgertums in höchsten Sphären geschwungen wird. Einzig der von Paul Klinger verkörperte Geistliche bringt der geschundenen Seele ein wenig Verständnis entgegen, was wiederum damals nicht nur von der FSK angeprangert wurde, sondern scheinbar auch eine geschnittene Premierenfassung zur Folge hatte. Die ungekürzte Originalfassung gab es wohl erstmals in den 90ern im TV zu sehen. (Wikipedia)

Produzent Gero Wecker veröffentlichte bereits kurz zuvor den von Kurt Meisel inszenierten Sittenreißer MADELEINE TEL. 13 62 11, für dessen Hauptrolle er ebenfalls Sabine Sesselmann verpflichtete, die dann auch im vorliegenden Film von Veit Harlan ordentlich auf die Tube drückt. Abgerundet wird das Ganze mit einer Filmmusik von Erwin Halletz, wobei sich der Titeltrack Magdalena von den MONTECARLOS als ein wahrhaft 'grausamer' Ohrwurm entpuppt.


Fazit: "Dieser Schock hätte Magdalena in letzter Sekunde reumütig den Weg zurück zu ihrem Vater zeigen müssen. Durch falschen Stolz und innere Haltlosigkeit sinkt sie immer tiefer - und die Erkenntnis kommt immer zu spät, denn ein Mädchen, welches vielen gehört, wird am Ende keinem gehören."


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Score:


"Magdalena - wenn die Liebe nicht so schwer zu finden wär!"



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Sid Vicious
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Re: LIEBE KANN WIE GIFT SEIN - Veit Harlan

Beitrag von Sid Vicious »

Och, ganz so schilimm finde ich den Song "Magdalena" von den MONTECARLOS nicht. Aber das richtet sich vermutlich nach der subjektiven Tagesform. Manchmal stört mich stört mich die Ameise im Blumenkasten, manchmal ignoriere ich problemlos den Presslufthammerlärm des Straßenmalochers.

LIEBE KANN WIE GIFT SEIN hat mich recht gut unterhalten. Veit Harlan ist ja gemeinhin das berühmte wie berüchtigte zweischneidige Schwert. Ich durfte JUD SÜß bisher nicht schauen, falls sich die Gelegenheit bieten würde, dann würde ich sie allerdings sofort nutzen und den Film sichten. Ich finde, dass solche Filme, wie beispielsweise HITLERJUNGE QUEX, im Filmhistorischen als auch gegenwärtigen politischen Kontext extrem interessant sind. Und wer OPFERGANG geschaut hat, der wird zugeben müssen, dass Veit Harlan einen technisch einwandfreien Film geschaffen hat.

LIEBE KANN WIE GIFT SEIN zentralisiert den Abstieg einer Präsidententochter. Das Mädel, das nicht reuig wird und stattdessen im Sumpf von Prostitution und Drogensucht versinkt. Mehr Aufklärung statt Verklärung mit einer gut agierenden Sabine Sesselmann in der Hauptrolle.

Richie hat - wie so oft - mal wieder was Feines ausgegraben. Und prisma sollte sich den Film definitiv auch mal anschauen.
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Richie Pistilli
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Re: LIEBE KANN WIE GIFT SEIN - Veit Harlan

Beitrag von Richie Pistilli »

Sid Vicious hat geschrieben:
Mi., 17.08.2022 15:16
Und prisma sollte sich den Film definitiv auch mal anschauen.

Gehe mal schwer davon aus, dass Prisma diesen Sittenreißer schon gesehen hat. :)

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Prisma
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Re: LIEBE KANN WIE GIFT SEIN - Veit Harlan

Beitrag von Prisma »

Richie Pistilli hat geschrieben:
Mi., 17.08.2022 17:34
Gehe mal schwer davon aus, dass Prisma diesen Sittenreißer schon gesehen hat. :)

Ja, den Film habe ich schon gesehen, erinnere mich aber nicht mehr an so viele Einzelheiten, außer, das er mir gut gefallen und ein besonders spektakuläre Besetzung hat.
Also werde ich mir den demnächst nochmal reinziehen. ;)

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Sid Vicious
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Re: LIEBE KANN WIE GIFT SEIN - Veit Harlan

Beitrag von Sid Vicious »

Prisma hat geschrieben:
Mi., 17.08.2022 20:34
Richie Pistilli hat geschrieben:
Mi., 17.08.2022 17:34
Gehe mal schwer davon aus, dass Prisma diesen Sittenreißer schon gesehen hat. :)

Ja, den Film habe ich schon gesehen, erinnere mich aber nicht mehr an so viele Einzelheiten, außer, das er mir gut gefallen und ein besonders spektakuläre Besetzung hat.
Also werde ich mir den demnächst nochmal reinziehen. ;)
Ich bin in der Tube über den Kanal vom Slip Cap gestolpert. Da ist einiges an Stoff zu ziehen, der nur in der Glotze lief - z.B. SPUK IM SCHLOSS.
https://www.youtube.com/channel/UCg3xo0 ... _aRXK0-KNw
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Prisma
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Re: LIEBE KANN WIE GIFT SEIN - Veit Harlan

Beitrag von Prisma »



Veit Harlans Nachkriegsfilme widmeten sich mit Vorliebe (melo)dramatischen Inhalten und mitunter Themen, die andere Regisseure nicht behandelten, beziehungsweise ihnen womöglich erst gar nicht zugetragen wurden. Als wolle er sich vom seichten Unterhaltungsfilm dieser Zeit distanzieren, kann man unter Harlans Regie Überraschungen erleben, oder das buchstäbliche Öffnen der Büchse der Pandora. Obwohl die Qualitätsebenen und Bearbeitungsstile völlig unterschiedliche Ansätze verfolgen, ist er angesichts seiner verkappten und rückwärtsgewandten Art erotische Themen anzupacken fast mit Rolf Thiele zu vergleichen, unter dem Intention und Ergebnis auch oftmals nicht deckungsgleich werden wollten. Betrachtet man "Liebe kann wie Gift sein", bekommt man es zunächst mit einem technisch einwandfreien Film zu tun, der vor allem im Bereich der Darstellung ganz besondere Akzente setzt und mit einer Geschichte aufwartet, die es seinerzeit mit Tabuisierungen aufnahm. Sie ist unterhaltsam und weist auf Missstände der Gesellschaft oder deren gnadenlose Gesetzte hin, aber lange nicht so brisant oder prekär wie angenommen. Dieser Eindruck entsteht höchstens auf den zeitlichen Rahmen reduziert, was sich etwa ebenso bei "Das dritte Geschlecht" zeigt. Ein Absturz kann 100 Gesichter und noch mehr Gründe haben, worauf der pathetisch klingende Titel der Produktion zwar hinweist, aber nur durch die exzellente schauspielerische Leistung von Sabina Sesselmann griffige Gestalt annimmt. Im Grunde genommen bekommt man es hier mit einem überdurchschnittlichen Filmerlebnis zu tun, dessen einziger Hemmschuh die noch größere, vielleicht übersteigerte Erwartungshaltung wird. Joachim Fuchsberger, Renate Ewert, Paul Klinger, Marina Ptrowa, Helmut Schmid, Werner Peters, Alice Treff und Willy Birgel trumpfen mit fein abgestimmten Darbietungen auf und verhelfen den melodramatischen Inhalten in die richtigen Bahnen. Am Ende bleibt der Film sehenswert und auch ambitioniert, muss sich aber gerade wegen der Regie Kritik gefallen lassen, die Probleme zwar thematisiert, ohne sie jedoch richtig angepackt zu haben.

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