IM BANNE DES UNHEIMLICHEN - Alfred Vohrer

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
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Prisma
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IM BANNE DES UNHEIMLICHEN - Alfred Vohrer

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● IM BANNE DES UNHEIMLICHEN / EDGAR WALLACE - IM BANNE DES UNHEIMLICHEN (D|1968)
mit Joachim Fuchsberger, Siw Mattson, Wolfgang Kieling, Claude Farell, Pinkas Braun, Edith Schneider, Peter Mosbacher,
Siegfried Rauch, Otto Stern, Renate Grosser, Hans Krull, Ilse Pagé sowie Lil Lindfors und Hubert von Meyerinck
ein Rialto Film Preben Philipsen | im Constantin Filmverleih
ein Film von Alfred Vohrer


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»Man wird mir erst glauben, wenn man mich tot aufgefunden hat!«


Sir Oliver Ramsey kommt bei einem Flugzeugabsturz ums Leben und bei seiner Trauerfeier ereignet sich ein eigenartiger Zwischenfall. Während man ihn zur letzten Ruhe in die Familiengruft trägt, ertönt aus seinem Sarg ein schauerliches Lachen. Für seinen Bruder, Sir Cecil Ramsey (Wolfgang Kieling), besteht kein Zweifel daran, dass sein toter Bruder aus dem Jenseits zurück gegehrt ist, zumal man seitdem eine unheimliche Gestalt in Form eines Skeletts um das Familienanwesen herumschleichen sehen konnte. Als auch noch sein Anwalt Dr. Merryl (Otto Stern) durch einen mit Gift präparierten Skorpionring ermordet wird, der Sir Oliver gehörte, ist es für den hinterbliebenen Bruder klar, dass er noch lebt und auf Rache sinnt. Inspektor Higgins (Joachim Fuchsberger) versucht die Motive herauszufinden und stößt langsam aber sicher auf mehrere perfide Zusammenhänge. Gemeinsam mit der Journalistin Peggy Ward (Siw Mattson), die für ihre Zeitung die »lachende Leiche« erfunden hat und Higgins bei den Ermittlungen oftmals einen Schritt voraus zu sein scheint, wird nach dem Mörder gesucht, der immer wieder zuschlägt...

Im Jahr 1968 befand sich die Edgar-Wallace-Reihe in einer von Regisseur Alfred Vohrer dominierten Phase, die bereits ein Jahr zuvor eingeläutet wurde. Nach "Der Hund von Blackwood Castle", dem Jubiläums-Wallace der Rialto-Film, der nebenbei erwähnt weit hinter den geschäftlichen Erwartungen zurückblieb, schickte Vohrer mit "Im Banne des Unheimlichen" wieder einen frischeren Beitrag ins Rennen, der Neuerungen und bewährte Zutaten miteinander vereinen konnte. Beim Publikum wurde dieser Kriminalfilm wieder wohlwollender angenommen, was im Rahmen einer sich anbahnenden Übersättigung verschiedene Gründe gehabt haben kann. Sicherlich spielt die Vielzahl an Darstellern eine nicht unmaßgebliche Rolle, ohne dabei allerdings die üblichen Maxime zu vernachlässigen. Hinzu kommt, dass dieser Fall durchaus extravagante Tendenzen offenbaren kann, und man neben klassischem Krimi zusätzlich Spuren von gepflegtem Thrill, bis hin zu Horror-Elementen wahrnehmen kann. Die Geschichte um Verrat und Rache ist kurzweilig und einfallsreich ausstaffiert worden, dennoch handelt es sich natürlich um ein weiteres Vohrer-Märchen, dessen Wahrscheinlichkeit erst gar nicht hinterfragt werden sollte. Spannung und Tempo werden in diesem bereits einunddreißigsten Wallace-Film ganz groß geschrieben, zusätzlich bekommt der Zuschauer nette Kniffe des Drehbuches angeboten, die Überraschungen und Wendungen bereit halten. Eine lachende Leiche treibt also ihr Unwesen und mordet sich systematisch durch das Umfeld des zwielichtigen Sir Cecil Ramsey, der nur eine von vielen Personen ist, die einen Schlüssel zu diversen Geheimnissen verbergen. Somit hat der erfahrene Routinier Inspektor Higgins alle Hände voll zu tun, um langsam aber sicher etwas Licht in den Londoner Nebel zu bringen. Obwohl die meisten bewährten Teile der Besetzung hier fehlen, entsteht ein sehr guter Gesamteindruck.

Als bekannte Wallace-Veteranen in gleichen Rollen sieht man in diesem Beitrag lediglich noch Joachim Fuchsberger und Ilse Pagé als Sekretärin Miss Finley, die ihrem Chef stets gehörig den Kopf verdrehen konnte. Weitere beteiligte Darsteller wie beispielsweise Pinkas Braun, Hubert von Meyerinck oder Otto Stern hatten die Reihe hier und dort zuvor schon bereichern können, stellen aber höchstens aufgrund der Anlegungen ihrer Rollen einen Wiedererkennungswert her. Die größten Neuerungen stellen schließlich die neuen Gesichter als einmalige Wallace-Gäste dar, vor allem sind hier Siw Mattson, Wolfgang Kieling, Peter Mosbacher und Claude Farell zu nennen. Aber zunächst zu den Hauptrollen. Joachim Fuchsberger sieht man in seinem zwölften und gleichzeitig vorletzten Auftritt in der Serie, seine Erfahrung scheint allgegenwärtig zu sein. Dennoch bekommt man nicht nur den Eindruck von Routine vermittelt, nein, es war ihm stets möglich, sich quasi neu zu erfinden. Auffällig agil und schlagfertig, nimmt er den Fall ganz nach Art des Hauses Fuchsberger in die Hand, und es macht erneut Spaß ihm zu folgen. Nach einer verständlichen amourösen Auszeit wegen Uschi Glas in "Der Mönch mit der Peitsche" darf er nun wieder Augen für die Damen haben und beweist dabei Geschmack. Ob es sich um die aufreizende Ilse Pagé, die bezaubernde Ewa Stroemberg oder die buchstäblich entwaffnende Siw Mattson handelt, Higgins hat die Augen offen und die Luft darf angenehm knistern. Rückblickend ist es als großes Ereignis und gleichsam großes Glück zu bezeichnen, dass Produzent Horst Wendlandt das Risiko einging, die damals vollkommen unbekannte Schwedin Siw Mattson für die weibliche Hauptrolle zu verpflichten, die mit viel Verve, Chic und Charme durch die Geschichte flanieren darf. Sucht man nach einer Definition für Spiellaune oder intuitive Gestaltung, muss man sich nur ihre Peggy Ward anschauen, was einen riesigen Spaß mit sich bringt.

Die Konstellation Fuchsberger und Mattson passt wie angegossen, denn man sieht sowohl Hund und Katze, als auch Harmonie und eine erotische Spannung. In dieser Beziehung hatte sich die Serie definitiv schon längst weiter entwickelt, hier nimmt man sogar einen Feinschliff wahr. Was Arbeit und Ermittlungen angeht, so ergänzt man sich eigentlich weniger, aber das gleiche gilt für den neuen Scotland-Yard-Chef Sir Arthur. Leider muss man betonen, dass Siegfried Schürenberg durch Hubert von Meyerinck ersetzt wurde, was sich schnellstens als einer der größten Kardinalfehler der gesamten Reihe herausstellt. Ein Ballett tanzender Vorgesetzter mit Entscheidungsgewalt über einen riesigen Polizeiapparat und haufenweise klamottigen Witzeleien kommt nicht unbedingt gut an, es sei denn, man ist für derartigen Haudrauf-Humor zugänglich. Insgesamt stellt von Meyerinck nach persönlichem Ermessen allerdings die einzige Fehlbesetzung in diesem Film dar, sodass die restlichen Darsteller mitunter für Furore sorgen können. Wolfgang Kielings einzige Verpflichtung bei Wallace stellt sich nach schnellster Zeit als kleines Kabinettstückchen heraus und man kann ihn dabei beobachten, wie er präzise zwischen Nervosität, Angst, möglicherweise Wahn und Berechnung hin und her pendelt. Garniert mit einigen hysterischen Anwandlungen und wütenden Ausbrüchen, bleibt diese Darbietung in lebhafter Erinnerung. Das gleiche kann man von seiner Gegenspielerin Claude Farell behaupten, die von ihrer Art her mit subtileren Mitteln operieren wird, um Sir Cecil seine gerechte Strafe zuzuführen. Dabei setzt sie alles daran, ihn wahlweise in einer Anstalt unterzubringen und es entsteht ein klassisches Tauziehen mit gepfefferten Dialogspitzen. Pinkas Braun als der Fremde wirkt von Anfang bis Ende undurchsichtig, allerdings hat man bei Edgar Wallace schon interessantere Darbietungen von ihm sehen können.

Das Ensemble wird mit sehr guten Leistungen von beispielsweise Siegfried Rauch, Peter Mosbacher und Synchron-Veteranin Edith Schneider abgerundet, ja, die Besetzung ist hier aufgrund ihrer besonderen Dichte sehr überzeugend. Neben Siw Mattson und Ewa Stroemberg sieht man eine weitere Skandinavierin, die sich hier für die fulminante Gesangsdarbietung verantwortlich zeigt. Unter dem Spezialisten Peter Thomas entstand ein Soundtrack, der in all den Jahren zweifellos einer der hartnäckigsten Ohrwürmer geblieben ist. Die musikalische Begleitung bei den Kriminalfilmen war in der Regel eine ausschließlich instrumentale Angelegenheit, daher ist es umso erfrischender, abwechslungsweise einmal einen gesungenen Beitrag in den Titel-Credits zu hören, der darüber hinaus perfekt zum Geschehen passt. Der turbulente Verlauf wird ganz im Sinne der Geschichte mit zahlreichen Leichen gepflastert und von Alfred Vohrer abwechslungsreich und spannend inszeniert, wenn das Phantom immer wieder zuschlägt. Für den lautlosen Tod ist ein Skorpionring verantwortlich, dessen Schwanz mit einem Gift präpariert ist, das Herzthrombosen verursacht, die praktischerweise so gut wie gar nicht nachgewiesen werden können. Zumindest ist dieser Einfall mal wieder etwas Neues gewesen und bedient eine spürbare Grusel-Komponente. Wie es bei Vohrer üblich war, sieht man hin und wieder recht krude Einfälle, die mal mehr, mal weniger gelungen anmuten, und eine Fülle an Details. Dabei wirkt die Kamera sehr aufmerksam und spielt mit vielen interessanten Einstellungen, die Schauplätze wirken aussagekräftig und es entstehen glücklicherweise zahlreiche Ortswechsel, inklusive eines spannenden Finales mit sehr gutem Whodunit, das praktischerweise direkt in einer Gruft stattfindet. Insgesamt gesehen hat dieser echte Edgar Wallace Einiges zu bieten und ist innerhalb der kurzweiligen Gesetze der Serie ein überdurchschnittlicher Verfechter der Spätphase geworden.

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Count Yorga
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Re: IM BANNE DES UNHEIMLICHEN - Alfred Vohrer

Beitrag von Count Yorga »

NFP Filmprogramm
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:hut:

Italo
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Re: IM BANNE DES UNHEIMLICHEN - Alfred Vohrer

Beitrag von Italo »

Den habe ich vor ein paar Tagen mal wieder gesehen. Der gehört für mich zu den schlechtesten Wallace Filmen, verzweifelt bemüht der Zeit Rechnung zu tragen aber streckenweise einfach nur peinlich. Man kann ihm zwar eine gewisse Unterhaltsamkeit nicht absprechen aber eher mit einem nostalgischen Blick auf die etwas sonderbareren deutschen Produktionen dieser Zeit.

5/10

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Prisma
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Re: IM BANNE DES UNHEIMLICHEN - Alfred Vohrer

Beitrag von Prisma »

Italo hat geschrieben:
Di., 03.11.2020 02:23
aber streckenweise einfach nur peinlich
Ist das auf den Humor bezogen, oder eher auf die Geschichte an sich?

Italo
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Re: IM BANNE DES UNHEIMLICHEN - Alfred Vohrer

Beitrag von Italo »

Prisma hat geschrieben:
Mi., 04.11.2020 21:15
Italo hat geschrieben:
Di., 03.11.2020 02:23
aber streckenweise einfach nur peinlich
Ist das auf den Humor bezogen, oder eher auf die Geschichte an sich?
Ich finde schon die Hauptdarstelleren bemüht hip und modern in ihren Dialogen, alles wirkt aufgesetzt und einfach Möchtegern.
Das Restaurant mit Personal, welches lebende Tauben auf dem Kopf trägt oder die beiden Zungen, die sich hinter einer Wand berühren.
Auch die Mundbeatmungszene usw.
Das alles wirkt so, wie der verzweifelte Versuch von Alfred Vohrer, der Zeit Rechnung zu tragen und kommt aber eher peinlich rüber.
Alfred Vohrer hat halt so eine Art von Humor, die aus heutiger Persektive streckenweise eher albern und kindisch wirkt, währenddessen ich aus in 2020, eher den Harald Reinl Stil bevorzuge, der deutlich zurückgenommener und zeitloser ist.
Außerdem ist das Drehbuch von IM BANNE DES UNHEIMLICHEN so verworren, dass man selbst bei einer Zweitsichtung immer noch nicht richtig durchblickt.

Trotzdem war ich neulich auch von der Sichtung von Vohrers "Der Bucklige von Soho" ziemlich begeistert, weil der so übertrieben ist, so over the Top und abwechlunsreich, dass er auch heute noch richtig fetzt. Da hat wirklich alles gestimmt.

Völlig überrascht war ich neulich von Franz Josef Gottlieb`s GRUFT MIT DEM RÄTSELSCHLOSS. Der ist unglaublich unterhaltsam, spannend und der Humor sitzt in jeder Szene wie eine Eins. Bei dem Film hatte ich mich gar nicht mehr erinnert, dass er einen der brutalsten Wallace Morde beinhaltet, der auch heute noch durch Mark und Bein geht. Außerdem ist die Musik von Peter Thomas bei GRUFT überragend.

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alan_cunningham
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Re: IM BANNE DES UNHEIMLICHEN - Alfred Vohrer

Beitrag von alan_cunningham »

Also ich finde "Im Banne des Unheimlichen" einfach doll :) Hohes Tempo, extrem unterhaltsam, tolle Darsteller (wie Wolfgang Kieling) und im wahrsten Sinne des Wortes knallbunt!

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Prisma
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Re: IM BANNE DES UNHEIMLICHEN - Alfred Vohrer

Beitrag von Prisma »

Italo hat geschrieben:
Mi., 04.11.2020 22:47
Ich finde schon die Hauptdarstelleren bemüht hip und modern in ihren Dialogen, alles wirkt aufgesetzt und einfach Möchtegern.

Auf die damalige Zeit bezogen war das auch eine moderne Performance, die im Wallace-Orbit beinahe ihresgleichen suchen muss. Wenn man den zeitlichen Transfer zu heute zieht, verliert jede Rolle und gleichzeitig jeder Film der Reihe. Mattson halte ich für eines der besten Matches innerhalb der gesamten Serie und ich sehe ihr wirklich gerne bei dem zu, was sie tut. Fuchsberger den Kopf verdrehen, auf eigene Faust und im Endeffekt mit mäßigem Erfolg recherchieren. Es handelt sich dabei um einen klaren Gegenentwurf zu alt hergebrachten weiblichen Wallace- und Film-Schablonen überhaupt. Aber das hängt natürlich davon ab, in welchen Hals man die quirlige Peggy Ward bekommt. ;)

Italo hat geschrieben:
Mi., 04.11.2020 22:47
Alfred Vohrer hat halt so eine Art von Humor, die aus heutiger Persektive streckenweise eher albern und kindisch wirkt

Auch hier muss man einfach sagen, dass es sich weitgehend wie ein roter Faden durch die Serie zieht. Es gibt Filme, die ich wegen des dick aufgetragenen Humors auch als verwässert ansehe und in anderen eine angenehmere Dosierung sehe, aber hier würde ich diesen Vorwurf gerade nicht so hart formulieren, da lediglich Hubert von Meyerinck stets über das Ziel hinaus schießt. Vohrer konnte - wenn man so will - seine Art von Humor platzieren, da er die Reihe dominiert hat, insbesondere in dieser Schlussphase. Früher habe ich da auch empfindlicher drauf reagiert, vor allem auf unnötige Spielereien, aber mit den Jahren hat sich das in den meisten Filmen gegeben. Ich halte Reinl übrigens auch für den verdienteren Regisseur innerhalb der Reihe, aber das beziehe ich auf die unterschiedliche Art zu inszenieren und den persönlichen Gusto. Die Pionierdienste schreibe ich unterm Strich allerdings Alfred Vohrer mit knappem Vorsprung zu, obwohl ein Vergleich zwischen den beiden einfach nicht funktioniert.


Italo hat geschrieben:
Mi., 04.11.2020 22:47
GRUFT MIT DEM RÄTSELSCHLOSS. Der ist unglaublich unterhaltsam, spannend und der Humor sitzt in jeder Szene

Den hatte ich die Tage auch gesehen. Ist nie einer meiner Favoriten gewesen und das hat sich auch nicht wesentlich geändert, gerade weil ich den Humor so unerträglich finde. Eddi Arent nervt hier eher, als dass man ihn als lustig identifizieren könnte. Unterhaltsam ist die "Gruft" allemal, aber dennoch finde ich, dass es wesentlich bessere und vor allem spannendere Vertreter gibt. Aber der Farbvorspann hat mir gefallen, den kannte ich bis dato noch nicht.


alan_cunningham hat geschrieben:
Mi., 04.11.2020 23:07
Also ich finde "Im Banne des Unheimlichen" einfach doll :) Hohes Tempo, extrem unterhaltsam, tolle Darsteller (wie Wolfgang Kieling) und im wahrsten Sinne des Wortes knallbunt!

Das kann ich nur unterstreichen. Gerade bei den Darsteller_innen hat man noch einmal viel herausgeholt und einige Wagnisse sind wirklich anerkennenswert. Etliche Veteranen und ein paar neue Gesichter, das kommt sehr gut an. Gerade Wolfgang Kieling hätte die Reihe hier und da zusätzlich bereichern können. Seine Performance hier ist sehr stark und überzeugend. Mitleid hat man am Ende trotzdem keines mit ihm. :mrgreen:

Percy Lister
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Re: IM BANNE DES UNHEIMLICHEN - Alfred Vohrer

Beitrag von Percy Lister »

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"Im Banne des Unheimlichen" (Deutschland 1968)
mit: Joachim Fuchsberger, Siw Mattson, Wolfgang Kieling, Claude Farell, Pinkas Braun, Peter Mosbacher, Hans Krull, Siegfried Rauch, Edith Schneider, Otto Stern, Renate Grosser, Wolfgang Spier, Jimmy Powell, Lil Lindfors, Hubert von Meyerinck, Ilse Pagé, Ewa Strömberg, Thomas Danneberg, Michael Miller, Max Wittmann u.a. | Drehbuch: Ladislas Fodor, bearbeitet von Paul Hengge nach dem Roman "The Hand of Power" von Edgar Wallace | Regie: Alfred Vohrer

Eine kleine Trauergemeinde nimmt in der Dorfkirche von Crawfield Abschied von Sir Oliver Ramsey, dessen sterbliche Überreste nach einem Flugzeugunglück in der Familiengruft beigesetzt werden sollen. Als der Sarg hinuntergetragen werden soll, ertönt ein schallendes Lachen, das der Bruder des Verstorbenen als jenes von Sir Oliver identifiziert. Die Reporterin Peggy Ward vom "London Star" macht daraus eine Sensationsgeschichte und als kurze Zeit darauf der Anwalt der Familie durch eine Giftinjektion stirbt, nachdem eine unheimliche Gestalt um das Anwesen geschlichen ist, gibt es Zweifel am Tod von Sir Oliver. Inspektor Higgins erfährt bei seinen Ermittlungen, dass mehrere Personen vom Ableben des Mannes profitieren. Das nächste Mordopfer lässt nicht lange auf sich warten....
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Ursprünglich sollte der neue Edgar-Wallace-Film unter der Regie des bewährten Alfred Vohrer "Die lachende Leiche" heißen, doch letztendlich entschied man sich dann für den gruseligen und auch ein wenig schicksalsschweren Titel "Im Banne des Unheimlichen". Tragisch, ja fast pathetisch gestaltet sich die Geschichte um die Adelsfamilie Ramsey, deren Einfluss immer noch groß genug ist, um die Honoratioren der Gemeinde für sich einzuspannen und finanzielle Abhängigkeiten zu schaffen. Der Kriminalfilm entstand zu einer Zeit, als sich die EW-Reihe wie so viele andere Produktionen neu orientieren musste, um weiterhin ein großes Publikum ansprechen und die Kosten einspielen zu können. Die solide Grundgeschichte des Streifens garantierte einen hohen Wiedererkennungswert mit den nostalgisch-gruseligen Werken aus den frühen Sechziger Jahren und variierte das Thema des schaurigen Maskenmörders dergestalt, dass selbst abgehärtete Kinobesucher den phosphoreszierenden Totenschädel fürchteten. Gleichzeitig erhielt der Tod eine besondere Referenz durch die feierliche Bedeutung, die ihm durch die Handlungsträger und den Verlauf beigemessen wurde. Der sakrale Rahmen, die Schuld aus der Vergangenheit, die Fragwürdigkeit der Todesumstände und die Verstrickung aller in ein Komplott, unterstützt die negative Stimmung, die gegen die Hinterbliebenen aufgebaut wird. Professionen, welche sich direkt oder indirekt vom Tod nähren, schicken ihre barschen und gleichgültigen Vertreter ins Rennen, angefangen beim Pfarrer, der kein Aufsehen wünscht, über den Arzt mit seiner tüchtigen Assistentin bis hin zum Bestattungsunternehmer, der zusammen mit dem Steinmetz von den sich häufenden Todesfällen profitiert. Der Arbeitgeber Thanatos sorgt auch für die geregelten Gehälter der Angestellten von Scotland Yard, die noch einmal von Inspektor Higgins vertreten werden. In diesem Sinne greifen die Abläufe perfekt ineinander und werden selbst im engeren Familienkreis mit Demut empfangen, da der Tod nun einmal unausweichlich ist und neue Gegebenheiten schafft. Verkrustete Strukturen werden hinterfragt und verändert, wenn Besitzgüter aufgeteilt werden und Abhängigkeitsverhältnisse neu definiert werden. Alte Schulden werden präsentiert, Versprechen aus der Vergangenheit warten auf ihre Einlösung und verfeindete Menschen stehen sich erstmals gegenüber, um abzurechnen, aufzurechnen und endgültig miteinander zu brechen. Dieser psychologische Stress wirkt als Katalysator all dessen, was sich teilweise über Jahrzehnte angestaut hat, wobei Dinge zur Sprache kommen, die alle Beteiligten lange beschäftigt haben und verdrängt oder vergessen wurden.

Schauspieler, die in den Edgar-Wallace-Filmen Spuren ihres Könnens hinterlassen, drücken der Erfolgsreihe ihren unverwechselbaren Stempel auf und erhalten ihrerseits ein bestimmtes Image, das sie oftmals bis ans Ende ihrer Karriere begleitet. Plakative Faktoren wie Wagemut, Hinterlist und Wahnsinn finden ebenso ihre Verkörperung wie Unschuld, Rache und Grausamkeit. So verwundert es nicht weiter, wenn die Namen im Vorspann für ein Raunen im Publikum sorgen, weil sich der Zuschauer nur allein aufgrund der Mitwirkung bestimmter Darsteller ein Bild von dem macht, was ihn erwartet. Je prominenter die Schauspieler, desto klarer sind ihre Figuren definiert, wobei der Umstand, dass Gleichungen beim Publikum meistens aufgehen, gern für Überraschungen genutzt wird, um einen neuen Täter oder eine neue Täterin zu präsentieren. Im späteren Verlauf der Populärreihe wurden neue Gesichter und junge Talente eingebaut, um nicht nur für Abwechslung zu sorgen, sondern auch um Stereotypen abzuschwächen, obwohl gerade diese Kriminalserie davon lebte wie kaum eine andere. Blaupausen von famosen Schurken, mutigen Inspektoren und anmutigen Erbinnen wurden von Film zu Film weitergereicht, nicht ohne sie leicht an den sich verändernden Publikumsgeschmack anzupassen. Dies schlug sich auch in der Auswahl der Schauspieler und Schauspielerinnen nieder, die in den ausgehenden Sechziger Jahren unkonventioneller agieren konnten. Die strikte Trennung zwischen Gut und Böse wurde aufgeweicht und beförderte so manchen Wolf im Schafspelz. Dabei kam es natürlich auch auf die Schauspielführung durch den Regisseur an, wobei Alfred Vohrer den harten Realismus von Kollege Harald Reinl durch die leichte Muse ersetzte, in der schräge Effekte und teils schlüpfriger Humor typische Akzente setzten. "Im Banne des Unheimlichen" ist ein hochwertiger Vertreter aus dieser Sparte und versteht die Balance zwischen Anspruch und Unterhaltung gut zu wahren. Die solide Basis bildet dabei eine überzeugende Geschichte, die sich - mit traditionellen Elementen angereichert - passgenau in das zeitliche Umfeld eingliedert und dadurch über eine sehr charakteristische Ausstrahlung verfügt. Der moderne Anstrich äußert sich auch in der Farbgebung, die sattes Rot und geisterhaftes Grün ebenso verwendet wie poppiges Pink und düsteres Schwarz. Angereichert mit wallendem Nebel, langen Schatten und flackerndem Feuer schaffen die optischen Reize eine schaurige Kulisse für Verbrechen, die vom Teufel selbst ersonnen zu sein scheinen und dementsprechend Angst und Schrecken verbreiten. Zudem wird die Sensationslust der modernen Medien aufs Korn genommen, die so manche Tat in prominentes Licht rückt.

Joachim Fuchsberger zeigt sich in "Im Banne des Unheimlichen" zum letzten Mal in gewohnter Rolle zwischen Draufgängertum, Fürsorge und Flirtlaune. Sein Kommissar Barth aus "Das Geheimnis der grünen Stecknadel" ist endgültig jeglicher Illusion beraubt und gönnt sich neben seiner strukturierten Arbeit keinen Gedanken an Ablenkungen irgendeiner Art. Deshalb bleibt seine Liebelei mit Siw Mattson die einmalige Gelegenheit, den gereiften Inspektor noch zwischen sanfter Ironie und sarkastischer Neugier zu erleben, wobei das ungleiche Paar jeder für sich eine Autonomie darstellt, die keines Partners bedarf. Siw Mattson wirft die Rolle der rasenden Reporterin wie einen Schal über die Schulter und zeigt ihrer Umwelt, was eine Grätsche ist. Selbstbewusst und mit den Erwartungen ihres Publikums spielend, stattet sie ihre Figur mit allerlei Farbklecksen aus. Zurückhaltender, aber dennoch gewinnend präsentieren sich Ewa Strömberg und Lil Lindfors, während die Trümpfe in der Hand von lebenserfahrenen Frauen liegen: Edith Schneider und Claude Farell dominieren ihr vorwiegend männliches Umfeld und zeichnen sich durch Argumente und Wissen aus, was ihnen Respekt und Anerkennung einbringt. Sie unterliegen nicht der Erwartungshaltung der früheren - und jüngeren - Edgar-Wallace-Heldinnen, die Aufmerksamkeit des voran preschenden männlichen Helden auf sich zu lenken, um Fröschen, Bogenschützen oder Galgenhänden zu entkommen. Nein, ihr Weg ist selbst bestimmt und sorgsam geplant. Im Gegensatz dazu sehen wir Wolfgang Kieling in panisch verworfener Selbstbeherrschung, der Hektik und Unruhe zu den Meistern seines Lebens ernennt und nach und nach sein gesamtes Umfeld mit Nervosität versorgt. Seine Wort-Duelle mit Claude Farell heizen die Atmosphäre der Bedrohung und des Misstrauens zusätzlich an, ebenso wie die aufgebrachten Dialoge von Siegfried Rauch, Wolfgang Spier und Renate Grosser. Pinkas Braun erweist sich als vorzüglicher Rätselfaktor, der durch sein distanziertes, aber entschlossenes Auftreten Zweifel sät, auf welcher Seite des Gesetzes er sich wohl aufhält. Einzig Peter Mosbacher kann als Ramiro nicht recht überzeugen, was vor allem seinem grünen maquillage geschuldet ist. Hier zeigt sich der schmale Grat zwischen Grusel und Klamauk, der im Falle des Knochenkopfes stimmig und furchteinflößend gelöst wurde. Die personifizierte Hommage an Alfred Vohrers Lieblingsrequisit ist richtungsbildend für genretypische Vertreter und trägt wesentlich zur anhaltenden Spannung bei. Kurzum: Ein Edgar Wallace ohne Verfallsdatum!

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alan_cunningham
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Re: IM BANNE DES UNHEIMLICHEN - Alfred Vohrer

Beitrag von alan_cunningham »

Nach langer Zeit habe ich mir jetzt endlich ein paar Blu-ray-Editonen bestellt. Unter anderem ist auch "Im Banne des Unheimlichen" dabei (einer meiner liebsten!). Kann jemand etwas zur Bildqualität sagen? Bei den Moneten, die ich ausgegeben habe, hoffe ich natürlich auf eine deutlich sichtbare Steigerung! :D

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Prisma
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Re: IM BANNE DES UNHEIMLICHEN - Alfred Vohrer

Beitrag von Prisma »

Aus der Edition habe ich bislang nur die beiden in Schwarzweiß gesehen, aber ich gehe schon von einer deutlichen Steigerung aus. Das war bei den anderen Filmen ja überwiedgend auch so.

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Prisma
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Re: IM BANNE DES UNHEIMLICHEN - Alfred Vohrer

Beitrag von Prisma »




Hier noch das Hauptthema von Peter Thomas & Lil Lindfors, das bei vielen Wallace-Fans hoch im Kurs liegt:



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Prisma
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Re: IM BANNE DES UNHEIMLICHEN - Alfred Vohrer

Beitrag von Prisma »



Und hier noch der schmackhafte Trailer zu einem Wallace, der als Farbfilm-Klassiker gehandelt wird:



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