DAS GEHEIMNIS DER SCHWARZEN WITWE - Franz Josef Gottlieb

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
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Maulwurf
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DAS GEHEIMNIS DER SCHWARZEN WITWE - Franz Josef Gottlieb

Beitrag von Maulwurf »

Das Geheimnis der schwarzen Witwe (Franz Josef Gottlieb, 1963) 7/10

Ein Mörder geht um in London. Der Tod kommt in Form einer vergifteten schwarzen Witwe aus Gummi, und er trifft nach und nach alle, die vor 12 Jahren mit einer Expedition nach Mexiko zu tun hatten, auf welcher der Leiter der Expedition, Professor Avery, unter mysteriösen Umständen den Tod fand. Der Sensationsreporter, Alkoholfreund und Damenverehrer Welby möchte den Fall gerne lösen, und findet ganz unverhofft die Tochter Averys, Clarisse, im Hause eines der Expeditionsmitglieder. So sehr er auch versucht weiterzukommen, ständig stößt er auf einen geheimnisvollen Gentleman, der ihm regelmäßig aus der Klemme hilft. Und immer wieder auch auf Clarisse, die nicht nur als Opfer der Mordserie in Frage kommt, sondern auch als Täterin. Denn die Schwarze Witwe muss nicht unbedingt ein Mann sein …

Warum sind die Straßen so einsam und leer?
Warum gehen die Menschen so ängstlich umher?
Es gibt eine Frau die im Dunkel der Stadt
Einen Pakt mit dem Tode geschlossen hat


Ich glaube, ich habe noch nie einen Film mit O.W. Fischer gesehen. Gar zu viele Herz-Schmerz-Filme sind in seiner Filmografie vorhanden, als dass ich mich jemals mit ihm näher hätte beschäftigen wollen. Und PETER VOSS, DER MILLIONENDIEB habe ich mit dem hinreißenden Victor de Kowa in der Verfilmung von 1946 gesehen, da gab es bisher auch keine Veranlassung zum Weiterstöbern.

Bis heute. Denn das hier ist O.W. Fischers Film! Er rockt von Anfang bis Ende den Film, dass einem der Atem stockt. Er trinkt. Er flirtet. Er sucht nach Worten. Er versprüht seinen ganzen Charme, und der Zuschauer liegt ihm zu Füßen. Er trinkt. Er prügelt sich. Nonchalant geht er mit den Vorwürfen seines Chefs um. Er lacht, er schimpft, er staunt, und er trinkt wieder. O.W. Fischer tänzelt durch den Film wie ein verliebter und wortgewaltiger Fred Astaire, und wie Astaire auch mal an der Wand oder auf Einrichtungsgegenständen getanzt hat, genauso leichtfüßig bewegt sich Fischer durch, auf und mit der Handlung. Ich hatte in fast allen seinen Szenen den Eindruck, dass er improvisiert hat, und dass er das Spiel vor laufender Kamera einfach so gestaltete wie es ihm gerade passte. Hat er sicher nicht, aber der Eindruck entsteht, und mit diesem Eindruck das Gefühl, dass er wie ein Grashüpfer von Drehbuchseite zu Drehbuchseite fliegt und den Film im Alleingang mal eben so nebenher mitnimmt. Bewundernswert! Hinreißend! Gottgleich …

Ja ja, andere Schauspieler spielen auch mit. Doris Kirchner ist mir aufgefallen und hat einige ganz starke Momente, Klaus Kinski ist Klaus Kinski und kommt hier ebenfalls eindrucksvoll und sogar ansatzweise charmant(!) rüber, und Eddi Arent hat ein paar denkwürdige Dialoge mit O.W. Fischer. Fernando Sancho kann in einer frühen Rolle entdeckt werden, und das Lied der Sängerin Belina ist hochgradig gänsehautverdächtig. Aber sonst?
Es gibt einige ganz feine Momente, wenn die Kamera außer Rand und Band gerät und gerne durch Gegenstände hindurchschaut, was immer einen geheimnisvollen Rahmen um die Figuren spinnt. Auch gibt es da eine Sequenz mit Karin Dor, die auf ihren Stöckelschuhen durch das nächtliche London stackt, und außenrum hat es Schatten und Geräusche und jede Menge Gänsehaut. Ein starker Noir-Moment, und von solchen Momenten lebt der Film, denn einerseits konnte ein Wallace-Epigone im Jahr 1963 nur bedingt visuelle Spielereien einsetzen, und zum anderen war Franz Josef Gottlieb zwar ein fließiger und solider Filmregisseur, aber er war auch beileibe kein Erneuerer. Kein Alfred Vohrer und schon gar kein Rolf Olsen, sondern ein Handwerker mit einem Händchen für publikumswirksame Filme. Was bitte nicht negativ zu verstehen ist! Auch die muss es geben. Aber dadurch wirkt halt die ein oder andere Szene doch manchmal etwas … bieder. Oder zumindest könnte es das, wenn da nicht O.W. Fischer wäre, der wie ein Wirbelwind durch das Drehbuch fegt und allen angestaubten Mief einfach beiseite bläst …

Die Musik gehört nicht zu Martin Böttchers besten Arbeiten, nur das bereits erwähnte Titelstück kann sich neben Evergreens wie Elisabeth Flickenschildts Besonders in der Nacht (aus DAS GASTHAUS AN DER THEMSE) locker behaupten:

Es gibt eine Frau, die im Dunkel der Stadt
Gedanken von Hass und Verderben hat.
Sie tötet im Schatten und meidet das Licht
Und niemand kennt ihr Gesicht

Und niemand weiß wie das geschah
Weil keiner mehr lebt der sie einmal sah
Die schwarze Witwe, wer ist diese Frau?
Sie findet ihr Opfer und trifft sehr genau


Und während Belina dies singt gibt es auf dem Bildschirm bzw. der Leinwand einen wahrhaft magischen Moment: Die Kamera zeigt die Augen von Karin Dor, die Augen von O.W. Fischer, die Augen von Belinda. Sie streift durch den Nachtclub und zeigt Blitzlichter der Gäste, doch immer wieder kommt sie zurück zu den Hauptdarstellern und konzentriert sich auf sie. In Großaufnahme. In absoluter Konzentration. Noch näher. Noch geheimnisvoller …

Und für einen kurzen Moment sprengt Gottlieb das Korsett des deutschen Nachkriegskrimis und driftet in filmische Sphären, die eigentlich Regisseuren wie Sergio Leone vorbehalten waren. Magisch!

Die 7-kleine-Negerlein-Geschichte ist dann auch noch da, aber die Innovation hält sich doch einigermaßen in Grenzen. Punktabzug gibt es von meiner Seite dafür, dass gegen Ende irgendwie die Linie verloren geht und die Story sich etwas verläuft. Aber mei, man kann nicht alles haben, und spannend ist das Ganze ja schlussendlich doch erzählt. Spannend, und vor allem: Leichtfüßig. Als Alternative zu den regulären Wallace-Filmen ist die SCHWARZE WITWE damit absolut zu empfehlen!

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Prisma
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Re: DAS GEHEIMNIS DER SCHWARZEN WITWE - Franz Josef Gottlieb

Beitrag von Prisma »



"Das Geheimnis der schwarzen Witwe" entstand 1963 in deutsch-spanischer Koproduktion und nicht selten konnten derartige Kollaborationen für die nötige Abwechslung rund um das gängige Krimi-Fließband sorgen. Regisseur Franz Josef Gottlieb inszeniert spannend, flüssig und actionreich, außerdem kann die exzellente Bildgestaltung zu einer ganz besonderen Atmosphäre der Bedrohung beitragen. Gerade in dieser Produktion lassen sich viele unkonventionelle Variationen feststellen, die allerdings eine sehr ansprechende Allianz mit handelsüblichen Ansätzen eingehen. Die Geschichte um die gefährliche Titelfigur nimmt immer wieder sehr nebulöse, beinahe exotische Züge an, hält daher stets bei Laune, da ihr Geheimnis trotz der wenigen, tatsächlich Hauptverdächtigen bis zum Ende hin aufrecht erhalten werden kann. Bewährte Stars der Wallace-Reihe geben sich hier die Klinke mit neuen Gesichtern, beziehungsweise einmaligen Gastauftritten in die Hand. O. W. Fischer will bereits im Vorfeld nur wenig in die Schablone des unfreiwilligen Ermittlers passen, allerdings kann der Österreicher mit seinem Mut punkten, eine in dieser Fasson noch kaum dagewesene Figur zu kreieren. Eine beherrscht und geheimnisvoll wirkende Karin Dor hat ohne jeden Zweifel eine ihrer interessantesten Auftritte im Schwarzweiß-Krimi dieser Zeit. Des Weiteren bleiben vor allem Doris Kirchner, Claude Farell und Werner Peters in Erinnerung, auch die Darsteller von spanischer Seite leisten Überdurchschnittliches bis Ambivalentes. Abgerundet durch Belinas düsteres und mystisch anmutendes Chanson "Die schwarze Witwe" entsteht ein durchgehend dichtes Flair, welches sich in einem gelungenen Finale entlädt. Daher ist "Das Geheimnis der schwarzen Witwe" immer wieder gerne und vor allem häufig gesehen und bleibt unterm Strich einer der persönlichen Lieblingsbeiträge des Krimis dieses vielfältigen Zeitfensters.

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Count Yorga
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Re: DAS GEHEIMNIS DER SCHWARZEN WITWE - Franz Josef Gottlieb

Beitrag von Count Yorga »

IFB Filmprogramm
schwarze_witwe.jpg
:hut:

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Prisma
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Re: DAS GEHEIMNIS DER SCHWARZEN WITWE - Franz Josef Gottlieb

Beitrag von Prisma »

Count Yorga hat geschrieben:
Fr., 14.01.2022 19:37
IFB Filmprogramm
+W.jpg

Dieses Motiv auf dem IFB Filmprogramm mochte ich schon immer besonders gern, obwohl ja eigentlich nichts dargestellt wird, das wirklich spektakulär wäre. Es liegt vermutlich an den zwei Szenen, beziehungsweise Situationen, die auf dem Bild zu einer simuliert werden: Karin Dor steht entschlossen mit Revolver im Raum, es sieht aus, als richte sie ihn auf O.W. Fischer, der allerdings nur teilnahmslos, beinahe andächtig in die Gegend starrt. :D

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Count Yorga
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Re: DAS GEHEIMNIS DER SCHWARZEN WITWE - Franz Josef Gottlieb

Beitrag von Count Yorga »

Es ist natürlich ein aus zwei Filmszenen zusammengestelltes Motiv, das nicht wirklich passend ist.
Aber immerhin sind es tatsächlich Filmszenen (was ja bei Titelbildern von Filmprogrammen nicht immer der Fall war).
:hut:

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