● SPERRBEZIRK / SPERRBEZIRK - DAS GESCHÄFT MIT DER UNMORAL (D|1966)
mit Harald Leipnitz, Suzanne Roquette, Rudolf Schündler, Karl Stepanek, Guido Baumann, Christian Rode, Dagmar Lassander,
Helga Zeckra, Ursula van der Wielen, Christina von Falz-Fein, Ernst Neubach, Max Nosseck, Ralf Gregan, Hans Bergmann, u.a.
als Gäste Ingeborg Schöner, Bruce Low, Mary Roos, Hans Clarin, Barbara Valentin und Ruth Maria Kubitschek
eine Produktion der Ernst Neubach Film | UFA International | im Gloria Filmverleih
nach dem gleichnamigen Roman von Ernst Neubach
ein Film von Will Tremper
»Dass ich den Sperrbezirk nicht erfunden habe, das wissen sogar die Nutten!«
Ann (Suzanne Roquette) arbeitet als Bedienung in einem Autokino und hat wie viele Mädchen ihres Alters Träume von einem unbeschwerten Leben. Als sie eines Tages Bernie Kallmann (Harald Leipnitz) kennenlernt, verliebt sie sich Hals über Kopf in den smarten Verführer, der mit ihr allerdings nur eines im Sinn hat: Ann soll für ihn in einer seiner Wohnungen anschaffen. Obwohl sie sich innerlich sträubt, sind die Gefühle für Bernie stärker und sie fügt sich in ihr neues Schicksal, zumal sie glaubt, dass er in gravierenden finanziellen Schwierigkeiten steckt, aus denen sie ihm heraushelfen muss...
Wie es scheint, hat es Skandale im Sperrbezirk wohl schon immer gegeben, und unter Gelegenheitsregisseur Will Tremper kommt es zwar zu keiner revolutionären Auslegung der Geschichte aus der Welt der Unmoral, aber zu unterschiedlichen Grundvoraussetzungen, die in anderen Filmen nicht zu finden sind. Tremper verfügte über besondere Connections zu Schauspielern, was sich in seinen wenigen Filmen überdeutlich zeigt, diese daher zu regelrechten Happenings macht, auch wenn die Bearbeitung eher einmal herkömmlich erscheint. "Sperrbezirk" zeigt im Rahmen des Konkurrenzkampfes mit Artgenossen keine signifikanten Schwächen und kann zunächst mit einer sehr frischen Herangehensweise punkten. Will Tremper versucht es mit einem frappanten Realismus der Straße, den man seinen Personen in ganz unbestimmter Weise abnimmt, auch wenn es hier und dort zu einigen Überzeichnungen kommt. Das wohl älteste Gewerbe der Welt verfügt naturgemäß auch über die ältesten Geschichten und Maschen der Welt, die sich allerdings niemals abnutzen werden, da Naivität und zu wenig Vorstellungskraft sowie mangelnde Erfahrung die Geschäfte derer begünstigen, denen andere völlig egal sind. In einer Bar hält die männliche Hauptperson Ausschau nach sogenanntem Frischfleisch, bis im etliche gut zurecht gemachte Objekte ins Auge fallen, die potenziell für ihn anschaffen könnten. Sogar die dort tanzende Barbara Valentin - die sich in ihrem kurzen Auftritt selbst spielt - wird ins Visier genommen, bis sich Suzanne Roquette in den Fokus aller Beteiligten tanzt. Ihre Schönheit ist auffällig, ihre Ausgelassenheit ansteckend, außerdem lässt sie sich nach kürzester Zeit um den Finger wickeln. Für die in Weimar geborene Interpretin war es nach drei kleineren Rollen die erste große Hauptrolle, die sie offensichtlich Will Trempers Experimentierfreudigkeit und Gespür für den toast of the town - quasi die neuste Neuentdeckung - zu verdanken hatte. So werden es hier am Ende nicht die bereits arrivierten Stars oder Überraschungsgäste sein, die "Sperrbezirk" am eindrücklichsten formen, sondern primär Suzanne Roquette, deren Karriere hierzulande leider nie richtig in Gang kam.
Das Geschäftsmodell des Bernie Kallmann ist denkbar einfach, denn er trumpft mit irgendetwas zwischen Charme und Unverfrorenheit auf, bis die Auserkorene nicht mehr anders kann, sich in den so anders wirkenden Mann zu verlieben. Glücklicherweise besitzt er eine Beteiligung an einem Appartementhaus, wo Ann ohne Probleme für ihn anschaffen kann, nachdem sie zugeritten wurde. Das Publikum erlebt einen erstaunlichen Prozess bei der jungen Frau, die bis vor Kurzem noch in einem Autokino gearbeitet hat, denn sie verliebt sich Hals über Kopf in ihren designierten Zuhälter, den sie ehrfurchtsvoll Bernhard nennt, und seinen Spitznamen ablehnt, wie der Teufel das Weihwasser. Sie sieht in ihm etwas ganz Besonderes und würde alles für ihn tun, auch wenn ihr dabei übel wird. Im Spektrum diverser Abhängigkeiten toxischer Beziehungen lässt sich ein Abstieg miterleben, der aufgrund der Bereitwilligkeit tragisch wirkt. Um den Zuschauer bei Laune zu halten und das Geschehen nicht zu kopflastig wirken zu lassen, wird man mit Bernies Machenschaften und dessen Helfershelfern vertraut gemacht, die alle wie ein Uhrwerk zu funktionieren haben, solange sich jeder selbst der Nächste sein darf. Will Tremper inszeniert rasant und streckenweise mit der nötigen Provokation, die ein solcher Beitrag als Aushängeschild nötig hat, wenngleich man hier und da gerne noch mehr auf die Tube hätte drücken dürfen. Interessant und faszinierend bleibt die empfundene Realitätsnähe, die sich vor allem in den Schauplätzen und unwichtigen Details finden lässt, wenngleich man thematisch vielleicht einige Märchen erzählt bekommt, weil sie in erster Linie publikumswirksam erscheinen. Die herbe Schwarzweiß-Fotografie setzt zahlreiche Kontraste und bringt eine Schwere in das Szenario, die die sich langsam entfaltende Brisanz unterstreicht. Da der Film über sehr greifbare Charaktere verfügt, die von den Interpreten je nach Situation leichtfüßig bis schwermütig dargestellt werden, kommt vor allem dann Stimmung auf, wenn es ordentlich zur Sache geht, doch leider bleibt der Verlauf an wichtigen Stellen zu beliebig und verhalten, insbesondere dann, wenn man einschlägige Vergleiche zieht.
Nichtsdestotrotz werden Fans von Will Trempers Herangehensweise in besonderem Maß zufriedengestellt, da sein Hauptaugenmerk in einer Art und Weise auf den beteiligten Personen haften bleibt, bis man seinen Blick nicht mehr von ihnen abwenden kann. Harald Leipnitz war zu dieser Zeit längst ein glaubwürdiger Kandidat, beide Seiten des Gesetzes zu bedienen und er schafft es sogar, nicht komplett wie der letzte Dreck zu wirken, was möglicherweise an den völlig unkritischen Anwandlungen von Suzanne Roquette liegt, die ihn wie einen Heiligen anbetet. In diesem Abhängigkeitsverhältnis lässt sich aber auch der brisante Kern der kompletten Geschichte finden, zumal die meisten Opfer sich nicht als solche ansehen, sondern als barmherzige Samariterinnen, die alles daran setzen, ihre Illusionen in Wirklichkeit zu verwandeln. Will Tremper jedoch zeigt andere Bilder der blanken Realität, die banden- oder syndikatsähnlichen Strukturen gleichen, dabei wenig Rücksicht auf potenzielle und tatsächliche Verluste nehmen. Die Brutalität bleibt in großen Teilen unterschwellig vorhanden und spielt sich eher im Rahmen seelischer Grausamkeiten ab, bis es zu erwarteten Gewaltexzessen kommt, die eine Katastrophe andeuten. Wie immer fragt man sich, für wen diese am schlimmsten enden wird, aber es entsteht genügend Spannung und Reiz, diese Geschichte als gelungen einzustufen. Sehr gute Leistungen bieten Rudolf Schündler, Christian Rode und Karl Stepanek, aber auch die leichten Mädchen zeigen sich von ihrer wahlweise ordinären Seite. Ebenfalls interessant ist die Liste der Gäste - bei Tremper wie üblich üppig und prominent gefüllt - unter denen sich selbst Interpreten finden, die im Vorspann nicht angekündigt sind. "Sperrbezirk" gehört in erster Linie zu den Tremper'schen Juwelen, die in unkonventioneller Art und Weise auch heute noch zu leuchten vermögen, aber leider zu Unrecht in Vergessenheit geraten sind, denn es bietet sich ein interessanter Blick zurück nach vorn. Schöne Bilder, krude Szenen, schwere Jungs und leichte Mädchen verhelfen diesem Sittenreißer zu einem sehr guten, um nicht zu sagen handfesten Eindruck, der immerhin auch heute noch griffig und in Teilen aktuell wirkt.