"Klaus Fuchs - Geschichte eines Atom-Verrats" (Deutschland 1965)
mit: Robert Graf, Josef Meinrad, Paul Hoffmann, Kurt Ehrhardt, Walter Rilla, Werner Peters, Alwy Becker, Margot Trooger, Jürgen Goslar, Rosemarie Fendel, Joachim Teege, Friedrich Georg Beckhaus, Walo Lüönd, Gisela Hoeter, Doris Schade, Marion Jacob u.a. | Drehbuch: Maria Matray und Answald Krüger nach Originalunterlagen des US-Geheimdienstes | Regie: Ludwig Cremer
Der deutsche Kernphysiker Dr. Klaus Fuchs arbeitet seit Jahren im englischen Atomforschungszentrum Harwell. Kurz vor Beginn des Zweiten Weltkriegs musste er seine Heimat wegen seiner kommunistischen Ansichten verlassen und konnte sein Studium in England fortsetzen. Als er seinen Kollegen Captain Arnold davon in Kenntnis setzt, dass sein Vater, ein Pastor, nach Leipzig abberufen werden soll, wird das Institut hellhörig und vermutet, dass Fuchs hinter jenen Spionagetätigkeiten steckt, die vor kurzem bekannt wurden und durch welche die Sowjetunion geheime Forschungsergebnisse erhielt. Der britische Geheimdienst beauftragt William J. Skardon damit, den Physiker zu verhören, ohne dass dieser Verdacht schöpft und heimlich das Land verlässt....
Verräter gelten gemeinhin als besonders perfide Verbrecher, weil sie das in sie gesetzte Vertrauen missbrauchen und Personen, die ihnen Zugang zu geheimen Informationen gewähren, hintergehen. Oftmals wiegt die menschliche Enttäuschung schwerer als der Verlust von Daten, Papieren oder Ideen, die nicht selten einen Wissensvorsprung darstellen und für die Geschädigten Millionen an Geldern oder - im schlimmsten Fall - Menschenleben bedeuten. Der Kalte Krieg mit seinen Spionen, Agenten und Doppelagenten bietet hier reichlich Stoff für cineastische oder televisionäre Spannung, ganze Fernsehreihen wie z.B. "Die fünfte Kolonne" haben sich mit diesem brisanten Thema befasst, politische Schulung gleich inklusive. Produzent Helmut Ringelmann, der zwei Jahre später seine eigene Firma, die Neue Münchner Fernsehproduktion gründen sollte, verbindet mit "Klaus Fuchs - Geschichte eines Atomverrats" aktuelle und zeitgeschichtliche Elemente zu einem intellektuell anregenden Zweiteiler, der die Köpfe des Publikums rauchen lässt und sich mit Aspekten auseinander setzt, die selten so offen im deutschen Fernsehen angesprochen wurden. Die Rolle des deutschen Emigranten, der seine alte Heimat verlassen musste und in England zwar eine geistige Wirkungsstätte, nicht jedoch einen vorbehaltslosen Ruhepol fand, wird von mehreren Standpunkten aus beleuchtet und wagt es, Dinge zu hinterfragen, die aus Gründen der allgemeinen Dankbarkeit gegenüber einem Gastland häufig unterbleiben. Die Jagd nach dem Maulwurf wird mit britischem Understatement vorgenommen, wobei das Opfer zunächst in geheimer Runde argumentativ auf Herz und Nieren geprüft wird, um sich gegen eventuelle Irrtümer abzusichern. Bald schon verlagert sich der Schwerpunkt auf die beiden Hauptakteure, den Physiker und den Geheimdienstmann, die das Leben von Dr. Fuchs in verbalen und visuellen Rückblenden aufrollen und die Beweggründe für sein Handeln eruieren. Der Schlagabtausch wird mit Disziplin und Präzision abgewickelt und lange Zeit sieht es so aus, als könne den Wissenschaftler keine Frage aus der Reserve locken, so gefestigt wirken seine Selbstbeherrschung und die Offenheit seiner Antworten. Immer wieder holt der Investigateur zu einem neuen rhetorischen Angriff aus, während der Kernphysiker aus der Kraft seiner Profession schöpft, die ihn zu einem Mann der Fakten und nicht der Emotionen werden ließ. Die Fragen werden zu Vorwürfen und Unterstellungen, die das Gegenüber mit voller Wucht treffen sollen, doch Dr. Fuchs bleibt standhaft. Vorerst. Noch hält die Festung.
Robert Graf und Josef Meinrad stellen die Kontrahenten, deren Absichten wie zwei parallele Schienenstränge lange Zeit nebeneinanderlaufen, bis sie sich dann unerwartet doch kreuzen und es zu Offenbarungen kommt, die den Spionagefall von hinten aufrollen. Der Zuschauer stellt zufrieden fest, dass sich hier zwei ebenbürtige Gegner begegnen, auf deren intensivem Spiel der Fokus liegt, ohne dabei außen vor zu lassen, dass das Fernsehspiel mit einem überaus prominent besetzten Ensemble aufwartet. Kurt Ehrhardt stellt das loyale Bindeglied zwischen seinem Freund und seinen Kollegen und Vorgesetzten dar, wobei sich hier besonnene Denker, vorsichtige Taktiker und misstrauische Zweifler in Gestalt des seriösen Paul Hoffmann, des forschen Werner Peters und des ergebnisorientierten Walter Rilla versammeln. Alwy Becker gibt die quirlige Frau zum Pferdestehlen, die sich in der Bewunderung ihrer männlichen Umgebung sonnt, während Margot Trooger eine ganz andere Aufgabe zukommt. Als Agentin hat sie einen kurzen Auftritt, den sie ebenso ernsthaft gestaltet wie es ihrer Rolle entspricht, was ihre herbe Ausstrahlung unterstreicht und der Riege der schwatzhaften Damen von Harwell einen kalten Realismus entgegensetzt. Robert Graf entfaltet seinen Charakter in nachhaltiger Weise, wobei er seine Figur mit Attributen ausstattet, die ihr mehr und mehr Verständnis für eine zunächst befremdliche Haltung abringen und das Publikum für Dr. Fuchs einnehmen. Die Verdichtung der Atmosphäre gelingt aus der reinen darstellerischen Kunst, die hier in besonderem Maße im Vordergrund steht und ohne große Hilfsmittel auskommt. Nichtsdestoweniger wurden authentische Schauplätze gewählt, welche die Personen aus der klaustrophobischen Enge der Büros immer wieder ins Freie führen, sei es nun auf die Pferdekoppel, in einen Park, auf ein Industriegelände oder auf Londons belebte Straßen. Die ruhige Erzählweise gewinnt durch die geschliffenen Dialoge des eingespielten Autorenpaares Matray/Krüger an Tiefe und fordert dem Zuseher einen hohen Grad an Aufmerksamkeit ab. Die Materie erhält durch die engagierten Darsteller das Potenzial eines Kriminalstückes mit politischer Botschaft, das sich bemüht, zu differenzieren und auf die Identifikation mit den überzeugend aufspielenden Mimen vertraut. Ludwig Cremer, der seine Schauspieler präzise choreografiert einsetzt, zeigt, dass mit minimalem Aufwand viel erreicht werden kann, wenn die Beteiligten für das Thema brennen und es gelingt, das Interesse des Zusehers zu fesseln. Ein gelungenes Lehrstück in Argumentations- und Verhandlungsstrategien.
mit: Robert Graf, Josef Meinrad, Paul Hoffmann, Kurt Ehrhardt, Walter Rilla, Werner Peters, Alwy Becker, Margot Trooger, Jürgen Goslar, Rosemarie Fendel, Joachim Teege, Friedrich Georg Beckhaus, Walo Lüönd, Gisela Hoeter, Doris Schade, Marion Jacob u.a. | Drehbuch: Maria Matray und Answald Krüger nach Originalunterlagen des US-Geheimdienstes | Regie: Ludwig Cremer
Der deutsche Kernphysiker Dr. Klaus Fuchs arbeitet seit Jahren im englischen Atomforschungszentrum Harwell. Kurz vor Beginn des Zweiten Weltkriegs musste er seine Heimat wegen seiner kommunistischen Ansichten verlassen und konnte sein Studium in England fortsetzen. Als er seinen Kollegen Captain Arnold davon in Kenntnis setzt, dass sein Vater, ein Pastor, nach Leipzig abberufen werden soll, wird das Institut hellhörig und vermutet, dass Fuchs hinter jenen Spionagetätigkeiten steckt, die vor kurzem bekannt wurden und durch welche die Sowjetunion geheime Forschungsergebnisse erhielt. Der britische Geheimdienst beauftragt William J. Skardon damit, den Physiker zu verhören, ohne dass dieser Verdacht schöpft und heimlich das Land verlässt....
Verräter gelten gemeinhin als besonders perfide Verbrecher, weil sie das in sie gesetzte Vertrauen missbrauchen und Personen, die ihnen Zugang zu geheimen Informationen gewähren, hintergehen. Oftmals wiegt die menschliche Enttäuschung schwerer als der Verlust von Daten, Papieren oder Ideen, die nicht selten einen Wissensvorsprung darstellen und für die Geschädigten Millionen an Geldern oder - im schlimmsten Fall - Menschenleben bedeuten. Der Kalte Krieg mit seinen Spionen, Agenten und Doppelagenten bietet hier reichlich Stoff für cineastische oder televisionäre Spannung, ganze Fernsehreihen wie z.B. "Die fünfte Kolonne" haben sich mit diesem brisanten Thema befasst, politische Schulung gleich inklusive. Produzent Helmut Ringelmann, der zwei Jahre später seine eigene Firma, die Neue Münchner Fernsehproduktion gründen sollte, verbindet mit "Klaus Fuchs - Geschichte eines Atomverrats" aktuelle und zeitgeschichtliche Elemente zu einem intellektuell anregenden Zweiteiler, der die Köpfe des Publikums rauchen lässt und sich mit Aspekten auseinander setzt, die selten so offen im deutschen Fernsehen angesprochen wurden. Die Rolle des deutschen Emigranten, der seine alte Heimat verlassen musste und in England zwar eine geistige Wirkungsstätte, nicht jedoch einen vorbehaltslosen Ruhepol fand, wird von mehreren Standpunkten aus beleuchtet und wagt es, Dinge zu hinterfragen, die aus Gründen der allgemeinen Dankbarkeit gegenüber einem Gastland häufig unterbleiben. Die Jagd nach dem Maulwurf wird mit britischem Understatement vorgenommen, wobei das Opfer zunächst in geheimer Runde argumentativ auf Herz und Nieren geprüft wird, um sich gegen eventuelle Irrtümer abzusichern. Bald schon verlagert sich der Schwerpunkt auf die beiden Hauptakteure, den Physiker und den Geheimdienstmann, die das Leben von Dr. Fuchs in verbalen und visuellen Rückblenden aufrollen und die Beweggründe für sein Handeln eruieren. Der Schlagabtausch wird mit Disziplin und Präzision abgewickelt und lange Zeit sieht es so aus, als könne den Wissenschaftler keine Frage aus der Reserve locken, so gefestigt wirken seine Selbstbeherrschung und die Offenheit seiner Antworten. Immer wieder holt der Investigateur zu einem neuen rhetorischen Angriff aus, während der Kernphysiker aus der Kraft seiner Profession schöpft, die ihn zu einem Mann der Fakten und nicht der Emotionen werden ließ. Die Fragen werden zu Vorwürfen und Unterstellungen, die das Gegenüber mit voller Wucht treffen sollen, doch Dr. Fuchs bleibt standhaft. Vorerst. Noch hält die Festung.
Robert Graf und Josef Meinrad stellen die Kontrahenten, deren Absichten wie zwei parallele Schienenstränge lange Zeit nebeneinanderlaufen, bis sie sich dann unerwartet doch kreuzen und es zu Offenbarungen kommt, die den Spionagefall von hinten aufrollen. Der Zuschauer stellt zufrieden fest, dass sich hier zwei ebenbürtige Gegner begegnen, auf deren intensivem Spiel der Fokus liegt, ohne dabei außen vor zu lassen, dass das Fernsehspiel mit einem überaus prominent besetzten Ensemble aufwartet. Kurt Ehrhardt stellt das loyale Bindeglied zwischen seinem Freund und seinen Kollegen und Vorgesetzten dar, wobei sich hier besonnene Denker, vorsichtige Taktiker und misstrauische Zweifler in Gestalt des seriösen Paul Hoffmann, des forschen Werner Peters und des ergebnisorientierten Walter Rilla versammeln. Alwy Becker gibt die quirlige Frau zum Pferdestehlen, die sich in der Bewunderung ihrer männlichen Umgebung sonnt, während Margot Trooger eine ganz andere Aufgabe zukommt. Als Agentin hat sie einen kurzen Auftritt, den sie ebenso ernsthaft gestaltet wie es ihrer Rolle entspricht, was ihre herbe Ausstrahlung unterstreicht und der Riege der schwatzhaften Damen von Harwell einen kalten Realismus entgegensetzt. Robert Graf entfaltet seinen Charakter in nachhaltiger Weise, wobei er seine Figur mit Attributen ausstattet, die ihr mehr und mehr Verständnis für eine zunächst befremdliche Haltung abringen und das Publikum für Dr. Fuchs einnehmen. Die Verdichtung der Atmosphäre gelingt aus der reinen darstellerischen Kunst, die hier in besonderem Maße im Vordergrund steht und ohne große Hilfsmittel auskommt. Nichtsdestoweniger wurden authentische Schauplätze gewählt, welche die Personen aus der klaustrophobischen Enge der Büros immer wieder ins Freie führen, sei es nun auf die Pferdekoppel, in einen Park, auf ein Industriegelände oder auf Londons belebte Straßen. Die ruhige Erzählweise gewinnt durch die geschliffenen Dialoge des eingespielten Autorenpaares Matray/Krüger an Tiefe und fordert dem Zuseher einen hohen Grad an Aufmerksamkeit ab. Die Materie erhält durch die engagierten Darsteller das Potenzial eines Kriminalstückes mit politischer Botschaft, das sich bemüht, zu differenzieren und auf die Identifikation mit den überzeugend aufspielenden Mimen vertraut. Ludwig Cremer, der seine Schauspieler präzise choreografiert einsetzt, zeigt, dass mit minimalem Aufwand viel erreicht werden kann, wenn die Beteiligten für das Thema brennen und es gelingt, das Interesse des Zusehers zu fesseln. Ein gelungenes Lehrstück in Argumentations- und Verhandlungsstrategien.